VwGH vom 19.03.2002, 2000/14/0012
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. iur. Mag. (FH) Schärf, über die Beschwerde der S OEG in S, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom , Zl. RV507/1-6/1999, betreffend Umsatzsteuer 1997, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
In der Berufung gegen den Umsatzsteuerbescheid 1997 beantragte die Beschwerdeführerin die Gewährung des Vorsteuerabzuges aus den Betriebsausgaben für zwei Fahrzeuge der Type Peugeot 221 in Höhe von insgesamt S 70.576,--.
Begründend wurde ausgeführt, nach der durch die Verordnung des Bundesministers für Finanzen BGBl. 273/1996 geänderten Rechtslage stehe der Vorsteuerabzug für die genannten Fahrzeuge nicht zu. Diese Regelung verstoße jedoch gegen das Gemeinschaftsrecht. Nach der zum (EU-Beitritt) gegebenen Rechtslage seien Kleinbusse nämlich im vollen Umfang vorsteuerabzugsberechtigt gewesen, weshalb die spätere Einschränkung des Vorsteuerabzuges für Kleinbusse Art. 17 Abs. 6 der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie aus näher dargestellten Gründen zuwiderlaufe.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Der gerügte Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht liege nicht vor. Nach Art. 17 Abs. 6 der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie seien die Mitgliedstaaten berechtigt, alle Vorsteuerausschlüsse beizubehalten, die nach den innerstaatlichen Rechtsvorschriften im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Richtlinie bestanden hätten. In Österreich sei die sechste Mehrwertsteuerrichtlinie am in Kraft getreten. Die strittige Verordnung aus dem Jahr 1996 stelle lediglich eine Präzisierung bzw. Klarstellung der Rechtslage unter Berücksichtigung früherer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den bis zum EU-Beitritt Österreichs geltenden Bestimmungen dar, sodass von keiner Erweiterung des Kreises der nicht vorsteuerabzugsberechtigten Fahrzeuge gesprochen werden könne.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde erwogen:
Lieferungen und sonstige Leistungen, die im Zusammenhang mit der Anschaffung, Miete oder dem Betrieb von Personenkraftwagen, Kombinationskraftwagen oder Krafträdern stehen (ausgenommen Fahrschulkraftfahrzeuge, Vorführkraftfahrzeuge und Kraftfahrzeuge, die ausschließlich zur gewerblichen Weiterveräußerung bestimmt sind, sowie Kraftfahrzeuge, die zumindestens 80 % dem Zweck der gewerblichen Personenbeförderung oder der gewerblichen Vermietung dienen) berechtigen gemäß § 12 Abs. 2 Z 2 lit. b UStG 1994 nicht zum Vorsteuerabzug. Die genannte Gesetzesbestimmung wurde unverändert aus der bis zum Beitritt Österreichs zur EU geltenden Bestimmung des § 12 Abs. 2 Z 2 lit. c UStG 1972 übernommen.
Im Erlass Z 09 1202/4-IV/9/87 des Bundesministers für Finanzen vom , AÖF 330/1987, wird darauf verwiesen, dass Kleinbusse nicht unter die für Personenkraftwagen und Kombinationskraftwagen geltenden einschränkenden umsatzsteuerlichen Bestimmungen fielen, für Kleinbusse vielmehr die Möglichkeit des Vorsteuerabzuges bestehe. Unter einem Kleinbus sei ein Fahrzeug zu verstehen, das ein kastenwagenförmiges Äußeres sowie Beförderungsmöglichkeiten für mehr als sechs Personen aufweise.
Auf Grund der Verordnungsermächtigung des § 12 Abs. 2 Z. 2 lit. b UStG 1994 in der Fassung Strukturanpassungsgesetz 1996, BGBl. 201, erließ der Bundesminister für Finanzen die Verordnung über die steuerliche Einstufung von Fahrzeugen als Personenkraftwagen und Kombinationskraftwagen, BGBl. 273/1996 (im folgenden Verordnung).
§ 10 dieser Verordnung lautet:
"Klein-Autobusse, auch wenn sie kraftfahrrechtlich und zolltarifarisch als Personenkraftwagen oder Kombinationskraftwagen eingestuft sind, sind steuerrechtlich keine Personenkraftwagen oder Kombinationskraftwagen, wenn sie eine einem Autobus entsprechende Form aufweisen und weiters eine der folgenden Voraussetzungen erfüllen:
1. Das Fahrzeug ist kraftfahrrechtlich für eine Beförderung von mindestens neun Personen (einschließlich des Fahrzeuglenkers) zugelassen und enthält zusätzlich einen Gepäcksraum im Fahrzeuginneren. Die erste Sitzreihe ist bereits werkseitig mit drei fixen Sitzplätzen ausgestattet.
2. Das Fahrzeug ist kraftfahrrechtlich für die Beförderung von mindestens sieben Personen (einschließlich des Fahrzeuglenkers) zugelassen und weist bereits werkseitig hinter der dritten Sitzreihe in hinterster Position einen Laderaum mit einer Länge von mindestens 500 mm auf. Diese Länge muss im Durchschnitt vom Laderaumboden bis zur Höhe von 500 mm über dem Laderaumboden erreicht werden."
Der Metropol Treuhand WirtschaftstreuhandgmbH und Michael Stadler, C-409/99, - auf Grund eines Vorabentscheidungsersuchens des Verwaltungsgerichtshofes - ausgeführt:
Die Regelung eines Mitgliedstaates, die nach dem Inkrafttreten der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie 77/388/EWG, im Folgenden Richtlinie (für Österreich ist die Richtlinie zum Zeitpunkt des Beitrittes zur EU am in Kraft getreten), die bestehenden Vorsteuerausschlusstatbestände erweitere und sich damit vom Ziel der Richtlinie entferne, verstoße gegen deren Art. 17 Abs. 2 und stelle keine nach Art. 17 Abs. 6 Unterabs. 2 zulässige Ausnahme dar. Art. 17 Abs. 6 der Richtlinie enthalte eine Stand-still-Klausel, die die Beibehaltung der innerstaatlichen Ausschlusstatbestände vom Vorsteuerabzugsrecht vorsehe, die vor dem Inkrafttreten der Richtlinie in Geltung gestanden seien. Mit dieser Bestimmung sollten die Mitgliedstaaten ermächtigt werden, bis zum Erlass der gemeinschaftsrechtlichen Regelung der Tatbestände des Ausschlusses vom Vorsteuerabzugsrecht durch den Rat alle Regelungen des innerstaatlichen Rechts über den Ausschluss des Vorsteuerabzugs beizubehalten, die ihre Behörden zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Richtlinie tatsächlich angewandt hätten. "Angesichts dieses besonderen Zweckes umfasst der Begriff innerstaatliche Rechtsvorschriften im Sinne von Artikel 17 Absatz 6 Unterabsatz 2 der Sechsten Richtlinie nicht nur Rechtsetzungsakte im eigentlichen Sinne, sondern auch die Verwaltungsakte und Verwaltungspraktiken der Behörden des betroffenen Mitgliedstaats" (Rz. 49).
Der EuGH betont im genannten Urteil, es sei einem Mitgliedstaat nach Art. 17 Abs. 6 Unterabs. 2 der Richtlinie verwehrt, die Ausgaben für bestimmte Kraftfahrzeuge nach dem Inkrafttreten der Richtlinie vom Recht auf Vorsteuerabzug auszuschließen, wenn zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Richtlinie für solche Ausgaben das Recht auf Vorsteuerabzug nach ständiger, auf einem Ministerialerlass beruhender Praxis der Verwaltungsbehörden dieses Mitgliedstaates gewährt worden sei.
In rechtlicher Hinsicht ergibt sich aus der Entscheidung des EuGH für den gegenständlichen Fall, dass der Vorsteuerabzug im Zusammenhang mit dem Betrieb der beiden Fahrzeuge der Marke Peugeot 221 nicht deshalb versagt werden durfte, weil diese Fahrzeuge nicht die im § 10 der Verordnung festgelegten Anforderungen erfüllen, wenn nur die im Erlass des Bundesministers für Finanzen vom , AÖF 330/1987, angegebenen Voraussetzungen erfüllt sind.
In Verkennung der Rechtslage hat sich die belangte Behörde nicht damit auseinander gesetzt, ob die von der Beschwerdeführerin betriebenen Fahrzeuge den im Erlass des Bundesministers für Finanzen vom , AÖF 330/1987, festgelegten Voraussetzungen entsprechen. Der angefochtene Bescheid ist daher mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.
Darauf hingewiesen sei, dass der streitgegenständliche Fahrzeugtyp in der Liste der Kleinlastkraftwagen und Kleinbusse (Stand ), welche nach der Verwaltungspraxis nicht als Personenkraftwagen oder Kombinationskraftwagen eingestuft wurden, aufscheint (siehe SWK 1995, A 660).
Der angefochtene Bescheid war sohin gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am