VwGH vom 14.12.1995, 94/18/0398
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte
Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Rigler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des Z in W, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. SD 53/94, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom wurde der Beschwerdeführer, ein rumänischer Staatsangehöriger, gemäß § 17 Abs. 1 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ausgewiesen.
Begründend führte die belangte Behörde - soweit für die Erledigung der Beschwerde von Belang - folgendes aus: Der Beschwerdeführer sei am in das Bundesgebiet eingereist und habe am einen Asylantrag gestellt. Dieser Antrag sei mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom , erlassen am , rechtskräftig abgewiesen worden. Seit diesem Zeitpunkt komme dem Beschwerdeführer keine Aufenthaltsberechtigung zu. Auf eine allfällige auf § 5 Asylgesetz 1968 gestützte Berechtigung zum Aufenthalt in Österreich könnte sich der Beschwerdeführer rechtens nur dann berufen, wenn seiner beim Verwaltungsgerichtshof eingebrachten Beschwerde (gegen den genannten, den Asylantrag abweisenden Bescheid) die aufschiebende Wirkung zuerkannt würde. Ein solcher Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes liege aber (bis dato) nicht vor. Somit halte sich der Beschwerdeführer - zumal für die belangte Behörde die Rechtslage zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung maßgebend sei - unrechtmäßig im Bundesgebiet auf, sodaß die Ausweisung zu Recht verfügt worden sei.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen "Vorliegens von Verfahrensmängeln bzw. Rechtswidrigkeit des Inhaltes" kostenpflichtig aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1.1. Die Beschwerde vertritt die Ansicht, daß dem Beschwerdeführer eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung zukomme, weil der Verwaltungsgerichtshof - was die belangte Behörde festzustellen verabsäumt habe - seiner gegen den negativen Asylbescheid erhobenen Beschwerde mit Beschluß vom die aufschiebende Wirkung zuerkannt habe. Im Hinblick darauf erweise sich der vorliegend angefochtene Bescheid sowohl infolge Vorliegens von Verfahrensmängeln als auch inhaltlich rechtswidrig.
1.2. Nach Ausweis der Verwaltungsakten und von der belangten Behörde - in ihrer Gegenschrift - unbestritten, wurde der vom Beschwerdeführer gegen den seinen Asylantrag rechtskräftig abweisenden Bescheid des Bundesministers für Inneres vom erhobenen Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof die aufschiebende Wirkung zuerkannt und zwar dergestalt, daß der Gerichtshof dem Aufschiebungsantrag "im Umfange der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung des Beschwerdeführers nach dem Asylgesetz 1991 stattgegeben" hat (Beschluß vom , Zl. AW 93/01/1097).
Voraussetzung dafür, daß diese aufschiebende Wirkung zum Tragen gekommen, also der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Zeitpunkt der Erlassung des hier angefochtenen Bescheides (am ) als rechtmäßig zu beurteilen gewesen wäre, wäre demnach, daß der Beschwerdeführer vor Erlassung des genannten Bescheides des Bundesministers für Inneres vom eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz 1991 gehabt hätte. Dies wäre dann der Fall gewesen, wenn der Beschwerdeführer vor dem Inkrafttreten des Asylgesetzes 1991 bzw. dem gleichzeitigen Außerkrafttreten des Asylgesetzes 1968 (mit ) im Besitz einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung nach dem zuletzt genannten Gesetz gewesen wäre, weil diese ab dem genannten Zeitpunkt als solche nach dem Asylgesetz 1991 gegolten hätte (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/18/0473).
Die belangte Behörde hat sich mit dieser für ihre Entscheidung wesentlichen Frage nicht auseinandergesetzt. Dieses Versäumnis ist darauf zurückzuführen, daß sie es unterlassen hat, auf die Tatsache der in Rede stehenden Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch den Verwaltungsgerichtshof bei der Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes Bedacht zu nehmen. Entgegen der von der belangten Behörde in der Gegenschrift vertretenen Meinung wäre es ihr jedenfalls im Hinblick auf die spezifischen Umstände des vorliegenden Falles - einerseits ausdrücklicher Hinweis des Beschwerdeführers in seiner Berufung vom auf den mit der Beschwerde gegen den negativen Asylbescheid verbundenen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung, ergänzt durch die Anmerkung, daß nach der "bisherigen Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes mit der Stattgebung ... zu rechnen ist"; andererseits Erlassung der Berufungsentscheidung (des angefochtenen Bescheides) erst ca. fünf Monate nach Einbringung des Rechtsmittels - im Rahmen der sie treffenden Ermittlungspflicht oblegen, sich vor ihrer Entscheidung durch zielführende Schritte (wie etwa Befragung des Beschwerdeführers) über das rechtliche Schicksal des besagten Aufschiebungsantrages Klarheit zu verschaffen. Hat somit die belangte Behörde die aufgezeigte wesentliche Mangelhaftigkeit des Verfahrens zu vertreten, so ist auch ihre in der Gegenschrift geäußerte Auffassung, es handle sich bei dem Beschwerdevorbringen betreffend die besagte Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch den Verwaltungsgerichtshof um eine unzulässige Neuerung, verfehlt, setzt doch eine solche ein mängelfreies Verwaltungsverfahren voraus (§ 41 Abs. 1 VwGG).
Wenn die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift die Relevanz des ihr unterlaufenen Verfahrensmangels schließlich noch mit der Ansicht zu verneinen versucht, daß der Beschwerdeführer vor seiner Einreise nach Österreich in Ungarn Schutz vor Verfolgung gefunden habe, weshalb ihm keine vorläufige Aufenthaltsberechtigung gemäß § 5 Asylgesetz 1968 zugekommen sei, so ist sie insoweit auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 93/01/1546, zu verweisen, mit dem der mehrfach erwähnte Bescheid des Bundesministers für Inneres vom wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gerade deshalb aufgehoben worden ist, weil die von der damals belangten Behörde getroffene Annahme der "Verfolgungssicherheit" des Beschwerdeführers in Ungarn in sachverhaltsmäßiger Hinsicht nicht hinreichend gedeckt war.
2. Unter Zugrundelegung der vorstehenden Ausführungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich - im Rahmen des gestellten Antrages (§ 59 Abs. 1 VwGG) - auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.