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VwGH vom 14.10.1992, 92/01/0049

VwGH vom 14.10.1992, 92/01/0049

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Kremla, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Beschwerde des F in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Justiz vom , Zl. 171/5-III 5/91, betreffend Erteilung einer Auskunft, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer stellte beim Präsidenten des Landesgerichtes für Strafsachen Wien (im folgenden: Präsident) am unter Hinweis darauf, daß in der Zeit vom 3. bis die Hauptverhandlung über eine gegen den Beschwerdeführer erhobene Anklage stattfinden werde, wobei zur Entscheidung nach § 196a FinStrG ein Schöffengericht berufen sei, unter anderem folgendes Auskunftsbegehren:

"Welche Schöffen, bezeichnet nach Vor- und Familiennamen, Geburtsdatum, Anschrift und Beruf enthält die ... dem Erkenntnisrichter Dr. L. in seiner Eigenschaft als Richter der dg. Gerichtsabteilung 6b zugestellte Liste für das 1. und 2. Quartal des Jahres 1991? Beigefügt wird, daß ausdrücklich die Bekanntgabe des Geburtsdatums, nicht bloß des Geburtsjahres begehrt wird, da nur mit dieser Angabe die erforderlichen Erhebungen durchgeführt werden können."

Am übermittelte der Präsident dem Beschwerdeführer eine Liste mit den Namen jener Personen, die in der der Abteilung 6b des Landesgerichtes für Strafsachen Wien für das 1. und 2. Quartal 1991 zugeteilten Dienstliste aufscheinen. Mit Bescheid vom selben Tag wies der Präsident das Auskunftsbegehren des Beschwerdeführers betreffend die Angabe des Geburtsdatums, der Anschrift und des Berufes der in die Dienstliste aufgenommenen Personen ab.

Mit dem im Instanzenzug erlassenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien vom , mit dem der Berufung des Beschwerdeführers gegen den erstinstanzlichen Bescheid nicht Folge gegeben worden war, nicht Folge und bestätigte den bekämpften Bescheid. In der Begründung wird nach Darlegung des Verfahrensganges und der Rechtslage die Auffassung vertreten, die Schöffen hätten (im Hinblick auf den in Art. 20 Abs. 3 B-VG verfassungsmäßig verankerten Grundsatz der Amtsverschwiegenheit und das Grundrecht auf Datenschutz nach § 1 Abs. 1 Datenschutzgesetz - DSG) ein Interesse an der Geheimhaltung persönlicher Daten vor jenen Personen, über die sie zu Gericht säßen, würde doch eine Bekanntgabe dieser Daten in Strafverfahren involvierte Personen in die Lage versetzen, das Privatleben ihrer Laienrichter zu durchleuchten. Daran ändere der Umstand nichts, daß ein Angeklagter diese Daten möglicherweise durch Einsichtnahme in die Wählerevidenz oder in im Bestellungsverfahren aufzulegende Verzeichnisse in Erfahrung bringen könne, da diese Wege nicht unbedingt zum Erfolg führen müßten und gerade die konkrete richterliche Funktion das Schutzbedürfnis der Laienrichter erhöhe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Gemäß § 1 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom , BGBl. Nr. 287, über die Auskunftspflicht der Verwaltung des Bundes und eine Änderung des Bundesministeriengesetzes 1986 (Auskunftspflichtgesetz) haben die Organe des Bundes sowie der Organe der durch die Bundesgesetzgebung zu regelnden Selbstverwaltung über Angelegenheiten ihres Wirkungsbereiches Auskünfte zu erteilen, soweit eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht dem nicht entgegensteht.

Eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht im Sinne des letzten Halbsatzes der zitierten Vorschrift kann unter anderem auf dem Grundrecht der von einer begehrten Auskunft betroffenen Personen auf Datenschutz im Sinne des § 1 Abs. 1 DSG beruhen. Die zuletzt zitierte Verfassungsbestimmung gewährleistet jedermann die Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit er daran ein schutzwürdiges Interesse, insbesondere im Hinblick auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, hat. Nach Abs. 2 erster Satz leg. cit. sind Beschränkungen dieses Rechtes nur zur Wahrung berechtigter Interessen eines anderen oder auf Grund von Gesetzen zulässig, die aus den in Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Gründen notwendig sind.

Im Beschwerdefall ist ein schutzwürdiges Interesse der Betroffenen an der Geheimhaltung der hier relevanten personenbezogenen Daten (Geburtsdatum, Anschrift und Beruf) grundsätzlich zu bejahen (vgl. hiezu auch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , VfSlg. Nr. 12166, mit Hinweis auf Matzka/Kotschy, Datenschutzrecht für die Praxis, Kommentar zu § 1 DSG, 6 f). Der Überlegung der belangten Behörde, den Schöffen bzw. Geschworenen käme ein schutzwürdiges Interesse an der Geheimhaltung ihrer personenbezogenen Daten gegenüber den Angeklagten zu, ist nicht entgegenzutreten. Nicht zuletzt ist auch aus dem Umstand, daß das Gesetz (vgl. §§ 5 Abs. 3, 13 Geschworenen- und Schöffengesetz - GSchG) nur zeitlich begrenzten und der Mitwirkung an konkreten Strafverfahren zeitlich vorangehenden öffentlichen Zugang zu den personenbezogenen Daten der in die Haupt- und Dienstlisten aufgenommenen Personen einräumt, ein vom Gesetz mit der oben erwähnten Einschränkung anerkanntes Geheimhaltungsinteresse des betroffenen Personenkreises zu folgern.

Der Beschwerdeführer ist auch nicht im Recht, soweit er die Auffassung vertritt, die angefragten Daten seien als "offenkundig" und somit nicht schutzwürdig im Sinne des Gesetzes anzusehen. Diese Auffassung begründet der Beschwerdeführer zunächst damit, daß die angefragten Daten in der öffentlich zugänglichen Wählerevidenz enthalten seien. Dem ist zu erwidern, daß der Wählerevidenz zwar Name, Geburtsdatum und Wohnadresse der Wahl- und Stimmberechtigten entnommen werden können (vgl. § 1 Abs. 1 und 3 in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Wählerevidenzgesetz 1973); dies bedeutet aber nicht, daß die personenbezogenen Daten der in die Dienstliste nach § 13 GSchG aufgenommenen Personen offenkundig wären. Der Wählerevidenz können keine Angaben darüber entnommen werden, welche der dort verzeichneten Personen in die Haupt- und Dienstlisten nach dem GSchG aufgenommen wurden. Daraus folgt, daß die personenbezogenen Daten der in eine bestimmte Dienstliste nach dem GSchG aufgenommenen Personen mangels Zuordnungsmöglichkeit nicht der Wählerevidenz entnommen und daher auch nicht als offenkundig angesehen werden können. Die Auffassung des Beschwerdeführers führte zum Ergebnis, daß Name, Geburtsdatum und Anschrift der Wahl- und Stimmberechtigten im Hinblick auf die Aufnahme dieser Daten in die Wählerevidenz selbst dann nicht schutzwürdig wären, wenn ihre Bekanntgabe im Hinblick auf den Inhalt des Auskunftbegehrens infolge Schaffung von Zuordnungsmöglichkeiten mittelbar selbst die Bekanntgabe sogenannter sensibler Daten, wie z.B. Gesundheits- und Einkommensdaten der vom Auskunftsbegehren Betroffenen, bedeuten würde; es liegt auf der Hand, daß dies nicht dem Sinn des Gesetzes entspricht.

Auch der Hinweis des Beschwerdeführers auf die §§ 5 Abs. 3 und 13 Abs. 1 GSchG ist im vorliegenden Zusammenhang nicht zielführend. Die durch § 5 Abs. 3 erster Satz GSchG der Öffentlichkeit eingeräumte Möglichkeit zur Einsichtnahme in das nach dieser Gesetzesstelle anzulegende Verzeichnis ist - ebenso wie die durch § 13 Abs. 1 GSchG für die Bildung der Dienstlisten angeordnete öffentliche Sitzung - Teil des Auswahlverfahrens für das Amt der Geschworenen und Schöffen. Die zeitlich begrenzte öffentliche Auflegung eines Verzeichnisses nach § 5 Abs. 3 leg. cit. und die Öffentlichkeit der Sitzung nach § 13 Abs. 1 leg. cit. führt jedoch nicht zur Offenkundigkeit der während dieser Vorgänge zugänglichen Daten; "Offenkundigkeit" setzte im vorliegenden Zusammenhang jederzeitige Zugänglichkeit der strittigen Daten für jedermann, wie dies z.B. bei Grundbuch und Firmenbuch der Fall ist, voraus.

Die Schutzwürdigkeit der strittigen personenbezogenen Daten ist somit auch nicht wegen "Offenkundigkeit" zu verneinen.

Die vom Beschwerdeführer angestrebte Bekanntgabe der personenbezogenen Daten der in die Dienstliste aufgenommenen Personen setzte somit im Sinne des § 1 Abs. 2 erster Satz DSG ein Überwiegen berechtigter Interessen des Beschwerdeführers über das Geheimhaltungsinteresse der von der begehrten Auskunft betroffenen Personen (oder einen gesetzlichen Eingriffsvorbehalt, der aber im Beschwerdefall nicht ersichtlich ist) voraus. Berechtigte Interessen des Beschwerdeführers, die eine Beschränkung des Grundrechtes auf Datenschutz des von der gegenständlichen Anfrage betroffenen Personenkreises rechtfertigen könnten, kommen aber jedenfalls in bezug auf jene Personen, die nicht im Strafverfahren des Beschwerdeführers mitwirken, von vornherein nicht in Betracht. Auch im Zusammenhalt mit dem Ablehnungsrecht des Angeklagten (§ 74a StPO in Verbindung mit § 15 Abs. 2 GSchG) ist nicht ersichtlich, welches rechtlich anerkannte Interesse dem Beschwerdeführer an der Kenntnis der personenbezogenen Daten von nicht in seinem Strafverfahren mitwirkenden Personen zukäme. Schon unter diesem Gesichtspunkt hat die belangte Behörde dem Auskunftsbegehren des Beschwerdeführers, das die Bekanntgabe der personenbezogenen Daten aller - und somit auch jener, die nicht in seinem Strafverfahren als Schöffen mitwirkten - in eine bestimmte Dienstliste aufgenommenen Personen betraf, mit Recht nicht entsprochen. Es erübrigt sich daher, auf die Darlegungen des Beschwerdeführers einzugehen, soweit er sein Interesse auf Bekanntgabe der strittigen Daten damit begründet, die Wahrnehmung seines Ablehnungsrechtes setze voraus, daß er zeitgerecht in die Lage versetzt werde, entsprechende Erhebungen (etwa durch Privatdetektive) über die persönlichen Verhältnisse der Schöffen anzustellen.

Auch die Darlegungen des Beschwerdeführers, der der belangten Behörde eine "willkürliche" Vorgangsweise vorwirft, weil die Behörde erster Instanz ihm anläßlich eines früheren Auskunftsbegehrens die begehrten Daten bekanntgegeben, dies im gegenständlichen Fall aber verweigert habe, sind nicht zielführend, weil aus einer früher geübten Vorgangsweise der Behörde erster Instanz im vorliegenden Zusammenhang weder ein Anspruch auf ein gleichartiges Vorgehen der belangten Behörde noch eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides abgeleitet werden kann.

Die behauptete Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides liegt somit nicht vor; die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.