VwGH vom 08.09.1983, 82/15/0089

VwGH vom 08.09.1983, 82/15/0089

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Raschauer und die Hofräte Dr. Seiler, Dr. Großmann, Dr. Schubert und Dr. Wetzel als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Füszl, über die Beschwerde der HS in B, vertreten durch DDr. Hellwig Torggler, Rechtsanwalt in Wien I, Tegetthoffstraße 3, gegen den Bescheid des Bundesministers für Finanzen vom , Zl. Sch 333/2/1-IV/4/82, betreffend Anrechnung einer ausländischen Erbschaftssteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.400,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am verstarb der Ehegatte der Beschwerdeführerin. In dem dem Abhandlungsprotokoll beigefügten Inventar scheinen folgende Posten auf:

Unter IVh der Aktiven die Forderung aus einem der P M Industries Ltd. Hongkong gewährten Darlehen von (US-) $ 497.900,-- umgerechnet S 7,339.046,--; unter VIIa der Aktiven Anteile an dieser Gesellschaft im Wert von $ 2.100,--, umgerechnet S 31.900,-

(Gesamtwert dieser Aktiven sohin $ 500.000 -- bzw. S 7,370.946,--);

unter Punkt 2 der Passiven ein "Fremdwährungs-Roll-over Kredit" eines österreichischen Kreditinstitutes von $ 500.000,--, umgerechnet S 7,370.000,-- (einschließlich aufgelaufener Zinsen).

Diese drei Positionen übernahm die Beschwerdeführerin im einzelnen bzw. in Form der Gesamtbeträge für die Posten IV. und VII. des Inventars auch in die am beim Finanzamt eingebrachte Erbschaftssteuererklärung.

Schon mit Eingabe vom hatte die Beschwerdeführerin dem Bundesminister für Finanzen mitgeteilt, ihr sei "der gesamte Hongkong-Nachlaß" zugefallen. Für diesen hätte sie S 1,152.750,-- an "Hongkong-Erbschaftssteuer" entrichtet. Sie stelle daher gemäß § 6 Abs. 3 letzter Satz des Erbschafts- und Schenkungssteuergesetzes 1955, BGBl. Nr. 141 (ErbStG), in Verbindung mit § 48 BAO den Antrag, diese Hongkong-Erbschaftssteuer auf die für den Hongkong-Nachlaß zu entrichtende österreichische Erbschaftssteuer bis zur Höhe der auf den Hongkong-Nachlaß verhältnismäßig entfallenden österreichischen Erbschaftssteuer anzurechnen. Der Erwerb der Beschwerdeführerin von Todes wegen nach ihrem Gatten unterliege, wie sie zum Antrag begründend ausführte, in Österreich der unbeschränkten Erbschaftssteuerpflicht. Mangels Doppelbesteuerungsabkommen werde daher auch der Hongkong-Nachlaß in die österreichische Erbschaftsbesteuerung einbezogen. Nach Hongkong-Steuerrecht werde jedoch auch vom Hongkong-Nachlaß in Hongkong eine Erbschaftssteuer erhoben. Es liege insoweit eine doppelte Belastung derselben Nachlaßwerte mit österreichischer Erbschaftssteuer und mit Hongkong-Erbschaftssteuer vor. Dem Antrag beigelegten Unterlagen zufolge unterliege das nicht in Hongkong befindliche Vermögen (unabhängig davon, ob beschränkte oder unbeschränkte Steuerpflicht bestehe) nicht der Besteuerung in Hongkong. Es sei daher in Österreich die Anrechnungsmöglichkeit gegeben (Hinweis auf Philipp-Loukota-Pollak, Internationales Steuerrecht2, Z 00, Tz 26).

Aus den Unterlagen, welche die Beschwerdeführerin ihrem Antrag an den Bundesminister für Finanzen beigeschlossen hatte, geht hervor, daß die "Hongkong-Erbschaftssteuer" im Hinblick auf die oben genannte Darlehensforderung an die bzw. im Hinblick auf die Anteile an der ebenfalls schon angeführten Firma in Hongkong vorgeschrieben worden war.

Mit Erledigung vom wies das Finanzamt die Beschwerdeführerin (ihren steuerlichen Vertreter) darauf hin, im gegenständlichen Abhandlungsprotokoll schienen unter den Aktiven (Punkt IV. lit. h) ein Darlehen an die P M Industries Ltd Hongkong und die Beteiligung an dieser ausländischen Gesellschaft (Punkt VII. lit. a) auf. Mit dem hiefür ausgewiesenen Dollarbetrag ident sei der unter Punkt 2 der Passiven ausgewiesene Fremdwährungs-RolloverKredit. Ein allfälliger wirtschaftlicher Zusammenhang wäre offenzulegen.

Mit Schreiben vom wurde dem Finanzamt hierauf mitgeteilt, daß der Roll-over-Kredit in Höhe von US $ 500.000,-- des namentlich genannten österreichischen Kreditinstitutes (2. der Passiven) zur Finanzierung des Darlehens an die P M Industries Ltd Hongkong (IV. lit. h der Aktiven) sowie des Anteiles an derselben Gesellschaft in Höhe von US $ 2.100,-- (VII. lit. a der Aktiven) aufgenommen worden sei.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Antrag der Beschwerdeführerin auf Anrechnung der "Hongkong-Erbschaftssteuer" keine Folge, wobei sie im Spruch des Bescheides auf § 6 Abs. 3 ErbStG und § 48 BAO Bezug nahm. Als Begründung führte die Behörde aus, auf dem Gebiet der Erbschaftssteuer sei auf Grund der genannten Gesetzesbestimmungen eine Anrechnung ausländischer Steuern grundsätzlich zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung vorgesehen. Im Beschwerdefall sei dieser Tatbestand nicht erfüllt. Laut Aktenlage handle es sich bei dem unter den Aktiven ausgewiesenen Darlehen an die P M Industries Ltd Hongkong und dem Fremdwährungs-Roll-over-Kredit um dasselbe Vermögen. Diese beiden Vermögenswerte würden daher als Saldo Null ergeben, weshalb auf den Hongkong-Nachlaß keine österreichische Erbschaftssteuer entfalle. Im übrigen werde auf das Schreiben der Beschwerdeführerin vom an das Finanzamt hingewiesen.

Die vorliegende Beschwerde macht sowohl inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides als auch dessen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Die Beschwerdeführerin gibt als Beschwerdepunkt an, sie werde durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht auf Anrechnung der ausländischen Erbschaftssteuer auf die österreichische Erbschaftssteuer gemäß § 6 Abs. 3 ErbStG und § 48 BAO verletzt.

Mit der zur Beschwerde erstatteten Gegenschrift beantragte die belangte Behörde die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Der Antrag der Beschwerdeführerin an den Bundesminister für Finanzen war auf Anrechnung der "Hongkong-Erbschaftssteuer" auf die österreichische Erbschaftssteuer "gemäß § 6 Abs. 3 ErbStG und S 48 BAO" gerichtet. Über diesen Antrag sprach der Bundesminister für Finanzen mit dem angefochtenen Bescheid ab.

Soweit die Steuerpflicht im Ausland befindliche Grundstücke, Sachen, Forderungen gegen ausländische Schuldner oder Rechte, deren Übertragung an eine Eintragung in ausländische Bücher geknüpft ist, betrifft, ist gemäß § 6 Abs. 3 ErbStG auf Antrag die von dem ausländischen Staate aus Anlaß des Erbfalles erhobene Steuer bei Berechnung der Erbschaftssteuer als Nachlaßverbindlichkeit abzuziehen. Inwieweit statt dessen bei Gewährung der Gegenseitigkeit eine Anrechnung der ausländischen Steuer auf die inländische Steuer erfolgt, bestimmt das Bundesministerium für Finanzen.

Gemäß § 48 BAO kann das Bundesministerium für Finanzen bei Abgabepflichtigen, die der Abgabenhoheit mehrerer Staaten unterliegen, soweit dies zur Ausgleichung der in- und ausländischen Besteuerung oder zur Erzielung einer den Grundsätzen der Gegenseitigkeit entsprechenden Behandlung erforderlich ist, anordnen, bestimmte Gegenstände der Abgabenerhebung ganz oder teilweise aus der Abgabepflicht auszuscheiden oder ausländische, auf solche Gegenstände entfallende Abgaben ganz oder teilweise auf die inländischen Abgaben anzurechnen.

2. § 6 Abs. 3 ErbStG sieht in seinem ersten Satz die Berücksichtigung ausländischer Erbschaftssteuern als Nachlaßverbindlichkeit, in seinem zweiten Satz die Möglichkeit der Anrechnung der ausländischen Steuer auf die inländische Steuer vor. Nur die Anrechnung fällt in die Zuständigkeit des "Bundesministeriums für Finanzen" (richtig des Bundesministers für Finanzen als Behördenträger). Allein die Steueranrechnung war Gegenstand des Antrages vom an den Bundesminister für Finanzen, nur sie war Gegenstand des angefochtenen Bescheides und auch der Beschwerdepunkt zielt allein auf Steueranrechnung ab. Die von den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens angeschnittene Frage, ob bzw. inwieweit die Hongkong-Erbschaftssteuer als Nachlaßverbindlichkeit zu berücksichtigen wäre, ist daher nicht Gegenstand der hier zu treffenden Entscheidung.

3. § 48 BAO überträgt dem "Bundesministerium für Finanzen" (Bundesminister für Finanzen) ebenfalls die Kompetenz (unter anderem) zu einer Anrechnung ausländischer Abgaben auf die inländischen Abgaben, und zwar a) zur Ausgleichung (Verhinderung) einer Doppelbesteuerung oder b) zur Herstellung von Gegenrecht (Stoll, BAO-Handbuch, S 114). Der Beschwerdeführerin ging und geht es um die Vermeidung einer Doppelbesteuerung. Dies zeigen nicht nur die für den Antrag vom ins Treffen geführten Gründe, sondern auch die Beschwerdegründe wie auch der Beschwerdepunkt mit seiner Bezugnahme auf § 6 Abs. 3 ErbStG. Diese Bestimmung zielt nach ihrem normativen Gehalt auf Verhinderung einer Doppelbesteuerung und wird auch im Schrifttum mit dieser Zielsetzung gesehen (Philipp-Loukota-Pollak, a.a.O., TZ 23 ff in Abschnitt 5 der Z 00). Nach dem Antrag vom , dem angefochtenen Bescheid und der Beschwerde stellt sich sohin die Frage, ob die "Hongkong-Erbschaftssteuer" eine Doppelbesteuerung bewirkte, die durch Anrechnung auf die österreichische Erbschaftssteuer zu beseitigen war.

4. Eine Maßnahme zur Beseitigung einer Doppelbesteuerung, als die sich die angestrebte Steueranrechnung darstellt, erscheint nur gerechtfertigt, wenn eine Doppelbesteuerung überhaupt besteht. Nach der Lage des Beschwerdefalles hätte also der Anfall von Vermögenswerten in Hongkong von Todes wegen nicht nur mit ausländischer, sondern auch mit inländischer Erbschaftssteuer belastet sein müssen. Dies ist jedoch nicht der Fall; denn bei der Frage nach der Belastung des ausländischen Vermögensanfalles mit inländischer Erbschaftssteuer ist in Rechnung zu stellen, daß bei der Bemessung der österreichischen Erbschaftssteuer nicht nur die entsprechenden Aktiven (Darlehensforderung und Beteiligung) zum Ansatz zu kommen haben, sondern auch die damit zusammenhängenden Passiven (im Beschwerdefall der gleich hohe Rollover-Kredit). Unter Berücksichtigung dieses Passivums fiel aber kein Vermögen an, das eine österreichische Erbschaftssteuer auslöst. Der unmittelbare wirtschaftliche Zusammenhang zwischen den Aktiven und dem Passivum kann entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht außer Betracht bleiben. Es käme sonst nämlich zur Anrechnung einer ausländischen Erbschaftssteuer für einen ausländischen Vermögensanfall, obwohl dem österreichischen Abgabengläubiger auf Grund dieses Vermögensanfalles keine Erbschaftssteuer zufiele, weil er bei der Steuerbemessung neben den Aktiven auch den zu ihrer Finanzierung aufgenommenen Kredit anzusetzen hätte. Der Umstand, daß die Frage nach der Absetzbarkeit des Kredites bei der Bemessung der österreichischen Erbschaftssteuer - in welcher Phase der Steuerberechnung immer - zu bejahen ist, ändert, anders als die Beschwerdeführerin meint, nichts daran, daß der Kredit auch bei Prüfung der weiteren Frage, ob die ausländische Erbschaftssteuer auf die inländische anzurechnen ist, berücksichtigt werden muß, soll es zu einem sinnvollen Lösung dieser Frage kommen.

5. Die von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführten Belegstellen aus dem Schrifttum geben keine unmittelbare Antwort auf die in Punkt 3. abschließend aufgeworfene Frage. Das namhaft gemachte deutsche Schrifttum betrifft zudem eine Gesetzeslage, die sich von der österreichischen doch beachtlich unterscheidet (siehe § 9 deutsches ErbStG 1959, § 21 deutsches ErbStG 1974). Gleiches gilt für die von der Beschwerdeführerin zitierten Urteile des Bundesfinanzhofes vom , II 196/61 U, BStBl. III,

S 402, und vom , II 115/62, HFR 1964, Nr. 12, die beide zu § 9 deutsches ErbStG 1959 ergingen. Selbst wenn man aber der Beschwerdeführerin darin folgt, österreichisches und deutsches Recht wären in der Frage der Erbschaftssteueranrechnung von denselben Grundgedanken getragen - nur dann ist ja die Zitierung deutscher Belegstellen sinnvoll -, wäre für sie jedenfalls aus der deutschen Rechtsprechung nichts zu gewinnen, wie dies die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift zutreffend erkennt. Im zweitgenannten Urteil führt nämlich der Bundesfinanzhof u. a. sinngemäß aus, die Anrechnung der ausländischen Erbschaftssteuer sei auch dadurch begrenzt, daß Höchstbetrag der anrechenbaren ausländischen Erbschaftssteuer stets der Betrag der inländischen Steuer sei, der auf das Auslandsvermögen entfalle. Würden z.B. die mit dem Auslandsvermögen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Schulden den Wert des Auslands-Rohvermögens übersteigen, so unterläge zwar auch dieses Auslandsvermögen der inländischen Erbschaftssteuer; da aber auf letzteres eine (anteilige) inländische Erbschaftssteuer nicht entfalle, könne auch die ausländische Erbschaftssteuer nicht angerechnet werden (siehe auch Troll, ErbStG2, Anmerkung 9 zu § 21).

Zu diesem Ergebnis kam auch der Verwaltungsgerichtshof auf Grund der österreichischen Rechtslage.

6. Zur Verfahrensrüge der Beschwerdeführerin sei bemerkt, daß dem angefochtenen Bescheid nicht die Annahme zu unterstellen ist, der Fremdwährungs-Roll-over-Kredit falle in den "Hongkong-Nachlaß". Die Begründung des angefochtenen Bescheides ist vielmehr vor allem unter Bedachtnahme auf den Hinweis auf das Schreiben der Beschwerdeführerin vom dahin gehend zu verstehen, daß der zur Finanzierung der Aktiven in Hongkong aufgenommene Fremdwährungs-Roll-over-Kredit in wirtschaftlichem Zusammenhang mit diesen Aktiven steht und bei der Lösung der Frage nach der Doppelbesteuerung daher zu berücksichtigen ist.

Der weitere Einwand im Rahmen der Verfahrensrüge, daß es nach österreichischem Recht keinen "Hongkong-Nachlaß" gebe, kann nicht als wesentlich im Sinne des § 42 Abs. 2 lit. c VwGG 1965 angesehen werden. Wenn nämlich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid von einem "Hongkong-Nachlaß" spricht, so bedient sie sich damit lediglich in vereinfachender Weise eines Ausdruckes, den die Beschwerdeführerin selbst im Anrechnungsantrag vom für die in Hongkong angefallenen Vermögenswerte verwendete.

7. Der angefochtene Bescheid läßt sohin keine Rechtswidrigkeit erkennen. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 als unbegründet abzuweisen.

Von der Durchführung der von der Beschwerdeführerin beantragten Verhandlung konnte der Verwaltungsgerichtshof absehen, weil die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen ließen, daß die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten läßt (§ 39 Abs. 2 lit. f VwGG 1965 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 203/823).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 und die Verordnung des Bundeskanzlers vom , BGBl. Nr. 221.

Wien, am