VwGH vom 26.02.1969, 0115/68

VwGH vom 26.02.1969, 0115/68

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dkfm. Dr. Porias und die Hofräte Dr. Schimetschek, Dr. Kaupp, Hofstätter und Dr. Reichel als Richter, im Beisein des Schriftführers Ministerialoberkommissär Dr. Blaschek, über die Beschwerde des Dr. WR, Rechtsanwalt in W, X-gasse 12/4, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat) vom , Zl. 6- 1645/1/67, betreffend einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften für das Jahr 1964 zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 1.090,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Miteigentümer des Hauses W., G. 17. Mit Bescheid vom wurde das Verfahren betreffend die einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte aus dem genannten Hause für das Jahr 1964 wieder aufgenommen und an Stelle des bis dahin festgestellten Überschusses der Werbungskosten über die Einnahmen von S 12.918,-- ein Überschuss der Einnahmen von S 337.082,-- festgestellt. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Wiederaufnahme des Verfahrens sei geboten gewesen, weil neu hervorgekommen sei, dass im Jahre 1964 auf Grund eines Dienstbarkeitsbestellungsvertrages von der Gemeinde Wien S 350.000,-- bezahlt worden seien, was im bisherigen durch Feststellungsbescheid vom abgeschlossenen Verfahren nicht geltend gemacht worden sei. Bei dem für die Einräumung der Dienstbarkeit bezahlten Betrage handle es sich um ein Entgelt für eine Leistung, nämlich für die Dienstbarkeitseinräumung, die unter § 22 Z. 3 EStG fallen würde, jedoch auf Grund der in der zitierten Gesetzesstelle enthaltenen Subsidiaritätsklausel bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu erfassen sei. Gegen diesen Bescheid wurde Berufung erhoben. Es wurde geltend gemacht, im vorliegenden Falle sei der Stadt Wien von den Hauseigentümern eine Dienstbarkeit eingeräumt worden, und zwar des Inhaltes, die Liegenschaft als Zu- bzw. Abgang zur Passage und Anbringung einer Rolltreppe zu benützen. Für die daraus resultierende Wertminderung des Objektes sei die der Besteuerung unterzogene Gegenleistung erfolgt. Das Finanzamt habe aber übersehen, dass die Eigentümer ein dingliches Nutzungsrecht veräußert hätten, somit ein grundstücksgleiches im Grundbuch eingetragenes, die gesamte Liegenschaft der Veräußerer belastendes Recht. Es sei nichts vermietet oder verpachtet, sondern ein dingliches gegen jeden dritten Erwerber wirksames Nutzungsrecht, welches das Eigentumsrecht der Veräußerer beschränke, veräußert worden. Es liege daher eine Umschichtung des Privatvermögens vor, die keinerlei Besteuerung unterliege. Sollte trotzdem eine Besteuerung vorgenommen werden, so werde die Anwendung des § 34 Abs. 5 EStG beantragt. Wäre eine Vereinbarung mit den Hauseigentümern nicht zustandegekommen, so hätte die Stadt Wien ein Enteignungsverfahren eingeleitet. Es komme die Veräußerung also überdies einer Enteignung gleich. Im weiteren Verfahren legte der Beschwerdeführer über Aufforderung durch die belangte Behörde eine Abschrift des mit der Gemeinde Wien abgeschlossenen "Dienstbarkeitsbestellungsvertrages" vom vor. Bei der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungssenat brachte der Beschwerdeführer noch vor, die Einräumung der Servitut durch die Hauseigentümer an die Gemeinde Wien sei so zu beurteilen, wie wenn ein Teil des Hauses verkauft worden wäre. Bei der Servitut handle es sich um ein grundstücksgleiches Recht, das bücherlich verbrieft den jeweiligen Eigentümer binde. Dieses Recht komme einer Teilveräußerung des Grundstückes gleich und beeinträchtige den Wert desselben. Ein grundstücksgleiches Recht sei steuerlich einem Grundstück gleichzustellen. Ob eine Grunderwerbsteuer bei der Bestellung der Servitut vorgeschrieben worden sei, sei nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise belanglos. Die belangte Behörde gab der Berufung mit Bescheid vom in dem vor dem Verwaltungsgerichtshof noch angefochtenen Punkt keine Folge. Sie führte zur Begründung aus, die Einräumung einer Servitut sei als Leistung im Sinne des § 22 Z. 3 EStG anzusehen. Gemäß § 22 Z. 3 seien aber solche Einkünfte aus Leistungen nur insoweit sonstige Einkünfte als sie weder zu anderen Einkunftsarten noch zu den Einkünften im Sinne der Z. 1, 2 und 4 des § 22 gehörten. Da die gegenständliche Servitut an einer Liegenschaft eingeräumt worden sei, die als Einkunftsquelle für Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung diene, sei die erhaltene Ablösezahlung bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu erfassen. Die Begriffe Vermietung und Verpachtung seien anlässlich der Einkunftsfeststellung nicht nach zivilrechtlichen Gesichtspunkten, sondern nach den Bestimmungen des Einkommensteuerrechtes auszulegen. Es handle sich auch nicht um die Übertragung eines grundstücksgleichen Rechtes, denn aus der taxativen Aufzählung jener Rechte, die im abgabenrechtlichen Sinne Grundstücken gleichstehen, im § 2 Abs. 2 des Grunderwerbsteuergesetzes gehe eindeutig hervor, dass Servituten nicht darunter fielen. Auch eine Anwendung des § 34 Abs. 5 EStG könne nicht erfolgen. Die dieser Gesetzesstelle entsprechende Begünstigungsvorschrift sei nur im § 23 Abs. 3 lit. b EStG enthalten, welche Bestimmung jedoch hier nicht Anwendung finden könne. Was das Vorbringen bezüglich grundstücksgleicher Rechte betreffe, so sei zu bemerken, dass in den §§ 21 Abs. 1 Z. 1 und 23 Abs. 1 Z. l a EStG, von Rechten, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes über Grundstücke unterlägen (z.B. Erbbaurecht, Erbpachtrecht, Mineralgewinnungsrecht) die Rede sei. Das Einkommensteuergesetz kenne den Ausdruck grundstücksgleiches Recht nicht. Wenn auch im Vertrag zwischen der Gemeinde Wien und den Hauseigentümern das Wort Dienstbarkeit gebraucht werde, so erscheine es zweifelhaft, ob die gegenständliche Dienstbarkeit überhaupt den Bestimmungen des bürgerlichen Gesetzbuches (§§ 472 ff.) unterliege, wenn sie auch zweifellos grundbücherlich einverleibungsfähig sei. Der eine Vertragsteil sei nämlich eine öffentlich-rechtliche Körperschaft, die das gegenständliche Recht nicht im Interesse eines ihr gehörigen und angrenzenden Gebäudes (als herrschendes Gebäude), sondern unabhängig von einem bestimmten Gebäude für allgemein öffentlich-rechtliche Aufgaben erworben habe. Gleichgültig, ob die Servitut als grundstücksgleiches Recht zu beurteilen sei und den Bestimmungen des allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches unterläge oder nicht, könne die Einräumung dieser Dienstbarkeit nicht einer einkommensteuerfreien Teilveräußerung des Grundstückes gleichgestellt werden.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Mit dem "Dienstbarkeitsbestellungsvertrag" vom räumten der Beschwerdeführer und die übrigen Eigentümer des Hauses Wien, G. 17, für sich und ihre Rechtsnachfolger im Eigentum dieser Liegenschaft der Gemeinde Wien die "Dienstbarkeit" ein, genau bestimmte Teile des Kellers und des Erdgeschosses des genannten Hauses als Zu- und Abgang zu einer Passage M. zur Anbringung einer dem Fußgängerverkehr dienenden Rolltreppe und zum Einbau eines Kabelstranges zu benützen und verpflichteten sich, diese Nutzung, zu dulden. Als einmalige Gegenleistung bezahlte die Gemeinde Wien einen Betrag von S 700.000,--, wovon S 350.000,-- im Jahre 1964 ausbezahlt wurden.

Die belangte Behörde kam im angefochtener Bescheid zu der Ansicht, es lägen hier Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung vor, wobei die Anwendung des § 34 Abs. 5 EStG ausgeschlossen sei. Der Beschwerdeführer dagegen vertrat die Auffassung, der ganze Vorgang berühre das Gebiet der Einkommensbildung überhaupt nicht, sondern betreffe lediglich das Vermögen. Die Einräumung der Dienstbarkeit komme in ihren Auswirkungen einem Verkauf eines Gebäudeteiles gleich und das von der Gemeinde Wien bezahlte Entgelt sei demnach einkommensteuerfrei.

Weder die Beurteilung der Behörde noch die des Beschwerdeführers erfassen aber den wirklichen Inhalt der Vereinbarung und seine tatsächliche Gestaltung. Im Punkt II des Vertrages vom heißt es, die Gemeinde Wien bezahle als einmalige Gegenleistung für die Einräumung dieser Dienstbarkeit, für die Wertminderung am Gebäude und für die Gestattung der dauernden Benützung einen Betrag von S 700.000,--. Die Behörde sieht allein in der Einräumung der Dienstbarkeit eine Leistung im Sinne des § 22 Z 3 EStG mit einer im Jahre 1964 erbrachten Gegenleistung von S 350.000,--, die im weiteren als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nach § 21 Abs. 1 Z. 1 desselben Gesetzes angesehen werden.

Dieser Ansicht kann zunächst nur insoweit gefolgt werden, als unter Einräumung der Dienstbarkeit nicht nur der Vorgang der Einräumung selbst, sondern auch deren Inhalt, nämlich die vertraglich eingeräumte dauernde Benützung des gegenständlichen Grundstücksteiles, verstanden wird. Denn der Begriff der Vermietung und Verpachtung nach § 21 Abs. 1 Z. 1 EStG setzt auch nach steuerrechtlicher Beurteilung mindestens die entgeltliche Gewährung des Gebrauches und der Nutzung an einer unbeweglichen Sache voraus. Für eine einer Miete oder Pacht ähnliche Nutzung spricht im gegenständlichen Fall auch die ebenfalls im Punkt II von der Gemeinde Wien eingegangene Verpflichtung auf die Dauer der "Dienstbarkeit", den auf die genutzten Flächen entfallenden Anteil an Grundsteuer, an etwa in Zukunft eingeführten Steuern oder Abgaben vom Grundbesitz und an Betriebskosten zu bezahlen. Dies entspricht einer in Mietverträgen regelmäßig enthaltenen Vereinbarung.

Da aber die Nutzung von Seiten der Eigentümer des Grundstückes zeitlich unbeschränkt und unwiderruflich eingeräumt wurde, bringt dies eine dauernde, über die Wirkung eines gewöhnlichen Miet- oder Pachtvertrages hinausgehende Beeinträchtigung der Verfügungsmacht über das Grundstück und damit unzweifelhaft eine Minderung seines Wertes, also der Vermögenssubstanz, mit sich. Im Vertrag ist übrigens ausdrücklich davon die Rede, dass seitens der Gemeinde auch für die Wertminderung am Gebäude bezahlt werde. Diesen durch die Einräumung des dauernden Nutzungsrechtes eingetretenen Wertverlust des Grundstückes stellt der Beschwerdeführer, dem Verkauf des entsprechenden Gebäudeteiles gleich. Dieser Vergleichs ist deshalb nicht völlig unzutreffend, weil hier wirtschaftlich gesehen ebenso wie bei einem Verkauf die endgültige Aufgabe eines bestimmten Vermögenswertes gegen Entgelt vorliegt, wobei allerdings dieses Entgelt, wie oben schon dargetan, entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers nicht nur für die Vermögenseinbuße bezahlt wurde, was als Vermögensumschichtung einkommensteuerliche Auswirkungen nicht hätte hervorrufen können.

Es zeigt sich aus den angeführten Gründen, dass die von der belangten Behörde vorgenommene Feststellung des Gesamtentgeltes als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nicht richtig, andererseits aber auch die Ansicht des Beschwerdeführers, es läge nur eine das Vermögen betreffende Transaktion vor, unzutreffend war. Vielmehr hätte die Behörde untersuchen müssen, in welchem Maße die beiden in dem Vertragswerk enthaltenen Komponenten zur Auswirkung gelangten. Bei dieser Untersuchung wird zu beachten sein, dass eine etwa nur aus dem Verlust oder der Verringerung zukünftiger Mieteinnahmen für die infolge der Einräumung der Nutzung für die Gemeinde Wien von den früheren Mietern eingeräumten Mietobjekte errechnete Vermögensminderung als Ersatz entgehender Einnahmen gemäß § 24 Z. 1 lit. a EStG zu behandeln wäre, was für diese Einkünfte die Berechnung des Steuersatzes zwar nicht nach § 34 Abs. 5, aber nach § 34 Abs. 2 Z. 3 dieses Gesetzes nach sich zu ziehen hätte.

Da die Behörde die notwendigen Ermittlungen infolge einer unrichtigen Rechtsansicht unterlassen hat, war der Bescheid als inhaltlich rechtswidrig gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 aufzuheben.

Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 und Verordnung des Bundeskanzleramtes vom , BGBl. Nr. 4/1965.

Wien, am