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VwGH vom 19.06.1985, 82/17/0149

VwGH vom 19.06.1985, 82/17/0149

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Kramer, Dr. Wetzel und Dr. Puck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kowalski, über die Beschwerde des MK in K, vertreten durch Dr. Richard Larcher, Rechtsanwalt in Innsbruck, Schmerlingstraße 2, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom , Zl. Ib-192/120/3-1982, betreffend Abrechnungsbescheid in Angelegenheit Erschließungbeitrag (mitbeteiligte Partei: Gemeinde K), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 2.400,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde K vom wurde dem Beschwerdeführer für den Neubau eines Sägewerkes gemäß § 19 der Tiroler Bauordnung, LGBl. Nr. 42/1974, (wiederverlautbart mit Kundmachung LGBl. Nr. 43/1978) ein Erschließungsbeitrag in Höhe von insgesamt S 158.818,-- vorgeschrieben. Dagegen erhob der Beschwerdeführer am Berufung .

Am richtet der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde an den Beschwerdeführer ein Schreiben, in dem es unter anderem heißt:

"Auf Grund Ihres Ansuchens vom Dez. 1980 gewährte Ihnen der Gemeinderat mit Gemeinderatsbeschluss vom einen Nachlass von 50 Prozent auf den Baumassenanteil und 70 Prozent auf den Bauplatzanteil. Dies ergibt gegenüber dem ursprünglichen Bescheid eine Ermäßigung im Betrage von Schilling 101.554,20. Es wird ersucht, den Restbetrag von S 57.264,-- innerhalb eines Monats auf das Konto nnnn bei der Raika K einzubezahlen."

Mit Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Bürgermeisters vom als unbegründet abgewiesen. Auf Grund der dagegen vom Beschwerdeführer erhobenen Vorstellung hob die Tiroler Landesregierung mit Bescheid vom den zuletzt genannten Bescheid auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeindevorstand. Dieser gab sodann mit Bescheid vom der Berufung des Beschwerdeführers Folge und änderte den Bescheid des Bürgermeisters vom dahin ab, dass der Erschließungsbeitrag nunmehr mit S 158.466,-- festgesetzt wurde. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

Mit Eingabe vom stellte der Beschwerdeführer an die mitbeteiligte Gemeinde das Ansuchen, auf Grund des Ergebnisses des Berfungsverfahrens den Nachlass neu zu berechnen.

Am richtete der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde an den Beschwerdeführer ein Schreiben, in dem es heißt:

"Dem Gemeinderat der Gemeinde K war es in seiner Sitzung vom leider nicht möglich, Ihrem Ansuchen vom um Gewährung eines Nachlasses auf den Erschließungskostenbescheid vom zu entsprechen..."

Mit Eingabe vom an die mitbeteiligte Gemeinde ersuchte der Beschwerdeführer um Ausstellung eines Abrechnungsbescheides nach § 164 der im Beschwerdefall noch anzuwendenden Tiroler Landesabgabenordnung, LGB1. Nr. 7/1963, idgF (TLAO alt).

Der daraufhin erlassene Abrechnungsbescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom enthält folgenden Spruch:

"I) Erschließungskostenvorschreibung laut

rechtskräftigen Bescheid vom


Tabelle in neuem Fenster öffnen
über
..............
S
158.466,--

II) Zahlung der Firma K vom

im Wege der Raika K


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über
..............
S
57.088,--

______________________________________________________


Tabelle in neuem Fenster öffnen
III) somit verleibende Restschuld
..............
S
101.378,--"

Mit Bescheid vom wies der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet ab, und zwar im wesentlichen deshalb, weil es sich bei seinem Abgabenbescheid vom um eine gänzliche Neuvorschreibung unter geänderten Voraussetzungen gehandelt habe, sodass der ursprüngliche Nachlassbeschluss des Gemeinderates darauf nicht angewendet werden könne. Der neuerliche Antrag des Beschwerdeführers auf Nachlass sei jedoch vom Gemeinderat abgelehnt worden.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom wies die Tiroler Landesregierung die dagegen erhobene Vorstellung des Beschwerdeführers als unbegründet ab. Sie begründete dies im wesentlichen damit, es stehe nach der Aktenlage außer Streit, dass dem Beschwerdeführer mit Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom ein Erschließungsbeitrag in Höhe von S 158.466,-- zur Zahlung vorgeschrieben worden sei und der Beschwerdeführer auf die Abgabenschuldigkeit einen Betrag von S 57.088,-- entrichtet habe. Insofern sei die in Rede stehende Abgabenschuldigkeit jedenfalls getilgt. Streitig sei, ob eine Zahlungsverpflichtung für den Differenzbetrag von S 101.378,-- noch bestehe oder nicht. Nun handle es sich bei den Schreiben des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 23. Jänner und vom und den diesen zugrundeliegenden Beschlüssen des Gemeinderates vom und vom nach Auffassung der belangten Behörde um Akte der Privatwirtschaftsverwaltung. Da gemäß dem § 115 Abs. 1 lit. a und Abs. 4 der Tiroler Gemeindeordnung 1966 jeder Beschluss des Gemeinderates über die unentgeltliche Veräußerung von Gemeindevermögen, soweit diese im Einzelfall den Betrag von S 50.000,--übersteige, einer Genehmigung der Bezirkshauptmannschaft bedürfe, sei die Gewährung des Nachlasses in der Höhe von S 101.554,20 laut Gemeinderatsbeschluss vom dem Beschwerdeführer gegenüber in Ermangelung einer aufsichtsbehördlichen Genehmigung schwebend unwirksam. Überdies stehe einer Aufrechnung der Gegenforderung des Beschwerdeführers gegen die mitbeteiligte Gemeinde auf Gewährung des erwähnten Nachlasses gegen den Abgabenanspruch dieser Gemeinde das Aufrechnungsverbot des § 1441 zweiter Satz ABGB entgegen. Darüberhinaus finde sich weder in den Abgabenvorschriften noch in irgendwelchen anderen Rechtsvorschriften eine materielle und formelle Grundlage für die in Rede stehende Gewährung eines Nachlasses des Erschließungsbeitrages. Aber auch dann, wenn man die Gewährung des Nachlasses, der Ermäßigung laut Gemeinderatsbeschluss vom als Bescheid qualifizieren wollte, wäre damit für den Beschwerdeführer nichts zu gewinnen. Der Bescheid des Bürgermeisters vom , an den die Nachlassgewährung anknüpfe, habe mittlerweile jede Wirkung verloren; an seine Stelle sei die mit Bescheid des Gemeindevorstandes vom als Abgabenbehörde zweiter Instanz erlassene Sachentscheidung getreten. Der eine neuerliche Änderung dieses Bescheides versagende "Bescheid" des Gemeinderates vom sei unangefochten geblieben. Die gemeindebehördlichen Abgabenbehörden hätten daher im Abrechnungsbescheid zutreffenderweise dem Erschließungsbetrag in Höhe von S 158.466,-- die Zahlung des Beschwerdeführers in Höhe von S 57.088,-- als einzigen Tilgungstatbestand gegenübergestellt. Eine Restschuld von S 101.378,-- sei daher noch immer offen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich nach seinem Vorbringen in dem Recht verletzt, einen Nachlass von 50 % auf den Baumassenanteil und von 70 % auf den Bauplatzanteil der ihm vorgeschriebenen Erschließungskosten zu erhalten. Er beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Bestehen zwischen einem Abgabepflichtigen und der Abgabenbehörde Meinungsverschiedenheiten, ob und inwieweit eine Zahlungsverpflichtung durch Erfüllung eines bestimmten Tilgungstatbestandes erloschen ist, so hat gemäß § 164 TLAO alt die Abgabenbehörde darüber auf Antrag zu entscheiden (Abrechnungsbescheid).

Im vorliegenden Verfahren ist nur strittig, ob der zuletzt mit Bescheid des Gemeindevorstandes vom festgesetzte Erschließungsbeitrag nach § 19 TBO zufolge des Schreibens des Bürgermeisters vom bzw. des ihm zugrundeliegenden Gemeinderatsbeschlusses vom mit einem Betrage von S 101.554,20 als getilgt anzusehen ist oder nicht.

Der Beschwerdeführer vertritt hiezu die Rechtsansicht, dass das erwähnte Schreiben vom entgegen der Meinung der belangten Behörde als Bescheid zu qualifizieren sei. Zum einen sei es die schriftliche Erledigung eines Ansuchens des Beschwerdeführers durch die zuständige Behörde und schon "von daher" als Bescheid erkennbar. Zum anderen sei die Rechtsansicht der belangten Behörde nicht haltbar, wonach ein Bescheid, welcher gegen das Gesetz verstoße, nicht als Bescheid anzusprechen sei. Tatsächlich gebe § 183 TLAO alt eine hinreichende Grundlage zur Erlassung eines solchen Bescheides. Mit dem Bescheid vom sei der Bescheid vom lediglich abgeändert worden und es habe für den Beschwerdeführer kein Anlass bestanden, den abgeänderten Bescheid wegen des Nachlasses neuerlich zu bekämpfen, weil sich der Nachlass ja auf die Erschließungskostenvorschreibung des Bescheides vom in der abgeänderten Form des Bescheides vom bezogen habe. Der Nachlass sei daher zweifellos in Rechtskraft erwachsen. Im übrigen sei auch die Ansicht der belangten Behörde unrichtig, dass das "Schreiben" des Bürgermeisters der aufsichtsbehördlichen Genehmigung bedurft hätte.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag sich dieser Rechtsauffassung im Ergebnis nicht anzuschließen.

Zwar pflichtet er der Meinung des Beschwerdeführers bei, dass dem Schreiben des Bürgermeisters vom bzw. dem ihm zugrundeliegenden Gemeinderatsbeschluss vom Bescheidcharakter zukommt. Enthält eine an eine bestimmte Person gerichtete Erledigung die Bezeichnung der Behörde, den Spruch und die Unterschrift bzw. Beglaubigung, dann ist das Fehlen der ausdrücklichen Bezeichnung als Bescheid für den Bescheidcharakter der Erledigung unerheblich, wenn unzweifelhaft ist, dass die Behörde normativ, also entweder rechtsgestaltend oder rechtsfeststellend, eine Angelegenheit des Verwaltungsrechtes entschieden hat (vgl. den hg. Beschluss eines verstärkten Senates vom , 934/73, Slg. Nr. 9458/A). Es muss also aus der Erledigung die Absicht der Behörde erkennbar sein, mit diesem Verwaltungsakt über individuelle Rechtsverhältnisse oder über ein Parteibegehren rechtsverbindlich abzusprechen (vgl. Stoll, BAO Handbuch, 1980, S 214 f., und die dort angeführte Rechtsprechung).

Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Der in Rede stehenden Erledigung lag ein mündlich gestelltes Begehren des Beschwerdeführers um "Nachlass" eines Teiles der Erschließungskosten zu Grunde, welcher Antrag - entgegen der von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid vertretenen Auffassung - in der Vorschrift des § 183 TLAO alt ausreichend Deckung fand. Nach Abs. 1 dieser Gesetzesstelle konnten nämlich fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabenpflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre. Die Absicht des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde bei Fassung des gegenständlichen Beschlusses war unzweifelhaft auf eine Maßnahme in diesem Sinn gerichtet, was insbesondere auch aus der Wendung "Dies ergibt gegenüber dem ursprünglichen Bescheid eine Ermäßigung im Betrage von ..." hervorgeht. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Gemeinderat für eine solche Abgabennachsicht unzuständig war; denn gemäß § 184 a Abs. 1 TLAO alt war für die Abschreibung (Löschung und Nachsicht) von Abgaben der Gemeinden mit Ausnahme der Landeshauptstadt Innsbruck die Abgabenbehörde zweiter Instanz, das ist gemäß § 48 TLAO alt der Gemeindevorstand, zuständig. Doch hat die Verletzung der Zuständigkeitsvorschriften nicht die Nichtigkeit der von der unzuständigen Behörde erlassenen Bescheide, sondern lediglich deren Rechtswidrigkeit zur Folge (Stoll S. 129), welche durch die Rechtskraft des Bescheides geheilt wäre.

Damit ist jedoch, wie die belangte Behörde zutreffend erkannte, für den Beschwerdeführer nichts gewonnen. Da die Abgabenbehörde zweiter Instanz gemäß § 213 TLAO alt grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden hat, ist der Bescheid des Gemeindevorstandes vom an die Stelle des erstinstanzlichen Bescheides vom getreten, der jede selbstständige Wirkung nach außen dadurch verloren hatte (vgl. den hg. Beschluss vom , 1537/77, Slg. Nr. 9379/A , sowie Stoll S. 684 f und die dort angeführte weitere Rechtsprechung). Obwohl nun durch den Beschluss (Bescheid) des Gemeinderates vom gemäß § 183 Abs. 3 in Verbindung mit § 182 Abs. 2 TLAO alt der Abgabenanspruch im Umfang der Nachsicht (Abschreibung) erloschen war, wurde er durch den Bescheid des Gemeindevorstandes vom neuerlich ohne Berücksichtigung dieses Umstandes, lediglich mit einer aus anderen Gründen erfolgten geringfügigen Ermäßigung, in Höhe von S 158.466,-

- festgesetzt. Diese Festsetzung ist unangefochten in Rechtskraft erwachsen, eine neuerliche Nachsicht wurde nicht gewährt.

Es war daher nicht rechtswidrig, wenn die Gemeindebehörden lediglich eine teilweise Tilgung dieser Abgabenschuld durch die erfolgte Teilzahlung annahmen; auch dem angefochtenen Bescheid der Vorstellungsbehörde haftet daher eine inhaltliche Rechtswidrigkeit nicht an.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 221/1981.

Wien, am