VfGH vom 24.02.2020, WIV1/2020 ua

VfGH vom 24.02.2020, WIV1/2020 ua

Leitsatz

Aufhebung von Beschlüssen eines Landesverwaltungsgerichts betreffend die Zurückweisung der Beschwerden gegen die Streichungen aus dem Wählerverzeichnis einer Gemeinderatswahl auf Grund rechtzeitiger Einbringung der Beschwerden in einem Einlaufkasten; Zurückweisung der Anträge auf direkte Anfechtung der Gemeinderatswahl mangels Zulässigkeit

Spruch

I. Den Anfechtungen betreffend die Zurückweisung der Beschwerden bezüglich der Streichungen aus dem Wählerverzeichnis zur Gemeinderatswahl 2020 der Stadtgemeinde Litschau wird stattgegeben und die Beschlüsse des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich werden aufgehoben.

II. Die Anfechtungen betreffend die Aufhebung des Wahlverfahrens zur Gemeinderatswahl 2020 der Stadtgemeinde Litschau ab Beschlussfassung über die den gegenständlichen Anfechtungen zugrunde liegenden Berichtigungsanträge werden zurückgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt, Anfechtungen und Vorverfahren

1.Beim Verfassungsgerichtshof sind zu WIV1/2020 bis WIV75/2020, insgesamt 75 – von den auf den konkreten Fall bezogenen Daten abgesehen - inhaltlich idente, auf Art 141 Abs 1 liti iVm litj B-VG gestützte Anfechtungen gegen im Wesentlichen gleichartige Beschlüsse des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich anhängig, denen bis zum Einlangen beim Verfassungsgerichtshof folgender Verfahrensgang vorausgeht:

1.1.Mit Berichtigungsanträgen vom beantragte eine vom nunmehrigen Anfechtungswerber verschiedene Person gemäß § 23 NÖ Gemeinderatswahlordnung 1994 (NÖ GRWO 1994) die Streichung von namentlich näher bezeichneten Personen (im Folgenden: Betroffene) aus dem Wählerverzeichnis der Stadtgemeinde Litschau für die am stattfindende Gemeinderatswahl. Diese Anträge wurden zusammenfassend damit begründet, dass diese Personen jeweils keinen "ordentlichen Wohnsitz" gemäß § 17 Abs 1 NÖ GRWO 1994 in der Stadtgemeinde Litschau aufweisen würden und daher nicht wahlberechtigt seien.

1.2.Über diese Anträge entschied die Gemeindewahlbehörde mit Beschluss vom , dass diesen nicht stattzugeben und die Betroffenen nicht aus dem Wählerverzeichnis zu streichen seien. Diese Entscheidung der Gemeindewahlbehörde wurde am gemäß § 25 Abs 2 NÖ GRWO 1994 durch Anschlag an der Amtstafel kundgemacht sowie den Betroffenen und dem Einschreiter mitgeteilt.

1.3.Die gegen diese Entscheidung erhobenen Beschwerden des Anfechtungswerbers wies das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich gemäß § 26 Abs 1 iVm § 71 NÖ GRWO 1994 mit der Begründung, diese seien um einen Tag verspätet eingebracht worden, zurück. Das Ermittlungsverfahren habe ergeben, dass die Beschwerden erst am um 00:06, 00:08 und 00:11 Uhr per E-Mail, adressiert an die dienstliche E-Mail-Adresse des Stadtamtsdirektors der Stadtgemeinde Litschau, eingelangt sowie in einem einzigen Kuvert gegen 23:30 Uhr in den Postkasten der Stadtgemeinde eingeworfen worden seien.

1.4.Mit seinen auf Art 141 Abs 1 liti iVm litj B-VG gestützten Anfechtungen begehrt der Anfechtungswerber "der Verfassungsgerichtshof wolle dieser Anfechtung Folge geben, den angefochtenen Bescheid aufheben und dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich die neuerliche Entscheidung unter Abstandnahme vom angenommenen Zurückweisungsgrund auftragen, in eventu der Verfassungsgerichtshof wolle das Wahlverfahren zur Gemeinderatswahl 2020 der Stadtgemeinde Litschau ab Beschlussfassung über den der gegenständlichen Anfechtung zugrunde liegenden Berichtigungsantrag als nichtig aufheben".

Begründend führt er dabei auf das Wesentliche zusammengefasst aus, die Beschwerden gemeinsam in einem Kuvert bereits am gegen 23:55 Uhr in den Briefkasten der Stadtgemeinde Litschau eingeworfen zu haben. Als Beweis legt er neben seiner eigenen zwei weitere eidesstattliche Erklärungen (seiner Ehefrau sowie der laut seinen Angaben beim Einwurf anwesenden Person) sowie den Screenshot eines Handyfotos, das den Einwurf dokumentieren solle, bei.

Mit Schreiben vom übermittelte der Anfechtungswerber zudem noch Kopien der jeweiligen Sendeberichte vom Samstag, , 23:38 und 23:52 Uhr (samt den Fehlerprotokollen vom , 23:42 und 23:56 Uhr) bzw Sonntag, , 00:06, 00:08 sowie 00:11 Uhr, betreffend seiner versuchten bzw durchgeführten Beschwerdeeinbringungen per E-Mail sowie sein diesbezügliches Schreiben an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich vom , in dem er den Sachverhalt der Beschwerdeeinbringung schildert und zum mit einem Richter des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich geführten Telefonat Stellung nimmt. Auszugsweise wird in diesem Schreiben wie folgt ausgeführt:

"[…] Die Beschwerden wurden von mir rechtzeitig unter Zeugen und Fotodokumentation bei der Gemeinde eingebracht.

Da ich leider keine technische Möglichkeit der Übertragung habe, habe ich Hr. GR […] ersucht mit mir gemeinsam die Beschwerden zu übermitteln.

Auf der Homepage des Landes NÖ befand sich ein Leitfaden wo die E-Mail des Landesverwaltungsgerichtes (siehe Beilage) auf Seite 23 unten ersichtlich ist. Auf diese E-Mail haben wir laut beiliegenden Fehlerprotokoll versucht die Beschwerden einzureichen (Kopie des Fehlerprotokoll).

Da wir eine Fehlermeldung erhalten haben, habe ich mich entschlossen die Beschwerden auch schriftlich in den Postkasten der Gemeinde einzuwerfen. Dies geschah auch unter Zeugen (Hr. GR […]) und einer Fotodokumentation lt. Beilage.

Anschließend haben wir die Datei auf drei Teile Hr. Stadtamtsdirektor […] nochmals per Mail geschickt.

Da es sich bei dem Telefonat mit dem Richter um ein Gespräch am Weg zu meinem Zahnarzt nach Budweis CZ gehandelt hat und meine Frau dem Gespräch im Auto beiwohnte, habe ich immer betont das ich fristgerecht die Beschwerden am Samstag eingebracht habe (siehe Foto)."

2.Die Gemeindewahlbehörde der Stadtgemeinde Litschau, belangte Behörde der Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich, hat die Verwaltungsakten (samt den einschlägigen Kundmachungen der Gemeindewahlbehörde) vorgelegt und eine Stellungnahme erstattet. In dieser wird auszugsweise wie folgt ausgeführt:

"Gemäß § 71 Abs 1 der NÖ Gemeinderatswahlordnung 1994 heißt es:

'Der Beginn und Lauf einer in diesem Gesetz festgelegten Frist wird durch Sonn- und andere öffentliche Ruhetage nicht behindert. Das gleiche gilt für Samstage und den Karfreitag. Fällt das Ende einer Frist auf einen dieser Tage, müssen die mit dem Wahlverfahren befaßten Behörden dafür sorgen, daß ihnen befristete Handlungen auch an diesen Tagen zur Kenntnis gelangen.'

Hierzu wird festgehalten, dass auf der Homepage www.litschau.at die Öffnungszeiten des Gemeindeamtes veröffentlicht sind. Darüber hinaus ist im Impressum der Homepage eine Kundmachung gemäß § 13 AVG veröffentlicht, die Auskunft über die grundsätzlichen Einbringungsmöglichkeiten und deren Ausgestaltung gibt. In der Sitzung der Gemeindewahlbehörde vom wurde beschlossen, die Dienstzeiten der Wahlbehörde analog zur Dienstzeit am Gemeindeamt festzusetzen.

Es stehen also grundsätzlich die persönliche Abgabe von Schreiben, die Einbringung per Telefax, die Einbringung per E-Mail, die Übermittlung per Post und die Übermittlung eines Online-Formulars mit Datenupload zur Verfügung. Weiters ist im Eingangsbereich des Gemeindeamtes der Gemeindebriefkasten situiert, der rund um die Uhr zugänglich ist. Gegenüber dieses Gemeindebriefkastens sind die Parteienverkehrszeiten des Gemeindeamtes ausgewiesen.

Auf der Homepage ist auch vermerkt, dass Anbringen, die außerhalb der Amtsstunden per Fax, E-Mail oder über das Online-Formular-Service der Gemeinde übermittelt werden, erst mit dem Wiederbeginn der Amtsstunden als eingebracht und eingelangt gelten.

Betreffend der Anfrage, ob auf dem Gemeindebriefkasten ein etwaiger Hinweis auf eine Beschränkung der fristwahrenden Einbringung oder ähnliches angebracht war, kann wie folgt ausgeführt werden:

Der Gemeindebriefkasten ist mit der Bezeichnung 'Stadtgemeinde Litschau' und dem Stadtwappen beschriftet, ein etwaiger Hinweis auf eine Beschränkung der fristwahrenden Einbringung oder ähnliches befindet sich darauf nicht und war auch nicht in irgendeiner Weise im Zusammenhang mit den zu behandelnden Verfahren darauf angebracht.

Betreffend der Sachverhalte, die in den vorliegenden Anfechtungen von Hr. [...] ausgeführt werden, ist folgendes festzuhalten:

Es wird in den Anfechtungen ausgeführt, dass keine Zustellung der Entscheidungen der Gemeindewahlbehörde vom an den Anfechtungswerber erfolgt ist.

Gemäß § 25 der NÖ Gemeinderatswahlordnung 1994 sind die Entscheidungen der Gemeindewahlbehörde durch die Gemeinde sowohl dem Antragsteller als auch dem Betroffenen unverzüglich schriftlich mitzuteilen. Antragsteller auf Berichtigung war nicht Hr. […], sondern Hr. […]. Diesem wurden die Entscheidungen lt. Sendungsverfolgung am um 08:19 Uhr übergeben und somit dem Gesetz entsprochen. Die entsprechenden Nachweise hierfür wurden mit den Verwaltungsakten übermittelt.

Weiters wird angegeben, dass wegen der großen Datenmenge die Beschwerden per E-Mail nicht an den Stadtamtsdirektor übermittelt werden konnten. Die erwähnte diesbezügliche Fehlermeldung liegt der Gemeindewahlbehörde nicht vor, weshalb dieser Umstand nicht beurteilt werden kann. Die offizielle E-Mail-Adresse der Gemeinde und damit auch der Gemeindewahlbehörde lautet jedenfalls wie auf der Homepage ersichtlich gemeinde@Iitschau.at, die E-Mail-Adresse des Stadtamtsdirektors jedoch [...]@litschau.at.

Die im Sachverhalt angeführte Darstellung, dass von Seiten der Stadtgemeinde Litschau am bis 24:00 Uhr keine Möglichkeit geschaffen wurde, die Beschwerden entgegen zu nehmen, kann sich nach Ansicht der Gemeindewahlbehörde lediglich auf eine Öffnung des Gemeindeamtes und die damit verbundene Möglichkeit der persönlichen Abgabe von Anbringen an einen Mitarbeiter der Gemeinde oder an die Gemeindewahlbehörde beziehen. Die Möglichkeiten aller anderen bereits angeführten Einbringungsmöglichkeiten haben bestanden."

3.Die Stadtgemeinde Litschau, vertreten durch den Bürgermeister, nahm ebenfalls zu den beim Verfassungsgerichtshof anhängigen Verfahren Stellung.

3.1.Die Ausführungen zu den Fragen, wie die Stadtgemeinde den Verpflichtungen des § 71 Abs 1 Satz 2 der NÖ GRWO 1994 nachgekommen sei, und jener nach der Ausgestaltung bzw Situierung des Gemeindebriefkastens sind wortgleich mit jenen der Gemeindewahlbehörde der Stadtgemeinde Litschau. Darüber hinaus werden noch in Hinblick auf die Bestimmung des § 26 Abs 3 NÖ GRWO 1994, wonach Beschwerden – abgesehen von Familienangehörigen in einem gemeinsamen Haushalt – für jeden Fall gesondert überreicht werden müssen, Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit der erfolgten Übermittlung der Beschwerden in nur einem Kuvert geäußert.

3.2.Bezüglich der Ausführungen in der Anfechtungsschrift heißt es in der Stellungnahme der Stadtgemeinde Litschau wie folgt:

"Es wird in den Anfechtungen ausgeführt, dass keine Zustellung der Entscheidungen der Gemeindewahlbehörde vom an den Anfechtungswerber erfolgt ist.

Gemäß § 25 der NÖ Gemeinderatswahlordnung 1994 sind die Entscheidungen der Gemeindewahlbehörde durch die Gemeinde sowohl dem Antragsteller als auch dem Betroffenen unverzüglich schriftlich mitzuteilen. Antragsteller auf Berichtigung war nicht Hr. […], sondern Hr. […]. Diesem wurden die Entscheidungen lt. Sendungsverfolgung am um 08:19 Uhr übergeben und somit dem Gesetz entsprochen. Die entsprechenden Nachweise hierfür wurden mit den Verwaltungsakten bereits übermittelt.

Weiters wird angegeben, dass wegen der großen Datenmenge die Beschwerden per E-Mail nicht an den Stadtamtsdirektor übermittelt werden konnten. Die erwähnte diesbezügliche Fehlermeldung liegt der Stadtgemeinde Litschau nicht vor, weshalb dieser Umstand nicht beurteilt werden kann. Die offizielle E-Mail-Adresse der Gemeinde und damit auch der Gemeindewahlbehörde lautet jedenfalls wie auf der Homepage ersichtlich gemeinde@litschau.at, die E-Mail-Adresse des Stadtamtsdirektors jedoch [...]@litschau.at.

Hierzu sei zusätzlich festgehalten, dass die erwähnten Daten, die per E-Mail übermittelt werden sollten (bzw jene 3 Dateien, die schließlich nach Ende der Einbringungsfrist übermittelt wurden), eine Gesamtgröße von 26,5 MB aufweisen.

Gemäß § 74 der NÖ Gemeinderatswahlordnung 1994 heißt es:

'Soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist, können schriftliche Anbringen und alle Meldungen nach Maßgabe der zur Verfügung stehenden technischen Mittel der Behörde in jeder technisch möglichen Form übermittelt werden.'

Die […] GmbH, welche die EDV Betreuung des Gemeindeamtes […] schon mehrere Jahre über hat, wurde diesbezüglich ergänzend um die Beantwortung einiger Fragen gebeten:

- Welche maximale Größe einer E-Mail bzw Datenanhängen, die per E-Mail versendet werden, ist technisch derzeit gewährleistet? Sollte dies der Fall sein, bitten wir um unterschiedliche Angabe für die offizielle Gemeindeadresse gemeinde@litschau.at und [...]@litschau.at.

- Welche maximale Größe einer E-Mail bzw Datenanhängen, die per E-Mail versendet werden, war technisch am und gewährleistet? Sollte dies der Fall sein, bitten wir um unterschiedliche Angabe für die offizielle Gemeindeadresse gemeinde@litschau.at und [...]@litschau.at.

Antwort: Der E-Mail Server der Stadtgemeinde Litschau akzeptiert derzeit eine maximale Nachrichtengröße von 20480 KB. Diese Einstellungen gelten seit und wurden seitdem nicht verändert (gilt für beide E-Mail-Adressen: gemeinde@litschau.at und [...]@litschau.at.).

- Wir bitten darüber hinaus um Ihre Einschätzung, ob diese Einstellungen aus ihrer Sicht als EDV-Betreuer dem üblichen Standard entsprechen oder hier keine generelle Aussage getroffen werden kann?

Antwort: Die maximale E-Mailgröße würde ich persönlich als marktüblichen Standard bezeichnen.

Über Recherchen im Internet ist für Jedermann jederzeit möglich zu erfahren, dass selbst bei den größten Anbietern für private E-Mail-Konten E-Mail-Anhänge mit einer maximalen Größe von bis zu 25 MB versendet werden können bzw dürfen.

Die im Sachverhalt angeführte Darstellung, dass von Seiten der Stadtgemeinde Litschau am bis 24:00 Uhr keine Möglichkeit geschaffen wurde, die Beschwerden entgegen zu nehmen, kann sich nach Ansicht der Stadtgemeinde Litschau lediglich auf eine Öffnung des Gemeindeamtes und die damit verbundene Möglichkeit der persönlichen Abgabe von Anbringen an einen Mitarbeiter der Gemeinde bzw an die Gemeindewahlbehörde beziehen. Die Möglichkeiten aller anderen bereits angeführten Einbringungsmöglichkeiten haben ohne technische Einschränkungen bestanden und dies wird vom Anfechtungswerber auch nicht bestritten.

Zum in der Anfechtung beigefügten Lichtbild wird die Feststellung getroffen, dass es sich wohl um das eingegangene Kuvert mit den Beschwerden handelt (welches auch mit den Verwaltungsakten übermittelt wurde), das Kuvert aber am Lichtbild nicht eingeworfen ist, sondern nur in die Gemeindebriefkasten gehalten wird.

Weiters darf an dieser Stelle festgehalten werden, dass vor Übermittlung der Anfechtung samt Anschreiben durch den Verfassungsgerichtshof an die Stadtgemeinde Litschau das Lichtbild weder im Original noch in Kopie am Gemeindeamt vorgelegt und auch nicht dem Bürgermeister oder der Gemeindewahlbehörde zuvor zur Kenntnis gebracht wurde.

Im Sachverhalt der Anfechtung wird weiters angeführt, dass im Rahmen des Ermittlungsverfahrens am und das Gemeindeamt geöffnet war, um Personen die Möglichkeit zu geben, am Gemeindeamt vorzusprechen.

Hierzu wird zunächst festgehalten, dass das Gemeindeamt am Samstag, , von 10:00 - 12:00 Uhr und Sonntag, , von 08:00 Uhr - 09:00 Uhr geöffnet war, dies wurde auch allen von Berichtigungsanträgen betroffenen Personen mitgeteilt.

Wie vom Anfechtungswerber selbst vermutet und im Schreiben an den Verfassungsgerichtshof festgestellt, wurde dies so gehandhabt, um den betroffenen Personen eines Berichtigungsantrages bzw gestrichenen Personen die Möglichkeit einer Vorsprache am Gemeindeamt zu gewähren.

Dies ist gesetzlich nämlich ausdrücklich so geregelt. In § 24 der NÖ Gemeinderatswahlordnung 1994 heißt es:

'Die Gemeinde muß Personen, gegen deren Aufnahme im Wählerverzeichnis ein Berichtigungsantrag eingebracht wurde, davon mit Bekanntgabe der Gründe innerhalb von 24 Stunden nach Einlangen des Berichtigungsantrages verständigen. Die Verständigung muß die Mitteilung enthalten, daß sich die Personen binnen zwei Tagen schriftlich oder mündlich zum Berichtigungsantrag äußern können.'

Ohne Aufsperren des Gemeindeamtes und Organisation von Personal wäre diese Möglichkeit nicht gegeben. Somit wurde hier den gesetzlichen Bestimmungen entsprochen. Hinsichtlich der Beschwerden wird aber im Gesetzestext lediglich auf die schriftliche Einbringungsmöglichkeit verwiesen (§26 Abs 1 der NÖ Gemeinderatswahlordnung 1994), die außerdem bei der Gemeinde zu erfolgen hat:

'Gegen die Entscheidung der Gemeindewahlbehörde können sowohl der Antragsteller als auch der Betroffene binnen drei Tagen nach Zustellung schriftlich Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht erheben. Auf dieselbe Weise kann auch jeder Staatsbürger und jeder Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union binnen drei Tagen nach Beginn der Kundmachung schriftlich Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht erheben. In beiden Fällen muß die Beschwerde bei der Gemeinde eingebracht werden.'

Aus Sicht der Gemeindeverwaltung, auch im Hinblick auf künftige Verfahren in Zusammenhang mit der NÖ Gemeinderatswahlordnung 1994, und da dies auch eine Klarstellung mit Rechtssicherheit für alle anderen Gemeinden in NÖ bedeuten wurde, wird gebeten, seitens des Verfassungsgerichtshofes dahingehend eine ausdrückliche Feststellung im Rahmen einer entsprechenden Entscheidung in den 75 Fällen zu treffen, ob tatsächlich auch das Gemeindeamt aufsperren hätte müssen, wie dies vom Anfechtungswerber behauptet wird, und wenn ja, in welchem Umfang dies zu geschehen hätte.

Aus Sicht der Gemeindeverwaltung der Stadtgemeinde Litschau jedenfalls waren ausreichend Möglichkeiten der Einbringung einer schriftlichen Beschwerde gegeben und ist man der Ansicht, dem Gesetze entsprechend gehandelt zu haben."

4.Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat die Gerichtsakten vorgelegt, jedoch abgesehen von den Verfahren zu WIV1/2020, WIV6/2020, WIV12/2020, WIV13/2020, WIV15/2020, WIV22/2020, WIV26/2020, WIV30/2020, WIV31/2020, WIV33/2020, WIV48/2020, WIV49/2020, WIV53/2020, WIV64/2020, WIV70/2020 und WIV74/2020 von der Erstattung einer "Gegenschrift" Abstand genommen.

4.1.In den Äußerungen des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich zu WIV6/2020, WIV64/2020 und WIV70/2020, worauf jene zu WIV1/2020, WIV12/2020, WIV13/2020, WIV15/2020, WIV22/2020, WIV26/2020, WIV49/2020 und WIV74/2020 verweisen, wird Folgendes ausgeführt:

"1.2.1. Zum Telefonat vom :

Das Telefonat wurde von dem zur Führung der Beschwerdeverfahren zu Zlen LVwG-W-26/001-2019, LVwG-W-45/001-2019 und LVwG-W-47/001-2019 zuständigen Richter, HR Mag. […], gegen 14:00 Uhr in Gegenwart zweier Ohrenzeugen geführt, von denen sich der Richter […] unmittelbar im Zimmer und die Richterin […] im Nebenzimmer - bei geöffneter Türe - befanden. Während des Telefonates war der Lautsprecher eingeschaltet, sodass ein Mithören des gesamten Gespräches möglich war. Beide Ohrenzeugen können bestätigen, dass zum einen der empfang klar war und Verbindungsprobleme nicht vorgelegen sind bzw auf Derartiges vom Gesprächspartner nicht hingewiesen wurde. Auch können beide Richter bestätigen, dass - wie später auch im Aktenvermerk festgehalten - der Anfechtungswerber über ausdrückliche Nachfrage durch HR Mag. […] angegeben hat, dass er alle seine Beschwerden am Sonntag, dem gegen 23:30 Uhr - gemeinsam mit Herrn […] - beim Postkasten der Stadtgemeinde eingeworfen habe.

1.2.2. Zum Aktenvermerk vom :

Der von HR Mag. […] elektronisch erstellte Aktenvermerk weist folgenden Inhalt auf:

'LVwG-W-26/001-2019:

Im Rahmen eines heute um mit Herrn […], geführten gegen 14.00 Uhr Telefonates, bei dem Herr […] zugegen war, konnte in Erfahrung gebracht werden, dass der Beschwerdeführer alle seine Beschwerden am Sonntag, dem gegen 23:30 Uhr gemeinsam mit Herrn […] beim Postkasten der Stadtgemeinde eingeworfen hat. Über Nachfragen bestätigte er Datum und Uhrzeit des Einwurfes nochmals.

Mag. […]'

Dieser Aktenvermerk wurde anderen Richtern, die ebenfalls Beschwerden des Anfechtungswerbers zu behandeln hatten, zur Kenntnis gebracht. Dies auch deshalb, da sämtliche Beschwerden des Anfechtungswerbers sich in einem einzigen Kuvert befunden haben."

4.2.In den "Gegenschriften" des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich zu WIV31/2020, WIV48/2020 und WIV53/2020 wird Folgendes festgehalten:

"Der Beschwerdeführer schildert den Ablauf der Dinge aus seiner Sicht und führt ua aus, dass die Stadtgemeinde Litschau eine Möglichkeit zur Entgegennahme der Beschwerden nicht geschaffen habe, die genannte Stadtgemeinde hätte vorsorgen müssen, dass das Stadtamt am bis 24.00 Uhr tatsächlich geöffnet bleibt. Diese Behauptungen sind unzutreffend.

Nach § 71 Abs 1 dritter Satz NÖ GRWO müssen die Wahlbehörden für den Fall, dass das Ende einer Frist auf einen der im ersten oder zweiten Satz genannten Tage fällt, dafür sorgen, dass ihnen befristete Handlungen auch an diesen Tagen zur Kenntnis gelangen. Mit dem Bereithalten eines Postkastens wird dieser Verpflichtung aus hg. Sicht jedenfalls entsprochen.

Darüber hinaus hatte das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich jedenfalls auch die formalen Voraussetzungen der Beschwerde, insbesondere die Rechtzeitigkeit, zu prüfen. Zu diesem Zweck hat in einem von zahlreichen völlig gleichgelagerten Fällen (zumindest was die Frage der Rechtzeitigkeit betrifft) ein für das betreffende Verfahren zuständiger Richter des LVwG NÖ […] in Anwesenheit eines weiteren Richters des LVwG NÖ […] am telefonisch mit dem Beschwerdeführer Kontakt aufgenommen und sich nach dem Zeitpunkt des Einwurfes der Beschwerden in den Behördenpostkasten erkundigt. Über dieses Telefonat wurde von HR Mag. […] noch am ein Aktenvermerkt erstellt. Aus diesem ergibt sich, dass der Beschwerdeführer den Zeitpunkt des Einwurfes der Beschwerden mit gegen 23.30 Uhr angegeben hat. Begleitet sei der Beschwerdeführer von Herrn […] geworden.

Für den im nunmehr gegenständlichen Verfahren zuständigen Richter bestand und besteht nach wie vor nicht der geringste Zweifel an der Richtigkeit des Aktenvermerkes. Folglich wurde die Beschwerde wegen verspäteter Einbringung zurückgewiesen. Selbst für den Fall, dass der Beschwerdeführer die Beschwerden noch am und somit rechtzeitig eingebracht hätte, wäre für ihn nichts gewonnen. Das Verwaltungsgericht hat seine Entscheidungen auf einen aus einem Ermittlungsverfahren hervorgehenden Sachverhalt zu stützen, für das Ermittlungsverfahren samt Entscheidung standen nur wenige Tage zur Verfügung. Ein derartiger Ermittlungsschritt bestand in der telefonischen Befragung des Beschwerdeführers selbst zum Einbringungszeitpunkt. Wenn nun der Beschwerdeführer selbst diesen Einbringungszeitpunkt mit angibt (unabhängig ob diese Angabe zutrifft oder vielleicht irrtümlich getroffen wurde), so darf sich das Verwaltungsgericht jedenfalls darauf stützen."

4.3.In den Schreiben des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich zu WIV30/2020 sowie WIV33/2020 wird "auf die vom Beschwerdeführer am Abend des eingebrachte Sachverhaltsdarstellung, aus der hervorgeht, dass […] [der beim Einwurf anwesende Zeuge] zum behaupteten Zeitpunkt seines Beiseins beim Einwurf in den Behördeneinlaufkasten E-Mails verschickt hat" hingewiesen.

5.Einige Betroffene (konkret der Verfahren zu WIV18/2020, WIV21/2020, WIV25/2020, WIV30/2020, WIV33/2020, WIV34/2020, WIV43/2020 und WIV67/2020) haben ebenfalls Stellungnahmen bzw Äußerungen abgegeben bzw wurden diese bei der vor dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich belangten Behörde eingebracht und von dieser an den Verfassungsgerichtshof weitergeleitet. Inhaltlich äußerten sich die Betroffenen dabei überwiegend näher zum Zutreffen des Vorliegens eines "ordentlichen Wohnsitzes" im konkreten Fall.

5.1.Überdies führte der im Verfahren zu WIV34/2020 Betroffene zusammengefasst aus, dass das vom Anfechtungswerber vorgelegte Foto, welches auf Grund des Zeitstempels die Zeit und das Datum des Einwurfs in den Einlaufkasten der Stadtgemeinde belegen solle, wenig glaubwürdig sei. Die Echtheit des Fotos werde bezweifelt, da es "äußerst suspekt" sei, dass der Einwurf genau 5 Minuten vor Fristende erfolgt sei. Als "Fotograf und Smartphone-Fotografie Workshop Leiter" sei er technisch sehr in diese Materie involviert und äußert sich – mit einer Fotodokumentation unterstützt – in weiterer Folge auszugsweise wie folgt:

"Da es sich bei Smartphones Fotos um jpg Dateien handelt, lassen sich die Metadaten, die alle möglichen Informationen enthalten, ändern.

Somit lässt sich nicht nachvollziehen, welche Metadaten die Originaldaten waren.

Im Falle unseres Beispiels, angelehnt an das Beispiel eines Huawei Smartphones aus dem Akt, folgender Screenshot. […]

Exif Daten lassen sich also leicht ändern. An jedem Smartphone oder Windows PC. So wurde unser Foto [gemeint: das vom Betroffenen den Ausführungen beigefügte erste Foto] plötzlich um 08:02 aufgenommen. In wenigen Sekunden mit dem App 'PHOTO EXIF Editor' geändert. […]

Genauso könnte unser Foto auch zurückdatiert werden und auch am um 23:55 aufgenommen worden sein. […]

Durch meine Kenntnisse mit Photoshop schließe ich auch das Austauschen des Textes nicht aus. Da es sich bei der Datums- & Zeitanzeige einfach um ein schwarzes Feld handelt, lässt es sich durch die Zeile eines anderen Fotos leicht austauschen oder einfach der Schriftzug abändern.

Vermutlich lässt sich die Schriftart von Huawei mit wenigen Minuten googeln auch bestimmen. Somit stünde einem Austausch der vollständigen Schrift nichts im Wege.

Fazit: Durch die digitalen Möglichkeiten der heutigen Zeit ist für mich ein Zeitstempel eines Fotos kein Beweismittel mehr und so halte ich das Foto möglicherweise für eine Fälschung."

5.2.Die Betroffene im Verfahren zu WIV43/2020 brachte in ihrer, entsprechend ihren Angaben auch für die Verfahren zu WIV63/2020 und WIV5/2020 sinngemäß geltenden, Stellungnahme zusammengefasst Bedenken gegen die Regelungen betreffend die Aufnahme in das bzw Streichung aus dem Wählerverzeichnis gemäß der NÖ GRWO 1994 generell (insbesondere gegen die Fristenregelungen, das Abstellen auf den "ordentlichen Wohnsitz", die den Betroffenen auferlegte Beweislast und deren mangelhafte Möglichkeit auf Gehör, etc.) sowie dem Vorgehen der ursprünglich einschreitenden Person und des nunmehrigen Anfechtungswerbers im konkreten Verfahren im Besonderen vor. Überdies stellt sie die Rechtzeitigkeit der Abgabe der Beschwerde und die Richtigkeit der diesbezüglich vom Anfechtungswerber getätigten Angaben auf Grund näher dargelegter Überlegungen in Frage; insbesondere sei die Aussagekraft/Echtheit des vom Anfechtungswerber vorgelegten "Beweisfotos" fraglich und dem Anfechtungswerber eine fristgerechte Eingabe per E-Mail möglich gewesen.

6.Aus den vorgelegten Akten sowie den übrigen im Rahmen des durchgeführten Vorverfahrens eingegangenen Stellungnahmen, Äußerungen und sonstigen Eingaben geht für den Verfassungsgerichtshof folgender maßgeblicher Sachverhalt hervor:

6.1.Aus den Stellungnahmen der Stadtgemeinde Litschau und der Gemeindewahlbehörde der Stadtgemeinde Litschau ergibt sich, dass im Eingangsbereich des Gemeindeamtes der Stadtgemeinde Litschau ein Gemeindebriefkasten situiert ist. Dieser ist rund um die Uhr zugänglich und mit der Bezeichnung "Stadtgemeinde Litschau" sowie dem Stadtwappen versehen. Ein etwaiger Hinweis auf eine Beschränkung der fristwahrenden Einbringung etc. befindet sich darauf nicht und war auch nicht in irgendeiner Weise im Zusammenhang mit den im Vorfeld der Gemeinderatswahl durchgeführten Berichtigungs- und Beschwerdeverfahren angebracht (auch auf der Homepage der Stadtgemeinde <www.litschau.at> war keine etwaige Einschränkung der Einbringungsmöglichkeit per Einwurf in den Gemeindebriefkasten veröffentlicht bzw kundgemacht).

6.2.Ebenfalls widerspruchsfrei geht aus den vorgelegten Akten hervor, dass die Entscheidungen der Gemeindewahlbehörde der Stadtgemeinde Litschau vom betreffend die von einer vom Anfechtungswerber verschiedenen Person eingebrachten Berichtigungsanträge an der Amtstafel der Stadtgemeinde Litschau am Mittwoch, , angeschlagen und dem Anfechtungswerber nicht gesondert zugestellt wurden.

6.3.Ferner ist – ungeachtet der rechtlichen Frage, ob dadurch eine rechtswirksame Einbringung bewirkt werden hätte können – der Umstand unstrittig, dass die vom Anfechtungswerber per E-Mail eingebrachten Beschwerden erst am 1. Dezember um 00:06, 00:08 bzw 00:11 Uhr bei der dienstlichen E-Mail-Adresse des Stadtamtsdirektors der Stadtgemeinde Litschau eingelangt sind.

6.4.Dass die Beschwerdeschriftsätze darüber hinaus auch gemeinsam in einem einzigen Kuvert in den Gemeindepostkasten der Stadtgemeinde Litschau eingeworfen wurden und dieser am Montag, , gegen 07:40 Uhr entleert wurde, geht ebenfalls widerspruchsfrei aus dem dem Verfassungsgerichtshof vorliegenden Akteninhalt hervor. Während der Anfechtungswerber jedoch angibt, dass der Einwurf am gegen 23:55 Uhr erfolgt sei, geht das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich in den angefochtenen Entscheidungen von einem Einwurfzeitpunkt am gegen 23:30 Uhr aus.

Der Anfechtungswerber bringt dazu insoweit nachvollziehbar vor, dass er am nach einer für ihn durch die erhaltenen und dem Verfassungsgerichtshof vorgelegten Fehlerprotokolle erkenntlich erfolglosen Einbringung per E-Mail gemeinsam mit einer weiteren Person, welche ihm bereits zuvor bei der Übermittlung der E-Mails geholfen habe, die Beschwerden schriftlich um etwa 23:55 Uhr in den Gemeindepostkasten eingeworfen habe. Den Einwurf belegt er einerseits durch ein Foto (konkret: Handyscreenshot eines Fotos), das neben Datum und Uhrzeit der Aufnahme den Postkasten der Stadtgemeinde Litschau und ein halb in den Einwurfschlitz gestecktes braunes Kuvert adressiert "An die Gemeinde 3874 Litschau, Betreff: Beschwerde nach § 26 GRWO" zeigt. Das auf dem Foto ersichtliche Kuvert ist von gleicher Farbe und exakt gleich handschriftlich beschriftet, wie jenes, das von der Gemeinde am Montag, , aus dem Gemeindebriefkasten entnommen wurde. Der Verfassungsgerichtshof verkennt nicht – worauf auch in einigen Stellungnahmen und Äußerungen hingewiesen wurde –, dass Fotos (insbesondere auch deren Meta-Daten) – wie im Übrigen etwa auch E-Mails (und entsprechende Fehlermeldungen) – manipuliert bzw gefälscht werden können. Jedoch ist umgekehrt nicht ohne Vorliegen weiterer Anhaltspunkte automatisch von Fälschungen auszugehen bzw derartigen Beweisen von Vornherein jeglicher Beweiswert abzusprechen. Weiters legt der Anfechtungswerber eine von ihm und der laut seinen Angaben beim Einwurf anwesenden Person unterfertigte "Eidesstättige Erklärung" vor, in der ein Einwurf am gegen 23:55 Uhr und die Dokumentation des Einwurfs mit besagtem Handyfoto erklärt wird. In einer Gesamtschau erscheint der vom Anfechtungswerber dargelegte Vorgang daher durchaus nachvollziehbar und es sind keine Widersprüche augenscheinlich. Wenn in zwei Stellungnahmen des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich darauf hingewiesen wird, dass aus dem Schreiben des Anfechtungswerbers vom hervorgehen würde, dass die angeblich beim Einwurf anwesende weitere Person zum behaupteten Zeitpunkt ihres Beiseins beim Einwurf in den Behördeneinlaufkasten E-Mails verschickt habe, so kann dies nicht nachvollzogen werden. Vielmehr wird in diesem vom Landesverwaltungsgericht Niederösterreich zitierten Schreiben vom Anfechtungswerber dargelegt, dass er mit dieser Person gemeinsam eine Versendung per E-Mail versucht und sodann nach erhaltener Fehlermeldung sich zum Einwurf in den Postkasten entschlossen hätte. Der diesbezüglich geschilderte Verfahrensablauf (Fehlermeldung bei E-Mail-Versand) erscheint auch in Hinblick auf die Stellungnahme der Stadtgemeinde Litschau, in der ausführlich die auf eine gewisse Datenmenge begrenzte Einbringungsmöglichkeit per E-Mail dargelegt wird, plausibel. Dass zwischen der letzten Fehlermeldung (23:52 Uhr) und dem vermeintlichen Einwurfzeitpunkt (gegen 23:55 Uhr) nur wenige Minuten vergangen sind, ist bei einer kurzen Wegstrecke zwischen dem Ort der E-Mail-Versendung und dem Gemeindepostkasten – vorausgesetzt, dass das Kuvert mit den Beschwerdeschriftsätzen bereits vorbereitet war – nicht denkunmöglich.

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat in sämtlichen Beschlüssen die Feststellung eines erst am um circa 23:30 Uhr erfolgten Einwurfs ausschließlich auf einen Aktenvermerk über ein von einem in drei der nunmehr beim Verfassungsgerichtshof anhängigen Verfahren zuständigen Richter geführtes Telefonat mit dem Anfechtungswerber gestützt. Ein rein aus einem – in den meisten Fällen durch einen nicht für das konkrete Verfahren zuständigen Richter geführten – fernmündlichen Gespräch bestehendes Ermittlungsverfahren zur Frage der Rechtzeitigkeit einer Beschwerde kann selbst in Hinblick auf die in § 26 Abs 4 NÖ GRWO 1994 vorgesehene kurze Entscheidungsfrist und darauf, dass keine mündliche Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht durchzuführen ist, angesichts der Tatsache, dass eine derartige Annahme mit weiteren vom Landesverwaltungsgericht Niederösterreich getroffenen Feststellungen nicht vollständig in Einklang zu bringen ist, nicht als hinreichend angesehen werden. So erscheint es etwa nicht logisch nachvollziehbar, warum der Anfechtungswerber – wie vom Landesverwaltungsgericht Niederösterreich festgestellt – am erneut bis beinahe Mitternacht (etwa 23:30 Uhr) mit dem Einwurf der Beschwerden in den Gemeindepostkasten zuwarten hätte sollen, wenn – und dies ist unbestritten – die Beschwerden per E-Mail (nach der laut Angaben des Anfechtungswerbers kurz vor Mitternacht erfolglosen Übermittlung) am zwischen 00:06 und 00:11 Uhr eingebracht wurden. Ein nicht am um etwa 23:55 Uhr erfolgter Einwurf der Beschwerden in einem Kuvert in den Gemeindebriefkasten erscheint durch den das Telefonat protokollierenden Aktenvermerk vielmehr nicht zweifelsfrei als erwiesen.

In Anbetracht dessen geht der Verfassungsgerichtshof von der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Anfechtungswerbers aus.

II.Rechtslage

1.Die maßgeblichen Bestimmungen des Verfassungsgesetzes – NÖ Gemeinderatswahlordnung 1994 (NÖ GRWO 1994), LGBl 0350-0 idF LGBl 72/2019, lauten wie folgt:

"4. Abschnitt
Berichtigungs- und Beschwerdeverfahren

§23
Berichtigungsanträge

(1) Innerhalb von zehn Tagen ab Beginn der Auflagefrist kann jeder Staatsbürger und jeder Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union unter Angabe seines Namens und seiner Wohnadresse gegen das Wählerverzeichnis schriftlich oder mündlich einen Berichtigungsantrag einbringen (Antragsteller). Am letzten Tag der Berichtigungsfrist müssen Berichtigungsanträge spätestens bis 16.00 Uhr im Gemeindeamt vorgebracht werden oder einlangen. Es kann die Aufnahme oder Streichung einer Person verlangt werden.

(2) Schriftliche Berichtigungsanträge müssen für jeden Berichtigungsfall gesondert überreicht werden. Nur für Familienangehörige in einem gemeinsamen Haushalt kann gemeinsam ein Berichtigungsantrag eingebracht werden. Wenn der Berichtigungsantrag die Aufnahme einer Person verlangt, müssen ihm die zur Begründung des Berichtigungsantrages notwendigen Belege, dazu gehört jedenfalls ein ausgefülltes Wähleranlageblatt, angeschlossen werden. Wenn die Streichung einer Person verlangt wird, muß dies begründet werden.

(3) Wenn ein Berichtigungsantrag von mehreren Personen unterschrieben worden ist, so gilt, wenn kein Zustellungsbevollmächtigter genannt ist, die Person als zustellungsbevollmächtigt, die an erster Stelle unterschrieben hat.

§24
Verständigung vom Berichtigungsantrag

Die Gemeinde muß Personen, gegen deren Aufnahme im Wählerverzeichnis ein Berichtigungsantrag eingebracht wurde, davon mit Bekanntgabe der Gründe innerhalb von 24 Stunden nach Einlangen des Berichtigungsantrages verständigen. Die Verständigung muß die Mitteilung enthalten, daß sich die Personen binnen zwei Tagen schriftlich oder mündlich zum Berichtigungsantrag äußern können.

§25
Entscheidung der Gemeindewahlbehörde

(1) Über den Berichtigungsantrag muß binnen einer Woche nach seinem Einlangen, jedoch nach Ablauf der dem Betroffenen zur Äußerung eingeräumten Frist, durch die Gemeindewahlbehörde entschieden werden. § 7 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991, BGBl.Nr 51/1991 i.d.F. BGBl I Nr 58/2018, wird angewendet.

(2) Die Gemeinde muß die Entscheidung sowohl dem Antragsteller als auch dem Betroffenen unverzüglich schriftlich mitteilen. Außerdem muß die Entscheidung durch Anschlag an der Amtstafel kundgemacht werden, wobei Name, Geburtsjahr und Anschrift des Betroffenen bekanntgegeben werden müssen.

(3) Erfordert die Entscheidung eine Richtigstellung des Wählerverzeichnisses, muß die Gemeinde nach ungenutztem Ablauf der Beschwerdefrist die Richtigstellung durchführen. Dabei müssen die Entscheidungsdaten angeführt werden. Bei Aufnahme einer Person muß ihr Name am Schluß des Wählerverzeichnisses mit der dort fortlaufenden Zahl angeführt werden. An der Stelle des Wählerverzeichnisses, wo die Person ursprünglich einzutragen gewesen wäre, muß auf die fortlaufende Zahl der neuen Eintragung hingewiesen werden.

§26
Beschwerde

(1) Gegen die Entscheidung der Gemeindewahlbehörde können sowohl der Antragsteller als auch der Betroffene binnen drei Tagen nach Zustellung schriftlich Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht erheben. Auf dieselbe Weise kann auch jeder Staatsbürger und jeder Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union binnen drei Tagen nach Beginn der Kundmachung schriftlich Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht erheben. In beiden Fällen muß die Beschwerde bei der Gemeinde eingebracht werden.

(2) Die Gemeinde muß den Beschwerdegegner von der Beschwerde unverzüglich nach Einlangen verständigen. Die Verständigung muß die Mitteilung enthalten, daß der Beschwerdegegner in den Beschwerdeakt Einsicht nehmen kann und sich zu dieser binnen zwei Tagen schriftlich äußern kann.

(3) Beschwerden müssen für jeden Fall gesondert überreicht werden. Nur für Familienangehörige in einem gemeinsamen Haushalt kann gemeinsam Beschwerde erhoben werden. Wenn die Beschwerde die Aufnahme einer Person verlangt, müssen ihr die zur Begründung notwendigen Belege, dazu gehört jedenfalls ein ausgefülltes Wähleranlageblatt, angeschlossen werden. Wenn die Streichung einer Person verlangt wird, muß diese begründet werden. Beschwerden und allfällig erstattete Äußerungen müssen sofort an das Landesverwaltungsgericht weitergeleitet werden.

(4) Das Landesverwaltungsgericht muß über die Beschwerde bis spätestens 50 Tage nach dem Stichtag ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung und, sofern die Beschwerde nicht als unzulässig oder verspätet eingebracht zurückzuweisen ist, in der Sache selbst entscheiden.

(5) Die Entscheidung über die Beschwerde muß sowohl dem Beschwerdeführer als auch dem Betroffenen und der Gemeinde zugestellt werden. Erfordert die Entscheidung eine Richtigstellung des Wählerverzeichnisses, muß die Gemeinde die Richtigstellung durchführen. Dabei müssen die Entscheidungsdaten angeführt werden. Bei Aufnahme einer Person muß der Name am Schluß des Wählerverzeichnisses mit der dort fortlaufenden Zahl angeführt werden. An der Stelle des Wählerverzeichnisses, wo die Person ursprünglich einzutragen gewesen wäre, muß auf die fortlaufende Zahl der neuen Eintragung hingewiesen werden.

[…]

12. Abschnitt
Allgemeine Bestimmungen

§71
Fristen

(1) Der Beginn und Lauf einer in diesem Gesetz festgelegten Frist wird durch Sonn- und andere öffentliche Ruhetage nicht behindert. Das gleiche gilt für Samstage und den Karfreitag. Fällt das Ende einer Frist auf einen dieser Tage, müssen die mit dem Wahlverfahren befaßten Behörden dafür sorgen, daß ihnen befristete Handlungen auch an diesen Tagen zur Kenntnis gelangen.

(2) Die Tage des Postlaufes werden in die Fristen eingerechnet. Im übrigen gelten für die Berechnung der Fristen die Bestimmungen des § 32 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl 51/1991 i.d.F. BGBl I Nr 20/2009, sinngemäß.

[…]

§74
Schriftliche Anbringen und Meldungen

Soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist, können schriftliche Anbringen und alle Meldungen nach Maßgabe der zur Verfügung stehenden technischen Mittel der Behörde in jeder technisch möglichen Form übermittelt werden.

[…]

§76
Eigener Wirkungsbereich der Gemeinde

Die in diesem Gesetz geregelten Aufgaben der Gemeinde sind, unbeschadet der Zuständigkeit überörtlicher Wahlbehörden, solche des eigenen Wirkungsbereiches."

2.§32 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 – AVG, BGBl 51/1991, bestimmt wie folgt:

"5. Abschnitt: Fristen

§32. (1) Bei der Berechnung von Fristen, die nach Tagen bestimmt sind, wird der Tag nicht mitgerechnet, in den der Zeitpunkt oder das Ereignis fällt, wonach sich der Anfang der Frist richten soll.

(2) Nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen enden mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, der durch seine Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat. Fehlt dieser Tag im letzten Monat, so endet die Frist mit Ablauf des letzten Tages dieses Monats."

III.Erwägungen

Der Verfassungsgerichtshof hat in den in sinngemäßer Anwendung der § 187 und 404 ZPO iVm § 35 Abs 1 VfGG zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Verfahren erwogen:

1.Zur Zulässigkeit

1.1.Gemäß – dem durch die Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 neu geschaffenen – Art 141 Abs 1 liti B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Aufnahme von Personen in Wählerevidenzen und die Streichung von Personen aus Wählerevidenzen, gemäß litj dieser Bestimmung zudem über die Anfechtung von selbständig anfechtbaren Bescheiden und Entscheidungen der Verwaltungsbehörden sowie – sofern bundes- oder landesgesetzlich vorgesehen – der Verwaltungsgerichte ua in diesen Fällen. Vom zitierten Begriff der "Wählerevidenzen" sind auch die in das jeweilige Wahlverfahren eingebetteten Wählerverzeichnisse (Wählerlisten) umfasst (vgl VfSlg 20.104/2016, 19.944/2015). Verwaltungsgerichtliche Entscheidungen, die (gemäß Art 130 Abs 5 iVm Art 141 Abs 1 litj B-VG) in den Fällen der lita bis c und g bis i des Art 141 Abs 1 B-VG ergehen, sind keiner Beschwerde auf Grund des Art 144 B-VG, sondern allein der Anfechtung auf Grund des Art 141 B-VG zugänglich (vgl wiederum VfSlg 20.104/2016, 19.944/2015 sowie ; , E157/2015).

1.2.Gemäß § 67 Abs 4 VfGG sind auf "das Verfahren über die Aufnahme von Personen in Wählerevidenzen und die Streichung von Personen aus Wählerevidenzen […] die Bestimmungen dieses Abschnittes über Wahlanfechtungen, die auf die Rechtswidrigkeit eines Bescheides oder einer Entscheidung einer Verwaltungsbehörde oder eines Erkenntnisses oder Beschlusses eines Verwaltungsgerichtes gegründet werden, sinngemäß anzuwenden". Wie der Verfassungsgerichtshof bereits in seiner bisherigen Rechtsprechung hervorgehoben hat, ist die Anfechtungslegitimation – bei Fehlen entsprechender bundesgesetzlicher Regelungen – unmittelbar aus Art 141 B-VG selbst abzuleiten, da eine sinngemäße Anwendung von § 67 Abs 2 VfGG etwa auf Verfahren über die Aufnahme von Personen in Wählerevidenzen (Wählerverzeichnisse) und die Streichung von Personen aus Wählerevidenzen (Wählerverzeichnisse) nicht in Betracht kommt (vgl für viele insbesondere VfSlg 20.104/2016 mwN). Gemäß Art 141 Abs 1 Satz 2 B-VG kann eine Anfechtung gemäß liti bzw litj dieser Bestimmung auf die behauptete Rechtswidrigkeit des Verfahrens gegründet werden. Demnach ist für die Beurteilung der Frage, welchen Personen in Verfahren über die Aufnahme von Personen in Wählerevidenzen (Wählerverzeichnisse) und die Streichung von Personen aus Wählerevidenzen (Wählerverzeichnisse) Anfechtungslegitimation zukommt, auf die einfachgesetzliche Ausgestaltung des zugrunde liegenden Verfahrens – dh die entsprechende materiengesetzliche Regelung – Bedacht zu nehmen:

Gemäß § 18 Abs 1 und 2 NÖ GRWO 1994 sind die Wahlberechtigten einer Gemeinde in das Wählerverzeichnis einzutragen, das von den Gemeinden – vor jeder Gemeinderatswahl neu – anzulegen ist. Das Wählerverzeichnis muss drei Wochen nach dem Stichtag während fünf Werktagen zur öffentlichen Einsicht aufgelegt werden (§21 Abs 1 NÖ GRWO 1994). Nach Beginn der Auflegung dürfen Änderungen im Wählerverzeichnis – von Ausnahmen abgesehen – nur mehr auf Grund des Berichtigungs- und Beschwerdeverfahrens vorgenommen werden (§21 Abs 4 NÖ GRWO 1994). Für das Berichtigungs- und Beschwerdeverfahren sind die Bestimmungen der § 23 ff. NÖ GRWO 1994 maßgeblich. Gemäß § 23 Abs 1 NÖ GRWO 1994 kann jeder Staatsbürger und jeder Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union innerhalb von zehn Tagen ab Beginn der Auflagefrist gegen das Wählerverzeichnis schriftlich oder mündlich einen Berichtigungsantrag im Gemeindeamt einbringen. Der Antragsteller kann dabei die Aufnahme oder Streichung einer Person verlangen. Über einen Berichtigungsantrag hat die Gemeindewahlbehörde zu entscheiden (§25 Abs 1 NÖ GRWO 1994). Die Gemeinde muss die Entscheidung sowohl dem Antragsteller als auch dem Betroffenen unverzüglich schriftlich mitteilen und überdies die Entscheidung durch Anschlag an der Amtstafel kundmachen (§25 Abs 2 NÖ GRWO 1994). § 26 Abs 1 NÖ GRWO 1994 sieht vor, dass sowohl der Antragsteller und der Betroffene als auch "jeder Staatsbürger und jeder Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union" gegen die Entscheidung der Gemeindewahlbehörde Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht erheben können; für den ersten Fall ist eine Frist von drei Tagen nach Zustellung, für den zweiten Fall eine Frist von drei Tagen nach Beginn der Kundmachung vorgesehen. In beiden Fällen ist die Beschwerde bei der Gemeinde einzubringen. Das Landesverwaltungsgericht muss über die Beschwerde bis spätestens 50 Tage nach dem Stichtag ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entscheiden (§26 Abs 4 NÖ GRWO).

Obgleich der Anfechtungswerber zwar nicht selbst von der Entscheidung der Gemeindewahlbehörde bzw des Landesverwaltungsgerichtes betroffen ist, wird ihm durch die genannten Bestimmungen eine Beschwerdelegitimation im Berichtigungsverfahren der Wählerverzeichnisse – und somit Parteistellung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren – eingeräumt. Im Hinblick darauf, dass eine Anfechtung gemäß Art 141 Abs 1 Satz 2 B-VG auf die behauptete Rechtswidrigkeit des Verfahrens zu gründen ist und keine andere Beschränkung der Anfechtungslegitimation vorgesehen ist (vgl etwa Art 144 Abs 1 B-VG), ist die Anfechtungslegitimation des Anfechtungswerbers, der im vorausgegangenen verwaltungsgerichtlichen Verfahren beschwerdelegitimiert gewesen ist, gegeben (vgl idS VfSlg 20.104/2016).

1.3.Eine auf Art 141 B-VG gestützte Anfechtung ist rechtzeitig, wenn sie innerhalb der in § 67 Abs 4 iVm § 68 Abs 1 VfGG festgelegten (vierwöchigen) Anfechtungsfrist eingebracht wird (vgl ; VfSlg 19.944/2015). Die am 3. bzw eingebrachten Anfechtungen der Entscheidungen des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich, die dem Anfechtungswerber zwischen 8. und zugestellt wurden, erweisen sich somit als rechtzeitig.

1.4.Da keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, sind die Anfechtungen zulässig.

2.In der Sache

2.1.Eine Anfechtung gemäß Art 141 Abs 1 liti iVm litj B-VG kann auf die behauptete Rechtswidrigkeit des Verfahrens gegründet werden. Der Verfassungsgerichtshof hat einer Anfechtung stattzugeben, wenn die behauptete Rechtswidrigkeit des Verfahrens erwiesen wurde und auf das Verfahrensergebnis von Einfluss war.

2.2.Der Verfassungsgerichtshof hat nach seiner ständigen Rechtsprechung ein Wahlverfahren nur in den Grenzen der von der anfechtungswerbenden Partei in der Anfechtungsschrift behaupteten Rechtswidrigkeiten nachzuprüfen. Es ist ihm hingegen verwehrt, die Rechtmäßigkeit des Wahlverfahrens darüber hinaus von Amts wegen einer weiteren Überprüfung zu unterziehen (vgl VfSlg 15.645/1999 mwN, 17.589/2005, 19.245/2010, 20.104/2016; ; , WI5/2015; , WI12/2015 ua; , WI9/2015 ua).

2.3.Der Anfechtungswerber bringt zusammengefasst vor, die Beschwerden an das Landesverwaltungsgericht gemeinsam in einem Kuvert bereits am gegen 23:55 Uhr in den Briefkasten der Stadtgemeinde Litschau eingeworfen zu haben. Als Beweis legt er den Anfechtungserklärungen neben seiner eigenen weitere zwei eidesstattliche Erklärungen (seiner Ehefrau sowie der seinen Angaben zufolge beim Einwurf anwesenden Person) sowie den Screenshot eines Handyfotos, das den Einwurf dokumentieren solle, bei und später im Verfahren Kopien der Sendeberichte mit den Fehlerprotokollen betreffend die E-Mail-Eingaben sowie ein Schreiben an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich vom vor.

2.4.Zentrale Frage ist somit jene der Rechtzeitigkeit des Einlangens der Beschwerden, die in einem gemeinsamen Kuvert in den Postkasten der Stadtgemeinde Litschau durch den Anfechtungswerber eingeworfen wurden.

2.4.1.Vorweg ist darauf hinzuweisen, dass gemäß ArtI Abs 3 Z 4 EGVG die Verwaltungsverfahrensgesetze in Wahlangelegenheiten nicht anzuwenden sind (vgl VfSlg 19.733/2013 mwN). § 71 Abs 1 Satz 1 NÖ GRWO 1994 sieht hinsichtlich Beginn und Lauf von in der NÖ GRWO 1994 festgelegten Fristen vor, dass diese ua durch Samstage nicht behindert werden. Fällt das Fristende auf einen der genannten Tage, so haben die mit dem Wahlverfahren befassten Behörden dafür zu sorgen, "daß ihnen befristete Handlungen auch an diesen Tagen zur Kenntnis gelangen" (§71 Abs 1 Satz 2 NÖ GRWO 1994). Die Tage des Postlaufes werden in die Fristen eingerechnet (§71 Abs 2 Satz 1 NÖ GRWO 1994). Gemäß § 71 Abs 2 Satz 2 NÖ GRWO 1994 gelten für die Berechnung der Fristen die für behördliche Entscheidungsfristen maßgeblichen Bestimmungen des § 32 AVG, BGBl 51/1991 idF BGBl I 20/2009, sinngemäß.

2.4.2.Bezüglich der Frist zur Einbringung von Beschwerden gegen die in Entsprechung des § 25 Abs 2 NÖ GRWO 1994 an der Amtstafel angeschlagenen Entscheidungen der Gemeindewahlbehörde der Stadtgemeinde Litschau über die eingebrachten Berichtigungsanträge vom gemäß § 26 Abs 1 NÖ GRWO 1994 bedeutet dies daher Folgendes:

Fristauslösendes Ereignis ist – da dem Anfechtungswerber die Entscheidungen nicht zuzustellen waren und auch tatsächlich nicht zugestellt wurden – gemäß § 26 Abs 1 Satz 2 NÖ GRWO 1994 der Tag der Kundmachung der Entscheidungen der Wahlbehörde an der Amtstafel, im vorliegenden Fall somit jeweils Mittwoch, . Gemäß des auf Grund des Verweises in § 71 Abs 2 Satz 2 NÖ GRWO 1994 maßgeblichen § 32 Abs 1 AVG beginnen Fristen, die nach Tagen bestimmt sind, an dem Tag zu laufen, der dem Tag folgt, an dem das fristauslösende Ereignis eintritt und enden solche mit Ablauf des letzten Tages der Frist. Da Beschwerden gemäß § 26 Abs 1 Satz 3 NÖ GRWO 1994 binnen drei Tagen nach Beginn der Kundmachung einzubringen sind, war der letzte Tag der Frist Samstag, (24:00 Uhr). Aus der Regelung, wonach, wenn das Ende einer Frist etwa auf einen Samstag fällt, die mit dem Wahlverfahren befassten Behörden dafür zu sorgen haben, dass ihnen befristete Handlungen auch an diesen Tagen zur Kenntnis gelangen, geht hervor, dass nicht nur der Fristlauf, sondern auch das Ende der Frist durch die in § 71 Abs 1 Satz 1 NÖ GRWO 1994 genannten Tage nicht behindert wird. Eine Hemmung des Fristablaufes bei Fristende an einem Samstag wird durch § 71 Abs 1 Satz 2 NÖ GRWO 1994 (im Gegensatz zum hier nicht anwendbaren § 33 Abs 2 AVG) daher ausgeschlossen. Die Beschwerden mussten daher bis spätestens Samstag, , 24:00 Uhr, eingebracht werden, um rechtzeitig zu sein.

Gemäß § 26 Abs 1 letzter Satz NÖ GRWO 1994 ist die Beschwerde "bei der Gemeinde" einzubringen. Dies bedeutet, dass derartige Beschwerden beim – für alle Gemeindebehörden grundsätzlich als Hilfsorgan eingerichteten (Art117 Abs 7 Satz 1 B-VG) – Gemeindeamt, eingebracht werden müssen (§42 NÖ Gemeindeordnung 1973, vgl VfSlg 19.278/2010 mwN). Bringt eine Behörde einen Einlaufkasten an, so darf, sofern man von der auf die Erfahrungen des täglichen Lebens gestützten Auffassung über den Verkehr zwischen den Behörden und Parteien ausgeht, die Person, die eine Tätigkeit der Behörde in Anspruch nimmt, annehmen, dass eine Eingabe, bei deren Übersendung sie sich nicht der Post bedient, auch dann als bei der Behörde eingebracht gilt, wenn sie in den Einlaufkasten, dessen Zweck ja nur darin bestehen kann, die für die Behörde bestimmten Sendungen aufzunehmen, eingeworfen wird (vgl für die diesbezügliche ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa VwSlg 5833 A/1962 mwN; ). Anbringen gelten somit insbesondere auch in jenem Zeitpunkt als eingebracht, in dem sie in einen zum Zweck der Entgegennahme von Anbringen aufgestellten Einlaufkasten eingeworfen werden. Ein Einwurf von Anbringen in den Einlaufkasten der Stadtgemeinde ist somit eine Möglichkeit einer Einbringung "bei der Gemeinde".

2.4.3.Soweit die Gemeindewahlbehörde sowie die Stadtgemeinde Litschau im Zusammenhang mit der Einbringung von Anbringen auf die auch auf der Gemeindehomepage kundgemachten Amtsstunden verweisen, ist darauf hinzuweisen, dass selbst die die Einbringung von schriftlichen Anbringen einschränkende Bestimmung des § 13 Abs 5 AVG – welche im vorliegenden Fall jedoch mangels Anwendbarkeit des AVG in Wahlverfahren bzw mangels ausdrücklichen Verweises auf diese Bestimmung des AVG durch den zuständigen Gesetzgeber nicht maßgeblich ist – zulässt, dass Behörden auch außerhalb der kundgemachten Amtsstunden zur Entgegennahme schriftlicher Anbringen trotzdem bereit sind (vgl Hengstschläger/Leeb, AVG2, rdb.at, Stand , § 13 Rz 35). Diese (freiwillige) Bereitschaft zur Entgegennahme auch außerhalb der Amtsstunden kann etwa gerade durch das Aufstellen eines Einlaufkastens gezeigt werden. Diesfalls gelten jedenfalls auch nach den Amtsstunden in den Einlaufkasten eingeworfene Anbringen mit dem Zeitpunkt des Einwerfens als bei der Behörde eingelangt. Dies würde nur dann nicht gelten, wenn durch einen entsprechenden Hinweis (zB Zeitpunkt der Entleerung) am Einlaufkasten die mangelnde Bereitschaft zur Entgegennahme von Schriftstücken außerhalb der Amtsstunden angezeigt wurde.

Da im vorliegenden Fall im Eingangsbereich des Gemeindeamtes der Stadtgemeinde Litschau ein rund um die Uhr zugänglicher Gemeindebriefkasten situiert ist, der abgesehen vom Stadtwappen und dem Schriftzug "Stadtgemeinde Litschau" nicht anderweitig beschriftet ist bzw war und auf dem sich somit kein Hinweis auf eine mangelnde Bereitschaft zur Entgegennahme schriftlicher Einbringen außerhalb der Amtsstunden befindet (und im Übrigen auch nicht anderorts – wie etwa im Internet – eine derartige Einschränkung kundgemacht worden wäre), ist jedenfalls mit einer Bereitschaft zur Entgegennahme von in diesen Einlaufkasten eingeworfenen Schriftstücken bis einschließlich 24:00 Uhr des auszugehen. Durch Einwurf in den Briefschlitz des Einlaufkastens der Stadtgemeinde Litschau am um 23:55 Uhr gelangte das Kuvert mit den Beschwerden in den Verfügungsbereich der Gemeinde und war somit noch fristgerecht eingebracht bzw eingelangt. Die Beschwerden gelten gerade nicht erst im tatsächlichen Entleerungszeitpunkt des Gemeindebriefkastens (im konkreten Fall Montag, , etwa 07:40 Uhr) als eingebracht.

Daran vermag auch § 71 Abs 1 Satz 2 NÖ GRWO 1994, auf welchen sowohl die Gemeindewahlbehörde als auch die Stadtgemeinde Litschau in ihren Stellungnahmen hinweisen und welcher besagt, dass wenn das Fristende etwa auf einen Samstag fällt, die mit dem Wahlverfahren befassten Behörden dafür zu sorgen haben, "daß ihnen befristete Handlungen auch an diesen Tagen zur Kenntnis gelangen", nichts zu ändern. Diese Bestimmung stellt vielmehr im Hinblick auf die im Wahlverfahren vorgesehenen kurzen Fristen eine an die Behörden adressierte Ordnungsvorschrift zur Garantie eines entsprechend straffen Verfahrensablaufes dar (kein unnötiger Zeitverlust), hat aber keinen Einfluss auf die Rechtzeitigkeit der Anbringen.

2.4.4.Es ist auch – entgegen den Bedenken der Stadtgemeinde Litschau – unproblematisch, dass die Beschwerden in einem gemeinsamen Kuvert in den Einlaufkasten geworfen wurden. So besagt § 26 Abs 3 NÖ GRWO 1994 lediglich, dass Beschwerden grundsätzlich "für jeden Fall gesondert überreicht werden" müssen, womit eine Einbringung mehrerer Beschwerden mit nur einem Schriftsatz untersagt wird. Da im vorliegenden Fall sämtliche Beschwerdeschriftsätze lediglich in einem gemeinsamen Kuvert bei der zuständigen Stelle eingeworfen wurden, wurde folglich dem § 26 Abs 3 NÖ GRWO 1994 entsprochen.

2.4.5.Auf die Vorbringen zu weiteren bestehenden Einbringungsmöglichkeiten, insbesondere auf die aufgeworfenen Punkte, ob bzw dass noch weitere Einbringungsmöglichkeiten bestanden hätten bzw bestehen hätten müssen, die der Anfechtungswerber nutzen hätte können, dass dieser durch die zweifelsfrei erst am erfolgte Einbringung per E-Mail auch tatsächlich eine weitere Möglichkeit genutzt hat und dass zuvor offenbar auf Grund einer zu hohen Datenmenge eine Übermittlung per E-Mail fehlgeschlagen ist, ist angesichts des fristgerechten Einwurfs der Beschwerdeschriftsätze in den Einlaufkasten als eine zulässige Möglichkeit einer Einbringung der Beschwerden nicht weiter einzugehen.

2.5.Die Entscheidungen des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich, die Beschwerden wegen Verspätung zurückzuweisen, waren auf Grund der rechtzeitigen Einbringung der Beschwerden rechtswidrig und – da jeweils eine inhaltliche Entscheidung zu treffen gewesen wäre – auch auf das Verfahrensergebnis von Einfluss.

3.Zum Antrag auf Aufhebung des Wahlverfahrens zur Gemeinderatswahl 2020 der Stadtgemeinde Litschau

3.1.Die vom Anfechtungswerber "in eventu" gestellten Anträge, wonach "der Verfassungsgerichtshof […] das Wahlverfahren zur Gemeinderatswahl 2020 der Stadtgemeinde Litschau ab Beschlussfassung über den der gegenständlichen Anfechtung zugrunde liegenden Berichtigungsantrag als nichtig aufheben [wolle]", werden vom Verfassungsgerichtshof als selbständige Anträge auf Aufhebung der Gemeinderatswahl 2020 der Stadtgemeinde Litschau gewertet.

3.2.Gemäß § 67 Abs 2 Satz 2 VfGG sind ua zur Anfechtung von Wahlen zu den allgemeinen Vertretungskörpern nur solche Wählergruppen (Parteien) zur Anfechtung berechtigt, die bei einer durch die Wahlordnung vorgeschriebenen Wahlbehörde Wahlvorschläge für die angefochtene Wahl rechtzeitig vorgelegt haben, und zwar durch ihren zustellungsbevollmächtigten Vertreter (siehe auch § 56 NÖ GRWO 1994; vgl zur Abhängigkeit der Anfechtungsbefugnis vom Einschreiten eines zustellungsbevollmächtigten Vertreters für viele VfSlg 9650/1983, 13.427/1993, 19.847/2014; ua).

Die vorliegenden – nicht auf Art 141 Abs 1 lita B-VG gestützten – Anträge sind daher mangels Legitimation des Anfechtungswerbers, der den Schriftsatz zweifelsfrei als Privatperson und nicht als zustellungsbevollmächtigter Vertreter einer Wählergruppe einbrachte (vgl § 67 Abs 2 VfGG und § 56 NÖ GRWO 1994), bereits aus diesem Grund zurückzuweisen.

3.3.Gemäß § 68 Abs 1 VfGG muss eine Wahlanfechtung binnen vier Wochen nach Beendigung des Wahlverfahrens, wenn aber in dem betreffenden Wahlgesetz ein Instanzenzug vorgesehen ist, binnen vier Wochen nach Zustellung des in letzter Instanz ergangenen Bescheides eingebracht werden. Ein derartiger, die unmittelbare Anfechtung der Wahl des Gemeinderates der Stadtgemeinde Litschau beim Verfassungsgerichtshof ausschließender Instanzenzug wird durch die Bestimmung des § 57 NÖ GRWO 1994 vorgesehen. Demgemäß hat die Anfechtung einer Wahl – wegen behaupteter Unrichtigkeit der Ermittlung des Wahlergebnisses oder wegen angeblich gesetzwidriger Vorgänge im Wahlverfahren (vgl § 56 NÖ GRWO 1994) – mit schriftlicher Beschwerde an die Landes-Hauptwahlbehörde (vgl § 58 NÖ GRWO 1994) binnen zwei Wochen ab dem ersten Tag der Kundmachung des Wahlergebnisses zu erfolgen.

Eine direkte Anfechtung der verfahrensgegenständlichen Gemeinderatswahl vor dem Verfassungsgerichtshof ist daher nicht zulässig. Die darauf gerichteten, unmittelbar beim Verfassungsgerichtshof eingebrachten vorliegenden Anträge sind somit auch aus diesem Grund zurückzuweisen (vgl idS etwa VfSlg 19.328/2011, 20.139/2017).

IV.Ergebnis

1.Die Beschwerden wurden durch den noch vor Ablauf der Frist am , 24:00 Uhr, erfolgten Einwurf in den die Empfangsbereitschaft der Stadtgemeinde Litschau signalisierenden Gemeindepostkasten rechtzeitig eingebracht.

Den Anfechtungen war daher aus diesen Gründen stattzugeben und spruchgemäß zu entscheiden.

2.Die als selbständige Anträge auf Aufhebung des Wahlverfahrens zur Gemeinderatswahl 2020 der Stadtgemeinde Litschau zu wertenden Anfechtungen waren zurückzuweisen.

3.Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:VFGH:2020:WIV1.2020
Schlagworte:
VfGH / Wahlanfechtung, Wählerevidenz, Gemeinderat, Beschwerdefrist, VfGH / Zuständigkeit

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