VwGH vom 26.01.1971, 1489/69
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schimetschek und die Hofräte Dr. Kaupp, Hofstätter, DDr. Heller und Dr. Simon als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Weinke, über die Beschwerde der EP in W, vertreten durch Dr. Johann Suppan, Rechtsanwalt in Wien I, Kohlmarkt 5, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat III, vom , Zl. VI-2778/68, betreffend Einkommensteuer 1966, nach durchgeführter Verhandlung, und zwar nach Anhörung des Vortrages des Berichters sowie der Ausführungen des Vertreters der Beschwerde, Rechtsanwalt Dr. Johann Suppan und des Vertreters der belangten Behörde, Finanzrat WM, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland) Aufwendungen in der Höhe von S 790,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Vater der Beschwerdeführerin, Ing. Robert P., war Alleininhaber der Firma "X-Molkerei" in Wien 10, Q-straße 95; der Molkereibetrieb wurde bis 1945 in Wien 10, W-gasse 34, geführt. Ing. Robert P. ist am gestorben. Die Beschwerdeführerin ist - neben der erblasserischen Witwe Else P. - seine Erbin zu drei Viertel. Die beiden Erbinnen schlossen 1953 zum Betriebe der "X-Molkerei" einen Gesellschaftsvertrag über die Errichtung einer offenen Handelsgesellschaft. Gegenstand des gemeinschaftlichen Unternehmens sollte einerseits eine industriell betriebene Molkerei, andererseits auch der Betrieb von Milchsondergeschäften sein.
Zum Nachlass des Ing. Robert P. gehörte auch die Liegenschaft EZ. nn KG. Inzersdorf-Stadt, die Teil des Betriebsvermögens war und in der zum ersten Jänner 1955 errichteten Schilling-Eröffnungsbilanz als unbebautes Grundstück mit S 150.516,-- bewertet wurde. Die Mutter der Beschwerdeführerin verkaufte am den ihr gehörigen Viertelanteil an der Liegenschaft, die seither mit einem Betrag von S 112.887,-- in den Bilanzen aufscheint. Seit ist die Beschwerdeführerin Alleininhaberin des Unternehmens, das sich nur mit der Verpachtung von Milchgeschäften befasst, da ihre Mutter am aus der Gesellschaft ausgeschieden ist. Am verkaufte die Beschwerdeführerin ihren Anteil an der genannten Liegenschaft um S 13,000.000,-- an die Firma W. Der Molkereibetrieb war am durch Bombenangriff zerstört worden. Das bebaute Grundstück Wien 10, W.-gasse 34, auf dem seinerzeit der Molkereibetrieb geführt wurde, wurde nach den Feststellungen einer Betriebsprüfung im Jahre 1952 in das Privatvermögen übernommen.
Um die steuerliche Behandlung der durch den Liegenschaftsverkauf am erzielten Einkünfte geht der vorliegende Streit. Die Beschwerdeführerin vertritt den Standpunkt, dass darauf die Bestimmung des § 34 Einkommensteuergesetz (EStG) anzuwenden sei, da es sich um die Veräußerung eines Teilbetriebes im Sinne des § 16 Abs. 1 Z. 1 EStG handle.
Das Finanzamt folgt dieser Auffassung der Beschwerdeführerin nicht und unterzog die Einkünfte aus dem Gewerbebetrieb der Besteuerung, ohne § 34 EStG anzuwenden. Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Berufung an die belangte Behörde.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Sie begründete diese Entscheidung damit, dass die Beschwerdeführerin die Liegenschaft als unbebautes Grundstück in die für die Einzelfirma zum errichtete Eröffnungsbilanz aufgenommen habe, wozu sie gemäß § 5 EStG berechtigt gewesen sei. Es sei deshalb auch der aus dem Verkauf der Liegenschaft erzielte Erlös in den Geschäftsbüchern auszuweisen gewesen. Dies habe die Beschwerdeführerin auch getan. Sie sei jedoch der Ansicht, dass diese Liegenschaft die Basis für die Errichtung eines Molkereibetriebes gebildet habe, sodass mit der Veräußerung dieses Grundstückes, die noch von ihrem Vater betriebene und am durch Bombenwurf zerstörte Molkerei aufgegeben worden sei.
Gemäß § 16 Abs. 3 EStG sei die Aufgabe eines Gewerbebetriebes der Veräußerung gleichgestellt. Eine Betriebsaufgabe sei deshalb in der Regel gegeben, wenn die wesentlichen Grundlagen eines Betriebes in einem einheitlichen Vorgang veräußert oder in das Privatvermögen übernommen werden. Demnach sei wesentlich, dass sich die Betriebsbeendigung (Betriebseinstellung) in einem Akt vollziehe. Werde ein Betrieb eingeschränkt und allmählich abgebaut oder aufgelöst, so liege keine Betriebsaufgabe im Sinne des § 16 Abs. 3 EStG vor. Auch die Abwicklung eines Betriebes, die sich über einen längeren Zeitraumes erstrecke, falle nicht unter den Begriff der Betriebsaufgabe. Gleiches gelte, wenn nach Einstellung eines Betriebes die zu ihm gehörigen Wirtschaftsgüter nicht im wesentlichen in einem einheitlichen Vorgang ("auf einen Schlag") verkauft oder in das Privatvermögen überführt, sondern erst nach und nach im Laufe mehrerer Wirtschaftsjahre veräußert werden. In diesen Fällen sei der Gewerbebetrieb bis zur Beendigung der Auflösung oder Abwicklung als fortbestehend (als laufender Betrieb) zu behandeln. Dies gelte auch im vorliegenden Fall. Es könne keine Rede davon sein, dass die der Molkerei gewidmet gewesenen Wirtschaftsgüter auf einen Schlag verkauf oder in das Privatvermögen übernommen worden seien, sodass es sich bei dem Verkaufserlös um einen laufenden Gewinn handle, auf den die Bestimmungen der §§ 16 und 34 EStG keine Anwendung finden könnten.
Gegen diesen Bescheid wendet sich die Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes.
Die Beschwerdeführerin erblickt einen Verfahrensmangel in der Unterlassung der Einvernahme ihrer Mutter Elisabeth P. Durch deren Vernehmung hätte erwiesen werden können, dass die gegenständliche Liegenschaft zwischen 1939 und 1945 für Betriebszwecke, nämlich für die Unterbringung von Betriebsangehörigen, verwendet worden sei. Das dafür dienende Gebäude sei in der Nachkriegszeit durch Angehörige der Besatzungsmacht zerstört worden. Weiters wäre hervorgekommen, dass sich die Mutter der Beschwerdeführerin durch viele Jahre um die Wiedererrichtung eines Molkereibetriebes auf der Liegenschaft in der KG. Inzersdorf-Stadt bemüht habe. Die Mutter der Beschwerdeführerin habe im Jahre 1959 ihren Viertelanteil an der Liegenschaft veräußern können, weil die verbleibende Fläche von etwa 1400 m2 als künftiges Fabriksgelände noch vollkommen ausreichend gewesen sei. Erst der Verkauf des Restgrundstückes in Verbindung mit der Aufgabe der Gewerbeberechtigung für den fabriksmäßigen Molkereibetrieb und die Einstellung von Zahlungen seitens der Wiener Molkereien aus dem Titel der Kontingentablöse stellten sich als einheitlicher Vorgang der Aufgabe des Teilbetriebes "fabriksmäßige Molkerei" dar.
In der Rechtsrüge führt die Beschwerdeführerin aus, es sei in ihrer Gestaltungsbefugnis gelegen, die Gewerbeberechtigung und das Betriebsgrundstück für eine spätere Wiederaufnahme des Betriebes zu behalten, ohne die Begünstigung des § 34 EStG zu verlieren. Es könne ihr nicht zum Nachteil gereichen, wenn sie sich zur Betriebsaufgabe erst im Jahre 1966 entschlossen habe, als sie die Unmöglichkeit der Reaktivierung des Betriebes erkannt habe. Die Betriebsstilllegung sei nicht aus freiem Willensentschluss, sondern durch die völlige Ausbombung des Objektes W-gasse erfolgt. Die Tatsache, dass der Betrieb im Zeitpunkt seiner Aufgabe stillgelegt gewesen sei, könne der Beschwerdeführerin nicht schaden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Sind im Einkommen außerordentliche Einkünfte enthalten, so ist gemäß § 34 EStG auf Antrag die Einkommensteuer für die außerordentlichen Einkünfte auf zehn bis fünfundzwanzig v. H. der außerordentlichen Einkünfte zu bemessen. Auf die anderen Einkünfte ist, soweit sie nicht nach § 34 a EStG zu besteuern sind, der Einkommensteuertarif anzuwenden.
§ 34 Abs. 2 EStG zählt erschöpfend die außerordentlichen Einkünfte auf. Dazu gehören gemäß § 34 Abs. 2 Z. 2 EStG - und nur dieser Tatbestand kommt im vorliegenden Fall überhaupt in Frage - Veräußerungsgewinne im Sinne der §§ 14, 16, 16 a, 17 und 18 Abs. 4 EStG. Gemäß § 16 EStG zählen zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch Gewinne, die bei der Veräußerung des ganzen Gewerbebetriebes oder eines Teilbetriebes entstehen. Gemäß § 16 Abs. 3 EStG gilt als Veräußerung auch die Aufgabe eines Gewerbebetriebes.
Die Beschwerdeführerin vermeint, dass der Erlös des Verkaufes der streitgegenständlichen Liegenschaft nach § 34 EStG zu versteuern sei, weil es sich um die Veräußerung (Aufgabe) eines Teilbetriebes, nämlich einer industriell betriebenen Molkerei handle. Der Verwaltungsgerichtshof vermag dieser Auffassung der Beschwerdeführerin nicht zu folgen. Entscheidend ist im vorliegenden Falle, ob ein Teilbetrieb veräußert (aufgegeben) wurde. Die belangte Behörde hat in ihrer Gegenschrift zutreffend darauf hingewiesen, dass Teilbetrieb ein mit gewisser Selbstständigkeit ausgestatteter Teil eines Gesamtbetriebes ist, der, für sich betrachtet, alle Merkmale eines Betriebes im Sinne des Einkommensteuergesetzes aufweist und für sich lebensfähig ist. Bei der streitgegenständlichen Liegenschaft kann vom Vorliegen eines solchen für sich lebensfähigen Teilbetriebes keine Rede sein, da auch der Besitz einer Gewerbeberechtigung eine Liegenschaft allein noch nicht zu einem Teilbetrieb macht. Die Absichten, die die Beschwerdeführerin und ihre Mutter mit der Liegenschaft gehabt haben mögen, ändern an dieser rechtlichen Beurteilung nichts, da sie jedenfalls nicht so weit verwirklicht wurden, dass sie das gegenständliche Grundstück zur wesentlichen Grundlage eines Betriebes gemacht hätten. Bei der gegebenen Sach- und Rechtslage bedurfte es daher nicht der Einvernahme der Mutter der Beschwerdeführerin, sodass in der Unterlassung dieser Einvernahme keine Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gelegen ist.
Es kann aber auch der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht gefolgt werden, dass es sich um die Aufgabe eines nur stillgelegten Betriebes handle. Die von der Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang zitierten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes betrafen anders gelagerte Sachverhalte, da in diesen Fällen lebende Betriebe vorhanden waren, an deren Führung der Betriebsinhaber nur aus zeitbedingten Gründen vorübergehend verhindert gewesen war. Die langjährige Untätigkeit der Beschwerdeführerin und ihrer Mutter verhindern jedoch die Annahme einer nur vorübergehenden Stilllegung eines an sich lebensfähigen Betriebes.
Schließlich kann auch nicht davon gesprochen werden, dass durch den angefochtenen Bescheid das wirtschaftliche Gestaltungsrecht der Beschwerdeführerin verletzt worden sei, da im gegenständlichen Fall ein wesentliches Tatbestandserfordernis nach § 16 Abs. 1 Z 1 EStG, nämlich das Bestehen eines für sich lebensfähigen Teilbetriebes, der im Streitjahr veräußert bzw. abgegeben wurde, nicht vorliegt. Auch der Beschwerdegrund der Rechtswidrigkeit des Inhaltes ist daher nicht gegeben.
Die Beschwerde musste demnach gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 als unbegründet abgewiesen werden. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 und die Verordnung des Bundeskanzleramtes vom , BGBl. Nr. 4.
Wien, am