VwGH vom 21.08.2001, 2000/01/0409

VwGH vom 21.08.2001, 2000/01/0409

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski und Dr. Pelant als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde der VP in W, geboren am , vertreten durch Dr. Philipp Wahl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Parkring 2, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom , Zl. 212.719/6-I/03/00, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist in einer Angelegenheit des Asylgesetzes 1997 (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom wies das Bundesasylamt einen Asylantrag der Beschwerdeführerin gemäß § 7 AsylG ab und sprach aus, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin "in die BR Jugoslawien Provinz Kosovo" gemäß § 8 AsylG zulässig sei. Dieser Bescheid wurde der Beschwerdeführerin unbestritten am durch Hinterlegung beim Postamt 1034 Wien zugestellt.

Mit Schriftsatz vom , zur Post gegeben gleichfalls am , erhob die Beschwerdeführerin gegen den genannten Bescheid des Bundesasylamtes Berufung; zur Rechtzeitigkeit brachte sie ohne nähere Ausführungen vor, dass der erstinstanzliche Bescheid am zugestellt worden sei. Seitens des unabhängigen Bundesasylsenates (der belangten Behörde) wurde der Beschwerdeführerin daraufhin mit Note vom vorgehalten, dass die Berufungsfrist bereits am abgelaufen sei. Dieser Vorhalt wurde der Beschwerdeführerin nach dem in den Verwaltungsakten erliegenden Rückschein am durch Hinterlegung zugestellt.

Mit am selben Tag zur Post gegebenem Schriftsatz vom erstattete die Beschwerdeführerin in der Folge nachstehende Stellungnahme an die belangte Behörde:

"Ich habe am die Hinterlegungsanzeige der Post erhalten. Daraufhin versuchte ich das Schriftstück bei der Post zu beheben.

Da ich als Asylwerberin über kein österreichisches Ausweisdokument verfügte (auch die Bescheinigung über die vorläufige Aufenthaltsberechtigung wird nicht als ausreichend zur Feststellung meiner Identität angesehen), wurde mir mitgeteilt, dass mir das Schriftstück nicht ausgehändigt werden kann und als unzustellbar an den Absender zurückgeschickt werden muss.

Daraufhin bin ich am persönlich zum Bundesasylamt gegangen, wo mir eine Kopie des gegenständlichen Bescheides ausgefolgt wurde.

Da somit der Bescheid mE erst durch Aushändigung der Kopie rechtskräftig zugestellt wurde, erfolgte die am zur Post gegebene Berufung also fristgerecht.

Hilfsweise beantrage ich die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, da ich durch ein unvorhergesehenes Ereignis ohne mein Verschulden daran gehindert war, die Frist einzuhalten. Die diesbezügliche Berufung wurde bereits eingebracht."

Die belangte Behörde übermittelte die eben genannte "Stellungnahme" gemäß § 6 AVG an das Bundesasylamt, wo sie am einlangte. (Außerdem wies die belangte Behörde die Berufung gegen den Bescheid vom mit Bescheid vom gemäß § 66 Abs. 4 AVG als verspätet zurück.)

Über den Wiedereinsetzungsantrag entschied das Bundesasylamt mit Bescheid vom . Es wies diesen gemäß § 71 Abs. 2 AVG zurück, weil - zusammenfassend - der Wiedereinsetzungsantrag jede Angabe iSd § 71 Abs. 2 AVG vermissen lasse, bei der falschen Behörde eingebracht worden und beim Bundesasylamt verspätet eingelangt sei. Die dagegen erhobene Berufung wies die belangte Behörde mit Bescheid vom ab. Sie begründete dies im Wesentlichen damit, dass die Beschwerdeführerin nach der Aktenlage spätestens am von der Zulässigkeit der Berufung gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom Kenntnis erlangt habe. Der letzte Tag für die Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrages wäre somit der gewesen. Tatsächlich sei dieser jedoch erst am erhoben und erst am bei der zuständigen Behörde, dem Bundesasylamt, eingelangt.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:

Gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung ist gemäß § 71 Abs. 1 AVG auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn

1. die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, oder

2. die Partei die Rechtsmittelfrist versäumt hat, weil der Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung, keine Rechtsmittelfrist oder fälschlich die Angabe enthält, dass kein Rechtsmittel zulässig sei.

Gemäß § 71 Abs. 2 leg. cit. muss der Wiedereinsetzungsantrag binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden.

Die belangte Behörde stellte im vorliegenden Fall bezüglich des Beginns der Wiedereinsetzungsfrist darauf ab, wann die Beschwerdeführerin von der Zulässigkeit der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid des Bundesasylamtes vom Kenntnis erlangt habe; dies sei der gewesen. Sie folgte damit erkennbar der zweiten Alternative des § 71 Abs. 2 AVG, die allerdings im gegenständlichen Fall nicht zum Tragen kommen kann. Die Fristberechnung von der Kenntnisnahme der Zulässigkeit der Berufung an bezieht sich nämlich nur auf § 71 Abs. 1 Z 2 AVG, also auf jenen Fall, dass die Partei die Rechtsmittelfrist versäumt hat, weil der Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung, keine Rechtsmittelfrist oder fälschlich die Angabe enthält, dass kein Rechtsmittel zulässig sei (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 92/09/0009). Hier jedoch war der geltend gemachte Wiedereinsetzungsgrund klar der noch im Antrag vom zum Ausdruck gebrachte Irrtum darüber, wann die Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides wirksam geworden sei und wann daher die Berufungsfrist zu laufen begonnen habe (vgl. auch die diesbezügliche Angabe in der Berufung vom ). Die Wiedereinsetzungsfrist war davon ausgehend tatsächlich aber erst mit Wegfall dieses Irrtums - der im Sinn des § 71 Abs. 1 AVG ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis sein kann (vgl. den hg. Beschluss vom , Zl. 2001/20/0266, mwN) - oder der Umstände, unter denen er nicht in einer der Wiedereinsetzung entgegenstehenden Weise vorwerfbar ist, zu berechnen. Im Hinblick auf die von der Beschwerdeführerin weiterhin vertretene Ansicht, die Berufung vom sei rechtzeitig eingebracht worden, und angesichts der nur hilfsweise erfolgten Stellung des Wiedereinsetzungsantrages kann kein Zweifel daran bestehen, dass der Beginn der Wiedereinsetzungsfrist in Bezug auf den erwähnten Irrtum frühestens mit Zustellung des Vorhalts vom angesetzt werden kann. Da die Zustellung des genannten Vorhalts am erfolgte und der richtig gemäß § 6 AVG an das Bundesasylamt weitergeleitete Antrag dort am einlangte (vgl. in diesem Zusammenhang das hg. Erkenntnis vom , Zl. 96/21/0822), war die Wiedereinsetzungsfrist gewahrt und hätte daher eine meritorische Erledigung über den Antrag der Beschwerdeführerin erfolgen müssen. Der angefochtene Bescheid leidet daher an einer Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am