VwGH vom 11.02.1982, 81/15/0038
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Raschauer und die Hofräte Dr. Seiler, Dr. Grossmann, Dr. Schubert und Dr. Wetzel als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberrat im Verwaltungsgerichtshof Dr. Feitzinger, über die Beschwerde der F-Aktiengesellschaft in W, vertreten durch Dr. Ludwig Draxler, Rechtsanwalt in Wien I, Reichsratsstraße 11, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. GA 11-2755/80, betreffend Stempelgebühr, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 8.460,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die beschwerdeführende Partei (Beschwerdeführerin) richtete am an den Magistrat der Stadt St. Pölten unter der Gegenstandsbezeichnung "Giftbezugslizenz, GZ. 506/4/Dr. Ps./Fr."
ein Schreiben folgenden Inhaltes:
"Wir erhielten mit Bescheid vom die Giftbezugslizenz bis für nachstehend angeführte
Stoffe: .... (es folgt hier die namentliche Anführung von 19
Giften). Wir ersuchen, da die Erfordernisse nach wie vor bestehen, diese Giftbezugslizenz um weitere drei Jahre zu verlängern."
Diese Eingabe war mit S 70,-- gestempelt. Das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien vertrat die Ansicht, daß die 19-fache Eingabengebühr zu entrichten gewesen wäre und forderte mit Bescheid vom von der Beschwerdeführerin S 1.260,-- (18 x S 70,--) nach. Zugleich erhob es gemäß § 9 Abs. 1 des Gebührengesetzes 1957, BGBl. Nr. 267, in der Fassung der Gebührengesetz-Novelle BGBl. Nr. 668/1976 (GebG), eine Gebührenerhöhung von S 630,--.
In ihrer dagegen eingebrachten Berufung wendete die Beschwerdeführerin ein, ihre Eingabe bestehe nicht aus mehreren Ansuchen, sondern habe die Verlängerung der bereits bestehenden einheitlichen Lizenz zum Gegenstand. Der Magistrat der Stadt St. Pölten habe darüber einen einheitlichen Bescheid erlassen und er habe auch mit seinem Bescheid vom eine einheitliche Bewilligung erteilt. Diese Übung bestehe bereits seit Jahrzehnten. Außerdem kenne auch die Giftverordnung, BGBl. Nr. 362/1928, nicht den Tatbestand gesonderter Ansuchen für jede einzelne Giftart.
Diesem Rechtsmittel gab die belangte Behörde mit dem nunmehr beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid nicht Folge. In der Begründung des Bescheides führte sie aus:
§ 13 der genannten Giftverordnung besage, daß die in ihrem
§ 3 aufgezählten Gifte nur nach Maßgabe einer von der zuständigen
politischen Bezirksbehörde erteilten Giftbezugsbewilligung (Giftbezugsschein oder Giftbezugslizenz) abgegeben würden. Die Gültigkeit einer Giftbezugslizenz erlösche mit Ablauf von drei Jahren nach dem Ausstellungstag (§ 16 Abs. 3 der Verordnung). Aus diesen Bestimmungen ergebe sich einerseits, daß die Gültigkeitsdauer einer Giftlizenz nicht verlängert werde, sondern stets die neuerliche Erteilung einer solchen Lizenz erforderlich sei, und andererseits, daß der Umfang der Lizenz, d. h. die Anzahl der zu beziehenden Gifte, der Entscheidung der ausstellenden Behörde überlassen sei. Es bestehe die Möglichkeit, daß die Lizenz nicht für alle zum Bezug beantragten Giftstoffe erteilt werde. Schon aus der Aufzählung in § 3 der Verordnung ergebe sich die Verpflichtung der Behörde, hinsichtlich jedes einzelnen Giftstoffes zu entscheiden, ob er in die im Einzelfall auszustellende Lizenz aufzunehmen sei oder nicht.
Nach § 12 Abs. 1 GebG sei, wenn in einer Eingabe mehrere Ansuchen gestellt werden, für jedes Ansuchen die Eingabengebühr zu entrichten. Als Ansuchen müsse nun jedes Begehren angesehen werden, das eine bestimmte Amtshandlung zur Folge habe. Begehre ein und dieselbe Person in einem und demselben Schriftstück mehrere Amtshandlungen, dann lägen mehrere Ansuchen und eine mehrfache Gebührenpflicht vor. Entscheidend sei dabei nur, ob von der angesprochenen Behörde über jedes der Ansuchen gesondert entschieden werden könne oder ob aus sachlichen oder wirtschaftlichen Gründen nur eine einheitliche Entscheidung möglich sei. Im vorliegenden Fall sei der Beschwerdeführerin wohl eine Lizenz betreffend den Bezug von 19 Giften erteilt worden, doch habe die Behörde, wie oben dargestellt, sachlich über jeden einzelnen Giftstoff entschieden. Das Ansuchen um Erteilung dieser Lizenz unterliege somit der Eingabengebühr nach der Zahl der in ihm genannten Giftstoffe. Das Berufungsvorbringen entspreche einer berechtigten wirtschaftlichen Betrachtungsweise, die jedoch dem Gebührenrecht fremd sei. Hier sei einzig und allein der formelle Tatbestand maßgebend. Die Festsetzung der Gebührenerhöhung beruhe auf der zwingenden Vorschrift des § 9 Abs. 1 GebG, die der Finanzbehörde kein Ermessen einräume. Eine Erhöhung nach § 9 Abs. 3 sei nicht vorgeschrieben worden. Daß früher die Einhebung der Gebühr im einfachen Betrag nicht beanstandet worden sei, hindere nicht, daß nunmehr die Gebühr dem Gesetz entsprechend vorgeschrieben werde. Nach den §§ 114 und 115 BAO hätten die Abgabenbehörden auf die gesetzmäßige Erfassung der Abgaben zu achten. Selbst wenn die Finanzbehörde selbst und nicht nur die Bezirksverwaltungsbehörde bisher die Gebühr bloß im einfachen Betrag erhoben hätte, wäre sie zu einem abweichenden Vorgehen verpflichtet, sobald sie erkannt habe, daß ihre geübte Praxis nicht dem Gesetz entspreche.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diese Berufungsentscheidung erhobene Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden, unter Bedachtnahme auf die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift erwogen:
Gemäß § 12 Abs. 1 GebG ist die Eingabengebühr für jedes Ansuchen zu entrichten, wenn in einer Eingabe mehrere Ansuchen gestellt werden.
Zu dieser Vorschrift ist es ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, daß mehrere gebührenpflichtige Ansuchen dann vorliegen, wenn in einem Schriftsatz mehrere selbständige Amtshandlungen begehrt werden (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 1414/55, und vom , Slg. Nr. 4372/F).
Mit dieser Rechtslage steht der angefochtene Bescheid nicht in Einklang. In ihrem Schriftsatz vom hat die Beschwerdeführerin nur die Vornahme EINER Amtshandlung begehrt, nämlich die Verlängerung der ihr am erteilten Giftbezugslizenz. Entgegen der Meinung der belangten Behörde kann der eingangs zitierten Giftverordnung nicht entnommen werden, daß über ein Ansuchen, das sich auf mehrere Giftstoffe bezieht, keine einheitliche Entscheidung ergehen könnte. Zwar ist der belangten Behörde darin beizupflichten, daß die zuständige Behörde, wenn ein Ansuchen mehrere Gifte umfaßt, bezüglich jedes einzelnen Stoffes zu prüfen hat, ob die rechtlichen Voraussetzungen für die Erteilung der begehrten Bewilligung vorliegen. Dessenungeachtet ist die Behörde gemäß § 59 Abs. 1 erster Satz AVG 1950 verpflichtet, die den Gegenstand des Verfahrens bildende Verwaltungsangelegenheit im Spruch ihres Bescheides in der Regel zur Gänze zu erledigen. Nur wenn der Gegenstand der Verhandlung eine Trennung nach mehreren Punkten zuläßt, kann, wenn dies zweckmäßig erscheint, gemäß dem zweiten Satz dieser Gesetzesstelle über jeden dieser Punkte, sobald er spruchreif ist, gesondert abgesprochen werden. Im Beschwerdefall war die zuständige Behörde daher primär verpflichtet, das Verlängerungsansuchen der Beschwerdeführerin mit EINEM Bescheid zu erledigen, was nach dem unbestrittenen Vorbringen der Beschwerdeführerin in ihrer Berufung auch geschehen ist. Da aber eine Trennung nach den einzelnen Giftstoffen möglich war, wären aus Zweckmäßigkeitsgründen auch Teilentscheidungen nicht ausgeschlossen gewesen, etwa dann, wenn bezüglich einzelner Gifte der Sachverhalt klar gegeben, bezüglich anderer aber noch ein zeitaufwendiges Verfahren durchzuführen gewesen wäre. Der Umstand, daß ein Verfahrensgegenstand eine Trennung nach Punkten zuläßt, rechtfertigt es aber nicht, den zugrunde liegenden Antrag der Partei in eine Mehrheit von Ansuchen umzudeuten. Hinzugefügt sei noch, daß die vorstehende Beurteilung auch dann gelten müßte, wenn die Beschwerdeführerin mit der gegenständlichen Eingabe erstmals um die Erteilung einer Bezugslizenz für 19 verschiedene Gifte angesucht hätte. Es ist daher bedeutungslos, ob eine Giftbezugslizenz nach Ablauf der Gültigkeitsdauer verlängert werden kann oder, wie die belangte Behörde meint, stets neu zu verleihen ist.
Aus den dargelegten Gründen ergibt sich, daß die Beschwerdeführerin zu Unrecht mit der strittigen Gebührennachforderung und mit der Gebührenerhöhung nach § 9 Abs. 1 GebG belastet worden ist. Der Beschwerde war daher Folge zu geben und der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Von der Durchführung der beantragten Verhandlung wurde gemäß § 39 Abs. 2 lit. d VwGG 1965 abgesehen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit Art. I A Z. 1 und Art. III Abs. 2 der Verordnung des Bundeskanzlers vom , BGBl. Nr. 221/1981.
Wien, am