VwGH vom 28.09.1962, 0588/63

VwGH vom 28.09.1962, 0588/63

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsidenten Dr. Wasniczek und die Hofräte Dr. Schirmer, Dr. Schimetschek, Dr. Eichler und Dr. Kaupp als Richter, im Beisein des Schriftführers, Bezirksrichters Dr. Gottlich, über die Beschwerde der Firma G, P, gegen den Bescheid der Berufungskommission bei der Finanzlandesdirektion für Kärnten vom , Zl. 18/48-II-1961, betreffend einheitliche Gewinnfeststellung für 1957, nach durchgeführter Verhandlung, und zwar nach Anhörung des Vortrages des Berichters sowie der Ausführungen des Vertreters der Beschwerde, Rechtsanwaltes Dr. Robert Amhof, und des Vertreters der belangten Behörde, Ministerialoberkommissärs Dr. AK, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben

Begründung

Die Beschwerdeführer sind Miteigentümer einer Land- und Forstwirtschaft. Laut Bescheid des Amtes der Kärntner Landesregierung vom wurde auf einer Reihe der zum Gutsbesitz der Beschwerdeführer gehörigen Liegenschaften (hauptsächlich Wald und Wiesenparzellen), die zur Errichtung und Erhaltung der Stromleitung St. Andrä (Dampfkraftwerk) - Hessenberg (Umspannwerk) erforderlichen Leitungsdienstbarkeiten zu Gunsten der Österreichischen Elektrizitätswirtschafts-AG., Verbundgesellschaft, eingeräumt und die grundbücherliche Einverleibung angeordnet. Die Beschwerdeführer wurden - ebenso wie die anderen von dem Bau der Leitung betroffenen Grundstückseigentümer - verpflichtet, die Aufstellung der Maste, die Führung der Leitungen im Luftraum über ihren Grundstücken, das Ausästen bzw. die Entfernung der für die Leitung hinderlichen Bäume und alle Vorkehrungen zu dulden, die zur Errichtung und zur Erhaltung der Leitungsanlage notwendig sind. Die Errichtung von Baulichkeiten aller Art innerhalb des Schutzstreifens von 30 m beiderseits der Leitungsachse wurde von der Zustimmung des Leitungsberechtigten abhängig gemacht. Der Bauwerberin wurde empfohlen, sich wegen der Entschädigung der Grundstückseigentümer gütlich zu einigen. In der Begründung des Bescheides wurde u. a. festgestellt, dass das Verbot der Verwendung von Bodenseilgeräten unterhalb der Hochspannungsleitung sowie das Verbot von Beregnungsanlagen nach Inbetriebnahme der Leitung insbesondere für den bergbäuerlichen Betrieb eine spürbare Wirtschaftserschwernis und einen Ertragsausfall zur Folge haben werde. Dieser sei ebenso wie die Besitzentwertung im Entschädigungsverfahren entsprechend zu berücksichtigen.

Im Jahre 1960 fand im Betrieb der Beschwerdeführer eine Betriebsprüfung statt. Der Prüfer sah die auf Grund des erwähnten Bescheides im Jahre 1957 ausgezahlte Entschädigung von S 292.913,-- , die nicht als Betriebseinnahme verbucht war, als Entschädigung für künftige Ertragsminderung an. Er rechnete sie dem steuerpflichtigen Gewinn hinzu. Ebenso erhöhte er den steuerpflichtigen Umsatz für das Jahr 1957 um den erwähnten Betrag. Das Finanzamt schloss sich in den nach § 24 Abs. 5 AbgRG berichtigten Bescheiden über die Umsatzsteuer und einheitliche Gewinnfeststellung dem Standpunkt des Betriebsprüfers an.

Die Beschwerdeführer erhoben gegen den Bescheid Berufung. Die Einräumung der Zwangsservitut komme der Veräußerung der betreffenden Parzellen gleich. Das Eigentumsrecht werde nämlich so weitgehend eingeschränkt, dass von einem "Eigentum" nicht mehr die Rede sein könne. Deshalb sei bei der Festsetzung der Entschädigung und selbst im Betriebsprüfungsbericht von einer "Enteignung" die Rede. Eine Enteignung und eine Veräußerung laufe wirtschaftlich auf dasselbe hinaus. Der Unterschied bestehe nur darin, dass bei einer Enteignung der freie Wille zur Veräußerung fehle und dass die Festsetzung des Kaufpreises einseitig vorgenommen werde. Bei der Feststellung der Entschädigung sei die Bonität der betreffenden Grundstücksflächen ausschlaggebend gewesen. Überdies müsse in Betracht gezogen werden, dass auch bei der Festsetzung eines Kaufpreises immer die künftige Ertragsmöglichkeit ausschlaggebend sei. Aber selbst wenn man davon ausgehen sollte, dass eine Veräußerung nicht stattgefunden habe, müsse im vorliegenden Fall die eingetretene Minderung des Bodenwertes als entscheidend angesehen werden. Eine Entschädigung für Bodenwertminderung sei ebenso wie der Wert von Grund und Boden im Falle des Verkaufes gemäß § 4 Abs. 1 EStG außer Ansatz zu lassen.

Die Berufungskommission wies die Berufung ab. Die Beschwerdeführer seien trotz der Begründung von Servituten Eigentümer der Grundstücke geblieben, sie seien nur in der Nutzung mehr oder minder behindert, wodurch größere oder kleinere Ertragsausfälle entstünden. Der Ausfall sei bei den Hochspannungsleitungen über Felder und Wiesen sehr gering, hingegen bei Waldflächen größer, aber auch hier werde noch ein Ertrag erzielt werden können. Eine Minderung des Bodenwertes sei nicht eingetreten, weil sich dessen Bonität nicht geändert habe und die Ertragsfähigkeit die gleiche geblieben sei. Es sei nur das Recht, sie voll auszunützen, eingeschränkt worden. Dies könne zwar eine Minderung des im Falle eines Verkaufes erzielbaren Kaufpreises, der sich auch nach den künftigen Ertragsaussichten richte, zur Folge haben, die Beschwerdeführer seien aber für die geminderten Ertragsaussichten entschädigt worden. Sie hätten Mehraufwendungen, welche bei der Bewirtschaftung der Grundstücke infolge der Errichtung der Starkstromleitung entstehen sollten, nicht geltend gemacht. Es könnte deshalb auch von einer etwa zu bildenden Rückstellung für Wirtschaftserschwernisse nicht die Rede sein.

Gegen diesen Bescheid haben die Beschwerdeführer wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof erhoben. Sie führen hinsichtlich der Gewinnfeststellung ergänzend zu ihrem Vorbringen im Verwaltungsverfahren aus, die belangte Behörde habe sich mit dem Einwand, dass die "Bewertungsaufstellung" anlässlich der Berechnung der Entschädigung nur auf eine Entschädigung des Wertes von Grund und Boden nicht aber auf eine Entschädigung für entgehende künftige Einnahmen schließen lasse, nicht auseinander gesetzt. Hierin sei ein Verfahrensmangel gelegen. Die Feststellung, dass es sich um eine Entschädigung für künftige Ertragsminderungen handle, stehe auch mit dem Bescheid des Amtes der Kärntner Landesregierung in Widerspruch.

Der angefochtene Bescheid gehe geflissentlich den Gründen, die dort für die Bezahlung der Entschädigung angeführt sind, aus dem Wege. Auch hierin sei ein Verfahrensmangel gelegen, dessen Vermeidung zu einer anderen rechtlichen Beurteilung hätte führen können.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Die Beschwerdeführer ermitteln den Gewinn aus ihrer Land- und Forstwirtschaft durch Betriebsvermögensvergleich gemäß § 4 Abs. 1 EStG. Hiebei bleibt der zum Anlagevermögen gehörige Grund und Boden nach dem letzten Satz der genannten Gesetzesstelle außer Ansatz. Dasselbe gilt für den Fall der Veräußerung eines landwirtschaftlichen Betriebes gemäß § 14 Abs. 1 EStG. Die Beschwerdeführer wollen aus diesen gesetzlichen Bestimmungen ableiten, dass die von der Verbundgesellschaft geleistete Entschädigungssumme nicht der Einkommensteuer unterliege. Hiebei übersehen sie, dass sie trotz Einverleibung der Stromleitungsdienstbarkeiten grundbücherliche Eigentümer der betreffenden Grundparzellen geblieben sind. Sie können aber auch nicht mit Erfolg behaupten, dass die Einschränkung in der Ausübung des Eigentumsrechtes wirtschaftlich gesehen einem Eigentumsverlust gleichkomme, sind es doch nicht allein Waldparzellen, sondern auch Wiesen und zum Teil Gärten und Äcker, über die die Leitung führt. In den letzteren Fällen kann aber, wie der angefochtene Bescheid zutreffend hervorhebt, durch die Aufstellung der Leitungsmaste und durch die mit der Erhaltung verbundenen Arbeiten nur eine verhältnismäßig geringfügige Beeinträchtigung in der Bewirtschaftung eintreten. Übrigens sind auch die Waldparzellen durch die mit Bescheid des Amtes der Kärntner Landesregierung verfügte und in der Form von Leitungsdienstbarkeiten geregelte Nutzungsbeschränkung nicht völlig wertlos geworden, schließt doch der erwähnte Bescheid sogar die Errichtung von Baulichkeiten innerhalb des Schutzstreifens nicht schlechthin aus. Ferner ist im Zusammenhang mit der Waldwirtschaft eine - allerdings beschränkte -

Nutzungsmöglichkeit gegeben (z. B. für Baumschulen, Niederholz, als Abfuhrweg, Holzbearbeitungs- und Stapelplatz u. ä.). Mithin können die Beschwerdeführer mit dem Einwand, dass die zwangsweise Einverleibung der Stromleitungsservituten in ihrer wirtschaftlichen Auswirkung der Aufgabe des Eigentums an den betreffenden Grundparzellen gleichkomme, nicht durchdringen. Die Beschwerdeführer haben zwar im Verwaltungsverfahren darauf verwiesen, dass die Höhe der Entschädigung auf Grund des Ausmaßes und der Bonität der betreffenden Grundstücke berechnet worden sei. Sie haben aber, obwohl ihnen der Standpunkt der Finanzbehörde schon aus dem Betriebsprüfungsbericht und dem Gewinnfeststellungsbescheid bekannt war, weder die Aufstellung, auf die sie sich stützen, vorgelegt noch behauptet, welcher Teilbetrag auf die bloße Wertminderung der Grundstücke und welcher auf den künftigen Ertragsentgang entfalle. Vielmehr waren sie lediglich bestrebt, den Tatbestand einer Veräußerung darzutun, die aber nicht stattgefunden hat. In dem Bescheid der Kärntner Landesregierung ist jedoch von einer Entwertung des Grund und Bodens, von Wirtschaftserschwernissen und von Ertragsausfall die Rede. Wirtschaftserschwernisse haben die Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren nicht geltend gemacht. Übrigens wäre eine Entschädigung hiefür einkommensteuerpflichtig. Deshalb hatte die belangte Behörde nur zu erwägen, inwieweit der Wertminderung oder dem Ertragsausfall eine Bedeutung zukomme. Es kann nun nicht geleugnet werden, dass infolge der mit dem Bescheid der Kärntner Landesregierung begründeten Nutzungsbeschränkung - wenigstens hinsichtlich der Waldparzellen - eine erhebliche Wertminderung des Grund und Bodens eingetreten ist. Die belangte Behörde hatte daher gemäß § 204 AbgO 1931 von Amts wegen Erhebungen darüber durchzuführen, in welcher Höhe mit der Entschädigung ein Ertragsausfall abgegolten wird und inwieweit in der Entschädigung ein Ersatz für die Bodenwertminderung enthalten ist; denn nur die Entschädigung für entgehende künftige Einnahmen unterliegt gemäß § 24 Z. 1 a EStG der Einkommensteuer. Mithin musste der angefochtene Bescheid, soweit er die Gewinnfeststellung für das Jahr 1957 betrifft, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 lit. c Z. 2 und 3 VwGG 1952 aufgehoben werden.

Wien, am