VwGH vom 10.02.1967, 1158/66
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsidenten Dr. Wasniczek und die Hofräte Dr. Schirmer, Dr. Schimetschek, Dr. Kaupp und Dr. Riedel als Richter, im Beisein des Schriftführers, Ministerialsekretärs Dr. Walter, über die Beschwerde der Firma M, GesmbH. in Wien, vertreten durch Dr. Walter Ender, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rosenbursenstraße 8, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. GA VII- 1243/1/66, betreffend Haftung für Umsatz und Gewerbesteuer 1962 und 1963 des Herbert H, nach durchgeführter Verhandlung, und zwar nach Anhörung des Vortrages des Berichters sowie der Ausführungen des Vertreters der Beschwerde, Rechtsanwaltes Dr. Ernst Schmerschneider und des Vertreters der belangten Behörde, Oberfinanzrates Dr. Reinhold Schlosser, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführende Gesellschaft hat dem Bund (Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland) Aufwendungen in der Höhe von S 790,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Herbert H. hatte mit dem Standort in Wien, M.-gasse 85, in gemieteten Räumen eine Wäscheerzeugung betrieben. Laut Umsatzsteuererklärung betrug sein Umsatz im Jahre 1961 S 610.764,-- , im Jahre 1962 S 958.547,--. Der Gewinn aus Gewerbebetrieb wurde vom Finanzamt für die genannten Jahre mit S 52.000,-- bzw. S 80.000,-- geschätzt. Am meldete er dem Finanzamt, daß das Unternehmen ab dem 1. Jänner d. J, von der Beschwerdeführerin mit einem eigenen Gewerbeschein weitergeführt werde. Er selbst sei nur mehr als Angestellter mit der Leitung des Unternehmens betraut.
Mit Bescheid vom zog das Finanzamt die Beschwerdeführerin zur Haftung für Umsatzsteuer, Gewerbesteuer und Nebengebühren des Herbert H. im Gesamtbetrage von S 57.224,-- heran. Die Beschwerdeführerin berief und machte geltend, daß sie von H. nur Maschinen und Betriebsvorrichtungen sowie die Mietrechte an den Betriebsräumlichkeiten erworben habe. Da das Finanzamt die Berufung gegen den Haftungsbescheid mit Berufungsvorentscheidung als unbegründet abwies, beantragte die Beschwerdeführerin die Entscheidung der Berufungsinstanz. Sie führte in einem ergänzenden Schriftsatz aus, daß sie von H. keinen lebenden Betrieb, also kein Unternehmen im ganzen erworben habe. Hiebei wies sie auf Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes und des ehemaligen Reichsfinanzhofes hin.
Die Finanzlandesdirektion wies die Berufung ab.
Die Beschwerdeführerin erhob gegen den Berufungsbescheid wegen Rechtswidrigkeit des Bescheidinhaltes und Verletzung von Verfahrensvorschriften Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, über die dieser erwogen hat:
Wird ein Unternehmen oder ein im Rahmen eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im ganzen übereignet, so haftet der Erwerber nach § 14 Abs. 1 a BAO für Abgaben, bei denen die Abgabepflicht sich auf den Betrieb des Unternehmens gründet, soweit die Abgaben auf die Zeit seit dem Beginn des letzten, vor der Übereignung liegenden Kalenderjahres entfallen. Diese gesetzliche Bestimmung, die inhaltlich unverändert, nur der österreichischen Rechtsterminologie angepaßt, aus der Reichsabgabenordnung (§ 116 Abs. 1) übernommen wurde, dient dem Zweck, die in dem Unternehmen als solchem gegebene Sicherung für Steuerschulden, die mit dem Betrieb unmittelbar zusammenhängen, auch für den Fall zu erhalten, daß das Unternehmen in andere Hände übergeht. Nur wenn bloß einige Wirtschaftsgüter eines nicht mehr lebensfähigen, bereits in Liquidation befindlichen Betriebes veräußert werden, könnte dieser Sicherungszweck kaum erfüllt werden, weil der Käufer das Risiko, das in der Inanspruchnahme für frühere Steuerschulden des Betriebes besteht, nicht auf sich nehmen würde. In einem solchen Fall wäre eine Haftung des Erwerbers im Hinblick auf den Zweck der gesetzlichen Haftungsbestimmung nicht sinnvoll. Die Rechtsprechung geht daher davon aus, daß die Haftung des Erwerbers eines Unternehmens nur dann zum Zuge kommt, wenn er einen sogenannten lebenden bzw. lebensfähigen Betrieb übernimmt (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 1227/59). Die belangte Behörde hat demnach bei der Fällung des angefochtenen Bescheides hauptsächlich darauf Bedacht genommen, daß die Beschwerdeführerin einen lebenden Betrieb übernommen hat. Die Beschwerde bestreitet dies, jedoch mit Unrecht.
Im Verwaltungsverfahren wurde das schriftliche Anbot hinsichtlich der Veräußerung des dem H. gehörigen Wäscheerzeugungsbetriebes eingeholt. Diesem zufolge wird das gesamte Betriebsvermögen mit Ausnahme des Warenlagers zum Preis von S 304.000,-- zum Verkauf angeboten. Außerdem muß sich der Käufer verpflichten, eine Schuld von S 36.000,-- aus einem ERP-Kredit zu übernehmen. In einer Beilage zum Anbot sind als Kaufgegenstände nicht nur sämtliche Maschinen, das Maschinenzugehör und -bestandteile aufgeführt, sondern auch Einrichtungsgegenstände (Garderobeschränke, Fenstervorhänge, Beleuchtungskörper, Schreibtische, Rollkästen, Papierkörbe usw.) sowie Betriebsvorrichtungen (Bügeltische, Zuschneidetische, Spanntische, Dezimalwaagen u.dgl.). Es werden also sämtliche zur Erzeugung notwendigen Vorrichtungen aller Art veräußert. Von dem Kaufpreis war ein Betrag von S 204.000,-- bei Annahme des Anbotes, der Rest in fünf gleichen Jahresraten fällig. Die erste Rate sollte am Tag der Übertragung der Hauptmietrechte an den Betriebsräumen fällig werden. Die Schuld aus dem ERP-Kredit war sofort bei Annahme des Anbotes zu übernehmen. Die Beschwerdeführerin hat nach den von der Beschwerde unbestrittenen Feststellungen des angefochtenen Bescheides in den von H. ehemals benützten Betriebsräumen, an denen ihr die Hauptmietrechte allerdings erst am übertragen. wurden, mit den übernommenen Produktionsmitteln ohne wesentliche Investitionen die Erzeugung von Wäschewaren (insbesondere Damenblusen) aufgenommen. Sie hat bereits im Jänner 1963 einen Umsatz von S 34.993,-- erzielt. Im Jahre 1963 wurden zwar weitere Maschinen um rund S 50.000,-- und im Jahre 1964 um S 48.804,-- angeschafft. Aus diesem Anschaffungspreis hat aber die belangte Behörde im Vergleich zu dem gesamten Kaufpreis von S 240.000,-- (richtig: S 340.000,--) zutreffend geschlossen, daß schon die durch den Kauf erworbene maschinelle Einrichtung genügt hat, den Betrieb des Unternehmens ohne weiteres fortzusetzen. Selbst wenn Investitionen untergeordneter Bedeutung notwendig waren, um den Betrieb in einer Weise zu führen, von der sich die Beschwerdeführerin einen besseren Erfolg versprochen hat, so kann deshalb noch nicht die Übernahme eines lebenden bzw. lebensfähigen Betriebes mit Erfolg in Abrede gestellt werden. Die Vorgänge, die zum Verkauf des Unternehmens durch H. geführt haben, deuten zwar darauf hin, daß er mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte. Dies allein war aber noch kein Grund dafür, objektiv eine Lebensunfähigkeit des Betriebes anzunehmen, insbesondere wenn sich nachher herausgestellt hat, daß das Unternehmen im wesentlichen mit denselben Betriebsmitteln fortgeführt werden konnte. Der dem von der Beschwerde zitierten hg. Erkenntnis vom , Zl. 1227/59, zugrunde liegende Sachverhalt war von dem vorliegenden völlig verschieden. Dort handelte es sich nämlich darum, daß der Beschwerdeführer ausschließlich Maschinen eines zugrunde gegangenen, in Liquidation befindlichen Betriebes erworben hat und daß sein Unternehmen von dem Standort dieses Betriebes weit entfernt war. In einem solchen Fall war wohl ausschlaggebend, daß weder ein Firmenwert noch ein Kundenstock oder andere Geschäftsvorteile übernommen wurden. Demgegenüber fiel aber vorliegend besonders ins Gewicht, daß die Beschwerdeführerin nicht nur die Maschinen und die gesamte Betriebsausstattung, sondern auch wesentliche Schulden und die Betriebsräumlichkeiten übernommen hat. Hingegen war bei der gegebenen Sachlage der Umstand, daß die Beschwerdeführerin weder ein Warenlager noch den Kundenstock des Betriebsvorgängers übernommen hat, nicht ausschlaggebend. Ebensowenig kam der Tatsache, daß die Beschwerdeführerin andere Waren, jedoch derselben Gattung innerhalb desselben Produktionszweiges erzeugt, besondere Bedeutung zu. Schließlich ist es für die gegenständliche Streitfrage gleichgültig, ob die Ware in sogenannter Lohnarbeit oder fabrikationsmäßig erzeugt wird. Handelt es sich hiebei doch nur um eine verschiedene Art der Verwertung derselben Produktionsmittel. Für die Annahme der Veräußerung bzw. des Erwerbes eines Betriebes im ganzen ist es auch bedeutungslos, daß die Beschwerdeführerin neben der Erzeugung noch einen Handel mit Waren derselben Gattung betreibt. Eine Haftung nach § 14 Abs. 1 a BAO ist ja auch für den Fall vorgesehen, daß die Übereignung eines im Rahmen des Unternehmens gesondert geführten Teilbetriebes stattfindet. Entscheidend bleibt, daß ein lebender Betrieb übereignet wird.
Die Beschwerdeführerin ist aber auch im Verwaltungsverfahren genügend zu Wort gekommen, sodaß die Verfahrensrüge wegen unzureichendem "rechtlichen Gehörs" einer Begründung entbehrt. Im übrigen wird bemerkt, daß über Rechtsfragen ein Vorhaltsverfahren nicht abzuführen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 1561/62).
Die Beschwerde war sohin gemäß § 42 Abs. 1 als unbegründet abzuweisen.
Der Kostenausspruch beruht auf § 48 Abs. 2 lit. a, b und d und Art. 1, B Z. 4 bis 6 der Verordnung BGBl. Nr. 4/1965.
Wien, am