VwGH 29.05.1959, 1332/58
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Normen | |
RS 1 | Aus den Bestimmungen des § 6 EStG 1953 und § 7 EStG 1953 ergibt sich, daß unterlassene Abschreibungen nicht nachgeholt werden dürfen und im guten Glauben vorgenommene zu hohe Absetzungen für Abnutzung nicht etwa für die Vergangenheit zu berichtigen, sondern durch eine entsprechende Minderung der AfA für die rechtliche Nutzungsdauer auszugleichen sind. Weiters, daß der tatsächliche reale Anschaffungswert eines Wirtschaftgutes nicht zweimal abgeschrieben werden darf. |
Normen | SEBG §41 Abs3; SteuerÄG 1950 Art4 Abs4; |
RS 2 | Hat ein Steuerpflichtiger die Kosten des Wiederaufbaues eines zum Privatvermögen gehörenden kriegszerstörten Gebäudes gemäß Art. IV Abs. 4 StÄG 1950 voll abgeschrieben, dann kann er nicht in der Folge auf Grund des § 41 Abs. 3 SEBG die volle Absetzung für Abnutzung vom Verkehrswerte dieses Gebäudes in Anspruch nehmen. Er muß vielmehr die seinerzeitige Vollabschreibung der Wiederherstellungskosten auf die Absetzungen vom Verkehrswerte verhältnismäßig anrechnen. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsidenten Dr. Wasniczek und die Räte Dr. Schirmer, Dr. Schimetschek, Dr. Eichler und Dr. Kaupp als Richter, im Beisein des Sektionsrates Dr. Heinzl als Schriftführer, über die Beschwerde des Dr. AC in I und des EF in I gegen den Bescheid der Berufungskommission bei der Finanzlandesdirektion für Tirol vom , Zl. 1168/1 - I - 1958, betreffend Feststellung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung für die Jahre 1954 und 1955, nach durchgeführter Verhandlung, und zwar nach Anhörung des Vortrages des Berichters sowie der Ausführungen des Vertreters der Beschwerde, Rechtsanwalt Dr. Otto Mayr, und des Vertreters der belangten Behörde, Finanzrat Dr. EB, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Die Beschwerdeführer haben im Jahre 1951 ein durch Kriegseinwirkung völlig zerstörtes Gebäude erworben und haben dieses in den Jahren 1951 und 1952 wieder aufgebaut. Sie haben die Kosten des Wiederaufbaues - abgesehen von den sogenannten "Neuherstellungskosten" - zur Zeit ihrer Entstehung in den Jahren 1951 bis 1953 gemäß Artikel IV Abs. 4 des Steueränderungsgesetzes 1950, BGBl. Nr. 101, voll abgeschrieben. Anlässlich der einheitlichen Feststellung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für die Jahre 1954 und 1955 nahmen sie für dasselbe Gebäude die Absetzung für Abnutzung (AFA) auf Grund des Verkehrswertes nach § 41 Abs. 3 des Schillingeröffnungsbilanzengesetzes, BGBl. Nr. 190/1954, (SEBG) in Anspruch. Das Finanzamt rechnete jedoch die nach den Bestimmungen des Steueränderungsgesetzes 1950 vorgenommene Abschreibung auf die nach dem Verkehrswert berechnete AfA an. Die Berufungskommission wies die dagegen erhobene Berufung ab. Jede AfA beruhe auf einem Wert- und auf einem Zeitfaktor, § 41 Abs. 3 SEBG regle nur die Wertgrundlage der AfA, sage aber über den Zeitfaktor nichts aus. Nach den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage bezwecke § 41 Abs. 3 SEBG nur, die durch die Geldentwertung untauglich gewordene Berechnungsgrundlage der AfA durch eine zeitgemäße zu ersetzen, also eine Valorisierung herbeizuführen. Mithin sei der für die AfA maßgebende Zeitfaktor nach den Bestimmungen des § 9 Z. 6 in Verbindung mit § 7 des Einkommensteuergesetzes 1953, BGBl. Nr. 1/1954, (EStG) und Artikel IV Abs. 4 StÄG 1950 oder § 99 Abs. 4 EStG zu beurteilen. Auch für den Fall, dass eine AfA auch von einem vom Gesetz fingierten höheren Wert vorgenommen werden dürfe, bleibe der allgemein gültige, im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Slg. N.F. Nr. 1427/F, niedergelegte Grundsatz unberührt, dass Aufwendungen für die Wiederherstellung kriegszerstörter Gebäude, die als Abzugspost gemäß Art. IV Abs. 4 StÄG 1950 anerkannt worden sind, nicht mehr die Grundlage für eine laufende AfA bilden dürfen. Die fiktive Erhöhung der Anschaffungskosten gemäß § 41 Abs. 3 SEBG könne zu keiner anderen Abschreibungsgrundlage führen als eine wirkliche Erhöhung der Anschaffungskosten durch nachträgliche Investitionen. Auch durch letztere werde weder der Abschreibungszeitraum verlängert noch ein bereits entstandener Vermögensverzehr rückgängig gemacht, sondern nur der jährliche Abschreibungssatz (gemeint: insgesamt) erhöht. Ebenso wie bereits abgelaufene Abschreibungsjahre für den Fall einer nachträglichen Investition in die Gesamtnutzungsdauer des Wirtschaftsgutes einzubeziehen seien, müsse auch ein Vorgriff auf die normale Abschreibungszeit trotz Änderung der Wertgrundlage aufrecht bleiben. Die Auffassung, dass durch § 41 Abs. 3 SEBG ein vollkommen neuer Abschreibungsvorgang mit einer neuen Wert- und Zeitgrundlage in Lauf gesetzt werde, könne nicht geteilt werden. Der Hinweis der Beschwerdeführer auf die Möglichkeit, voll abgeschriebene Häuser wieder aufzuwerten, schlage im Hinblick auf die Goldbilanzgesetzgebung und die Umstellungsgesetzgebung nicht durch. Auch der Vergleich mit einem vorzeitigen Abverkauf (während der Gesamtnutzungsdauer) sei nicht stichhältig. Der dem Veräußerer zufließende Kaufpreis entschädige ihn für die selbst noch nicht durchgeführte AfA, während der Erwerber die Anschaffungskosten nach der voraussichtlichen Nutzungsdauer des Kaufgegenstandes abschreiben könne. Demgegenüber seien aber die Beschwerdeführer bei der bloßen Werterhöhung an die bereits gewählte Abschreibungsdauer gebunden. Ein wechselseitiger Verkauf der Haushälften zwischen den Beschwerdeführern müsste als Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechtes von vornherein gemäß § 5 Steueranpassungsgesetz für die Besteuerung außer Betracht bleiben. Die Vorschrift des § 41 SEBG habe mit den Bestimmungen über die Schillingeröffnungsbilanz nichts zu tun. Es handle sich vielmehr um eine Novellierung des Einkommensteuerrechtes.
Gegen diesen Bescheid ist die vorliegende Beschwerde gerichtet, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Die Errichtung einer Schillingeröffnungsbilanz zum oder ist für Vollkaufleute und für die anderen im § 1 SEBG genannten Personen zwingend vorgeschrieben, den übrigen Steuerpflichtigen gemäß § 38 desselben Gesetzes freigestellt. Bei der Aufstellung der Schillingeröffnungsbilanz handelt es sich immer nur um die Neubewertung von Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögens, wie sich aus § 2 SEBG und hinsichtlich der bebauten Grundstücke aus § 4 Abs. 2 des genannten Gesetzes ergibt. Das in Rede stehende Gebäude, das nach der Zerstörung durch Kriegseinwirkung von den Beschwerdeführern wieder aufgebaut worden ist, gehört unbestritten nicht zu einem Betriebsvermögen. Es gehen daher alle Einwendungen der Beschwerde, die auf einer für Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens zulässigen Aufwertung in einer Schillingeröffnungsbilanz fußen, ins Leere. Nun lässt allerdings § 41 Abs. 3 SEBG auch für Wirtschaftsgüter, die nicht Bestandteile eines Betriebsvermögens und vor dem angeschafft oder hergestellt worden sind, eine Aufwertung zu. Der Betrag, der für die Anschaffung oder Herstellung dieser Wirtschaftsgüter am hätte aufgewendet werden müssen, gilt danach ohne Rücksicht auf die tatsächlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten als ihr Anschaffungs- oder Herstellungswert. Der letzte Halbsatz der zitierten Bestimmung trifft eine Sonderregelung für bebaute Grundstücke des nichtbetrieblichen Vermögens und lautet: "als Anschaffungs- oder Herstellungskosten von bebauten Grundstücken gilt der aus § 4 Abs. 2 sich ergebende Wert" (letzteres ist der Veräußerungswert zum ).
Aus dem Wortlaut des zitierten Halbsatzes wollen nun die Beschwerdeführer ableiten, dass sie für ein von ihnen in den Jahren 1951 und 1952 nach Bombenzerstörung neu aufgebautes Gebäude dessen Baukosten sie gemäß Art. IV Abs. 4 des Steueränderungsgesetzes 1950 zum Großteil abgeschrieben hatten, ab für die restliche Nutzungsdauer neuerlich die volle, ungekürzte jährliche Abnutzung vom Veräußerungswert vornehmen können. Damit übersehen sie aber, dass die zitierte Bestimmung des § 41 Abs. 3 SEBG dem Wortlaute nach nur den wertmäßigen Ausgangspunkt für die Berechnung der AfA, das ist deren Bemessungsgrundlage, mit Wirkung pro futuro ändert. Es handelt sich also dabei lediglich um eine Bewertungsvorschrift, die die Grundregeln des Einkommensteuergesetzes über die Absetzung für Abnutzung völlig unberührt lässt und darüber gar nichts besagt. Zu diesen aus den Bestimmungen der §§ 6 und 7 EStG abgeleiteten Regeln gehören unter anderem die Grundsätze, dass unterlassene Abschreibungen nicht nachgeholt werden dürfen und im guten Glauben erfolgte zu hohe Absetzungen nicht etwa für die Vergangenheit zu berichtigen, sondern durch entscheidende Minderung der AfA für die restliche Nutzungsdauer auszugleichen sind (vgl. Blümich "Einkommensteuergesetz", 5. Auflage S. 338). Weiters dass der tatsächliche reale Anschaffungswert eines Wirtschaftsgutes nicht zweimal abgeschrieben werden darf (in diesem Zusammenhang wird auch auf das hg. Erkenntnis vom , Slg. 1427/F, verwiesen). Dass auch das Schillingeröffnungsbilanzengesetz mit dem letzteren Grundsatz nicht völlig bricht, ergibt sich übrigens daraus, dass es in seinen ausführlicheren Bestimmungen hinsichtlich der abnutzbaren Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens als Ausgangspunkt für die künftig zulässige Absetzung entweder den Anschaffungs- oder Herstellungswert am Stichtag der Schillingeröffnungsbilanz, vermindert um die angemessene AfA, die unter Bedachtnahme auf die voraussichtliche Gesamtnutzungsdauer für die Zeit bis zum Stichtag entfällt oder den zum Stichtag erzielbaren Veräußerungspreis festlegt - damit erscheint die tatsächlich eingetretene Abnutzung berücksichtigt und einer zweimaligen Absetzung vorgebaut - und im § 37 Abs. 1 auch Vorsorge gegen eine nochmalige Absetzung bestimmter vorzeitiger Abschreibungen trifft.
Die mangels jeglicher näherer gesetzlicher Regelung zwangsläufige Anwendung der dargelegten allgemeinen Grundsätze auf den vorliegenden Fall führt nun dazu, dass die in den Vorjahren infolge der Sonderbestimmungen des Art. IV Abs. 4 StÄG 1950 gegenüber der tatsächlichen Abnutzung (allerdings berechtigterweise) zu hoch vorgenommene Absetzung für Abnutzung, die auf Grund der Bestimmungen des § 41 Abs. 3 SEBG vom Veräußerungswert des Gebäudes zum zu berechnende AfA für die restliche Nutzungsdauer des Gebäudes vermindern muss. Der belangten Behörde kann daher nicht entgegengetreten werden, wenn sie diese Minderung in der Weise ermittelt hat, dass sie vom faktischen Veräußerungswert des Gebäudes zum Stichtag die auf Grund des Art. IV Abs. 4 StÄG gegenüber der normalen zu hoch vorgenommenen AfA abgezogen und vom Restwert die zulässige AfA errechnet hat. Sie hat dadurch, rein formalistisch gesehen, zwar gegen den Wortlaut des § 41 Abs. 3 SEBG verstoßen, aber praktisch damit nichts anderes erreicht als die zulässige verhältnismäßige Kürzung der nach der zitierten Bestimmung zu berechnenden AfA um die in den Vorjahren zu hoch vorgenommene AfA. Anders ausgedrückt, der von der Beschwerde gerügte scheinbare Verstoß der belangten Behörde gegen den Wortlaut des Gesetzes ergibt sich nur dadurch, dass sie bei der Berechnung aus Gründen technischer Zweckmäßigkeit zuerst die Bemessungsgrundlage gekürzt und dann daraus die zulässige AfA ermittelt hat, anstatt zuerst die ohne Rücksicht auf die vorhergehende Sonderabschreibung allein nach dem Wortlaut des § 41 Abs. 3 SEBG entfallende AfA zu berechnen und diese dann verhältnismäßig um die seinerzeit gegenüber der wirtschaftlich berechtigten zu hoch vorgenommenen AfA zu kürzen.
Der Beschwerdeeinwand, dass ja auch der Erwerber einer wiederaufgebauten, durch den Vorbesitzer bereits voll abgeschriebenen Liegenschaft die ungekürzte AfA nach § 41 Abs. 3 SEBG in Anspruch nehmen könne, ist für die Entscheidung der vorliegenden Rechtsfrage ohne Bedeutung. Da der Erwerber, wenn er die Liegenschaft entgeltlich erworben hat, selbst Anschaffungskosten aufgewendet hat, kann er die laufende Aufzehrung des Vermögens, das er zur Anschaffung hingegeben hat, selbständig, das heißt losgelöst von etwaigen Absetzungen des Vorgängers, geltend machen. Seine Absetzungen betreffen ja seine eigenen Aufwendungen, nicht die seines Vorgängers. Auch der weitere Einwand, dass nach dem Schillingeröffnungsbilanzengesetz selbst bis auf den Erinnerungswert abgeschriebene Wirtschaftsgüter mit voller steuerlicher Auswirkung wieder aufgewertet werden könnten, schlägt im gegebenen Fall nicht durch, da eine solche Abschreibung auf den Erinnerungswert nur bei Gegenständen des Betriebsvermögens in Betracht kommt und der Gesetzgeber bei den bezüglichen weitgehenden Aufwertungsbestimmungen die Regelfälle im Auge hat, dass die bisherige AfA infolge der Unterbewertung wirtschaftlich unzureichend war und damit auch wegen der in den Nachkriegsjahren eingetretenen Geldentwertung keine zur Wiederbeschaffung ausreichenden Reserven geschaffen werden konnten, während die Beschwerdeführer unmittelbar vor der Aufwertung eine auf einer steuerlichen Sonderbestimmung beruhende, ihnen wirtschaftlich 100%ig zugute gekommene Vollabschreibung des wirklichen Wertes vorgenommen haben.
Da der bekämpfte Bescheid der belangten Behörde sohin in seinem Ergebnis dem Gesetz entspricht, musste die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1952 als unbegründet abgewiesen werden.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | |
Sammlungsnummer | VwSlg 2025 F/1959; |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1959:1958001332.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
PAAAE-30362