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VwGH vom 02.07.2002, 2000/14/0148

VwGH vom 02.07.2002, 2000/14/0148

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. iur. Mag. (FH) Schärf, über die Beschwerde der R D in L, vertreten durch Mag. Wolfgang Kempf, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Bürgerstraße 41, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom , Zl. RV 221/1-8/1998, betreffend Nachforderung von Lohnsteuer und Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen für den Zeitraum vom bis , zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 332 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin betreibt eine so genannte Telefonsexhotline. Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist die Frage strittig, ob die in ihren Räumlichkeiten die Telefonanrufe entgegen nehmenden Frauen in einem Dienstverhältnis zur Beschwerdeführerin stehen.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid schloss sich die belangte Behörde der Ansicht einer abgabenbehördlichen Prüfung, gegenständlich würden die Merkmale eines Dienstverhältnisses überwiegen, an und schrieb Lohnsteuer und Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen für den Zeitraum vom bis vor. Die Bindung an einen vorgegebenen "Dienstplan" (untertags müssten zwei, in den Abendstunden drei bis vier Apparate besetzt sein), die Inanspruchnahme der Räumlichkeiten, Kabinen und Telefonapparate der Beschwerdeführerin sprächen für die organisatorische Eingliederung der Frauen in den Betrieb der Beschwerdeführerin. Im Falle der Entsendung eines Vertreters habe es nach dem abgeschlossenen schriftlichen "Werkvertrag" der ausdrücklichen vorherigen Zustimmung der Beschwerdeführerin bedurft. Derartige Regelungen seien bei vielen Dienstverhältnissen, bei denen Stellen Tag und Nacht besetzt sein müssten, durchaus üblich. Die ausdrückliche Zustimmung des Arbeitgebers zu einer Entsendung eines Vertreters würde für ein Schulden der Arbeitskraft sprechen. Die Entlohnung nach Anwesenheitsstunden und nicht etwa nach der Zahl und Dauer der Anrufe, sowie der Umstand, dass die Tätigkeit für die Frauen mit keinerlei Spesen verbunden sei, ließen das Tragen eines Unternehmerrisikos durch die beschäftigten Frauen nicht erkennen. Dass den einzelnen Frauen kein fixer Arbeitsplatz (Kabine) zugewiesen sei, komme bei vielen Dienstverhältnissen (etwa bei Bediensteten der Fernsprechauskunft) vor. Auch die Möglichkeit, die Tätigkeit "auf der Stelle" abzubrechen, sei kein Indiz für einen Werkvertrag, da auch Dienstverhältnisse jederzeit gelöst werden könnten. Ungeachtet der Unterfertigung schriftlicher "Werkverträge" lägen demnach Dienstverhältnisse im Sinne des § 47 Abs. 2 EStG vor. Dies habe die Pflicht der Beschwerdeführerin ausgelöst, von den zur Auszahlung gelangten Beträgen die Lohnsteuer einzubehalten und den Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen zu entrichten.

Über die dagegen erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Nach Lehre und Rechtsprechung sind bei Abgrenzungsfragen zwischen selbständiger und nichtselbständiger Tätigkeit wesentliche Merkmale einerseits das Vorliegen eines Unternehmerwagnisses, andererseits das Vorliegen einer Weisungsgebundenheit, d.h. die Verpflichtung einer natürlichen Person als Dienstnehmer, bei ihrer Tätigkeit die Weisungen eines anderen - des Dienstgebers - zu befolgen, sowie die organisatorische Eingliederung in den Betrieb des Dienstgebers. Es ist daher das Gesamtbild einer Tätigkeit darauf zu untersuchen, ob die Merkmale der Selbständigkeit oder jene der Unselbständigkeit überwiegen. Für die Frage nach dem Bestehen eines Dienstverhältnisses kommt es nicht auf die von den Vertragspartnern gewählte Bezeichnung wie Dienstvertrag oder Werkvertrag an. Vielmehr sind die tatsächlich verwirklichten vertraglichen Vereinbarungen entscheidend (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 92/15/0230, m.w.N.).

Die Beschwerdeführerin bringt vor, die Frauen hätten nicht ihren Weisungen, sondern jenen der anrufenden Kunden zu entsprechen. Die belangte Behörde habe selbst festgestellt, dass die Beschwerdeführerin nur Rahmenanweisungen gebe und die einzelne Gesprächsabwicklung den Kunden überlasse, der "sein Weisungsrecht im Sinne der Werkvertragsregelung ausübe".

Wie in der Beschwerde zutreffend ausgeführt wird, hat nicht schon jede Unterordnung unter den Willen eines anderen die Arbeitnehmereigenschaft einer natürlichen Person zur Folge, denn auch der Unternehmer, der einen Werkvertrag erfüllt, wird sich in aller Regel bezüglich seiner Tätigkeit zur Einhaltung bestimmter Weisungen seines Auftraggebers verpflichten müssen, ohne dadurch seine Selbständigkeit zu verlieren. Dieses sachliche Weisungsrecht ist auf den Arbeitserfolg gerichtet, während das für die Arbeitnehmereigenschaft sprechende persönliche Weisungsrecht einen Zustand wirtschaftlicher und persönlicher Abhängigkeit fordert. Die persönlichen Weisungen sind auf den zweckmäßigen Einsatz der Arbeitskraft gerichtet und dafür charakteristisch, dass der Arbeitnehmer nicht die Ausführung einzelner Arbeiten verspricht, sondern seine Arbeitskraft zur Verfügung stellt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 90/14/0103, mwN).

Im gegenständlichen Fall haben sich die Frauen der Beschwerdeführerin gegenüber verpflichtet, auf die Wünsche der anrufenden Kunden einzugehen und solcherart der Beschwerdeführerin zu möglichst hohen Gesprächsumsätzen zu verhelfen. Dass die Beschwerdeführerin den Gesprächsablauf dabei nicht im Einzelnen vorgibt, spricht im gegebenen Zusammenhang nicht für die Selbständigkeit der Frauen, sondern ist in der Art der geschuldeten Dienstleistung, die eine entsprechende Kundenorientierung erfordert, begründet. Dies trifft auf Arbeitnehmer in vielen Dienstleistungsberufen zu und erlaubt den von der Beschwerdeführerin gezogenen Schluss auf die persönliche Weisungsfreiheit nicht.

Die Beschwerde wendet sich weiters gegen die von der belangten Behörde festgestellte Eingliederung der Frauen in ihren Betrieb. Den Vertragspartnerinnen sei es frei gestanden, die Dienstleistung laut Auftrag von den Büroräumlichkeiten der Beschwerdeführerin aus zu erbringen, wobei eine Bindung an eine bestimmte Arbeitszeit nicht bestanden habe und auch eine entsprechend geschulte Vertreterin hätte entsendet werden können. Dass die Entsendung der vorhergehenden ausdrücklichen Zustimmung der Beschwerdeführerin bedurft habe, sei nicht ungewöhnlich und im Beschwerdefall darin begründet, dass die "Hotline" 24 Stunden besetzt sei und die Beschwerdeführerin darüber informiert sein wolle, wer sich in Zeiten ihrer Abwesenheit in ihren Betriebsräumlichkeiten aufhalte. Die von der belangten Behörde festgestellten "Organisationsverhältnisse" seien betrieblich notwendig, würden aber die einzelnen Vertragspartnerinnen nicht daran hindern, sich "nach Lust und Laune bzw. nach zeitlichen Möglichkeiten" in den Dienstplan einzutragen oder auch nicht.

Wohl ist die Verpflichtung, eine bestimmte Anzahl von Arbeitsstunden zu vorgegebenen Zeiten bzw. auf Abruf durch den Arbeitgeber zu leisten, ein starkes Indiz für das Vorliegen eines Dienstverhältnisses, doch kommt das kurzfristige einvernehmliche Vereinbaren der Arbeitszeit, worauf die belangte Behörde in der Gegenschrift zutreffend hinweist, auch bei Gelegenheitsarbeitern vor. Im Beschwerdefall durfte die belangte Behörde aus den unbestrittenen betrieblichen Erfordernissen - eine beschränkte Anzahl schallgeschützter Arbeitsplätze, die rund um die Uhr zur Gänze oder zu einem bestimmten Teil besetzt sein mussten - auf ein Mindestmaß an betrieblicher Eingliederung schließen. Das Vorbringen, "nunmehr" bestehe auch die Möglichkeit, die Tätigkeit von zu Hause aus zu verrichten und die Abrechnung ausschließlich nach Gesprächszeit vorzunehmen, ist nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen, war die belangte Behörde doch vor die Aufgabe gestellt, die im Streitzeitraum bestehenden tatsächlichen Verhältnisse zu erheben und ihrer rechtlichen Beurteilung zu Grunde zu legen.

Die "Vertretungsbefugnis" sprach in der vereinbarten Form nicht für das Vorliegen einer selbständigen Betätigung. Hat sich die Beschwerdeführerin nämlich die Zustimmung zur Vertretung im Einzelfall (wenn auch aus verständlichen Gründen) vorbehalten, ist damit das für die Selbständigkeit sprechende Element der freien Entscheidung, die Leistung selbst zu erbringen oder durch einen Beauftragten erbringen zu lassen, nicht gegeben. Welches tatsächliche Gewicht der vereinbarten zustimmungspflichtigen "Vertretungsbefugnis" zukommen sollte, wenn eine bestimmte Arbeitsverpflichtung (wie in der Beschwerde betont wird) ohnedies nicht bestanden hat, ist im Verwaltungsverfahren überdies nicht hervorgekommen und erläutert auch die Beschwerde nicht. Den bereits im Prüfungsbericht enthaltenen Feststellungen zum tatsächlichen Geschehnisablauf (es habe ein Dienstplan bestanden, wobei "die Anwesenheitszeiten innerhalb der Mädchen nach Absprache ausgetauscht werden konnten" und es sei lediglich möglich gewesen, "Personen für die Tätigkeit zu vermitteln"), ist die Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren konkret nicht entgegen getreten. In der auszugsweisen Wiedergabe dieser Prüferfeststellungen auf Seite 2 des angefochtenen Bescheides liegt daher weder die gerügte Aktenwidrigkeit noch eine sonstige Verletzung von Verfahrensvorschriften. Wenn die Beschwerde der belangten Behörde nunmehr vorwirft, der Sachverhalt sei insoweit ergänzungsbedürftig geblieben, als nicht festgestellt worden sei, dass auch dritte (offenbar nicht in Vertragsbeziehung zur Beschwerdeführerin tretende) Personen mit der Vertretung hätten beauftragt werden können, ist darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdeführerin der Feststellung des Prüfers, die "Mädchen" hätten die Schichten unter einander getauscht und (andere) Personen der Beschwerdeführerin lediglich vermittelt, nichts entgegen zu setzen wusste und es auch unterlassen hat, diesbezügliche Beweisanträge zu stellen.

Ob die Auflösung regulärer Arbeitsverhältnisse mit rechtlichen Konsequenzen verbunden sein kann, welche bei Beendigung der vorliegenden Vertragsbeziehungen nicht eintreten würden, ist für die gegenständliche Frage der Einkünftequalifikation nicht von Belang.

Die Beschwerdeführerin wendet sich weiter gegen die Feststellung der belangten Behörde, ein Unternehmerwagnis ihrer Vertragspartnerinnen habe nicht bestanden.

Nach ständiger Rechtsprechung ist ein Unternehmerwagnis dann gegeben, wenn der Erfolg der Tätigkeit weitgehend von der persönlichen Tüchtigkeit, vom Fleiß, von der persönlichen Geschicklichkeit sowie von Zufälligkeiten des Wirtschaftslebens abhängt und der Leistende für die mit seiner Tätigkeit verbundenen Aufwendungen selbst aufkommen muss. Im Vordergrund dieses Merkmales steht, ob dem Leistungserbringer tatsächlich das Wagnis ins Gewicht fallender Einnahmenschwankungen trifft. In die Überlegung einzubeziehen sind auch Wagnisse, die sich aus Schwankungen aus nicht überwälzbaren Ausgaben ergeben (vgl. für viele das hg. Erkenntnis vom , 2001/15/0057).

Die Vereinbarung einer Entlohnung nach geleisteten Arbeitsstunden spricht gegen ein einnahmenseitiges Unternehmerwagnis. Dass die Beschwerdeführerin sämtliche mit der Tätigkeit der Frauen verbundenen Aufwendungen getragen hat, steht außer Streit. Soweit die Beschwerdeführerin vorbringt, die Frauen hätten durch geschicktes Verhalten die Anrufbereitschaft der Kunden erhöhen und dergestalt ihre betrieblichen Anwesenheitszeiten und somit die Einnahmen steigern können, ist sie an ihre zuvor wiedergegebenen Ausführungen zu erinnern, wonach die Vertragspartnerinnen ihre Arbeitszeit jedenfalls nach ihren Vorstellungen frei (somit unabhängig von der Anzahl der Anrufer) bestimmen konnten. Der von der Beschwerde vermissten Fragestellung, ob es vorgekommen sei, dass Kunden wiederholt angerufen haben, bedurfte es daher im Rahmen der amtswegigen Ermittlungen nicht.

Zum Beschwerdeeinwand, eine Prüfung durch die Gebietskrankenkasse habe zu keiner Beanstandung geführt, genügt der Hinweis darauf, dass eine Bindung der Abgabenbehörde an Feststellungen einer Beitragsprüfung nicht gegeben ist.

Insgesamt erweist sich die Beschwerde demnach als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II 501/2001.

Wien, am