VwGH vom 28.10.1975, 1708/75
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schimetschek und die Hofräte Hofstätter, Mag. DDr. Heller, Dr. Simon und Dr. Schubert als Richter, im Beisein der Schriftführerin Finanzoberkommissär Dr. Feitzinger, über die Beschwerde des Dipl.-Ing. WF in M, vertreten durch Dr. Arnulf Hummer, Rechtsanwalt in Wien I, Maysedergasse 5, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat VII, vom , Zl. 6- 1869/75, betreffend Einkommensteuer 1971 und 1972, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist Ziviltechniker und als solcher Mitglied der Ingenieurkammer gemäß § 5 Abs. 1 des Ingenieurkammergesetzes BGBl. Nr. 71/1969 (IngKG). In den Steuererklärungen für die Streitjahre machte der Beschwerdeführer die an den Versorgungsfonds der Ingenieurkammer gezahlten Beiträge (§ 18 Abs. 3 und 4, § 27 Abs. 4 IngKG) zur Gänze als Pflichtbeiträge gemäß § 10 Abs. 1 Z. 2 EStG 1967 geltend (1971: S 17.532,--, 1972: S 20.358,--). Das Finanzamt anerkannte, nachdem es durch Vorhalteverfahren festgestellt hatte, daß der Beschwerdeführer an den Versorgungsfonds nicht den Normalbeitrag, sondern einen solchen in doppelter Höhe (200 %) bezahlt hat, nur die Hälfte der geleisteten Zahlungen als gemäß § 10 Abs. 1 Z. 2 EStG 1967 abzugsfähiger Pflichtbeiträge. Die andere Hälfte wurde als freiwilliger Versicherungsbeitrag behandelt und gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 lit. a EStG 1967 nur bis zum jeweils zulässigen Höchstbetrag als Sonderausgabe berücksichtigt.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung, die die belangte Behörde jedoch aus folgenden Gründen abgewiesen hat:
Sonderausgaben im Sinne des § 10 Abs. 1 Z. 2 EStG 1967 lägen beim Beschwerdeführer nur insoweit vor, als die Beiträge vom Versorgungsfonds der Ingenieurkammer "verpflichtend" auferlegt seien. Dies könnten jedoch nur solche Beiträge bzw. Beiträge in einer solchen Höhe sein, die auf Grund eines Beschlusses des zuständigen Kammerorgans zwingend zu entrichten seien. Beiträge, die der Beschwerdeführer etwa über einen zwingend vorgeschriebenen Grundbetrag hinaus entrichte, um den Anspruch auf höhere Leistungen zu erwerben, stellten keine Sonderausgaben gemäß § 10 Abs. 1 Z. 2 EStG 1967 (Pflichtbeiträge) dar. Sie könnten jedoch als freiwillige Sonderausgaben im Rahmen des § 10 Abs. 1 Z. 3 EStG 1967 berücksichtigt werden. Es sei aktenkundig und werde auch nicht bestritten, daß der Grundbeitrag an den Versorgungsfonds der Ingenieurkammer für den Beschwerdeführer 1971 nur S 8.766,-- und 1972 S 10.179,-- betragen habe, daß sich der Beschwerdeführer jedoch in beiden Streitjahren für einen höheren Beitragssatz (200 %) entschieden habe. Als Pflichtbeitrag im Sinne des § 10 Abs. 1 Z. 2 EStG 1967 würden jedoch nur die jeweils geleisteten Grundbeiträge gelten. Sie seien auch vom Beschwerdeführer in dieser Höhe anerkannt worden. Auch der Umstand, daß die vom Beschwerdeführer einmal gewählten Beitragssätze nicht mehr reduzierbar seien und auch zwangsweise exekutiert werden könnten, ändere nichts daran. Entscheidend bleibe die Tatsache, daß die Erhöhung des Beitragssatzes über den nach den Statuten festgelegten Grundbetrag hinaus durch den Beschwerdeführer selbst und auf freiwilliger Basis erfolgt sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Für den Beschwerdeführer als Mitglied einer Kammer der selbständig Erwerbstätigen kommen gemäß § 10 Abs. 1 Z. 2 EStG 1967 nur jene PFLICHTbeiträge als Sonderausgaben in Betracht, die er für eine Versicherung im Rahmen der Versorgungs- und Unterstützungseinrichtungen dieser Kammer entrichtet, soweit diese Einrichtungen der Kranken-, Invaliditäts- und Hinterbliebenenversicherung dienen. Es ist unbestritten, daß die Beiträge des Beschwerdeführers grundsätzlich diese vom Gesetz aufgestellten Voraussetzungen erfüllen. Strittig ist nur, ob die erwähnten Versicherungsbeiträge zur Gänze unter den Begriff der "Pflichtbeiträge" fallen oder ob sie zum Teil als freiwillige "Beiträge und Versicherungsprämien" unter § 10 Abs. 1 Z. 3 lit. a EStG 1967 zu subsumieren sind. Dazu ist der Beschwerde zu entnehmen, daß der Beschwerdeführer beantragte, seinen Fondsbeitrag statt in der Höhe des Normalbeitrages mit dem zweifachen desselben festzusetzen. Den übrigen Beschwerdeausführungen ist nicht zu entnehmen, daß der Beschwerdeführer diesen Entschluß nicht freiwillig gefaßt habe. Vielmehr vertritt der Beschwerdeführer lediglich die Rechtsansicht, es habe nicht darauf anzukommen, ob es ihm in "einem früheren Zeitpunkt" freigestanden sei, sich "der bezüglichen Pflicht zu unterwerfen", sondern wesentlich sei, "ob der Schuldner im kritischen Zeitpunkt seiner Beitragszahlung dieselbe aus freien Stücken nicht mehr unterlassen könnte und daher mit seiner Zahlung eine Pflicht erfüllt oder ob er dieselbe auch unterlassen könnte und daher mit seiner Zahlung einen freiwilligen Akt setzt". Dieser Kern der Beschwerdeausführungen läßt erkennen, daß sich der Beschwerdeführer in einem Rechtsirrtum befindet.
Für die Lösung der Frage, ob es sich im Einzelfall um eine Pflichtversicherung im Sinne des § 10 Abs. 1 Z. 2 EStG 1967 oder um eine "freiwillige" Beitrags- oder Prämienleistung im Sinne der Z. 3 lit. a leg. cit. handelt, ist nämlich nicht die Verpflichtung zur konkreten Beitragsentrichtung entscheidend, sondern vielmehr, ob der Steuerpflichtige zu dieser dem Grunde und der Höhe nach gesetzlich verpflichtet ist oder Rechtsgrund für die Beitragsentrichtung dem Grunde UND der Höhe nach ein freiwilliger Akt des Steuerpflichtigen ist (vgl. in dieser Richtung die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2229/70, Slg. Nr. 4311/F - betreffend freiwillige Weiterversicherung bei der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten -, und vom , Zl. 66/73, Slg. Nr. 4512/F - betreffend Versicherung der Familienangehörigen nach dem Gewerblichen Selbständigen-Krankenversicherungsgesetz BGBl. Nr. 167/1966). Eine gegenteilige Rechtsansicht hätte zur Folge, daß der Unterscheidung zwischen "Pflichtversicherungen" und "freiwilligen" Versicherungen (§ 10 Abs. 1 Z 2 ODER Z. 3 lit. a EStG 1967) weitgehend der Boden entzogen wäre; denn auch bei auf privatrechtlichem Versicherungsvertrag mit einer privaten Versicherungsanstalt beruhenden Prämienleistung für die Versicherungsfälle des Alters, der Krankheit oder der Invalidität handelt es sich um Leistungen, zu deren Erbringung den Versicherungsnehmer eine Rechtspflicht trifft.
Aus dem Vorgesagten folgt, daß die Rechtsrüge der Beschwerde unbegründet ist. Worin die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gelegen sein sollte, ist im Beschwerdeschriftsatz nicht ausgeführt und bei der aufgezeigten Rechtslage auch nicht erkennbar.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, was gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 zu ihrer Abweisung führen mußte. Dies hatte, da bereits der Beschwerdeinhalt erkennen ließ, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtswidrigkeit nicht vorliegt, ohne weiteres Verfahren, insbesondere auch ohne Durchführung der vom Beschwerdeführer beantragten mündlichen Verhandlung, in nichtöffentlicher Sitzung zu erfolgen (§ 35 Abs. 1 VwGG 1965).
Wien, am