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VwGH vom 15.05.1964, 0953/63

VwGH vom 15.05.1964, 0953/63

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsidenten Dr. Wasniczek und die Hofräte Dr. Schimetschek, Dr. Eichler, Dr. Kaupp und Dr. Riedel als Richter, im Beisein des Schriftführers, Firma F & Co. OHG in Wien gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat) vom , Zl. VI - 1839/63, betreffend Einkommensteuer und Gewerbesteuer 1960, nach durchgeführter Verhandlung, und zwar nach Anhörung des Vortrages des Berichters sowie der Ausführungen des Vertreters der Beschwerde, Rechtsanwaltes Dr. Hermann Gujoch, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Die beschwerdeführende Firma, eine offene Handelsgesellschaft mit dem Sitz in Wien, ist die Rechtsnachfolgerin eines zunächst nicht protokollierten Gewerbebetriebes, der im Jahre 1952 von EF zum Zwecke des "Handelns mit Eisen und Altmetallen" gegründet wurde und sich seit 1958 auch mit der "magnetischen Eisenrückgewinnung" befaßte, wofür später auch eine eigene Gewerbeberechtigung erworben wurde. Es handelt sich dabei um die Rückgewinnung von Eisen aus Stahlwerkschlacke auf magnetischem Wege.

Im Jahre 1960 wurde eine derartige Rückgewinnung von Eisen unter anderem auf Schlackenhalden der Österreichisch Alpine-Montangesellschaft in Donawitz und der Vereinigten Österreichischen Eisen- und Stahlwerke AG in Linz durchgeführt. In einem Schreiben an die Magistratsabteilung 4 des Magistrates der Stadt Wien vom hat die Beschwerdeführerin selbst die Aufbereitungstätigkeit in Donawitz ausführlich beschrieben und dabei insbesondere ausgeführt:

"Die Anlage steht an einer ca. 8 m. hohen Zufahrtsrampe. Die Konstruktion der Aufbereitungsanlage ist ca. 15 to schwer, 10 m hoch, 4 m breit und ca. 12 m lang und ist für die Dauer der Aufbereitungstätigkeit ortsfest auf einem Schwellenstoß aufgebaut. Das zugebrachte Material wird auf einen Spaltrost gekippt und das Überkorn von Hand ausgeschieden. Das Unterkorn fällt in einen Vorbunker und wird von dort mittels einem entsprechend steuerbaren Aufgeber gleichmäßig einem großen Spezialtrommelmagnet zugeführt. Das taube Material gelangt sofort auf beigestellte Lkw und wird abgeführt. Das Fe-Konzentrat wird mittels Band zum Sortierteil gebracht und dort nochmals nach Größe und Qualität geschieden. Dieser Vorgang wird zur Zeit kontinuierlich einschichtig betrieben. Das angebrachte Material bleibt Eigentum der Österr. Alpine Montan Ges. und wird laufend zur Verhüttung durch unser Fuhrwerk zum Stahlwerk bzw. Hochofen angeliefert. Diese Tätigkeit wird außerhalb von Donawitz am Berghang durchgeführt. Aus diesen Gründen mußten wir natürlich auch eine Unterkunftsmöglichkeit in Form einer Baracke für die Belegschaft erstellen. In einem Anbau befinden sich auch die nötigen Ersatzteile und werden auch die kleineren Instandhaltungsreparaturen von uns ausgeführt. Die Rückgewinnungstätigkeit ist bereits in ein unbefristetes Vertragsverhältnis übergegangen."

Dieses Schreiben war durch einen Streit der Gemeinden Wien und Leoben über die Aufteilung der Lohnsummensteuer der beschwerdeführenden Firma ausgelöst worden, in welchem die Gemeinde Leoben den Standpunkt vertrat, daß die Beschwerdeführerin in Leoben-Donawitz eine Betriebsstätte unterhalte und insbesondere darauf hinwies, daß die Beschwerdeführerin "auf der Schlackenhalde des Hüttenwerkes Donawitz auf einer Fläche, über die sie im Rahmen ihrer gewerblichen Tätigkeit frei verfügen kann, eine stabile Magnetscheideanlage zur Rückgewinnung von Eisen in Betrieb hat" (vgl. Schreiben des Stadtamtes Leoben vom ).

Auch das Finanzamt Leoben teilte im Zuge des genannten Verfahrens dem zuständigen Wiener Finanzamt mit Schreiben vom mit, daß die beschwerdeführende Firma auf Grund eines mit der Österreichischen Alpine Montangesellschaft abgeschlossenen Vertrages berechtigt sei, zur Rückgewinnung von Eisen auf Schlackenhalden in Donawitz noch vorhandenen Eisenreste herauszusortieren, und daß diese Arbeiten mehrere Jahre dauern dürften. Die beschwerdeführende Firma habe zu diesem Zwecke verschiedene Einrichtungen (Magnetscheideanlage, Bagger, Kran, Raupen) an dieser Betriebsstätte in Einsatz und beschäftige einen Baustellenleiter und acht Arbeiter, die in einer nächst der Betriebsstätte aufgestellten Baracke wohnen. Der Baustellenleiter führe an dieser Betriebsstätte ein einfaches Kassbuch, in welchem die Ausgaben für Löhne, kleiner Reparaturen u. dgl. aufgezeichnet werden. Laut Mitteilung der Kammer der gewerblichen Wirtschaft in Leoben sei die beschwerdeführende Firma als Gewerbebetrieb mit dem Standort in "Leoben-Donawitz-Schlackenhalde" gemeldet und besitze dort die Gewerbeberechtigung.

Hierauf verfügte das Finanzamt für den II., XX., XXI. und XXII. Bezirk in Wien mit Bescheid vom die Zerlegung der Lohnsummensteuer der beschwerdeführenden Firma zwischen den Gemeinden Wien und Leoben, wobei es das Vorliegen einer Betriebsstätte in Leoben-Donawitz auf Grund der vom Finanzamt Leoben durchgeführten Erhebungen als erwiesen annahm.

Im Zug einer bei der Beschwerdeführerin durchgeführten Betriebsprüfung beanstandete der Prüfer, daß die beschwerdeführende Firma im Jahre 1960 für eine Reihe von unbeweglichen Wirtschaftsgüter (Bauhütten und Zentralheizung) wie auch für einige bewegliche Wirtschaftsgüter (Motoren und Kraftwagen), welche für die Arbeitsstellen in Donawitz und Linz angeschafft und dort auch eingesetzt worden waren, eine vorzeitige Abschreibung von 25 v. H. bzw. 60 v. H. der Anschaffungskosten genommen hatte, obschon die beiden Betriebsstätten nicht in solchen Gebieten gelegen waren, für die das Bewertungsfreiheitsgesetz 1957 einen besonders erhöhten Abschreibungssatz zugelassen hatte. Der Prüfer vertrat daher die Ansicht, daß für diese Anschaffungen lediglich eine vorzeitige Abschreibung von 20 v. H. bzw. 40 v. H. der Anschaffungskosten zulässig gewesen sei, und ermittelte demnach eine Abschreibungsdifferenz von S 77.611, die er dem erklärten Gewinn bzw. Gewerbeertrag des Jahres 1960 hinzuschlug. Das Finanzamt schloß sich der Auffassung des Prüfers an und erließ einen entsprechenden Einkommensteuer- bzw. Gewerbesteuerbescheid für das Jahr 1960.

Die Auffassung des Prüfers, daß es sich bei den Arbeitsstellen in Donawitz und Linz um Betriebsstätten handle, stützte sich auf die Ergebnisse finanzbehördlicher Erhebungen, wonach sich in Donawitz in unmittelbarer Nähe der Schlackenschüttung bzw. direkt auf der ausgeschütteten Schlackenhalde eine Baracke mit Küche, Wohn-, Speise und Schlafräumen sowie den entsprechenden sanitären Einrichtungen und anschließend ein Arbeitsschuppen befindet, worin beschädigte Arbeitsgeräte in einer Schweiß- und Schlosserwerkstätte ausgebessert werden können. Der Magnetabscheider befinde sich auf einer bereits ausgewerteten Schlackenhalde und sei auf einer Holzkonstruktion (Bohlen) errichtet. Hiezu seien Zufahrtswege angeschüttet. Ähnlich sei die Anlage bei der VÖEST in Linz, die sich von der Anlage in Donawitz nur dadurch unterscheide, daß die dort vorhandene Baracke stabiler gebaut und der Magnetabscheider auf einer Stahlkonstruktion errichtet sei, die in einen Betonsocke eingelassen wurde.

Die Beschwerdeführerin erhob - neben anderen Berufungen, die nicht mehr Gegenstand der vorliegenden Verwaltungsgerichtshofbeschwerde sind - unter anderem auch gegen den Einkommensteuer- bzw. Gewerbesteuerbescheid für 1950 Berufung. Sie führe dabei aus, daß sie in Donawitz bzw. in Linz keine Betriebsstätten unterhalte. Der Sitz der Firma sei Wien, wo sämtliche kommerzielle und verwaltungstechnische Agenden erledigt würden. Die Beschwerdeführerin erbringe für die Österreichische Alpine Montangesellschaft bzw. die VÖEST AG lediglich Leistungen in der Form, daß mittels eines Magnetscheidegerätes das vorhandene Eisen in der Schlacke von dieser getrennt werde. Dieses Gerät werde entsprechend der geleisteten Arbeit jeweils weiterbewegt. Es sei somit keinesfalls eine feste örtliche Anlage oder Einrichtung gegeben.

Die belangte Behörde gab der Berufung in der vor dem Verwaltungsgerichtshof ausschließlich strittigen Frage des Vorliegens von Betriebsstätten in Donawitz und Linz mit dem angefochtenen Bescheide keine Folge. Sie stützte diesbezüglich ihre Entscheidung auf die Feststellungen des Betriebsprüfers und den wesentlichen Inhalt der Akten des über die Aufteilung der Lohnsummensteuer durchgeführten Verfahrens, auf Grund dessen sie das Vorliegen von Betriebsstätten an den beiden genannten Orten gleichfalls bejahte.

Über die gegen diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde hat der Gerichtshof erwogen:

Gemäß § 1 Abs. 3 BewFG 1957 sind für die vorzeitige Abschreibung unbeweglicher wie beweglicher Wirtschaftsgüter verschieden hohe Abschreibungssätze vorgesehen, je nachdem, ob die Wirtschaftsgüter in Betrieben oder Betriebsstätten verwendet werden, die sich in Wien, Niederösterreich und Burgenland, im nördlich der Donau gelegenen Teil Oberösterreichs und in bestimmten Bezirken Kärntens und Steiermark oder in anderen Teilen Österreichs befinden.

Im vorliegenden Falle liegt zwar der Sitz der beschwerdeführenden Firma in Wien und somit in einem durch das Bewertungsfreiheitsgesetz 1957 besonders begünstigten Bundesland, während dagegen Leoben-Donawitz und Linz nicht in einem solchen begünstigten Gebiete liegen. Waren daher die Arbeitsstelle in Leoben-Donawitz und Linz als Betriebsstätte anzusehen, so durften für die in diesen Betriebsstätten verwendeten Wirtschaftsgüter bei der vorzeitigen Abschreibung nur die geringeren Abschreibungssätze von 20 % bzw. 40 % angewendet werden.

Betriebsstätte im Sinne der Steuergesetze ist aber gemäß § 16 StAnpG (übereinstimmend mit dem derzeit geltenden § 29 BAO) jede feste örtliche Anlage oder Einrichtung, die der Ausübung des Gewerbebetriebes dient. Dabei ist es nicht erforderlich, daß an dem Orte der festen Einrichtung Rechtsgeschäfte abgeschlossen oder Bücher geführt werden; es genügt vielmehr jede Tätigkeit, die sich als Ausübung des Gewerbebetriebes darstellt, auch wenn es sich nur um rein technische oder rein handwerkliche Arbeiten handelt (vgl. Herrmann-Heuer, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, 10. Auflage, S. 1558). Was unter einer örtlichen Anlage oder Einrichtung zu verstehen ist, die der Ausübung des Gewerbebetriebes dient, läßt sich im übrigen nicht nur der beispielhaften Aufzählung des § 16 Abs. 2 Z. 2 StAnpG entnehmen, die unter anderem ausdrücklich auch "Fabrikationsstätten" nennt, sondern vor allem auch den näheren Erläuterungen, die der Betriebsstättenbegriff in den neuen Doppelbesteuerungsverträgen gefunden hat. So unterstellt beispielsweise Artikel II des Doppelbesteuerungsvertrages mit England (BGBl. Nr. 105/1957) dem Betriebsstättenbegriff unter anderem "… eine Erzeugungsstätte, einen Geschäftsraum oder eine andere feste Geschäftseinrichtung, wie ein Bergwerk, eine Ölquelle, einen Steinbruch oder eine andere Stätte der Ausbeutung des Grund und Bodens …", Artikel II des Doppelbesteuerungsvertrages mit den USA (BGBl. Nr. 232/1957) "…. eine Werkstätte, ein Lagerhaus, eine Handelsniederlassung, ein Bergwerk, eine Ölquelle oder andere Stätte der Ausbeutung des Grund und Bodens …", Artikel 5 des Doppelbesteuerungsvertrages mit Schweden (BGBl. Nr. 39/1960) "… eine Fabrikationsstätte, ein Bergwerk, einen Steinbruch oder eine andere Stätte der Ausbeutung von Bodenschätzen …." usw.

Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin kann daher bei Betrieben wie dem vorliegenden keineswegs nur der Sitz der Geschäftsleitung als Betriebsstätte angesehen werden. Denn die Ausbeutung von Schlackenhalden ist rechtlich nicht anders zu beurteilen als die Auswertung von Steinbrüchen und Ölquellen und die sonstige Ausbeutung von Bodenschätzen, die allgemein als Betriebsstätten im Sinne der Steuergesetze angesehen werden. Dabei ist unter "fester örtlicher Anlage" jede Einrichtung zu verstehen, die wenigstens für eine gewisse betrieblich bedingte Zeit eine feste örtliche Beziehung schafft. Ein bloßes Fahrzeug, in dem ein täglich von Ort zu Ort reisender Wanderhändler seine Waren zum Verkauf feilhält, ist somit noch nicht als Betriebsstätte anzusehen, wohl aber ein Bohrturm und eine Sandgewinnungsanlage größeren Ausmaßes, mag auch im Zuge des Fortschreitens der Ausbeutung eine gewisse örtliche Verschiebung der Ausbeutungsanlage erforderlich sein.

Es bildet daher - entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin - im vorliegenden Fall auch keinen Verfahrensmangel, wenn die Finanzbehörde sich nicht durch einen zweiten Augenschein nochmals davon überzeugt hat, daß die Anlage im Zuge der Ausbeutung der Schlackenhalden örtlichen Veränderungen unterworfen ist. Denn daß die Betriebsanlage eines Steinbruches, einer Ölquelle und sonstiger Abbaubetriebe im Zuge des Fortschreitens des Abbaues gewissen örtlichen Veränderungen unterworfen ist, ergibt sich aus der Natur dieser Betriebe von selbst. Das vermag jedoch ihren Betriebsstättencharakter nicht zu beeinflussen, sobald immerhin gewisse feste Anlagen vorhanden sind, die stets nur in größeren Zeiträumen im Zuge des Abbauprozesses innerhalb des abzubauenden Geländes auf verhältnismäßig geringe Entfernungen verschoben werden. Im vorliegenden Falle wurde auf Grund der durch die lokalen Finanzämter durchgeführten Erhebungen bzw. des in einem Vorverfahren durchgeführten Schriftwechsels festgestellt, daß die Beschwerdeführerin auf den Arbeitsstellen in Donawitz und Linz nicht nur Arbeiterwohnbaracken und Bauhütten, sondern vor allem auch einen Magnetabscheider aufgestellt hatte, der ortsfest auf einer Holzkonstruktion bzw. auf einer in einen Betonsockel eingelassenen Stahlkonstruktion errichtet wurde. Bei dieser Sachlage konnte die belangte Behörde mit Recht das Vorhandensein von festen örtlichen Anlagen und Einrichtungen und somit das Vorliegen von Betriebsstätten annahmen. Waren aber die Arbeitsstellen in Donawitz und Linz als Betriebsstätten im Sinne der Steuergesetze anzusehen, so durfte, wie die belangte Behörde richtig erkannt hat - bezüglich der in diesen Betriebsstätten verwendeten Wirtschaftsgüter gemäß § 1 Abs. 3 lit. b BewFG 1957 vorzeitige Abschreibung lediglich im Ausmaße von 20 v. H. bzw. 40 v. H. der Anschaffungskosten vorgenommen werden.

Die vorliegende Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1952 als unbegründet abzuweisen.

Wien, am