VwGH vom 29.01.2002, 2000/14/0085

VwGH vom 29.01.2002, 2000/14/0085

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. iur. Mag. (FH) Schärf, über die Beschwerde des A A, vertreten durch Dr. Heinz Edelmann, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Windmühlgasse 30, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat VI) vom , Zl. RV/263-16/04/96, betreffend Umsatz- und Gewerbesteuer 1984 bis 1992 sowie Einkommensteuer 1984 bis 1994, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von 1.089,68 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde gegenüber dem Beschwerdeführer im Instanzenzug Einkommensteuer für die Jahre 1984 bis 1994 sowie Umsatz- und Gewerbesteuer für die Jahre 1984 bis 1992 festgesetzt. Begründend wird ausgeführt, der Beschwerdeführer habe im Verfahren zur Erlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft angegeben, er sei von 1980 bis 1983 Angestellter gewesen. Danach sei er freier Mitarbeiter (Konsulent) für die Firmen DI und DO gewesen, die mit Stahl handelten. Er sei dabei jeweils nach Abschluss eines Geschäftes auf Provisionsbasis entlohnt worden. Seine Einkünfte betrügen monatlich 7.000 S bis 8.000 S netto. Zu diesen Einkünften kämen noch Einkünfte aus der Vermietung eines Hauses in Teheran (zuletzt im Jahre 1991 insgesamt 17.278 DM).

Aus einer Bestätigung einer österreichischen Bank, bei welcher der Beschwerdeführer ein Girokonto unterhalte, ergebe sich:

"Weiters bestätigen wir wunschgemäß, dass durch regelmäßige Überweisungen aus dem Ausland Gesamteingänge für das Jahr 1988 in Höhe von DM 24.800,--, für das Jahr 1989 in Höhe von DM 23.982,--, für das Jahr 1990 in Höhe von DM 28.200,-- und für 1991 bisher von DM 17.278,-- für ihre Konten von uns festgestellt werden konnten."

Der Beschwerdeführer habe am erklärt, dass sich sein Hauptwohnsitz in Wien befinde. Teilweise halte er sich auch in Teheran bzw. in London auf. In London besitze er eine Wohnung, die derzeit von seinem Sohn bewohnt werde. Überwiegend halte er sich in Wien auf.

Der Beschwerdeführer habe dem Finanzamt erklärt, von 1984 bis 1988 von seinem Privatvermögen gelebt zu haben. Erst seit 1988 werde ein Haus in Teheran vermietet. Er sei in Teheran auch an einem "Büro" beteiligt; dieses sei seit 1987 tätig, seither übe er dort eine Konsulententätigkeit aus. Diese Einkünfte aus der Konsulententätigkeit würden - wie die im Iran erzielten Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung - im Iran versteuert.

Erhebungen der Abgabenbehörde hätten ergeben, dass der Beschwerdeführer von der Firma DI keine Honorare erhalten habe. Die Firma DO habe bekannt gegeben, dass im Jahre 1988 ein geschäftlicher Kontakt zum Beschwerdeführer bestanden habe, welcher zu einer Provisionszahlung von US $18.291,-- geführt habe. Diese Provision sei nicht dem Beschwerdeführer, sondern JH in London ausgezahlt worden.

Das Finanzamt habe am Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1984 bis 1992 erlassen und dabei die Einkünfte im Schätzungsweg wie folgt ermittelt:

Einkünfte aus Kapitalvermögen: 1984 250.000 S 1985 240.000 S 1986 230.000 S 1987 220.000 S 1988 bis 1992 200.000 S.

Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung: 1988 162.840 S 1989 244.260 S 1990 306.944 S 1991 414.000 S 1992 414.000 S.

Sonstige Einkünfte: 1988 211.901 S.

Der Beschwerdeführer habe am gegen diese Einkommensteuerbescheide (für die Jahre 1984 bis 1992) Berufung eingebracht, in welcher eingewendet worden sei, dass er JH mit der Geschäftsleitung der Firma DO bekannt gemacht habe, dafür aber zu keinem Zeitpunkt irgendeine Provision bezogen habe.

Mit Schreiben vom habe das Finanzamt den Beschwerdeführer aufgefordert, bekannt zu geben, wie er seinen Lebensunterhalt in den Jahren 1984 bis 1987 bestritten habe. Das Finanzamt habe darauf verwiesen, dass der Beschwerdeführer im Zuge des Verfahrens zur Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft für die Jahre 1984 bis 1992 Konsulentenhonorare angegeben und ausgeführt habe, das durchschnittliche Monatseinkommen habe 7.000 S bis 8.000 S netto betragen. Diese Angaben hätten einer Überprüfung nicht standgehalten, es habe sich lediglich ergeben, dass der Beschwerdeführer ein einziges Geschäft (für die Firma DO) vermittelt habe.

Im Betriebsprüfungsbericht vom sei ausgeführt, dass die Besteuerungsgrundlagen für die Jahre 1984 bis 1994 (mangels Führung von Aufzeichnungen) gemäß § 184 BAO geschätzt würden. Die Schätzung werde auf Grund der Gutschriften auf dem Bankkonto des Beschwerdeführers vorgenommen. Es würden Einnahmen aus der Tätigkeit als Provisionsempfänger sowie Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (des Hauses in Teheran) geschätzt.

Das Finanzamt sei diesen Feststellungen des Betriebsprüfers gefolgt und habe entsprechende Bescheide erlassen.

Der Beschwerdeführer habe sodann am und am gegen die Einkommensteuerbescheide 1984 bis 1994 sowie Umsatz- und Gewerbesteuerbescheide 1984 bis 1992 Berufung eingelegt. In diesen Berufungen habe er beantragt, die Umsätze, Gewerbeerträge und Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit Null festzusetzen. Für die Jahre 1988 bis 1994 habe er Berechnungen über die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung vorgelegt und beantragt, diese Einkünfte wie folgt festzusetzen: 1988 46.767 S 1989 -319.037 S 1990 -283.083 S 1991 -355.709 S 1992 - 135.944,50 S 1993 102.681 S 1994 102.837 S.

Begründend habe der Beschwerdeführer vorgebracht, er habe stets bestritten, eine Tätigkeit als Provisionsempfänger oder eine andere gewerbliche Tätigkeit ausgeübt zu haben. Um die für das Finanzamt ungeklärten Liquiditätszuflüsse auf den Bankkonten zu erklären, müsse die spezielle Situation des Beschwerdeführers in Betracht gezogen werden, der im Iran größeres Liegenschaftsvermögen besessen habe und infolge der äußerst restriktiven Devisenausfuhrpolitik des Regimes nach dem "Schahsturz" sein Vermögen nur in kleinen Beträgen aus dem Land habe bringen können. Der Beschwerdeführer stamme aus einer begüterten Familie. Sein Vater sei iranischer Justiz-, Innen- und Außenminister und sogar erster iranischer Botschafter in Österreich gewesen. Nach dem Ableben des Vaters habe der Beschwerdeführer umfangreichen Grundbesitz geerbt und seine Lebenshaltungskosten durch Veräußerung von Grundstücken bzw. durch die Veräußerung eines Anteils an einem Architekturbüro abgedeckt. Er habe sohin seinen Lebensunterhalt durch Veräußerung von lange in seinem Besitz stehenden Vermögen bestreiten können. Die Gutschriften auf den Bankkonten seien in Vermögenstransfers aus dem Iran begründet gewesen.

Der Beschwerdeführer habe dem Finanzamt sechs Vertragsübersetzungen von Grundstückstransaktionen aus dem Jahre 1974 bis 1983 vorgelegt. Er habe vorgebracht, er habe die Vermietung der Liegenschaft in Teheran nie als Erwerbseinkommen betrachtet, sondern einzig zu dem Zweck betrieben, den vorhandenen Bestand zu erhalten und Kostenbeiträge zu erwirtschaften. Zum Teil seien die angefallenen Ausgaben durch die im Iran verbliebenen Mieteinnahmen abgedeckt worden. Die vom Mieter FW bezogenen Mieteinnahmen betrügen im betreffenden Zeitraum insgesamt

970.112 S, die Eingänge am Bankkonto des Beschwerdeführers hingegen lediglich 698.162 S; der Restbetrag von 272.000 S sei nicht nach Österreich überwiesen worden. Weitere mit der Vermietung im Zusammenhang stehende Ausgaben seien aus dem Vermögen des Beschwerdeführers gedeckt worden.

Der Betriebsprüfer habe zur Berufung eine Stellungnahme abgegeben, in welcher er ausgeführt habe, aus den sechs übersetzten Verträgen lasse sich ein Geldzufluss an den Beschwerdeführer in Höhe von umgerechnet 85.000 S ableiten. Die Vermietung in Teheran müsse als Liebhaberei eingestuft werden, zumal sich im Zeitraum 1988 bis 1994 ein Gesamtverlust von 1,250.591 S ergebe. In Anbetracht von nicht geklärten Gutschriften auf dem Bankkonto bzw. unaufgeklärten Vermögenszuwächsen und nicht gedeckten Lebenshaltungskosten habe der Prüfer die Einkünfte schätzen müssen.

Weiters verweist die belangte Behörde auf eine vom Prüfer stammende Darstellung, wonach dem Beschwerdeführer im Zeitraum 1984 bis 1994 monatlich 24.000 S als Mittel für die Lebenshaltung zur Verfügung gestanden seien. Auf Grund des eher aufwendigen Lebensstils des Beschwerdeführers (Wohnungen in Wien und London, Reisen nach Teheran und London) bestehe keine Veranlassung, die geschätzten Einkünfte zu mindern. Da die Vermietung in Teheran als Liebhaberei zu qualifizieren sei, müssten die bei der Prüfung im Schätzungswege ermittelten Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung als Einkünfte aus Gewerbebetrieb angesetzt werden. Es bestehe die größte Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen von Einkünften aus Gewerbebetrieb, zumal der Beschwerdeführer in seinem Ansuchen um Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft Konsulentenhonorare (Geschäftsvermittlung auf Provisionsbasis) angegeben habe. Wenn der Beschwerdeführer bei der Ermittlung der materiellen Wahrheit nicht mitwirke, müsse er das jeder Schätzung immanente Unsicherheitsmoment in Kauf nehmen.

Die belangte Behörde habe den Beschwerdeführer zur Vorlage einer "Einnahmen-Ausgabenrechnung" für die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung im Zeitraum 1995 bis 1998 sowie bisher noch nicht vorgelegter Unterlagen und Beweismittel jeder Art, die den Standpunkt des Beschwerdeführers stützen könnten, aufgefordert. Mit einem weiteren Schreiben habe sie ihn aufgefordert, Auskunft darüber zu geben, ob der von der Firma DO gezahlte Provisionsbetrag von ca $ 18.500 deshalb an JH ausbezahlt worden sei, weil es der Beschwerdeführer so verfügt habe, sodass Einkommensverwendung vorliege.

Die belangte Behörde gehe davon aus, dass im Beschwerdefall die Sachverhaltselemente im Ausland wurzelten. Der Beschwerdeführer sei im Administrativverfahren untätig geblieben, obwohl er nach Erhalt der Stellungnahme des Betriebsprüfers die Einbringung einer Gegenäußerung angekündigt habe, von der belangten Behörde mit Schreiben vom zur Vorlage von Unterlagen ersucht worden sei, ihn die belangte Behörde mit Schreiben vom erinnert habe, diesem Ersuchen nachzukommen, und er schließlich mit Schreiben der belangten Behörde vom zur Beantwortung bestimmter Fragen aufgefordert worden sei. Die belangte Behörde gehe davon aus, dass der Beschwerdeführer eine Konsulententätigkeit ausübe, wofür er auf Provisionsbasis entlohnt werde. Er sei unter anderem für die Firma DO tätig gewesen, was zu einer Provisionszahlung von $

18.291 geführt habe. Die Provision sei JH zugeflossen, welcher dem Beschwerdeführer bekannt sei. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer die Zahlung an seinen Bekannten verfügt habe, stelle allerdings nur eine Einkommensverwendung dar.

Wenn der Betriebsprüfer die Schätzung ausgehend von den nicht geklärten Gutschriften auf dem Bankkonto des Beschwerdeführers vorgenommen habe und in Anbetracht unaufgeklärter Vermögenszuwächse bzw. nicht gedeckter Lebenshaltungskosten die Bemessungsgrundlage ermittelt habe, so entspreche diese Vorgangsweise dem Gesetz. Die mangelnde Bereitschaft des Beschwerdeführers, die tatsächlichen Umstände aufzuklären, habe dazu geführt, dass weiter gehende Feststellungen nicht hätten getroffen werden können.

Der Verfassungsgerichtshof hat die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde mit Beschluss vom , B 216/00, abgelehnt. Mit Beschluss vom hat er die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde erwogen:

Die Begründung eines Abgabenbescheides muss erkennen lassen, welcher Sachverhalt der Entscheidung zugrundegelegt wurde, aus welchen Erwägungen die belangte Behörde zur Einsicht gelangt ist, dass gerade dieser Sachverhalt vorliegt, und aus welchen Gründen die Behörde die Subsumption des Sachverhaltes unter einen bestimmten Tatbestand für zutreffend erachtet (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 94/13/0200).

Von zentraler Bedeutung für die Tragfähigkeit der Begründung eines Bescheides im Sinne ihrer Eignung, dem Verwaltungsgerichtshof die ihm aufgetragene Gesetzmäßigkeitskontrolle zu ermöglichen, ist die zusammenhängende Darstellung des von der belangten Behörde festgestellten Sachverhaltes. Mit dieser ist nicht etwa die Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens einschließlich des Vorbringens des Abgabepflichtigen und der Bekundung von Prüfungsorganen gemeint. Gemeint ist mit der zusammenhängenden Sachverhaltsdarstellung als dem zentralen Begründungselement eines Bescheides die Anführung jenes Sachverhaltes, den die belangte Behörde als Ergebnis ihrer Überlegungen zur Beweiswürdigung als erwiesen annimmt (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis 94/13/0200).

Auch Schätzungsergebnisse unterliegen der Pflicht zur Begründung (§ 93 Abs. 3 lit. a bzw. § 288 Abs. 1 lit. d BAO). Die Begründung hat insbesondere die der Schätzung zugrundeliegenden Sachverhaltsannahmen und die Ableitung der Schätzungsergebnisse darzulegen (vgl. Ritz, BAO-Kommentar2, § 184 Tz 21).

Die Begründung des im vorliegenden Fall angefochtenen Bescheides entspricht den beschriebenen Anforderungen an eine Bescheidbegründung in keiner Weise. Zwar ist dem angefochtenen Bescheid zu entnehmen, dass sich die belangte Behörde der Schätzung des Finanzamtes anschließt. Zu welchen Abgabenbemessungsgrundlagen diese - im Zuge einer abgabenbehördlichen Prüfung vorgenommene - Schätzung der Abgabenbehörde erster Instanz geführt hat, ist dem angefochtenen Bescheid (und im Übrigen auch dem nur bruchstückhaft vorgelegten Verwaltungsakt) nicht zu entnehmen. Ist schon die Höhe der für die einzelnen Jahre geschätzten Einkünfte, Einkommen, Gewerbeerträge und Umsätze dem angefochtenen Bescheid nicht zu entnehmen, so ist zudem nicht dargetan, wie die belangte Behörde zu den einzelnen Besteuerungsgrundlagen gelangt ist.

Der angefochtene Bescheid ist somit gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am