VwGH vom 24.09.2002, 2000/14/0081

VwGH vom 24.09.2002, 2000/14/0081

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. iur Mag. (FH) Schärf, über die Beschwerde der G S in M, vertreten durch den Masseverwalter Dr. Georg Schwarzmayr-Lindinger, Rechtsanwalt in 4950 Altheim, Marktplatz 12, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom , RV646/1-10/1999, betreffend Haftung nach § 9 BAO, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 332 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Beschwerdeführerin im Instanzenzug gemäß §§ 9 und 80 BAO als Haftungspflichtige für aushaftende Abgabenschulden der K-GmbH im Ausmaß von insgesamt 642.698,38 S (Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag, Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag, Umsatzsteuer, Säumniszuschlag, Kammerumlage, Stundungszinsen und Körperschaftsteuer mit Fälligkeitstagen zwischen dem und dem ) herangezogen. Zur Begründung wird ausgeführt, die K-GmbH sei im Jänner 1996 gegründet worden, deren Geschäftsführerin sei seit die Beschwerdeführerin. Über das Vermögen der K-GmbH sei am der Konkurs eröffnet worden. Aus dem Bericht des Masseverwalters ergebe sich, dass den Gesamtverbindlichkeiten von 4,5 Mio S Forderungen von 2,3 Mio S gegenüberstünden, die aber aufgrund einer Globalzession der R-Bank abgetreten seien. Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der K-GmbH hingen u.a. damit zusammen, dass deren Lieferanten nur gegen Vorauskassa geliefert hätten. Die Beschwerdeführerin habe im Verwaltungsverfahren vorgebracht, infolge des raschen Wechsels von einer Angestellten zur Geschäftsführerin seien plötzlich viele neue Aufgaben zu bewältigen gewesen, sie habe sich aber erst einarbeiten müssen. Sie habe eine Buchhalterin gesucht, die ihr in der Folge einen Teil der Arbeiten abgenommen habe. Bis sie diese gefunden habe, seien die Abgabenschulden bereits auf 960.000 S angewachsen gewesen. Aufgrund des hohen Rückstandes sei eine Ratenvereinbarung getroffen worden. Monatlich seien weitere Abgabenschulden hinzugekommen. In der Folge habe sie im Hinblick auf den niedrigen Bankkredit von 1,8 Mio S, später 1,5 Mio S, und die hohen Außenstände der Kunden von 2,6 Mio S die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der K-GmbH beantragt.

Das Finanzamt habe der Beschwerdeführerin den Abschluss des Globalzessionsvertrages als schuldhaftes Verhalten iSd § 9 BAO vorgeworfen. Durch diesen Vertrag sei die Bank gegenüber anderen Gläubigern begünstigt worden. Die Beschwerdeführerin habe eingewendet, die K-GmbH sei im Jänner 1996 als Auffanggesellschaft nach dem insolvent gewordenen Einzelunternehmen JK gegründet worden. Bereits zu Beginn der Besprechungen mit der Bank sei festgestanden, dass eine Finanzierung der Gesellschaft nur möglich sei, wenn Zug um Zug mit der Aufnahme des Wirtschaftsbetriebes eine Generalzession aller Forderungen an die Bank erfolge. Es sei dann am ein Betriebsmittel-Kontokorrent-Kreditrahmen vereinbart und ein Zessionsvertrag fixiert worden. In der Folge sei am ein weiterer Kontokorrent-Kreditvertrag und ein neuer Zessionsvertrag abgeschlossen worden. Schließlich seien im Mai 1996, im November 1996 und im Februar 1997 weitere gleichartige Vereinbarungen mit der Bank getroffen worden. Die Globalzessionsverträge stammten aus einer Zeit, die mit der Betriebsgründung in Zusammenhang stehe. Zu dieser Zeit seien noch keine Forderungen des Finanzamtes vorgelegen.

Die Uneinbringlichkeit der noch offenen Abgabenrückstände der K-GmbH ergebe sich daraus, dass das Konkursverfahren über ihr Vermögen bereits abgeschlossen und die Konkursquote überwiesen (und rückstandsmindernd berücksichtigt) sei. Für die noch offene Lohnsteuer hafte die Beschwerdeführerin im Hinblick auf die Bestimmung des § 78 EStG zur Gänze. Alle anderen Verbindlichkeiten hätten anteilig befriedigt werden müssen. Es sei Sache des Geschäftsführers darzutun, weshalb er nicht dafür habe Sorge tragen können, dass die angefallenen Abgaben rechtzeitig und vollständig entrichtet würden. Im Abschluss eines Zessionsvertrages über die Abtretung sämtlicher Forderungen an einen Gläubiger liege eine Pflichtverletzung, wenn sonstige Mittel zur Befriedigung der anderen Gläubiger, insbesondere des Abgabengläubigers fehlten. Die Beschwerdeführerin habe durch die Zession sämtlicher Forderungen ihren Handlungsspielraum eingeengt, so dass sie die Entrichtung der Abgaben nicht mehr habe bewirken können. Daran könne der Umstand, dass bei Abschluss des Zessionsvertrages noch keine Abgabenschulden bestanden hätten, nichts ändern, seien doch bei einen Gewerbebetrieb stets derartige Schulden zu erwarten. Setzte man die im haftungsgegenständlichen Zeitraum vorhandenen Mittel in Relation zu den Gesamtverbindlichkeiten, ergebe sich eine Tilgungsquote von 57,8 Prozent. Es hätten daher die Abgaben im Ausmaß von 57,8 Prozent getilgt werden müssen. Die Beschwerdeführerin werde daher für die anderen Abgaben als die Lohnsteuern im Ausmaß von 57,8 Prozent der offenen Beträge zur Haftung herangezogen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff leg. cit. bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen sei, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung im Sinne des § 9 Abs. 1 BAO angenommen werden darf (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 97/13/0009).

Im Mittelpunkt der Beschwerdevorbringens steht der Hinweis darauf, dass "im Zeitpunkt des Fälligwerdens und der Säumigkeit der Gesellschaft bei Abführung der Steuern" die Stammeinlage der K-GmbH im Ausmaß von 250.000 S noch nicht eingefordert gewesen sei, sodass die Gesellschaft insoweit über liquide Mittel verfügt habe. Diese Stammeinlage sei auch bei Konkurseröffnung noch nicht einbezahlt gewesen. Sie sei dann vom Masseverwalter eingezogen und sofort auf das Massekonto eingezahlt worden. Im Hinblick auf dieses Forderungsrecht auf die Stammeinlage sei die Uneinbringlichkeit der Abgabenforderungen nicht vorgelegen und auch keine Pflichtverletzung der Beschwerdeführerin gegeben. Die Tatsache dieses Forderungsrechts hätte die belangte Behörde durch Einsichtnahme in das Firmenbuch eruieren können. Die Beschwerdeführerin habe diese Stammeinlage bewusst nicht eingezogen, weil es strafbar gewesen wäre, im Hinblick auf die sich abzeichnende Zahlungsunfähigkeit einen Gläubiger zu befriedigen. Es wäre aber dem Finanzamt frei gestanden, eine Pfändung der nicht bezahlten Stammeinlage vorzunehmen.

Diesem Vorbringen ist zunächst entgegenzuhalten, dass das Tatbestandselement der Uneinbringlichkeit der Abgabe in jenem Zeitpunkt vorliegen muss, in dem der Vertreter zur Haftung herangezogen wird (vgl Ritz, BAO-Kommentar2, § 9 Tz 5). Für die Überprüfung eines angefochtenen Bescheides durch den Verwaltungsgerichtshof kommt es also darauf an, ob im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides die Uneinbringlichkeit vorgelegen ist. Dass die Abgaben zu diesem Zeitpunkt uneinbringlich waren, wird in der Beschwerde nicht bestritten.

Zu den abgabenrechtlichen Pflichten des Vertreters gehört es, dafür zu sorgen, dass aus den vorhandenen Mitteln die Abgaben entrichtet werden. Nach § 35 Abs 1 Z 2 GmbHG setzt die Einforderung von Einzahlungen auf die Stammeinlagen die Beschlussfassung der Gesellschafter voraus (vgl das hg Erkenntnis vom , 2000/16/0601). Im Unterbleiben der Einforderung der Stammeinlage liegt daher keine Pflichtverletzung des Geschäftsführers; eine derartige Pflichtverletzung lastet der angefochtene Bescheid der Beschwerdeführerin auch nicht an.

Der Haftungstatbestand nach § 9 BAO setzt Kausalität zwischen schuldhafter Pflichtverletzung und Uneinbringlichkeit der Abgabe voraus. Der Kausalität steht der Umstand nicht entgegen, dass die Abgabenbehörde in der Vergangenheit Eintreibungsmaßnahmen unterlassen hat.

In der Beschwerde wird weiters vorgebracht, im Zeitpunkt des Abschlusses des Generalzessionsvertrages habe die K-GmbH "liquide Mittel" in Form des Anlagevermögens gehabt, sodass im Abschluss dieses Vertrages keine Pflichtverletzung gesehen werden könne.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann im Abschluss eines (globalen) Mantelzessionsvertrages, durch den einerseits die Bank als andrängender Gläubiger begünstigt wird, andererseits andere andrängende Gläubiger - insbesondere der Bund als Abgabengläubiger - benachteiligt werden, eine dem Geschäftsführer vorzuwerfende Pflichtverletzung liegen. Der Abschluss eines Mantelzessionsvertrages ist dem Vertreter dann vorzuwerfen, wenn er es unterlassen hat - insbesondere durch entsprechende Vertragsgestaltung - vorzusorgen, dass auch im Falle einer Änderung der Verhältnisse, wenn diese bei Aufwendung entsprechender Sorgfalt als nicht unvorhersehbar zu werten ist, die Bedienung der anderen Schulden, insbesondere der Abgabenschulden, durch diesen Vertrag nicht beeinträchtigt wird (vgl das hg Erkenntnis vom , 2001/14/0109).

Auch wenn die K-GmbH bei Abschluss der Mantelzessionsverträge über Anlagevermögen verfügt hat, kann der Abgabenbehörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie den Abschluss dieser Verträge als Pflichtverletzung gewertet hat, weil keine Vorsorge für die künftige Abgabenentrichtung getroffen worden ist, zumal die Beschwerdeführerin nicht darzutun vermag, dass bei Abschluss der Verträge weder wirtschaftliche Schwierigkeiten bestanden haben, noch der Eintritt solcher Schwierigkeiten unvorhersehbar gewesen sei.

Soweit die Beschwerde schließlich rügt, die belangte Behörde hätte der Beschwerdeführerin die Abgabenschulden nach § 236 BAO nachsehen müssen, genügt es darauf zu verweisen, dass der angefochtene Bescheid nicht über eine Nachsicht nach § 236 BAO abspricht.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl II 501/2001.

Wien, am