VwGH vom 04.09.1973, 1665/72

VwGH vom 04.09.1973, 1665/72

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Loebenstein und die Hofräte DDr. Dolp, Dr. Skorjanec, Dr. Jurasek und Dr. Draxler als Richter, im Beisein des Schriftführers Ministerialoberkommissärs Dr. Gancz, über die Beschwerde des GS in I, vertreten durch Dr. Heinrich Lechner, Rechtsanwalt in Innsbruck, Wilhelm-Greil-Straße 21/III, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom , Zl. IIb- 900/2-1972, betreffend Verhängung einer Mutwillensstrafe, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 100,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Strafverfügung des Stadtmagistrates Innsbruck vom war der Beschwerdeführer schuldig erkannt worden, am in Innsbruck, Maria-Theresien-Straße, ohne im Besitz einer hiefür erforderlichen behördlichen Bewilligung gewesen zu sein, gemeinsam mit mehreren an ihn geketteten Personen bei der Annasäule Aufstellung genommen und ein Transparent entfaltet zu haben, wodurch es auf der Verkehrsfläche zu einer Menschenansammlung gekommen sei, und dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 82 Abs. 1 der Straßenverkehrsordnung 1960 begangen zu haben. Gemäß § 99 Abs. 3 lit. d der Straßenverkehrsordnung 1960 war über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe in der Höhe von S 1.000, --, an deren Stelle im Uneinbringlichkeitsfall eine Ersatzarreststrafe von drei Tagen treten sollte, verhängt worden. Gleichzeitig mit dieser Strafverfügung, die dem Beschwerdeführer am zugestellt worden ist, ist dem Beschwerdeführer ein Erlagschein der Stadthauptkasse Innsbruck zur Einzahlung des Strafbetrages übermittelt worden. Am brachte der Beschwerdeführer, nachdem er am gegen diese Strafverfügung Einspruch erhoben hatte, mittels des ihm übermittelten Erlagscheines einen Betrag von S 1,-- zur Einzahlung. Als Zahlungszweck gab der Beschwerdeführer auf diesem Erlagschein folgendes an:

"1000 S Strafe f . Annasäulenkettenaktion

1000 % Ermäßigung für Verschönerung des Stadtbildes und Fremdenverkehrsattraktion

LANGE LEBE LUGGER!"

Hierauf erging am folgende Erledigung des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Innsbruck an den Beschwerdeführer:

"Bescheid

Sie haben im Anschluß an die an Sie ergangene ha. Strafverfügung vom , Zl. I - 12494/1971, gegen die Sie fristgerecht Einspruch erhoben haben, an die Stadthauptkasse einen Betrag von S 1,-- überwiesen, ohne daß hiezu Veranlassung bestand.

Spruch

Sie haben durch diese Vorgangsweise mutwillig die Tätigkeit der Behörde in Anspruch genommen, weswegen über Sie gemäß § 35 AVG 1950 eine Mutwillensstrafe von S 200,-- verhängt wird. Im Falle der Uneinbringlichkeit tritt an deren Stelle Haft von 24 Stunden. Sie werden aufgefordert, binnen 8 Tagen den bezeichneten Betrag mittels des beiliegenden Erlagscheines einzuzahlen oder unter Vorweisung dieses Bescheides bei diesem Amte zu erlegen, widrigens die Eintreibung im Wege der Zwangsvollstreckung veranlaßt werden würde."

In der Begründung dieses Bescheides ist ausgeführt, gemäß § 35 AVG könne die Behörde gegen Personen, die offenbar mutwillig die Tätigkeit der Behörde in Anspruch nehmen, eine Mutwillensstrafe bis S 1.000,-- und im Falle der Uneinbringlichkeit Haft bis zu drei Tagen verhängen.

Durch die vom Beschwerdeführer im Anschluß an eine ergangene Strafverfügung, jedoch ohne unmittelbaren und notwendigen Zusammenhang mit dem bezüglichen Verwaltungsstrafverfahren - damit aber auch nicht in seiner Eigenschaft als Beschuldigter - veranlaßte Überweisung eines Betrages von S 1,-- (der Strafbetrag habe auf S 1.000,-- gelautet) sei die Tätigkeit der Behörde (Verbuchung des Betrages, Rückfragen beim zuständigen Referenten) mutwillig in Anspruch genommen worden, zumal bereits zuvor gegen die zitierte Strafverfügung Einspruch erhoben worden sei und damit die Verpflichtung zur Bezahlung nicht bestanden habe. An den zusätzlichen Bemerkungen auf dem Erlagschein in der Spalte Zahlungszweck, die sich an der Grenze der Anstandsverletzung im Schriftverkehr mit Behörden bewegt haben, sei außerdem eindeutig zu ersehen, daß die Bezahlung des Betrages von S 1,-- keinen anerkennenswürdigen Hintergrund besessen habe. Die vom Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wurde mit dem Bescheid der Tiroler Landesregierung vom mit nachstehender Begründung abgewiesen: Der Beschwerdeführer bezeichne die Bezahlung von S 1,-- als durchaus menschliche Reaktion, weil der steuerzahlende Bürger dieser Stadt dem ohnedies rücksichtslos schaltenden und waltenden Magistratsapparat machtlos ausgeliert sei. Die im Strafverfahren gegen ihn zwischen der Bundespolizei und dem Stadtmagistrat eingeleitete Klärung der Kompetenzfrage halte er für eine zwischen diesen Behörden erfolgte "spätere Absprache", die er als voreilig, ungerecht und mutwillig bezeichne. Er ersuche, diese Angelegenheit abzuschließen, da die dem Stadtmagistrat angeblich erwachsende Arbeit in keinem Verhältnis zum Arbeitsaufwand stehe, der dieser Behörde durch die Verfolgung dieser Angelegenheit schon erwachsen sei und noch erwachsen werde. Die in schlechtem Deutsch und mit vielen Rechtschreibfehlern gemachte Eingabe des Beschwerdeführers habe keinen Erfolg haben können. Eine menschliche Reaktion dürfe nicht dazu führen, eine Behörde durch Einzahlung eines 1,-- S-Betrages zu foppen. Dafür, daß Behörden wie der Stadtmagistrat "nicht" ohne Rücksicht schalten und walten könnten, wie es ihnen beliebe, und der steuerzahlende Bürger nach Meinung des Beschwerdeführers einem solchen Apparat machtlos ausgeliefert sei, sorgten schon die gesetzlichen Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrens und Verwaltungsstrafgesetz. Die Behauptung des Beschwerdeführers über einen angeblichen mutwilligen Verwaltungsakt erweise sich daher für diese Partei selbst als Rohrkrepierer. Wenn die Erstbehörde im Falle des Beschwerdeführers mit der Bundespolizeidirektion Innsbruck in Verbindung getreten sei, um die Frage der sachlichen Zuständigkeit zu klären, so habe sie damit nur ihre Amtspflicht im Sinne des § 6 AVG erfüllt und nur ein Laie könne diese Verfahrensanwendung als "spätere Absprache" bezeichnen. Wenn der Stadtmagistrat Innsbruck mit Verhängung einer Mutwillensstrafe den Beschwerdeführer hindere "dieses juridisch sicher nicht uninteressante Spielchen weiterzutreiben", so sei das sein volles Recht; denn die erwähnten gesetzlichen Bestimmungen böten auch den Beamten dieser Behörden einen gewissen Schutz, daß sie nicht der Willkür solcher Parteien ausgeliefert seien, die immer auf die demokratischen Spielregeln pochten, sie selbst jedoch am wenigsten einhielten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Bescheidinhaltes geltend gemacht wird.

In Ausführung dieses Beschwerdegrundes bringt der Beschwerdeführer vor, wenn seiner Ansicht nach schon die Anwendung des § 82 Abs. 1 StVO rechtswidrig gewesen sei, weil einerseits nicht auf einer Verkehrsfläche (Anna-Säule) protestiert worden sei und anderseits es erst durch das Auftreten eines großen Polizeiaufgebotes zu einer Menschenansammlung gekommen sei, so sei umsomehr die Anwendung des § 35 AVG 1950 rechtswidrig. Der Beschwerdeführer sei Student und verfüge nur über geringe Geldmittel. Er habe den Betrag von S 1,-- mit dem ihm vom Stadtmagistrat Innsbruck übermittelten Erlagschein eingezahlt, sodaß keinerlei Rückfragen oder ähnliches im Amt notwendig gewesen sei, weil ja die Geschäftszahl angegeben gewesen sei. Die Tätigkeit der Behörde sei daher nicht mutwillig in Anspruch genommen worden. Entgegen der Auffassung des Stadtmagistrates Innsbruck und des Amtes der Tiroler Landesregierung sei diese Überweisung selbstverständlich in unmittelbarem Zusammenhang mit der ergangenen Strafverfügung gestanden, denn ohne dieselbe hätte sich ja die Überweisung erübrigt. Der Beschwerdeführer sei auch der Meinung, daß er innerhalb der Leistungsfrist - das Straferkenntnis des Stadtmagistrates Innsbruck vom sei je in Rechtskraft erwachsen - jede a conto Zahlung, und zwar auch dann, wenn sie nur S 1,-- betrage, einzahlen könne, noch dazu mit dem von der Behörde hiezu übermittelten Erlagschein. Es könne also, wie bereits erwähnt, keine Rede davon sein, daß der Beschwerdeführer die Tätigkeit der Behörde mutwillig in Anspruch genommen habe. Es könne jedenfalls entgegen der Auffassung der Behörde kein Mutwillen vorliegen, wenn auf eine Geldstrafe mit dem entsprechenden Erlagschein eine Einzahlung getätigt werde; die Anwendung des § 35 AVG 1950 sei daher rechtswidrig. In diesem Zusammenhang sei nur am Rande vermerkt, daß von Postämtern, Behörden und privaten Unternehmen laufend kleinste Beträge zu verbuchen seien, wobei es niemandem einfallen würde, den Einzahler gleich mit einer Mutwillensstrafe zu belegen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Gemäß § 35 AVG 1950 kann gegen Personen, die offenbar mutwillig die Tätigkeit der Behörde in Anspruch nehmen ..., die Behörde eine Mutwillensstrafe bis S 1.000,-- und im Falle der Uneinbringlichkeit Haft bis zu drei Tagen verhängen. Bei der Mutwillensstrafe handelt es sich, wie bei der Ordnungsstrafe (§ 34 AVG 1950) nicht um die Ahndung eines Verwaltungsdeliktes, sondern um Mittel zur Sicherung einer befriedigenden, würdigen und rationellen Handhabung des Verwaltungsverfahrens. Die Verhängung einer Mutwillensstrafe soll die Behörde vor Behelligung die Partei aber vor Verschleppung der Sache schützen. Wer "offenbar mutwillig" die Tätigkeit der Behörde in welcher Weise immer in Anspruch nimmt, soll mit der im § 35 AVG 1950 vorgesehenen Mutwillensstrafe geahndet werden können. Mutwillig nimmt aber die Behörde in Anspruch, wer sich in dem Bewußtsein der Grund- und Aussichtslosigkeit, der Nutz- und Zwecklosigkeit seines Anbringens an die Behörde wendet, sowie wer aus Freude an der Behelligung der Behörde handelt. Letzteres sieht der Verwaltungsgerichtshof aber im vorliegenden Fall als gegeben an. Über den Beschwerdeführer war eine Verwaltungsstrafe von S 1000,-- verhängt worden. Da der Beschwerdeführer jedoch gegen die Strafverfügung vom rechtzeitig Einspruch erhoben hatte, war die vorerwähnte Strafverfügung gemäß dem § 49 Abs. 3 VStG 1950 außer Kraft getreten. Mit dem ihm gleichzeitig mit der Strafverfügung des Magistrates der Stadt Innsbruck vom übermittelten Erlagschein, lautend auf die Stadthauptkasse Innsbruck hat der Beschwerdeführer am einen Betrag von S 1,-- eingezahlt. Zu diesem Zeitpunkt lag aber infolge des Einspruches gegen den Beschwerdeführer überhaupt keine Strafe vor. Im Zusammenhang mit den vom Beschwerdeführer auf dem Erlagschein angebrachten Bemerkungen läßt die Vorgangsweise des Beschwerdeführers nur den Schluß zu, daß er lediglich aus Freude an der Behelligung der Behörde die Einzahlung des Betrages von nur einem Schilling vorgenommen hat.

Die belangte Behörde ist daher mit Recht davon ausgegangen, daß der Beschwerdeführer die Tätigkeit der Behörde offenbar mutwillig in Anspruch genommen hat. Die Verhängung einer Mutwillensstrafe kann daher nicht als rechtswidrig erkannt werden.

Die vorliegende Beschwerde erwies sich demnach als unbegründet, was zu ihrer Abweisung gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 führen mußte.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die Bestimmungen des § 47 Abs. 1 und 2 lit. b, des § 48 Abs. 2 lit. a Z. 4 und des § 49 Abs. 2 VwGG 1965 sowie des Art. I Abschn. B Z. 4 der Verordnung des Bundeskanzlers vom , BGBl. Nr. 427. Wien, am