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VwGH vom 02.02.1979, 0766/78

VwGH vom 02.02.1979, 0766/78

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung

verbunden):

0948/78

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Hofstätter und die Hofräte Dr. Karlik, Dr. Simon, Dr. Kirschner und Dr. Schubert als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Mag. Gaismayer, über die Beschwerde des JS in L, vertreten durch Dr. Wilfried Piesch, Rechtsanwalt in Villach, Hauptplatz 16, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Kärnten, Berufungssenat I, vom , Zl. B-45-V-1977, betreffend Einkommensteuer und Gewerbesteuer 1976, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 750,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer lernte nach Absolvierung von Volks- und Hauptschule den Beruf eines Kraftfahrzeugmechanikers, in welchem er die Meisterprüfung ablegte. Er ist als Kraftfahrzeugmechanikermeister unselbständig tätig. Außerdem betreibt er selbständig die Erstattung von Schätzungsgutachten (Zoll- und Zeitwertschätzungen) sowie die Klärung von technischen Fragen auf dem Gebiet des Kraftfahrzeugwesens für die Bezirksgerichte Villach und Rosegg. Für Privatpersonen gibt er Gutachten über Kausalschäden nach durchgeführten Kraftfahrzeugreparaturen ab. Das Finanzamt kam auf Grund der Ausführungen des Beschwerdeführer sowie unter Berücksichtigung der vorgelegten Gutachten zur Überzeugung, daß die Tätigkeit als gewerblich zu qualifizieren sei, rechnete dem erklärten Betriebsergebnis das lediglich bei der Ermittlung der Einkünfte aus selbständiger Arbeit gemäß § 4 Abs. 6 EStG 1972 absetzbare Betriebsausgabenpauschale in der vom Beschwerdeführer geltend gemachten Höhe hinzu und erließ unter Zugrundelegung des so ermittelten Gewinnes aus Gewerbebetrieb den Einkommensteuer- und Gewerbesteuerbescheid für das Streitjahr.

In der gegen diese Bescheide erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer im wesentlichen vor, daß er Mitglied des Hauptverbandes der "allgemein beeideten gerichtlichen Sachverständigen" sei und verwies auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 322/67, Slg. Nr. 3671/F, in dem ausgesprochen worden sei, daß seine Tätigkeit auf Grund langjähriger handwerklicher Berufserfahrung "ausgeübt werden könne und Einkünfte aus selbständiger Arbeit darstelle". In einem die Berufungsschrift ergänzenden Schriftsatz führte der Beschwerdeführer aus, aus § 5 Abs. 1 lit. d und e Ziviltechnikergesetz (BGBl. Nr. 146/1957) ergebe sich, daß das Arbeitsgebiet der Ingenieurkonsulenten und Zivilingenieure u.a. in der Durchführung von fachtechnischen Untersuchungen und Überprüfungen aller Art auf maschinellem Gebiet und in der Abgabe von Gutachten, Schätzungen und Berechnungen bestehe. Gerade eine solche Tätigkeit führe der Beschwerdeführer aus. Somit lasse sich nicht bestreiten, daß seine Tätigkeit der eines Ziviltechnikers in "gewissen Belangen" gleiche.

Bei der vor der belangten Behörde durchgeführten mündlichen Berufungsverhandlung wurde dem Beschwerdeführer vorgehalten, daß die verschiedenen Arbeiten des Beschwerdeführers nicht der eines Ziviltechnikers entsprechen. Der Beschwerdeführer fülle einen Vordruck aus, der über Fahrzeugtype, Zustand der Bereifung, Profiltiefe, Kilometerstand und den Erhaltungszustand Auskunft gebe. Dann würden die Schäden festgehalten und die Aussage getroffen, welche Neuteile und Kleinteile ersetzt werden müßten und welche Kosten dies verursache. Aus den vorgelegten Gutachten sei zu ersehen, daß der Beschwerdeführer vorwiegend kaufmännisch tätig werde. Auf Grund von Stundenpreisen würden die Reparaturkosten ermittelt. Der Beschwerdeführer räumte ein, daß sich seine Tätigkeit im Streitjahr überwiegend auf Gutachten über die Höhe des Schadensausmaßes und nicht auf Sachverständigenbegutachtung in Angelegenheiten des Straßenverkehrs bezogen habe.

Mit dem nun angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge. Sie führte im wesentlichen aus, daß die Gutachtertätigkeit des Beschwerdeführers der eines Ziviltechnikers nur dann ähnlich wäre, wenn das GESAMTBILD der vom Beschwerdeführer ausgeübten Tätigkeit dem für die Ausübung des Ziviltechnikerberufes charakteristischen GESAMTBILD ähnlich wäre. Sodann verwies die belangte Behörde auf die wesentlichen Vorschriften der §§ 1, 5, 6, 7 und 8 des Ziviltechnikergesetzes. Daraus ergebe sich, daß es sich bei der Berufstätigkeit der staatlich befugten und beeideten Ziviltechniker um eine hochqualifizierte Tätigkeit handle, die demgemäß nur auf Grund einer besonders eingehenden theoretischen und praktischen Ausbildung ausgeübt werden dürfe. Auch an eine "ähnliche freiberufliche Tätigkeit müßten daher höhere Anforderungen gestellt werden; wenn auch dafür eine Hochschulausbildung grundsätzlich nicht Voraussetzung sei, müsse sie doch auf höherem Niveau stehen als eine auf Grund der herkömmlichen Ausbildung für das Kraftfahrzeuggewerbe ausgeübte Tätigkeit. Die Gutachtertätigkeit des Beschwerdeführers erschöpfe sich - so fuhr die belangte Behörde fort - in der Schätzung von voraussichtlichen Reparaturkosten (i. d. R. Behebung von Unfallschäden) bzw. des Markt-, Zoll- oder Wrackwertes und der merkantilen Wertminderung von Unfallfahrzeugen. Bei der Schätzung des Wertes und der Wertminderung könne sich der Beschwerdeführer an den einschlägigen monatlichen Publikationen über den Marktwert von Gebrauchtfahrzeugen orientieren. Die voraussichtlichen Reparaturkosten könnten anhand der Ersatzteilpreislisten unter Zugrundelegung der erfahrungsgemäß für bestimmte Reparaturarbeiten durchschnittlich benötigten Arbeitszeit sowie des zur Verrechnung gelangenden Stundensatzes unschwer ermittelt werden. Auch bei der Feststellung des Wrackwertes gehe der Beschwerdeführer lediglich vom Zeitwert laut Liste abzüglich der Reparaturkosten aus. Die Gutachtertätigkeit des Beschwerdeführers setze sohin nur Kenntnisse voraus, die auch jeder Kraftfahrzeugmechanikermeister bei Erstellung von Kostenvoranschlägen besitzen müsse, nicht aber eine höhere Vorbildung, wie sie nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch für die Gruppe der "ähnlichen Berufe" charakteristisch sei. Eine solche Gutachtertätigkeit, bei der im wesentlichen handwerkliche und Marktkenntnisse verwertet würden, sei daher nicht als freiberuflich, sondern als gewerblich anzusehen. Überdies könne auch hinsichtlich des Fachgebietes eine Übereinstimmung mit der Gutachtertätigkeit eines staatlich befugten und beeideten Ziviltechnikers nicht festgestellt werden. Staatlich befugte und beeidete Ziviltechniker seien gemäß § 5 des Ziviltechnikergesetzes u.a. zur Abgabe von Gutachten und Schätzungen in allen Zweigen ihres Fachgebietes berechtigt. Im Streitfall komme als Vergleichsbasis lediglich das Fachgebiet "Maschinenbau" in Betracht. Die Gutachtertätigkeit des Beschwerdeführers berühre aber dieses Fachgebiet bestenfalls nur am Rande. Sie habe in der Hauptsache kaufmännische Fragen zum Gegenstand, wie sie für Versicherungsgesellschaften - die Hauptauftraggeber des Beschwerdeführers - von Interesse seien (Höhe der Reparaturkosten, Wertminderung, etc.) und in ganz geringem Ausmaß technische Fragen (Fahrzeugschäden als Folge von Unfällen oder mangelhafter Instandsetzung). Auch aus diesem Grunde sei somit eine Ähnlichkeit mit dem Berufsbild des staatlich befugten und beeideten Ziviltechnikers zu verneinen. Der Hinweis in der mündlichen Berufungsverhandlung, daß die Tätigkeit des gerichtlich beeideten Sachverständigen nach der Volksmeinung nicht als gewerblich sondern als freiberuflich angesehen werde, sei nicht begründet und stimme nicht in allen nach der Verkehrsauffassung unter Einbeziehung der wirtschaftlichen Betrachtungsweise wesentlichen Merkmalen mit dem typisierten Bild des Ziviltechnikers überein.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Gemäß § 22 Abs. 1 Z. 1 EStG 1972 gehören zu den nicht den gewerblichen Einkünften zuzurechnenden Einkünften aus selbständiger Arbeit (vgl. auch § 1 Abs. 1 GewStG) die Einkünfte aus freien Berufen. Das Gesetz bestimmt, daß dazu neben den Einkünften aus den wissenschaftlichen, künstlerischen, schriftstellerischen, unterrichtenden oder erzieherischen Tätigkeiten auch Einkünfte aus bestimmten taxativ aufgezählten Tätigkeiten und diesen ÄHNLICHEN Berufstätigkeiten gehören. Zu den namentlich den freien Berufen zuzuordnenden Tätigkeiten gehört auch die Tätigkeit der Ziviltechniker. Im vorliegenden Fall ist nur die Frage strittig, ob die Tätigkeit des Beschwerdeführers der eines Ziviltechnikers ÄHNLICH ist. Für die Beurteilung dieser Frage wieder ist das Berufsbild eines Ziviltechnikers, wie es vom Gesetz umschrieben ist, von Bedeutung.

Zutreffend verwies die belangte Behörde darauf, daß im Beschwerdefall für den anzustellenden Vergleich überhaupt nur das Fachgebiet des Maschinenbaues (§ 4 lit. B sublit. b und lit. C sublit. e des Ziviltechnikergesetzes) in Betracht käme, wobei gemäß § 5 Abs. 2 lit. C sublit. b des Ziviltechnikergesetzes das GESAMTE Fachgebiet des Maschinenbaues Gegenstand der Berechtigung und der typischen Tätigkeit der Ingenieurkonsulenten und Zivilingenieure ist. Wenn zufolge § 5 Abs. 1 lit. e leg. cit. die Berechtigung auch die Abgabe von Gutachten, Schätzungen und Berechnungen einschließt, so ist jedenfalls die Erstattung solcher Gutachten, Schätzungen und Berechnungen in der Art, wie sie der Beschwerdeführer nach den unbestrittenen Feststellungen der belangten Behörde und dem Inhalt der Verwaltungsakten im Streitjahr vornahm, mit der typischen Berufstätigkeit eines Ziviltechnikers nicht vergleichbar. Dabei beruht der Mangel der Ähnlichkeit der Tätigkeit des Beschwerdeführers mit der eines Ziviltechnikers in erster Linie darauf, daß die vom Beschwerdeführer erstellten Gutachten das Ergebnis einer bloß kaufmännischen und handwerklichen Beurteilung sind; d. h. auch nach der Verkehrsauffassung nicht als berufstypische oder ihnen vergleichbare Leistungen eines Ziviltechnikers angesehen werden.

Der Verwaltungsgerichtshof gelangt daher in Übereinstimmung mit der belangten Behörde zu der rechtlichen Beurteilung, daß Begutachtungen von Kraftfahrzeugen durch einen Kraftfahrzeugmechaniker, die lediglich den auch in Kraftfahrzeugreparaturwerkstätten feststellbaren technischen Zustand des Fahrzeuges beschreiben und nur dazu dienen, den Wert des Fahrzeuges oder die Höhe allfälliger Reparaturkosten zu bestimmen, mangels Ähnlichkeit mit einer in § 22 Abs. 1 Z. 1 EStG 1972 ausdrücklich angeführten Berufstätigkeit keine freiberufliche Tätigkeit sind. Daß es sich vorliegendenfalls, um Einkünfte aus selbständiger Arbeit im Sinne des § 22 Abs. 1 Z. 2 EStG 1972 handelt, wurde nicht behauptet und ist auch nicht ersichtlich. Die belangte Behörde verletzte daher das Gesetz nicht, wenn sie die Gewerbesteuerfestsetzung bestätigte und den nur für die Ermittlung der Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Betracht kommenden Betrag nach § 4 Abs. 6 leg. cit. nicht zum Abzug zuließ.

Wenn sich der Beschwerdeführer auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 322/67, Slg. Nr. 3671/F, bezieht, so vermag der Gerichtshof die dort ebenfalls in der Sache eines "Havarieexperten" ergangene Rechtsmeinung nicht aufrechtzuerhalten. Da das zitierte Erkenntnis vom zum Einkommensteuergesetz 1953, somit zu einem formell anderen Gesetz ergangen ist, bedurfte es keiner Beschlußfassung durch einen verstärkten Senat im Sinne des § 13 Z. 1 VwGG 1965.

Die Beschwerde war nach dem Gesagten als unbegründet gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 542/1977.

Wien, am