VwGH vom 27.04.2005, 2000/14/0134
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner sowie die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pfau, über die Beschwerde der E-gmbH in K, vertreten durch Confida Wirtschaftstreuhand GmbH in 9010 Klagenfurt, Bahnhofstraße 6, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Kärnten (Berufungssenat) vom , Zl. RV 525/1-8/99, betreffend Körperschaftsteuer 1995, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Anlässlich einer bei der beschwerdeführenden GmbH, welche nach einem vom Kalender abweichenden Wirtschaftsjahr 1. September bis 31. August bilanziert, durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung wurde festgestellt, dass diese im Jahr 1993 Wurstwaren (Salami) an die niederländische Gesellschaft N verkauft habe. Die Auslieferung sei direkt von der slowenischen Erzeugerfirma SL über den slowenischen Exporteur SLO an russische Abnehmer oder solche aus der ehemaligen Sowjetunion (in der Folge R) erfolgt. Von R seien in der Folge Qualitätsmängel (entweder wegen mangelhafter Vakuumverpackung oder unsachgemäßem Transportes) geltend gemacht worden. In der Folge habe N von der Beschwerdeführerin Schadenersatz in Höhe von rund S 3,2 Mio gefordert, welcher auch gerichtlich eingeklagt worden sei. In einem vor Gericht am abgeschlossenen Vergleich habe sich die Beschwerdeführerin verpflichtet, an N den geforderten Schadenersatz abzüglich einer bereits davor entrichteten Summe zu zahlen. (Die Klage datiert vom .)
Bereits am habe die Beschwerdeführerin mit SL und SLO einen Vertrag geschlossen. Einleitend sei festgehalten worden, dass die Vertragspartner im März 1993 übereingekommen seien, zum Zwecke der Ausfuhr von Salami nach Russland oder in Länder der ehemaligen Sowjetunion über N zukünftig zu kooperieren. Weiters werde dargelegt, dass von den Vertragspartnern im Herbst 1993 über N Salami nach Russland verkauft worden sei. Bezüglich der Mängel werde festgehalten, dass diese auf Grund des mangelnden Wissens über die Anforderungen dieser Artikel im Hinblick auf den Transport entstanden seien, wobei der Wert mit DM 444.500 und S 108.000,-- zu beziffern sei. In der Folge sei die Beschwerdeführerin von SL und SLO bevollmächtigt worden, die oben genannten Betrag gegenüber N zu begleichen. SL und SLO stimmten zu, durch Preisaufschläge von 2 % bei künftigen Kooperationen (bei Lieferungen der Beschwerdeführerin über SLO zu SL) diesen Betrag auszugleichen. Weiters hätten sich SLO und SL verpflichtet, "sämtliche Exporte aus Slowenien" über die Beschwerdeführerin abzuwickeln.
Bis seien umgerechnet rund S 435.000,-- über den 2 %igen Preisaufschlag verrechnet worden. In einem Aktenvermerk vom werde davon ausgegangen, dass mit den Zulieferunternehmen eine Vereinbarung geschlossen worden sei, wonach bei jeder Lieferung an die Beschwerdeführerin solange 2 % Rabatt hätten gewährt werden sollen, bis die Höhe der gewährten Rabatte die (von der Beschwerdeführerin an N gezahlten) Schadenersatzzahlungen erreicht hätte. Für den Fall, das die Geschäftsbeziehungen vorher enden sollten, sei keine Regelung getroffen worden. Die Beschwerdeführerin habe mit den Zulieferunternehmen eine Vereinbarung geschlossen, wonach diese zu Schadenersatzzahlungen an die Beschwerdeführerin unter der Bedingung bereit seien, dass diese weiterhin Waren bei den Zulieferunternehmen beziehe. Sei dies nicht der Fall (z.B. weil die Nachfrage der Kunden der Beschwerdeführerin an den Waren der Zulieferunternehmen nicht mehr bestehe), so habe die Beschwerdeführerin keine anerkannten Ansprüche gegen die Zulieferunternehmen. Somit habe die Beschwerdeführerin eine bedingte Forderung gegen die Zulieferunternehmen. Diese entstehe erst mit Eintritt der Bedingung, nämlich mit dem Bezug von Waren von den Zulieferunternehmen.
In der Folge wurde von der Beschwerdeführerin die Ansicht vertreten, dass der Ansatz einer Forderung aus der angeführten Vereinbarung vom nach den Grundsätzen des Bilanzsteuerrechtes nicht erfolgen könne, da der Realisationsakt sich erst jeweils mit der einzelnen Lieferung vollziehe, weil nur dann, wenn Lieferungen von der Beschwerdeführerin über SLO an SL erfolgten, diese einen 2 %igen Preisaufschlag verrechnen dürfe, bis die Schadenssumme erreicht sei. Erfolgten, aus welchen Gründen auch immer keine Lieferungen, sei ein (klagbarer) Anspruch aus der Vereinbarung nicht gegeben. Beim Ansatz einer Forderung käme es zum vorzeitigen Gewinnausweis. Die getroffene Vereinbarung sei im übertragenen Sinn mit einem schwebenden Dauerschuldverhältnis vergleichbar. Die Gewinnrealisierung erfolge diesfalls pro rata temporis. Vergleichbarkeit sei auch mit den Bierabnahmeverpflichtungen gegeben. Das Belieferungsrecht auf Seite der Brauerei sei nicht zu aktivieren.
Demgegenüber vertrat die Prüferin die Ansicht, dass die Ansprüche aus der Vereinbarung vom zu aktivieren seien. SLO und SL hätten sich ausdrücklich bereit erklärt, der Beschwerdeführerin den gesamten an N zu entrichtenden Betrag zu ersetzen. Somit sei der gesamte Preisaufschlag als Rückzahlung anzusehen. Durch die Anknüpfung an zukünftige Lieferungen sei lediglich die Fälligkeit der Rückzahlungsbeträge ungewiss. Voraussetzung für das Wirksamwerden der Vereinbarung sei der Vergleich zwischen der Beschwerdeführerin mit N. Somit sei "zum Bilanzstichtag" auch keine aufschiebend bedingte Vereinbarung mehr gegeben. Die Beschwerdeführerin habe sich durch ihre Vereinbarungen mit SL und SLO die Schadloshaltung sichergestellt, bevor der Vergleich mit N geschlossen worden sei. Durch die Aktivierung der Ansprüche erfolge keine Gewinnrealisierung, sondern diese stelle eine Gegenposition zu der gegenüber N eingegangenen Verpflichtung dar.
Das Finanzamt folgte der Ansicht der Prüferin und erließ für das Jahr 1995 einen Körperschaftsteuerbescheid, im Rahmen dessen zum sonstige Forderungen im Ausmaß von rund S 2,7 Mio (Zahlungsbetrag von rund S 3,2 Mio abzüglich der im Wirtschaftsjahr 1994/1995 über den 2 %igen Preisaufschlag verrechneten Beträge von rund S 435.000,--) in Ansatz gebracht wurden.
In einer dagegen erhobenen Berufung wurde vorgebracht, eine Forderung sei erst dann auszuweisen, wenn sie entstanden sei. Nach den Grundsätzen des Bilanzsteuerrechtes dürften Gewinne erst ausgewiesen werden, wenn sie realisiert seien. Eine Forderung habe erst dann den Charakter eines Wirtschaftsgutes, wenn der Realisationsakt (bei Lieferung Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums, bei sonstigen Leistungen Erbringung der vereinbarten Leistung) vollzogen sei, das heißt durch einen Umsatzakt verwirklicht sei. Dies sei ab der Leistungsabwicklung der Fall. Sei eine Leistung teilbar, so lösten bereits erbrachte Teilleistungen Gewinnrealisierung aus. Das Verbot des Ausweises nicht realisierter Gewinne drücke sich auch in der Behandlung schwebender Geschäfte (Verträge) aus, die noch von keiner Seite erfüllt seien, bei denen sich also am Bilanzstichtag nur die vertraglich entstandenen Ansprüche und Verpflichtungen gegenüber stünden. Nach diesen Grundsätzen sei bei aufschiebend bedingten Vereinbarungen wohl generell keine Gewinnrealisierung vorzunehmen. Zu den schwebenden Geschäften zählten auch Dauerschuldverhältnisse, soweit sie nicht erfüllt seien. Die Gewinnrealisierung erfolge bei Dauerschuldverhältnissen pro rata temporis, da der vorzeitige Gewinnausweis verboten sei. Im gegenständlichen Fall liege eine Vereinbarung vor, wonach dann (und nur dann), wenn Lieferungen von der Beschwerdeführerin über SLO zu SL erfolgten, die Beschwerdeführerin einen 2 %igen Preisaufschlag verrechnen dürfe, bis die Schadenssumme erreicht sei. Der Ansatz einer Forderung könne nach den oben dargestellten Grundsätzen des Bilanzsteuerrechtes nicht erfolgen, da der Realisationsakt sich erst jeweils mit der einzelnen Lieferung vollziehe. Die Realisierung des 2 %igen Preisaufschlages sei jeweils abhängig von einer Lieferung. Erfolgten, aus welchen Gründen immer, keine Lieferungen, sei ein (klagbarer) Anspruch aus der Vereinbarung nicht gegeben. Beim Ansatz einer Forderung käme es zum vorzeitigen Gewinnausweis.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, eine zutreffende Beurteilung eines "abgabenverhangenen" Sachverhaltes setze eine gesamtheitliche und wirtschaftliche Betrachtungsweise voraus, die sich nicht allein an formelle Grundsätze anlehne, sondern gleichzeitig auch den wahren wirtschaftlichen Gehalt zu ergründen suche. Dies gelte auch für den vorliegenden Fall, wobei es zunächst die Frage auszuloten gelte, weshalb die Beschwerdeführerin die von N eingeklagten Schadenersatzzahlungen letztlich auch fernab der unbeantwortet gebliebenen Verschuldensfrage einfach in voller Höhe übernommen habe. Der Umstand allein, dass die Beschwerdeführerin mit ihren Vorlieferanten (SL und SLO) schon seit Jahren erfolgreich Geschäftsbeziehungen unterhalten habe, könne es wohl nicht gewesen sein, zumal es im Wirtschafts- und Geschäftsleben völlig unüblich sei und letztlich wohl auch jedweder kaufmännischen Vorschrift widersprechen würde, einen Schaden zu tragen, dessen Verursacher gar nicht näher eruiert worden sei. Halte man sich dies vor Augen, so dränge sich den Denkgesetzen folgend nur die Annahme auf, dass es aus Sicht der Beschwerdeführerin "anderweitige und einschlägige" Gründe gegeben haben müsse, die die Beschwerdeführerin dennoch zur Schadensübernahme bewogen hätten. Der belangten Behörde falle es auch nicht schwer, diese zu orten, zumal es wohl nicht von der Hand zu weisen sei, dass sich die Beschwerdeführerin durch die genannten Vereinbarungen vom August 1994 bereits vor der vergleichsweisen Schadensübernahme eine völlige Schadloshaltung in dieser Angelegenheit gesichert habe. Schließlich habe sie unter Bedachtnahme auf die bisherigen, erfolgreichen Geschäftsbeziehungen wohl zu Recht davon ausgehen dürfen, durch die vereinbarten Preisaufschläge sowie die gleichzeitige wirtschaftliche Bindung ihrer Vorlieferanten an sie ein hinreichendes Äquivalent für die eingegangene Zahlungsverpflichtung erworben zu haben. Für die belangte Behörde stehe auch außer Zweifel, dass sich die Beschwerdeführerin in Übernahme des Schadens allein von wirtschaftlichen Motiven und nicht etwa von der behaupteten, mangelnden gerichtlichen Durchsetzbarkeit von Regressansprüchen habe leiten lassen. Im Wirtschaftsleben sei es üblich, dass einer Leistung eine entsprechende Gegenleistung gegenüberstehe, weshalb davon auszugehen sei, dass die Beschwerdeführerin den angesprochenen Vergleich nicht akzeptiert hätte, wenn sie die genannten Vereinbarungen lediglich als unverbindliche Absichtserklärung betrachtet hätte. Hätte die Beschwerdeführerin das Risiko tatsächlich so eingeschätzt, dass dieses im Hinblick auf die bestehende Ungewissheit künftiger Leistungen allein bei ihr gelegen wäre, hätte sie zumindest eine geeignete Begründung hiezu beizubringen gehabt, aus welchen Gründen sie dennoch zur vollen Schadensübernahme bereit gewesen sei. Eine solche sei die Beschwerdeführerin jedoch schuldig geblieben. Zusammenfassend erweise sich der von der Prüferin im vorliegend zu beurteilenden Fall "gesetzte Schritt" jedenfalls auch aus der Sicht der belangten Behörde als zutreffend, zumal er der wirtschaftlich konkreten Belastung der Beschwerdeführerin entsprechend sowohl der eingegangenen Verpflichtung (Begleichung des Schadens) als auch gleichzeitig dem Umstand Rechnung trage, dass die Beschwerdeführerin im Gegenzug (über die vereinbarten Preisaufschläge sowie die wirtschaftliche Bindung ihrer Vorlieferanten) auch einen adäquaten Anspruch erworben habe, den sie letztlich auch spiegelbildlich in ihrer Bilanz, nämlich als Forderung, auszuweisen gehabt hätte. In wirtschaftlicher Betrachtungsweise nehme sich die von der Prüferin vertretene und auch dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegende Sicht jedenfalls auch als unbedenklich aus.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde erwogen:
Bereits in ihrer Berufung vertrat die Beschwerdeführerin vor dem Hintergrund des Realisationsprinzips im Wesentlichen die Ansicht, eine Forderung könne dann noch nicht angesetzt werden, wenn sich der Realisationsakt - wie im Beschwerdefall - erst jeweils mit entsprechenden Lieferungen vollziehe. Würde im Beschwerdefall eine Forderung (in voller Höhe des Schadenersatzes) aktiviert, so käme es zu einem vorzeitigen Gewinnausweis.
Diesem Vorbringen hielt die belangte Behörde - ohne die Richtigkeit des Berufungsvorbringens an sich in Zweifel zu ziehen -
im Wesentlichen entgegen, eine zutreffende Beurteilung eines "abgabenverhangenen" Sachverhaltes setze eine "gesamtheitliche und wirtschaftliche Betrachtungsweise voraus, die sich nicht allein an formelle Grundsätze anlehne, sondern gleichzeitig den wirtschaftlichen Gehalt zu ergründen suche". In der Folge beschäftigt sich die belangte Behörde mit Überlegungen, weshalb die Beschwerdeführerin eine an sie herangetragene Schadenersatzforderung, wenngleich nach einer gewissen Rückversicherung gegenüber ihren Lieferanten, ohne nähere Auseinandersetzung mit der Frage, ob entsprechende Schadenersatzzahlungen gerechtfertigt waren, akzeptierte.
Nun kann jedoch der weite Teile der Berufungsentscheidung umfassende Versuch, diese Frage zu beantworten, nichts daran ändern, dass allein die Zusage von SL und SLO, in bestimmten, zukünftig allenfalls eintretenden Fällen einen Preisaufschlag durch die Beschwerdeführerin zu akzeptieren, noch keine aktivierbare Forderung der Beschwerdeführerin gegenüber diesen Geschäftspartnern darstellt, weil der zukünftige Eintritt dieser Fälle jedenfalls ungewiss war. Es mag unter den gegebenen Umständen verständlich sein, dass bei der Behörde Bedenken hinsichtlich der Frage entstanden, weshalb die Beschwerdeführerin die ihr gegenüber geltend gemachten Ansprüche ohne weiteres akzeptierte. Entsprechende Bedenken hätten allenfalls Anlass zu entsprechenden Ermittlungen sein können, rechtfertigen es aber nicht, zur "Neutralisierung" des entsprechenden Aufwandes Forderungen, deren Entstehen noch ungewiss war, in Ansatz zu bringen.
Da die belangte Behörde aus den angeführten Gründen die Rechtslage verkannt hat, erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am