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VwGH vom 09.11.1982, 82/14/0007

VwGH vom 09.11.1982, 82/14/0007

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Reichel und die Hofräte Dr. Karlik, Dr. Simon, Dr. Kirschner und Dr. Schubert als Richter, im Beisein des Schriftführers Rat Dr. König, über die Beschwerde des MM in D, vertreten durch Dr. Wolfgang Aigner, Rechtsanwalt in Wien I, Ebendorferstraße 3, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg vom , Zl. 2942-2/1981, betreffend Schulfahrtbeihilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 8.385,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der in Dornbirn wohnhafte Beschwerdeführer beantragte am Gewährung der Schulfahrtbeihilfe, weil seine am geborene Tochter Waltraud W., für die er Familienbeihilfe bezieht, an der Universität Wien studiert. Waltraud W. ist seit verheiratet und bewohnt mit ihrem Ehemann - der gleichfalls Student ist - in Wien eine gemeinsame Wohnung.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen und vor dem Gerichtshof in Beschwerde gezogenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den dem Antrag auf Gewährung der Schulfahrtbeihilfe nicht stattgebenden Bescheid des Finanzamtes ab. Der angefochtene Bescheid ist im wesentlichen damit begründet, es handle sich bei den Fahrten, deren Kosten durch eine Schulfahrtbeihilfe abgegolten werden sollen, um "Familienheimfahrten". Mit einer Verehelichung werde jedoch eine neue Familie mit eigenem, von dem der Eltern unabhängigen Wohnort begründet. Der Wohnort der Eltern sei auch dann nicht mehr der Hauptwohnort des verheirateten Kindes, wenn dieses zusammen mit seinem Ehepartner besuchsweise während der Ferien sich bei den Eltern aufhalte. Die Tochter des Beschwerdeführers habe mit ihrem Ehemann in Wien eine Wohnung; diese Wohnung könne nicht als Zweitunterkunft angesehen werden. Der im Berufungsverfahren erfolgte Hinweis auf die Legaldefinition des "ordentlichen Wohnsitzes" im Sinne des Volkszählungsgesetzes 1980 sei nicht zielführend, weil die Gewährung der Schulfahrtbeihilfe nicht vom ordentlichen Wohnsitz abhängig gemacht sei, sondern ausschließlich davon, ob der Schüler notwendigerweise eine Zweitunterkunft außerhalb des Wohnortes am Schulort oder in der Nähe des Schulortes bewohne.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Zusammengefasst und sinngemäß wird in der Beschwerde ausgeführt:

Die Auslegung des angefochtenen Bescheides, als Zweitunterkunft im Sinne des § 30 c Abs. 4 FLAG 1967 (Paragraphenbezeichnungen ohne Zusatz beziehen sich im folgenden auf das FLAG 1967) sei eine Unterkunft zu verstehen, die nur vorübergehend ausschließlich für Zwecke des Schulbesuches benutzt werde, widerspreche dem Wortlaut des Gesetzes und der Absicht des Gesetzgebers. Da die Familienbeihilfe bei "Haushaltstrennung" nur für Kinder gewährt werde, für die der Beihilfenwerber die Unterhaltskosten überwiegend trage, und Anspruch auf Schulfahrtbeihilfe nur Personen hätten, denen Familienbeihilfe gewährt werde, habe der Gesetzgeber "bei Sachverhalten, die in der Unterhaltspflicht gleich gelagert" seien, "sicherlich eine gleiche Regelung herbeiführen" wollen. Der Beschwerdeführer sei für seine Tochter Waltraud weiterhin unterhaltspflichtig. Aus der Neufassung des § 5 Abs. 3 durch BGBl. Nr. 269/1980 gehe die Intention des Gesetzgebers noch klarer hervor, weil Familienbeihilfe nun auch für verheiratete Kinder gewährt werde, wenn die Eltern weiterhin mit Unterhaltspflicht belastet seien. Da dem Gesetzgeber "völlig klar" gewesen sei, dass "Studenten, die heiraten, in der Regel eine Wohnung außerhalb des elterlichen Haushaltes haben", habe er "natürlich auch die Schulfahrtbeihilfe" in diesen Fällen gewähren wollen. Das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 verwende den Begriff der "Zweitunterkunft" auch in § 2 Abs. 5 lit. b. Dort werde der Begriff im Zusammenhang mit der Berufsausübung gebraucht, woraus sich ergebe, dass eine die Haushaltszugehörigkeit bei den Eltern nicht unterbrechende Zweitunterkunft auch eine von Dauer sein könne. Da der Begriff "vorübergehend" im FLAG 1967 nicht näher definiert sei, sei er im Zusammenhang mit der "Unterhaltsfrage" zu verstehen. "Vorübergehend" sei demnach die Abwesenheit eines Kindes aus dem elterlichen Haushalt, wenn die familienrechtlichen Bindungen aufrechterhalten würden, die nicht bloß in der Unterhaltsleistung bestünden, sondern z.B. auch im Besuch der Kinder bei den Eltern. Im Sinne des Volkszählungsgesetzes habe die Tochter ihren ordentlichen Wohnsitz in Wien, ebenso ihren Wohnsitz im Sinne des § 26 Abs. 1 BAO. Diese Vorschriften seien aber für den Beschwerdefall nicht anwendbar. Die belangte Behörde habe Feststellungen dahin unterlassen, ob Waltraud W. tatsächlich ihre Eltern in Vorarlberg besuche. Da die Unterhaltspflicht der Eltern noch gegeben sei, bestehe auch die Pflicht des Kindes, zu seinen Eltern zu "fahren". Waltraud W. würde ihren Unterhaltsanspruch verlieren, wenn sie ihre Eltern nicht regelmäßig besuchte. Da in Wien studierende, aus Vorarlberg stammende Personen "nach der statistischen Wahrscheinlichkeit" wieder in ihre Heimat "zurückkommen", könne keineswegs geschlossen werden, dass - auch bei verheirateten Studenten - der Wohnsitz in Wien ein endgültiger sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Die im FLAG 1967 vorgesehenen Leistungen, die gemäß der programmatischen Erklärung in dessen § 1 zur Herbeiführung eines Lastenausgleiches im Interesse der Familie gewährt werden, sind in den Abschnitten I (Familienbeihilfe), I a (Schulfahrtbeihilfe und Schülerfreifahrten), I b (Unentgeltliche Schulbücher) und II (Geburtenbeihilfe) näher geregelt.

Unbestritten ist, dass dem Beschwerdeführer Familienbeihilfe für seine Tochter Waltraud W. gewährt wird, da insbesondere von den Abgabenbehörden beider Rechtsstufen kein Ausschließungsgrund im Sinne des § 5 Abs. 3 leg. cit. in der Fassung BGBl. Nr. 269/1980 angenommen wurde. (Die frühere Regelung des § 5 Abs. 3, dass für verheiratete Kinder kein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht, wurde vom Verfassungsgerichtshof für verfassungswidrig erkannt, und § 5 Abs. 3 in ursprünglicher Fassung durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , VfGH-Slg. 8793, als verfassungswidrig aufgehoben.)

Gemäß § 30 a Abs. 1 nach seinem für den Beschwerdefall bedeutsamen Inhalt haben Anspruch auf Schulfahrtbeihilfe Personen für Kinder, für die ihnen Familienbeihilfe gewährt wird, wenn das Kind bestimmte, im Gesetz näher bezeichnete Schulen (Lehranstalten) besucht und der kürzeste Weg zwischen Wohnung und Schule in einer Richtung (Schulweg) mindestens 3 km lang ist (gemäß § 30 a Abs. 4 sind unter Schulen im Sinne des die Schulfahrtbeihilfe und die Schülerfreifahrten regelnden Abschnittes I a des FLAG 1967 auch Hochschulen und unter Schülern auch Hörer zu verstehen).

Für die Entscheidung der strittigen Frage, ob dem Beschwerdeführer für seine verheiratete Tochter Schulfahrtbeihilfe zusteht oder nicht, ist auch § 30 c Abs. 1, 2 und 4 maßgebend. In den Abs. 1 und 2 des § 30 c ist die Höhe der Schulfahrtbeihilfe festgelegt, einerseits je nachdem, ob der Schulweg länger als 10 km ist oder nicht, anderseits nach der Zahl der wöchentlichen Schultage. Abs. 4 schließlich regelt die Höhe der Schulfahrtbeihilfe, wenn der Schüler für Zwecke des Schulbesuches notwendigerweise eine Zweitunterkunft außerhalb seines Hauptwohnortes am Schulort oder in der Nähe des Schulortes bewohnt.

Gemessen an der als Grundsatzbestimmung zu sehenden Norm des § 30 a Abs. 1 besteht kein Zweifel darüber, dass sich die Schulfahrtbeihilfe nach § 30 c Abs. 1 und 2 einerseits und die Schulfahrtbeihilfe nach § 30 c Abs. 4 anderseits voneinander nur der Höhe nach und dadurch unterscheiden, dass in Fällen des Abs. 1 und 2 der Gesetzgeber grundsätzlich von einer täglichen "Heimkehr", in Fällen des Abs. 4 wegen der Entfernung oder der ungünstigen Verkehrsverhältnisse von der Unmöglichkeit einer täglichen "Heimkehr" ausgeht (arg.: "... notwendigerweise eine Zweitunterkunft ...."). So betrachtet kommt dem Erfordernis einer am Studienort notwendigen Zweitunterkunft die von der belangten Behörde vermeinte Bedeutung nicht zu. Das Tatbestandsmerkmal der notwendigen Zweitunterkunft ist nur als Abgrenzungsmerkmal dafür von Bedeutung, ob der Person, die Anspruch auf Schulfahrtbeihilfe geltend macht, die Schulfahrtbeihilfe nach § 30 c Abs. 1 (gegebenenfalls Abs. 2) oder nach Abs. 4 zu gewähren ist. Hingegen sind zufolge der Anknüpfung an den Anspruch auf Familienbeihilfe in § 30 a Abs. 1 alle grundsätzlichen Voraussetzungen für den Anspruch auf Schulfahrtbeihilfe von Gesetzes wegen völlig identisch mit den Anspruchsvoraussetzungen für die Familienbeihilfe. Wird Familienbeihilfe gewährt, so hat im Verfahren auf Zuerkennung der Schulfahrtbeihilfe daher eine weitere Untersuchung darüber zu unterbleiben, wem für wen die Beihilfe zusteht. Denn durch die gewählte gesetzliche Konstruktion sind die für die Gewährung der Schulfahrtbeihilfe erforderlichen Tatbestandsmerkmale eben dieselben wie für die Gewährung der Familienbeihilfe. Daher gilt für den Bereich der Schulfahrtbeihilfe z.B. auch der im I. Abschnitt des Gesetzes enthaltene Kindesbegriff (§ 2 Abs. 3), ebenso aber auch § 5 Abs. 3, wonach in der auf den Beschwerdefall anzuwendenden Fassung die Tatsache der Verehelichung eines Kindes dem Beihilfenanspruch des sonst Berechtigten nur dann schädlich ist, wenn der Unterhalt vom Ehegatten oder früheren Ehegatten des Kindes zu leisten ist. Ein derartiger, den Beihilfenanspruch ausschließender Sachverhalt liegt nach den Feststellungen der belangten Behörde nicht vor.

Aus den dargelegten Erwägungen folgt, dass der angefochtene Bescheid sich als inhaltlich rechtswidrig erweist; er war daher gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 aufzuheben.

Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 lit. f VwGG 1965 in der Fassung BGBl. Nr. 203/1982 abgesehen werden, da die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 221/1981. Wien, am