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VwGH vom 25.01.1984, 83/03/0112

VwGH vom 25.01.1984, 83/03/0112

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leibrecht und die Hofräte Dr. Pichler, Dr. Baumgartner, Dr. Weiss und Dr. Leukauf als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schwaighofer, über die Beschwerde des H K in S , vertreten durch Dr. Roger Haarmann, Rechtsanwalt in Liezen, Rathausplatz 4, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom , Zl. VerkR-19.543/2-1983-II/Si, betreffend Übertretung des Kraftfahrgesetzes 1967, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 8.210,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems vom wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am um 17.00 Uhr einen dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw zur Tankstelle G nach Spital am Pyhrn auf Straßen mit öffentlichem Verkehr gelenkt, obwohl er nicht im Besitz der hiefür erforderlichen Lenkerberechtigung sei. Er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 64 Abs. 1 in Verbindung mit § 134 Abs. 1 KFG 1967 begangen. Gemäß § 134 Abs. 1 KFG 1967 wurde gegen den Beschwerdeführer eine Geldstrafe in der Höhe von S 5.000,-- (Ersatzarreststrafe 240 Stunden) verhängt.

Zur Begründung wurde ausgeführt, die im Spruch angeführte Verwaltungsübertretung sei durch die dienstliche Wahrnehmung des Gendarmeriebeamten S. des Gendarmeriepostenkommandos Spital am Pyhrn als erwiesen anzusehen. Der Beschwerdeführer habe vorerst anlässlich seiner Vernehmung bei der Gendarmerie angegeben, dass seine Ehegattin den Pkw gelenkt habe, er habe aber schließlich doch ein Geständnis abgelegt. Seinem Geständnis habe er jedoch anlässlich seiner Vernehmung beim Gemeindeamt E. hinzugefügt, dass er den Pkw lediglich vom Privatparkplatz (wo das Fahrzeug abgestellt gewesen sei) bis zur Tankstelle G (ebenfalls Privatgrund) gelenkt habe. Er sei daher der Meinung, keine Übertretung nach dem Kraftfahrgesetz 1967 begangen zu haben. Der Ansicht des Beschwerdeführers habe aber nicht gefolgt werden können, da eine Tankstelle und auch die dort befindliche Verkehrsfläche als öffentlich im Sinne des § 1 KFG anzusehen seien, zumal diese von jedermann unter den gleichen Bedingungen benützt werden können. Die dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Verwaltungsübertretung habe daher in freier Beweiswürdigung als erwiesen angesehen werden können.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 im Zusammenhalt mit § 24 VStG 1950 abgewiesen und das Straferkenntnis der Erstbehörde sowohl hinsichtlich des Schuldspruches als auch der verhängten Strafe bestätigt.

Zur Begründung wurde ausgeführt, in dem von der belangten Behörde durchgeführten ergänzenden Ermittlungsverfahren sei festgestellt worden, dass sich die Ehegattin des Beschwerdeführers zum Tatzeitpunkt zu Hause aufgehalten habe, weshalb sie den Pkw gar nicht gelenkt haben konnte und dass die diesbezüglichen Angaben des Beschwerdeführers nicht den Tatsachen entsprechen. Angesichts dieser Umstände habe der Beschwerdeführer in seiner Niederschrift vom schließlich zugegeben, das Fahrzeug gelenkt zu haben, wobei er jedoch eingeschränkt habe, er habe es nicht in Betrieb gesetzt, das heiße, nicht gestartet, sondern lediglich geschoben. Zu dieser Rechtfertigung sei festzustellen, dass § 64 Abs. 1 KFG 1967 nicht auf das Inbetriebsetzen bzw. "Starten" eines Fahrzeuges abstellt, sondern lediglich auf das tatsächliche Lenken eines Fahrzeuges. Dass der Beschwerdeführer das Fahrzeug gelenkt habe, auch wenn er es - was zwar ziemlich unwahrscheinlich erscheine - lediglich geschoben haben will, habe selbst der Beschwerdeführer zugegeben. Somit habe er eindeutig gegen § 64 Abs. 1 KFG verstoßen.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Das von § 64 Abs. 1 KFG 1967 erfasste Verhalten wird in dieser Gesetzesbestimmung - lediglich - mit dem Ausdruck "das Lenken eines Kraftfahrzeuges" umschrieben. Anders als § 5 Abs. 1 StVO, in dem das unter der Voraussetzung eines durch Alkohol beeinträchtigten Zustandes unzulässige Verhalten mit den Worten "weder lenken noch in Betrieb nehmen" umschrieben ist, stellt § 64 Abs. 1 KFG somit nicht auf Zweiaktigkeit ab und wirft somit auch nicht die Frage nach der begrifflichen Wechselbeziehung der auf zwei gesondert erfasste Verhaltensweisen abgestellten Tatbestände auf. (Vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom , Slg. Nr. Nr. 6143/A, und vom , Slg. Nr. 6164/A.)

Nach § 102 Abs. 12 KFG, in der Fassung der 4. KFG-Novelle, BGBl. Nr. 615/1977, kann zwar Gegenstand der dort vorgesehenen hindernden Maßnahmen das "Lenken oder" die "Inbetriebnahme" sein.

§ 102 Abs. 12 KFG knüpft jedoch an verschiedene anderweitige Tatbestände, etwa an das "Verwenden" im Sinne des § 36 KFG an. Im Hinblick auf diese, nicht speziell auf § 64 Abs. 1 KFG abgestellte und darüber hinaus den § 64 Abs. 1 KFG nicht zur Gänze, sondern nur hinsichtlich des zweiten Halbsatzes betreffende Tatbestandsbezogenheit der Eingangsworte des § 102 Abs. 12 KFG verbietet es sich, dem § 64 Abs. 1 KFG, dem für den Bereich des Kraftfahrrechtes zentrale Bedeutung zukommt, eine etwa aus den Eingangsworten des § 102 Abs. 12 KFG abgeleitete Bedeutung beizumessen. Vielmehr ist die Auslegung dieser Bestimmung, soweit sie sich auf das Lenken im Sinne des zweiten Halbsatzes des § 64 Abs. 1 erster Satz KFG bezieht, am normativen Gehalt des § 64 Abs. 1 KFG auszurichten.

Da sich im Anwendungsbereich des § 64 KFG somit das Erfordernis einer begrifflichen Abgrenzung gegenüber dem "In-Betrieb-Nehmen" nicht ergibt, ist unter "Lenken eines Kraftfahrzeuges" im Sinne dieser Gesetzesstelle schlechterdings die Betätigung der hiefür vorgesehenen Einrichtung eines in Bewegung befindlichen Kraftfahrzeuges zu verstehen, wobei es gleichgültig ist, ob der Antriebsmotor in Bewegung ist oder nicht. (Siehe hiezu zum diesbezüglich gleichen Begriffsinhalt des "Lenkens" in § 5 Abs. 1 StVO das hg. Erkenntnis vom , Slg. Nr. 7094/A.)

Wenn in § 105 Abs. 7 lit. e KFG auf den "Lenker" nicht nur des schiebenden, sondern auch des geschobenen Kraftfahrzeuges Bezug genommen und auch von diesem Lenker, nämlich des geschobenen Kraftfahrzeuges, der Besitz der erforderlichen Lenkerberechtigung verlangt wird, wird insofern - im Rahmen einer zusammenfassenden Festlegung der Voraussetzungen für das Schieben von Kraftfahrzeugen mit Kraftfahrzeugen - eine der allgemeinen Regelung des § 64 Abs. 1 KFG entsprechende Regelung für einen Sonderfall des Geschoben-Werdens getroffen und solcherart lediglich eine Klarstellung gegenüber der Regelung des § 105 Abs. 3 KFG über die bei abzuschleppenden Kraftfahrzeugen, die gelenkt werden, erforderliche Lenkerberechtigung vorgenommen.

§ 105 Abs. 7 lit. e KFG berechtigt somit aber nicht zum Umkehrschluss, dass dann, wenn ein Kraftfahrzeug nicht durch ein anderes Kraftfahrzeug, sondern auf andere Weise geschoben wird, der Lenker des geschobenen Kraftfahrzeuges von dem sich aus § 64 Abs. 1 KFG ergebenden Erfordernis des Besitzes der entsprechenden Lenkerberechtigung befreit wäre.

Die im angefochtenen Bescheid vertretene Auffassung, dass § 64 Abs. 1 KFG nicht auf das Inbetriebsetzen bzw. "Starten" eines Fahrzeuges, sondern lediglich auf das tatsächliche Lenken eines (Kraft-)Fahrzeuges abstellt, ist daher frei von Rechtsirrtum. Dass die belangte Behörde den auf das "Schieben" des tatgegenständlichen Pkws abgestellten Beweisanträgen nicht Rechnung trug, ist somit nicht als rechtswidrig zu erkennen.

§ 64 Abs. 1 KFG enthält ferner das - bereits in § 1 Abs. 1 KFG zur Umschreibung des Anwendungsbereiches des Kraftfahrgesetzes 1967 unter Bezugnahme auf § 1 Abs. 1 StVO enthaltene - Tatbestandselement "auf Straßen mit öffentlichem Verkehr". Im vorliegenden Fall ersetzte die belangte Behörde die von der Erstbehörde vertretene Auffassung, eine Tankstelle und auch die dort befindlichen Verkehrsflächen seien als öffentlich im Sinne des § 1 KFG anzusehen, nicht durch eine anderweitige Anschauung und übernahm durch die Bestätigung des Straferkenntnisses der Erstbehörde somit die solcherart zum Ausdruck gebrachte Rechtsauffassung. Hiemit übersah die belangte Behörde, dass sie im Sinne des systematischen Zusammenhanges zwischen § 64 Abs. 1 und § 1 Abs. 1 KFG zufolge der in dieser letzteren Bestimmung enthaltenen Verweisung auf § 1 Abs. 1 StVO auf die dort vorgesehenen Kriterien bezogen auf den konkreten Einzelfall Bedacht zu nehmen gehabt hätte. Dies unterließ sie, indem sie entgegen der Rechtslage den im Bereich von Tankstellen befindlichen Straßenbereich schlechterdings den Charakter eines solchen mit öffentlichem Verkehr beimaß. (Siehe hiezu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 227/76, und die dort angeführten Umstände, die es gegebenenfalls ausschließen würden, dass es sich bei der im Bereich einer Tankstelle befindlichen Straße um eine solche mit öffentlichem Verkehr handelt.)

Zu dieser hiemit aufgezeigten inhaltlichen Rechtswidrigkeit kommt, was die Bezeichnung der als erwiesen angenommenen Tat im Sinne des § 44 a lit. a VStG 1950 anlangt, noch eine weitere in Hinsicht darauf, dass sich die Bescheidbegründung nur auf die "Tankstelle und" auf "die dort befindliche Verkehrsfläche", der Spruch des im Instanzenzug bestätigten Straferkenntnisses jedoch

auf eine weitere Strecke "... nach Spital/Pyhrn ..." bezieht, ohne

dass diesbezüglich erkennbar wäre, welche bestimmte Strecke als Tatort vom Schuldspruch erfasst werden sollte.

Aus den dargelegten Gründen war der angefochtene Bescheid somit gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

In Hinsicht auf das vorstehend zitierte, in der Amtlichen Sammlung nicht veröffentlichte, Erkenntnis vom , Zl. 227/76, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 Abs. 1 und Abs. 2 lit. a und 48 Abs. 1 lit. a und b VwGG 1965 in Verbindung mit Art. I lit. A Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 221/1981. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil neben dem Anspruch auf Ersatz des pauschalierten Schriftsatzaufwandes kein Anspruch auf gesonderten Ersatz von an Umsatzsteuer zu entrichtenden Beträgen besteht und weil ferner im vorliegenden verwaltungsgerichtlichen Verfahren keine Barauslagen im Sinne des § 48 Abs. 1 lit. a VwGG 1965 entstanden sind.

Wien, am