VwGH vom 18.02.1983, 81/17/0012
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Reichel und die Hofräte Dr. Würth, Dr. Hnatek, Dr. Wetzel und Dr. Puck als Richter, im Beisein des Schriftführers Richter Mag. Dr. Walter, über die Beschwerde der F in W, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom , Zl. MDR-F 15/80/Str., betreffend Verhängung einer Verwaltungsstrafe nach dem Wiener Vergnügssteuergesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 8.220,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Bezüglich der Vorgeschichte des vorliegenden Falles wird zwecks Vermeidung von Wiederholungen auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2730/80, verwiesen. Mit diesem Erkenntnis wurde eine Beschwerde der auch nunmehr beschwerdeführenden Partei (Beschwerdeführerin) gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien vom , Zl. MDR-F 1/80, betreffend Festsetzung von Vergnügungssteuer, als unbegründet abgewiesen. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der genannten Verwaltungsbehörde von war der Beschwerdeführerin für die in der Zeit von Mai bis Oktober 1979 durch den Verkauf von Speisen und Getränken in ihrem Kantinenbetrieb in Wien anlässlich der Reitveranstaltungen des W. Reitinstitutes erzielten Einnahmen gemäß §§ 1, 2, 6, 8, 15 und 32 des Vergnügungssteuergesetzes für Wien 1963, LGBl. Nr. 11 (im folgenden Wr VgStG 1963), in der Fassung LGBl. Nr. 37/1976, sowie gemäß § 149 Abs. 2 der Wiener Abgabenordnung - WAO, LGBl. Nr. 21/1962, in der geltenden Fassung, Vergnügungssteuer in Höhe von S 3.567,-- vorgeschrieben worden. Weiters war der Beschwerdeführerin gemäß § 104 WAO ein Verspätungszuschlag von S 357,-- und gemäß § 166 WAO ein Säumniszuschlag von S 71,-- auferlegt worden.
Dieser Verwaltungsvorgang war auch Anlass, über die Beschwerdeführerin mit Strafverfügung des Magistrates der Bundeshauptstadt Wien vom gemäß § 38 Abs. 1 Wr VgStG, 1963 in Anwendung des § 47 des Verwaltungsstrafgesetzes - VStG 1950 - eine Geldstrafe von S 1.800,--(Ersatzarreststrafe drei Tage) zu verhängen. Die Beschwerdeführerin habe in der Zeit von Mai bis Oktober 1979 in ihrer Reitplatzkantine erzielte steuerpflichtige Einnahmen in der Höhe von S 35.666,-- nicht fristgerecht zur Vergnügungssteuer einbekannt und die Abgabe auch nicht rechtzeitig entrichtet. Sie habe hiedurch die Vergnügungssteuer mit einem Betrag, von S 3.567,-- fahrlässig verkürzt und dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 38 Abs. 1 Wr VgStG 1963 begangen.
In ihrem gegen diesen Bescheid erhobenen Einspruch brachte die Beschwerdeführerin vor, sie habe die ihr zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen. Das W. Reitinstitut, in dessen Rahmen sie ihre Kantine betreibe, sei seit Jahren von der Vergnügungssteuer befreit. Sie habe im guten Glauben darauf vertraut, dass die dem Reitinstitut gebührende Befreiung auch für sie gelte. Erst mit Bescheid vom habe die Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien festgestellt, dass die Befreiung des W. Reitinstitutes von der Vergnügungssteuer nur die Befreiung von der Entrichtung dieser Abgabe betreffe, nicht aber bewirke, dass die Veranstaltungen des W. Reitinstitutes als vergnügungssteuerfrei zu betrachten seien.
Der Magistrat der Bundeshauptstadt Wien wertete den Einspruch gegen die Strafverfügung, als Rechtfertigung der Beschwerdeführerin im Sinne des § 40 VStG 1950 und erließ mit Datum vom ein Straferkenntnis, welches nur insoweit in seinem Spruch über die vorgenannte Strafverfügung hinausgeht, als darin der Beschwerdeführerin gemäß § 64 Abs. 2 VStG 1950 auch ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens in Höhe von 10 v.H. der verhängten Strafe - das sind S 180,-- - sowie gemäß § 67 VStG 1950 der Ersatz der Kosten des Strafvollzuges auferlegt wurde. Begründend führte der Magistrat in seinem Erkenntnis aus, dass es der Beschwerdeführerin als Fahrlässigkeit anzulasten sei, wenn ihr die maßgeblichen Verwaltungsvorschriften trotz Anwendung der ihr nach ihren Verhältnissen zumutbaren Sorgfalt unbekannt geblieben seien. Selbst guter Glaube stelle keinen Schuldausschließungsgrund dar, da es Sache der Partei sei, sich mit den einschlägigen Vorschriften vertraut zu machen und im Falle eines Zweifels über die Auslegung von Bestimmungen bei der Behörde anzufragen. Auch ein Irrtum über die Auslegung von Rechtsvorschriften stelle keinen Schuldausschließungsgrund dar.
In ihrer gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung führte die Beschwerdeführerin aus, dass sie die Bestimmungen des Wr VgStG 1963 kenne, sie aber dennoch auf Grund des Wortlautes dieser Bestimmungen die Überzeugung gehabt habe, nicht vergnügungssteuerpflichtig zu sein, weil § 6 Abs. 6 Wr VgStG 1963 eine Abgabenpflicht im Zusammenhang mit dem Verkauf von Speisen, Getränken etc. nur begründe, wenn diese Verkäufe anlässlich steuerpflichtiger Veranstaltungen erfolgten. Das W. Reitinstitut, in dessen Betrieb sie ihre Kantine führe, sei jedoch von der Vergnügungssteuer befreit.
Mit Berufungsbescheid der belangten Behörde vom wurde das angefochtene Straferkenntnis vom bestätigt. Zusätzlich wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 64 Abs. 2 VStG 1950 ein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens von S 180,-- auferlegt. In der Begründung dieses Bescheides trat die belangte Behörde der Meinung der Beschwerdeführerin, es treffe sie kein Verschulden, wenn sie die maßgebenden Bestimmungen des Wr VgStG 1963 unrichtig ausgelegt habe, entgegen. Nach § 5 Abs. 2 VStG 1950 entschuldige die Unkenntnis der Verwaltungsvorschrift - die unrichtige Auslegung einer Bestimmung sei der Unkenntnis der Bestimmung gleichzuhalten - nur dann, wenn sie erwiesenermaßen unverschuldet sei und der Täter das Unerlaubte seines Verhaltens ohne Kenntnis der Verwaltungsvorschrift nicht einsehen hätte können. Die Beschwerdeführerin habe auch nicht dargelegt, dass sie sich bei der Abgabenbehörde von sich aus über die Abgabepflicht erkundigt habe. Das Unterbleiben einer derartigen Erkundigung bei der Abgabenbehörde müsse als Fahrlässigkeit gewertet werden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 254 Abs. 1 des Finanzstrafgesetzes, BGBl. Nr. 129/1958, gilt für den Bereich des landesgesetzlichen Abgabenstrafrechtes das Verwaltungsstrafgesetz 1950. Über die Schuld bestimmt § 5 Abs. 1 VStG 1950 im ersten Satz, dass zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten genügt, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt. Nach § 5 Abs. 2 VStG 1950 entschuldigt Unkenntnis der Verwaltungsvorschrift, der der Täter zuwidergehandelt hat, nur dann, wenn sie erwiesenermaßen unverschuldet ist und der Täter das Unerlaubte seines Verhaltens ohne Kenntnis der Verwaltungsvorschrift nicht einsehen konnte.
Zum Tatbestand der Verwaltungsübertretung der fahrlässigen Abgabenverkürzung gehört der Eintritt eines Schadens, wobei ein solcher nicht dadurch ausgeschlossen ist, dass es später tatsächlich, aber eben verspätet, zur Bemessung (Selbstbemessung) und Entrichtung der Abgabe kommt; die fahrlässige Abgabenverkürzung ist ein Erfolgs-, und zwar ein Verletzungsdelikt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Slg. Nr. 2796/F). Die im § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG 1950 normierte Beweislastumkehr hinsichtlich des Verschuldens des Täters für so genannte Ungehorsamsdelikte kommt somit hier nicht in Betracht. Es ist vielmehr Sache der Verwaltungsbehörde, den Beweis für das Verschulden des Täters an seinem Rechtsirrtum zu erbringen.
Im vorliegenden Fall hat nun die belangte Behörde ein solches Verschulden der Beschwerdeführerin an ihrem Rechtsirrtum daraus abgeleitet, dass sie sich nicht bei den Abgabenbehörden über die nach dem eingangs zitierten hg. Erkenntnis vom , Zl. 2730/80, bestehende Vergnügungssteuerpflicht erkundigt habe. Diese Auffassung der belangten Behörde ist jedoch verfehlt.
Die belangte Behörde übersieht vor allem, dass das von ihr im angefochtenen Bescheid angenommene Verschulden der Beschwerdeführerin jedenfalls solange nicht vorliegen konnte, als die Beschwerdeführerin in Kenntnis des Gesetzeswortlautes eine durchaus vertretbare, wenngleich in der Folge als unrichtig erkannte Rechtsansicht ihrem Vorgehen zugrundegelegt hat (vgl. hiezu das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , Slg. Nr. 5027, und das hg. Erkenntnis vom , Zl. 82/14/0088). Nun hat zwar der Verwaltungsgerichtshof in dem besagten Erkenntnis vom der belangten Behörde darin beigepflichtet, dass die von der Beschwerdeführerin zur Frage der Vergnügungssteuerpflicht vertretene Rechtsansicht nicht richtig sei, er hat jedoch gleichzeitig in seinen Entscheidungsgründen darauf hingewiesen, dass § 37 Abs. 5 Wr VgStG 1963 ein gewichtiges Argument zu Gunsten des von der Beschwerdeführerin in der abgabenrechtlichen Frage vertretenen Rechtsstandpunktes darstelle. Weil aber die an dieser Gesetzesstelle enthaltene Wendung "steuerbefreiten Vergnügungen" als legistisch verfehlte Kurzumschreibung aufzufassen ist, musste die Beschwerde damals als unbegründet abgewiesen werden. Der Verwaltungsgerichtshof hat aber mit seinem Erkenntnis nicht zum Ausdruck gebracht, dass die von der Beschwerdeführerin damals geäußerte Rechtsansicht nicht vertretbar sei. Es lässt sich vielmehr im Gegenteil sagen, dass die Beschwerdeführerin seinerzeit - solange sie jedenfalls nicht Kenntnis von den Argumenten für die gegenteilige Auffassung der Abgabenbehörden hatte und damit Anlass für sie bestand, der Rechtsfrage unter Zuhilfenahme fachlichen Beistandes eingehend näher zu treten, doch war dies keinesfalls vor dem Ende des Tatzeitraumes der Fall - den Gesetzeswortlaut des Wr VgStG 1963 durchaus vertretbarerweise dahingehend verstehen konnte, dass hiedurch eine Vergnügungssteuerpflicht für sie nicht begründet werde; dies umso mehr, als das Erkennen des im Gesetz gelegenen Fehlers bei den im Berufszweig der Beschwerdeführerin üblicherweise bestehenden Kenntnissen des Steuerrechtes von ihr füglich nicht erwartet werden durfte.
Aus den angeführten Gründen haftet dem angefochtenen Bescheid die ihm von der Beschwerdeführerin zur Last gelegte Rechtswidrigkeit des Inhaltes an, weswegen dieser Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 aufzuheben war.
Von der Durchführung der von der Beschwerdeführerin beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 lit. f VwGG 1965 idF der Novelle BGBl. Nr. 203/1982 abgesehen werden, weil die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom , BGBl. Nr. 221, insbesondere auf deren Art. III Abs. 2.
Wien, am