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VwGH vom 28.03.2001, 2000/13/0134

VwGH vom 28.03.2001, 2000/13/0134

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Fuchs, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. iur. Mag. (FH) Schärf, über die Beschwerde der J in W, vertreten durch Mag. Dr. Rudolf Bazil, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schellinggasse 3, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission Wien vom , Zl. MD-VfR - J 8/98, betreffend Kommunalsteuer für 1994 und Jänner bis Juli 1995 sowie Säumniszuschlag, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Stadt Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Bei der Beschwerdeführerin handelt es sich um ein japanisches Luftfahrtunternehmen, das in Österreich unstrittig eine Betriebstätte im Sinne des Kommunalsteuergesetzes unterhält. Für die in der Betriebsstätte gewährten Arbeitslöhne wurde der Beschwerdeführerin von der Abgabenbehörde erster Instanz Kommunalsteuer in Höhe von S 145.203,-- (für den Zeitraum 1994) und S 51.798,-- (für den Zeitraum Jänner bis Juli 1995) sowie ein Säumniszuschlag in Höhe von S 3.940,-- vorgeschrieben.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin im Wesentlichen mit der Begründung Berufung, dass das Abkommen zwischen der Republik Österreich und Japan zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen (idF: DBA) in Anwendung seines Art. I Abs. 2 der Vorschreibung von Kommunalsteuer und Säumniszuschlägen entgegenstehe.

In dem nach einer abweisenden Berufungsvorentscheidung gestellten Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz wurde ergänzend auf die Bestimmung des Art. VIII DBA hingewiesen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab. Danach falle die Kommunalsteuer nur dann in den sachlichen Anwendungsbereich eines Doppelbesteuerungsabkommens, wenn das Doppelbesteuerungsabkommen die Lohnsummensteuer erfasse und gleichzeitig normiere, dass das Abkommen auch auf andere Steuern gleicher oder ähnlicher Art anzuwenden sei, die erst nach Unterzeichnung des Abkommens eingeführt worden seien. Dies treffe auf das im Beschwerdefall zur Anwendung gelangende Abkommen nicht zu. Art I Abs. 1 DBA enthalte eine Aufzählung der unter das Abkommen fallenden Steuern und erfasse die Lohnsummensteuer nicht. Daher könne auch die in Art. I Abs. 2 DBA normierte "Ähnlichkeitsprüfung" nicht zu einer Anwendbarkeit des DBA auf die Kommunalsteuer führen. Auch die (speziell für Luftfahrtunternehmen geltende) Bestimmung des Art. VIII DBA bewirke keine Erweiterung des DBA auf die Kommunalsteuer, da bezüglich der dort genannten Gewerbesteuer (Abs. 2) keine dem Art. I Abs. 1 (offenbar gemeint: Abs. 2) entsprechende Regelung existiere, wonach die Steuerbefreiung auch für "Nachfolgesteuern" der Gewerbesteuer gelten solle.

Über die dagegen erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Aufgrund der Anordnung des § 16 Abs. 2 KommStG, wonach die auf völkerrechtlichen Verträgen beruhenden Begünstigungen hinsichtlich der Kommunalsteuer unberührt bleiben, hatte die belangte Behörde zu prüfen, ob die Kommunalsteuer vom Anwendungsbereich des Abkommens zwischen der Republik Österreich und Japan zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen, BGBl. Nr. 127/1963 (kurz: DBA), erfasst ist. Die maßgebenden Bestimmungen des Art. I und Art. VIII DBA lauten wie folgt:

"Artikel I

(1) Gegenstand dieses Abkommens sind die folgenden Steuern:

a) in Japan:

(i) die Einkommensteuer,

(ii) die Körperschaftsteuer

(im folgenden "japanische Steuer" genannt);

b) in Österreich:

(i) die Einkommensteuer,

(ii) die Körperschaftsteuer,

(iii) der Beitrag vom Einkommen zur Förderung des Wohnbaues

und für

Zwecke des Familienlastenausgleiches

(im folgenden "österreichische Steuer" genannt).

(2) Dieses Abkommen ist auch auf jede andere Einkommen- oder Gewinnsteuer anzuwenden, die den im vorhergehenden Absatz genannten Steuern dem Wesen nach ähnlich ist und nach Unterzeichnung dieses Abkommens von einem der Vertragstaaten eingeführt wird.

Artikel VIII

(1) Abweichend von den Bestimmungen des Artikels VI sind Gewinne, die ein Unternehmen eines der Vertragstaaten aus dem Betrieb von Schiffen oder Luftfahrzeugen bezieht, von der Besteuerung im anderen Vertragstaat ausgenommen.

(2) Hinsichtlich des Betriebes von Schiffen oder Luftfahrzeugen sind japanische Unternehmen in Österreich überdies von der Gewerbesteuer und österreichische Unternehmen in Japan überdies von der "enterprise-tax" ausgenommen."

Wie der Verwaltungsgerichtshof in den hg. Erkenntnissen vom , 98/13/0021, und vom , 99/15/0265, 2000/15/0036, mit näherer Begründung ausgeführt hat, entspricht die Kommunalsteuer in Zweck und Wirkungsweise der Lohnsummensteuer. Auch sei der Besteuerungsgegenstand der Kommunalsteuer (§ 1 KommStG) und jener der Lohnsummensteuer (§ 25 GewStG) deckungsgleich. Umfasse ein Doppelbesteuerungsabkommen nach seinem sachlichen Anwendungsbereich die Gewerbesteuer, so folge aus dem Charakter der Lohnsummensteuer als Teil der Gewerbesteuer, dass auch ohne ausdrückliche Anordnung die Lohnsummensteuer vom sachlichen Anwendungsbereich des Doppelbesteuerungsabkommens mitumfasst werde (vgl. insbesondere das hg. Erkenntnis vom und die dort angeführte Literatur).

Art I Abs. 1 DBA zählt taxativ jene Steuern auf, die im Zeitpunkt des Abschlusses von den Vertragsstaaten erhoben wurden und in den sachlichen Anwendungsbereich des Abkommens fallen. Weiters bestimmt Abs. 2 des Art I DBA, dass das Abkommen auch auf jede andere Einkommen- und Gewinnsteuer anzuwenden ist, die den im Abs. 1 genannten Steuern dem Wesen nach ähnlich ist und nach Unterzeichnung des Abkommens von einem der Vertragstaaten eingeführt wird. Die Gewerbesteuer ist in Art. I nicht erwähnt. Art. VIII DBA erweitert den sachlichen Anwendungsbereich jedoch insoweit, als japanische Unternehmen hinsichtlich des Betriebes von Schiffen und Luftfahrzeugen auch von der Gewerbesteuer befreit werden.

Der belangten Behörde ist einzuräumen, dass nach dem Wortlaut des Art. I Abs. 2 DBA die in dieser Bestimmung vorgesehene Ähnlichkeitsprüfung (neu eingeführter Steuern) lediglich auf die im "vorhergehenden Absatz (gemeint: des Art I DBA) genannten Steuern" - dies sind die Einkommensteuer, die Körperschaftsteuer und die Beiträge vom Einkommen zur Förderung des Wohnbaues und für Zwecke des Familienlastenausgleiches - beschränkt ist und in Art. VIII DBA ein derartiger Hinweis fehlt.

Die Auslegung völkerrechtlicher Verträge darf aber grundsätzlich nicht beim Wortlaut stehen bleiben. Vielmehr ist ein völkerrechtlicher Vertrag gemäß Art. 31 Abs. 1 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge vom , BGBl. 40/1980, nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Lichte seines Zieles und Zweckes auszulegen. Nach Art. VIII DBA steht das Besteuerungsrecht für die (u.a.) aus dem Betrieb von Luftfahrzeugen bezogenen Gewinne Österreich selbst dann nicht zu, wenn das japanische Unternehmen eine Betriebsstätte in Österreich unterhält. Nach Abs. 2 des Art. VIII DBA gilt diese Befreiung auch für die Gewerbesteuer. Art. VIII DBA erweitert somit den (sachlichen) Anwendungsbereich des DBA hinsichtlich näher bezeichneter Unternehmen. Zweck dieser Bestimmung ist es daher, die dort genannten Unternehmen im Betriebsstättenstaat über den generellen Anwendungsbereich des DBA hinaus von einer Besteuerung auch im Bereich der Gewerbesteuer auszunehmen. Die von der belangten Behörde vertretene Wortinterpretation wird dem Sinn und Zweck dieser Bestimmung nicht gerecht. Eine dem Wortlaut der Bestimmungen verhaftete Auslegung würde den Vertragstaaten ohne erkennbaren Grund zusinnen, Veränderungen im Bereich der nur vom Art. VIII erfassten österreichischen Gewerbesteuer (und der japanischen "enterprisetax") anderes Gewicht beigemessen (d.h. neuen Vertragsverhandlungen vorbehalten) zu haben als Veränderungen im Hauptanwendungsbereich des Abkommens. Zu Recht weist die Beschwerdeführerin weiters darauf hin, dass Art. VIII DBA insoweit einen Interessenausgleich zwischen den Vertragstaaten vorsieht, als österreichische Luftfahrtbetriebe im Gegenzug von der japanischen "enterprise-tax" ausgenommen werden. Es wäre mit den bei der Auslegung von völkerrechtlichen Verträgen nach dem Wiener Übereinkommen anzuwendenden Grundsätzen nicht vereinbar, im Falle des Ersatzes einer der beiden in Art. VIII genannten Steuern durch eine namentlich zwar andere, inhaltlich ihrem Wesen nach jedoch vergleichbare Steuer, (Luftfahrt)Unternehmen des einen Vertragstaates gegenüber jenen des anderen Vertragstaates zu benachteiligen, indem die Unternehmen des einen Vertragstaates zwar weiterhin von der Bestimmung des Art. VIII erfasst würden, jene des anderen Vertragstaates aber aus dem Regelungsbereich der genannten Bestimmung herausfielen. Aus diesen Gründen ist eine Ähnlichkeitsprüfung im Sinne des Art. I Abs. 2 DBA auch im Bereich des Art. VIII DBA geboten.

Da die belangte Behörde somit zu Unrecht die Kommunalsteuer als nicht vom sachlichen Anwendungsbereich des Art. VIII DBA erfasst angesehen hat, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am