VfGH vom 28.06.2013, WIII2/2013

VfGH vom 28.06.2013, WIII2/2013

19772

Leitsatz

Keine Stattgabe der Anfechtung des Ergebnisses der Volksbefragung vom betreffend die Einführung eines Berufsheeres und eines bezahlten freiwilligen Sozialjahres oder die Beibehaltung der allgemeinen Wehrpflicht und des Zivildienstes; keine Bedenken gegen die Regelungen des VolksbefragungsG 1989 über die Anfechtungsvoraussetzungen; Zulässigkeit einer Volksbefragung auch in einer Angelegenheit der Bundesverfassungsgesetzgebung; Zulässigkeit der Fragestellung; kein Einfluss der behaupteten Verfälschung des Befragungsergebnisses bzw Verletzung des Neutralitätsgebotes auf das Ergebnis der Volksbefragung

Spruch

Der Anfechtung wird nicht stattgegeben.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt, Anfechtungsvorbringen und Vorverfahren

1. Mit Entschließung des Bundespräsidenten, BGBl II 377/2012, wurde gemäß Art 49b B VG und § 2 Abs 1 und 3 Volksbefragungsgesetz 1989 (in der Folge: VolksbefragungsG 1989) für den die Durchführung einer Volksbefragung betreffend die Einführung eines Berufsheeres und eines bezahlten freiwilligen Sozialjahres oder die Beibehaltung der allgemeinen Wehrpflicht und des Zivildienstes mit folgendem Wortlaut angeordnet:

"§1. Gemäß Art 49b des Bundes-Verfassungsgesetzes, BGBl Nr 1/1930, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl I Nr 65/2012 und § 2 Abs 1 und 3 des Volksbefragungsgesetzes 1989, BGBl Nr 356/1989, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl I Nr 12/2012, ordne ich eine Volksbefragung mit folgender Fragestellung an:

'a) Sind Sie für die Einführung eines Berufsheeres und eines bezahlten freiwilligen Sozialjahres

oder

b) sind Sie für die Beibehaltung der allgemeinen Wehrpflicht und des Zivildienstes?'

§2. Im Sinn des § 2 Abs 2 des Volksbefragungsgesetzes 1989 wurde von der Bundesregierung einem Beschluss des Nationalrates vom entsprechend als Tag der Volksbefragung der festgesetzt. Als Stichtag wurde der bestimmt."

2. Die Durchführung der Volksbefragung wurde vom Nationalrat am gemäß Art 49b B VG iVm § 9 Abs 2 VolksbefragungsG 1989 beschlossen. Am Sonntag, dem wurde die Volksbefragung durchgeführt. Dabei entfielen von den 3.262.394 gültig abgegebenen Stimmen 1.315.278 Stimmen (40,32 %) auf Lösungsvorschlag A und 1.947.116 Stimmen (59,68 %) auf Lösungsvorschlag B. Dieses Ergebnis wurde von der Bundeswahlbehörde gemäß § 15 VolksbefragungsG 1989 am verlautbart.

3. Mit am eingelangter, auf Art 141 Abs 3 B VG gestützter Anfechtung des Ergebnisses der Volksbefragung, der insgesamt 300 Unterstützungs erklärungen angeschlossen sind, beantragt der Anfechtungswerber,

"a. das Verfahren zur Volksbefragung betreffend die Beibehaltung der allgemeinen Wehrpflicht und des Zivildienstes oder der Einführung eines Berufsheeres und eines freiwilligen bezahlten Jahres zur Gänze oder teilweise für nichtig zu erklären und zur Gänze bzw. teilweise aufzuheben;

b. auszusprechen, dass die Entschließung des Bundespräsidenten betreffend die Anordnung der Volksbefragung, BGBI. II Nr 377/2012[,] verfassungswidrig war;

c. [zu] erkennen, die Republik Österreich ist schuldig, die dem Beschwerdeführer durch das verfassungsgerichtliche Verfahren entstandenen Kosten in gesetzlichem Ausmaß binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen."

Begründend wird im Wesentlichen ausgeführt, dass die Volksbefragung gegen Art 49b Abs 1 B VG verstoßen habe, weil sie über eine Angelegenheit durchgeführt worden sei, die in den Kompetenzbereich des Bundesverfassungs gesetzgebers falle und daher nicht Gegenstand einer Volksbefragung sein könne. Die Fragestellung sei manipulativ und verwirrend gewesen, und das Ergebnis könne nicht den wahren Willen der Befragten widerspiegeln, zumal nur die Kombinationen Bundesheer/Zivildienst und Berufsheer/Sozialjahr zur Auswahl angeboten worden seien; die Befragung, deren Themenstellung im Lichte des Art 9a Abs 3 und 4 B VG lediglich junge bzw. noch nicht wahlberechtigte Männer betroffen hätte, habe sich auch an die "falsche" Gruppe an Abstimmenden gerichtet. Ferner sei das Neutralitätsgebot dadurch verletzt worden, dass in mehreren Gemeinden Tirols "seitens der Behörde" schriftlich wie mündlich Empfehlungen und sogar "Weisungen" zur Abstimmung erteilt worden seien. Darüber hinaus wird in der Anfechtungsschrift die Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit des § 16 Abs 1 VolksbefragungsG 1989 angeregt.

4. Die Bundeswahlbehörde legte die Wahlakten vor, erstattete eine Gegenschrift sowie eine ergänzende Stellungnahme und beantragte die Zurückweisung bzw. die Abweisung der Anfechtung.

II. Rechtslage

§16 Abs 1 VolksbefragungsG 1989, BGBl 356 idF BGBl 339/1993, lautet:

" § 16. (1) Innerhalb von vier Wochen vom Tag dieser Verlautbarung an kann die Feststellung der Bundeswahlbehörde wegen Rechtswidrigkeit des Verfahrens beim Verfassungsgerichtshof angefochten werden. Eine solche Anfechtung muß in den Landeswahlkreisen Burgenland und Vorarlberg von je 100, in den Landeswahlkreisen Kärnten, Salzburg und Tirol von je 200, in den Landeswahlkreisen Oberösterreich und Steiermark von je 400 und in den Landeswahlkreisen Niederösterreich und Wien von je 500 Personen, die in der Stimmliste einer Gemeinde des Landeswahlkreises eingetragen waren, unterstützt sein. Der Anfechtung, in der auch ein bevollmächtigter Vertreter namhaft zu machen ist, sind eigenhändig unterfertigte Unterstützungserklärungen anzuschließen, für die die im § 42 Abs 2 bis 4 NRWO enthaltenen Bestimmungen sinngemäß anzuwenden sind.

(2) Auf das Verfahren über solche Anfechtungen sind die Bestimmungen der §§68 Abs 2, 69 Abs 1 sowie 70 Abs 1 und 4 des Verfassungsgerichtshofgesetzes 1953 sinngemäß anzuwenden. Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis gegebenenfalls auch die ziffernmäßige Ermittlung der Bundeswahlbehörde richtigzustellen."

III. Erwägungen

1. Prozessvoraussetzungen

1.1. Gemäß Art 141 Abs 3 B-VG wird durch Bundesgesetz geregelt, unter welchen Voraussetzungen der Verfassungsgerichtshof über Anfechtungen des Ergebnisses von Volksbegehren, Volksabstimmungen, Volksbefragungen und Europäischen Bürgerinitiativen zu entscheiden hat. Diese Regelung wurde für Volksbefragungen gemäß Art 49b B VG durch § 16 VolksbefragungsG 1989 getroffen (zur Unbedenklichkeit dieser Bestimmung vgl. Pkt. III . 2.2 .).

1.2. Das von der Bundeswahlbehörde ermittelte bundesweite Ergebnis der Volksbefragung vom wurde am gemäß § 15 VolksbefragungsG 1989 verlautbart. Damit endete die gemäß § 16 Abs 1 leg.cit. vierwöchige Frist zur Einbringung der Anfechtung – in die gemäß § 18 Abs 2 leg.cit. die Tage des Postlaufes einzurechnen sind – am . Die an diesem Tag beim Verfassungsgerichtshof eingelangte Anfechtungsschrift ist daher rechtzeitig.

1.3. Das von der Bundeswahlbehörde festgestellte und verlautbarte Ergebnis kann gemäß § 16 VolksbefragungsG 1989 wegen Rechtswidrigkeit des Verfahrens angefochten werden, wobei eine solche Anfechtung von einer näher bezeichneten Anzahl von Personen, die in der Stimmliste einer Gemeinde eines Landeswahlkreises eingetragen waren, unterstützt sein muss. Der Anfechtung, in der auch ein bevollmächtigter Vertreter namhaft zu machen ist, sind eigenhändig unterfertigte Unterstützungserklärungen anzuschließen, für welche die im § 42 Abs 2 bis 4 Nationalrats-Wahlordnung 1992 (in der Folge: NRWO 1992) enthaltenen Bestimmungen sinngemäß anzuwenden sind.

1.3.1. Mit der vorliegenden Anfechtung wurden insgesamt 300 Unterstützungserklärungen von Personen, die in Gemeinden des Landeswahlkreises Tirol in der Stimmliste eingetragen waren, vorgelegt. Einige dieser Unterstützungserklärungen entsprechen nicht den Formvorschriften des § 16 Abs 1 letzter Satz VolksbefragungsG 1989 iVm § 42 Abs 3 NRWO 1992.

1.3.1.1. Unterstützungserklärungen mit folgenden Mängeln erwiesen sich als ungültig iSd § 16 Abs 1 letzter Satz VolksbefragungsG 1989 iVm § 42 Abs 3 NRWO 1992:

- Unvollständigkeit der gesetzlich vorgeschriebenen Angaben zur Person wegen Unvollständigkeit des Geburtsdatums (1), des Vornamens (1) oder der Wohnadresse (18);

- Fehlen der Gemeindebestätigung (1);

- Bezugnahme der Gemeindebestätigung auf einen anderen Stichtag als den (11).

1.3.1.2. Darüber hinaus sind gemäß § 16 Abs 1 letzter Satz VolksbefragungsG 1989 iVm § 42 Abs 3 letzter Teilsatz NRWO 1992 weitere 23 Unterstützungserklärungen ungültig, weil der darauf enthaltene Vermerk "Die eigenhändige Unterschrift auf der Unterstützungserklärung wurde vor der Gemeindebehörde geleistet *) / war gerichtlich *) / notariell beglaubigt *)" – wobei Nichtzutreffendes zu streichen ist – vollständig durchgestrichen ist und den Unterstützungs erklärungen daher nicht entnommen werden kann, dass die eigenhändige Unterschrift auf eine dieser Arten geleistet wurde. Hingegen sind jene Unterstützungserklärungen gültig, bei denen in diesem Vordruck nichts gestrichen wurde, weil § 16 Abs 1 VolksbefragungsG 1989 iVm § 42 Abs 3 letzter Teilsatz NRWO 1992 nur verlangt, dass die eigenhändige Unterschrift auf eine der in dieser Bestimmung genannten Arten geleistet wurde, nicht aber, dass die gewählte Art auch ausdrücklich zu vermerken ist; dieses Erfordernis ist im vorliegenden Fall erfüllt, weil jede der am Formular enthaltenen Möglichkeiten zulässig wäre.

1.3.1.3. Einige Unterstützungserklärungen sind insofern unvollständig ausgefüllt, als bei der Bestätigung der Gemeinde im dafür vorgesehenen Bereich kein Stichtag, zu dem die Eintragung in die Stimmliste bestätigt wird, eingetragen ist. Entgegen den Ausführungen in der Gegenschrift der Bundeswahlbehörde führt dies jedoch nicht zur Ungültigkeit dieser Unterstützungserklärungen, weil das verwendete Formular auch den Text "Die nachstehende Gemeinde bestätigt, dass der (die) Unterstützungswillige am Stichtag () zur Volksbefragung vom in der Wählerevidenz eingetragen und bei der Volksbefragung vom stimmberechtigt war" enthält und daher hinreichend klar hervorgeht, dass die Bestätigung sich auf den Stichtag bezieht: So ist auch im Muster Anlage 4 zur NRWO 1992 – dessen Verwendung durch § 16 Abs 1 letzter Satz VolksbefragungsG 1989 iVm § 42 Abs 2 letzter Satz NRWO 1992 sinngemäß angeordnet wird – die gesonderte Eintragung eines Stichtages nicht vorgesehen, sondern ergibt sich dieser ausschließlich aus dem Vordruck des Formulars.

1.3.2. Die gesetzlich notwendige Mindestzahl von Unterstützungen im Landeswahlkreis Tirol (200) wurde sohin erreicht.

1.3.3. Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis VfSlg 13.839/1994 im Hinblick auf § 14 Abs 2 Volksabstimmungsgesetz 1972 (in der Folge: VolksabstimmungsG 1972) ausgesprochen, dass es für die Anfechtung des Ergebnisses einer Volksabstimmung ausreichend ist, wenn nur aus einem Landeswahlkreis die erforderliche Zahl von Unterstützungserklärungen vorgelegt wird. Dies gilt – entgegen der in der Gegenschrift geäußerten Ansicht der Bundeswahlbehörde – auch für die in diesem Punkt wortgleiche Bestimmung des § 16 Abs 1 VolksbefragungsG 1989 (den Erläuterungen RV 965 BlgNR 17. GP, 11, ist zu entnehmen, dass die in dieser Bestimmung festgelegten Zahlen der Personen, die für eine Anfechtung des Ergebnisses einer Volksbefragung in den einzelnen Wahlkreisen erforderlich sind, den nach § 14 Abs 2 VolksabstimmungsG 1972 geltenden Erfordernissen entsprechen), sodass die vorliegende Anfechtung die notwendige Anzahl an Unterstützungserklärungen aufweist.

1.4. Da auch die übrigen Prozessvoraussetzungen gegeben sind – aus den Unterstützungserklärungen geht nachvollziehbar hervor, dass die Anfechtung der Volksbefragung wegen Rechtswidrigkeit des Verfahrens unterstützt wird –, ist die vorliegende Anfechtung zulässig.

2. In der Sache

2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat nach seiner ständigen Rechtsprechung ein Wahlverfahren nur in den Grenzen der – in der Anfechtungsschrift – behaupteten Rechtswidrigkeiten nachzuprüfen; es ist ihm verwehrt, darüber hinaus die Rechtmäßigkeit des Wahlverfahrens von Amts wegen einer weiteren Überprüfung zu unterziehen (vgl. zB VfSlg 15.033/1997, 15.645/1999 mwN, 17.610/2005 sowie zuletzt W I-25/12). Der Verfassungsgerichtshof stützt diese Rechtsauffassung (auch) auf § 70 Abs 1 VfGG (s. zB VfSlg 15.645/1999 mwH), wonach einer Wahlanfechtung stattzugeben ist, wenn a) die behauptete Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens erwiesen wurde und b) auf das Wahlergebnis von Einfluss war. Da kraft § 16 Abs 2 VolksbefragungsG 1989 die Vorschrift des § 70 Abs 1 VfGG auf das Verfahren über die Anfechtung von Volksbefragungen sinngemäße Anwendung findet, hat sich der Verfassungsgerichtshof auch im vorliegenden (Anfechtungs-)Verfahren nur auf die Prüfung zu beschränken, ob dem Verfahren zur Volksbefragung die in der Anfechtungsschrift behaupteten Rechtswidrigkeiten anhaften (vgl. auch VfSlg 13.839/1994 betreffend die Anfechtung einer Volksabstimmung).

2.2. Zur behaupteten Verfassungswidrigkeit des § 16 Abs 1 VolksbefragungsG 1989

2.2.1. In der Anfechtungsschrift werden Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des § 16 Abs 1 VolksbefragungsG 1989 mit der Begründung geltend gemacht, dass auf Grund des in dieser Bestimmung festgesetzten Erfordernisses der Beibringung von Unterstützungserklärungen für die Anfechtung und der nach dieser Bestimmung iVm § 42 Abs 3 NRWO 1992 bestehenden Notwendigkeit, dass der Unterstützungswillige "in jedem Fall persönlich bei der Gemeindebehörde zu erscheinen" hat, die "ernsthafte" Möglichkeit der Anfechtung des Ergebnisses und des Verfahrens von Volksbefragungen beinahe verhindert werde.

2.2.2. Der Verfassungs gerichtshof hegt nach seiner ständigen Rechtsprechung weder grundsätzlich Bedenken gegen das auch im VolksbefragungsG 1989 eingeführte System der Unterstützungsunterschriften noch im Speziellen gegen das mit diesem System verbundene Erfordernis, als Unterstützungswilliger unabhängig von der gewählten Art der Unterschriftsleistung in jedem Fall persönlich bei der Gemeindebehörde zu erscheinen (vgl. allgemein dazu VfSlg 10.065/1984, 17.192/2004 mit zahlreichen weiteren Hinweisen), und sieht sich – auch aus Sicht der vorliegenden Rechtssache – nicht veranlasst, von dieser Rechtsprechung abzugehen:

Gemäß Art 141 Abs 3 B VG wird durch Bundesgesetz normiert, unter welchen Voraussetzungen der Verfassungsgerichtshof über Anfechtungen des Ergebnisses von Volksbefragungen entscheidet. Das bedeutet, dass die Regelung u.a. der Anfechtungslegitimation dem einfachen Gesetzgeber obliegt. Ihrem Inhalt nach sieht Art 141 Abs 3 B VG zwar vor, dass der Gesetzgeber das Recht auf Anfechtung des Ergebnisses von Volksbefragungen derart zu gestalten hat, dass eine solche (Rechts-)Ausübung tatsächlich ermöglicht wird (vgl. VfSlg 9234/1981, 13.839/1994), nicht jedoch, dass die Anfechtungsbefugnis jeder an der Teilnahme berechtigten Person schlechthin zukommen muss (vgl. VfSlg 13.828/1994). Ein aus der bloßen Teilnahme an direktdemokratischen Instrumenten ohne Erfüllung von bestimmten Formalerfordernissen erfließendes subjektives Recht einzelner Personen auf Überprüfung von Abstimmungsergebnissen ist weder in den die direktdemokratischen Instrumente regelnden Bestimmungen des B VG (Art41 Abs 2 und 3, Art 43 und 44 Abs 3 und Art 49b B VG) noch in Art 141 Abs 3 B VG vorgesehen, sondern kann ihnen allenfalls durch ihre besondere Rechtsstellung in diesen Verfahren zukommen (vgl. VfSlg 15.816/2000).

Dem – gemäß Art 141 Abs 3 B VG zur Regelung der Voraussetzungen für die Anfechtung des Ergebnisses von Volksbefragungen beim Verfassungsgerichtshof berufenen – Gesetzgeber kann daher aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht entgegengetreten werden, wenn er die Voraussetzungen zur Anfechtung des Ergebnisses einer Volksbefragung derart ausgestaltet, dass er eine Mindestzahl von Unterstützungserklärungen vorsieht und diesbezüglich absolute Zahlen für die einzelnen Landeswahlkreise festlegt; insbesondere liegt die in § 16 Abs 1 VolksbefragungsG 1989 festgelegte Mindestzahl von Unterstützungserklärungen für den Landeswahlkreis Tirol mit 200 Unterstützungserklärungen – das sind 0,037 % der zum Stichtag Stimmberechtigten – innerhalb des Gestaltungsspielraumes des Gesetzgebers.

Es bestehen auch keine Bedenken gegen das Erfordernis, dass der Unterstützungswillige bei der Gemeindebehörde persönlich erscheinen muss (§16 Abs 1 letzter Satz VolksbefragungsG 1989 iVm § 42 Abs 3 NRWO 1992), dient doch diese Bestimmung zur Feststellung der Identität des Unterstützungswilligen und somit zur Hintanhaltung von Manipulationen im Zuge der Sammlung von notwendigen Unterstützungserklärungen (vgl. VfSlg 10.065/1984).

2.3. Zum Umfang der Prüfungsbefugnis des Verfassungsgerichtshofes

2.3.1. Eine Volksbefragung hat gemäß Art 49b Abs 1 B VG stattzufinden, sofern der Nationalrat dies auf Grund eines Antrages seiner Mitglieder oder der Bundesregierung nach Vorberatung im Hauptausschuss beschließt. Gemäß Art 49b Abs 3 iVm Art 46 Abs 1 B VG ordnet der Bundespräsident die Volksbefragung an; die näheren Bestimmungen über das Verfahren werden gemäß Art 49b Abs 3 iVm Art 46 Abs 3 B VG durch Bundesgesetz getroffen. Ebenso wird gemäß Art 141 Abs 3 B VG durch Bundesgesetz normiert, unter welchen Voraussetzungen der Verfassungsgerichtshof über Anfechtungen des Ergebnisses von Volksbegehren, Volksabstimmungen, Volksbefragungen und Europäischen Bürgerinitiativen zu entscheiden hat. Eine solche Regelung des Verfahrens und der Anfechtungsvoraussetzungen wurde durch das VolksbefragungsG 1989 vorgenommen.

2.3.2. Gemäß § 16 Abs 1 VolksbefragungsG 1989 kann die Feststellung der Bundeswahlbehörde über das Gesamtergebnis der Volksbefragung "wegen Rechtswidrigkeit des Verfahrens" angefochten werden. Die im vorliegenden Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof gemäß § 68 Abs 2 VfGG beteiligte Bundeswahlbehörde führt in ihrer Gegenschrift zutreffend aus, dass ihr kraft Gesetzes keinerlei Handlungsspielraum zukomme, das Procedere zu einer Volksbefragung bis zur Beschlussfassung im Parlament oder die vom Bundespräsidenten unterfertigte und vom Bundeskanzler gegengezeichnete Entschließung, mit der die Volksbefragung angeordnet wird, materiell zu prüfen oder in irgendeiner Weise zu beeinflussen, sondern es ihr vielmehr ausschließlich obliege, nach Anordnung der Volksbefragung deren verfassungskonforme Durchführung sicherzustellen. Dies ändert jedoch nichts an der Beteiligung der Bundeswahlbehörde im verfassungsgerichtlichen Verfahren (§16 Abs 2 VolksbefragungsG 1989 iVm § 68 Abs 2 VfGG) sowie daran, dass sich die Prüfungskompetenz des Verfassungsgerichtshofes gemäß Art 141 Abs 3 B VG auf das gesamte Verfahren zur Volksbefragung – zu dem insbesondere auch die Anordnung durch den Bundespräsidenten gemäß Art 49b Abs 3 iVm Art 46 Abs 1 B VG (vgl. auch VfSlg 15.816/2000, 19.648/2012) sowie der dieser Anordnung zugrunde liegende Beschluss des Nationalrates gemäß Art 49b Abs 1 B VG, mit dem der Gegenstand und die Fragestellung der Volksbefragung festgelegt werden, zählen – erstreckt und damit auch diese Teile des Verfahrens der Prüfung durch den Verfassungsgerichtshof unterliegen. Ansonsten wäre nämlich insbesondere die Fragestellung – die als wesentlicher Bestandteil des direkt-demokratischen Vorganges bestimmten verfassungsrechtlichen Anforderungen unterliegt und anders als ein Gesetzesbeschluss, der einer Volksabstimmung unterzogen wird und dessen Inhalt gesondert im Rahmen eines Normenkontrollverfahrens gemäß Art 140 B VG geprüft werden kann – entgegen der dem Verfassungsgesetzgeber zu unterstellenden Absicht letztlich der verfassungsgerichtlichen Kontrolle entzogen (vgl. VfSlg 13.839/1994, 15.816/2000).

2.4. Zum Gegenstand der Volksbefragung

2.4.1. Die vorliegende Anfechtung rügt, dass die Volksbefragung vom unzulässig gewesen sei, weil sie über eine Angelegenheit durchgeführt worden sei, deren Regelung in den Kompetenzbereich des Bundesverfassungsgesetzgebers falle, zumal die Wehrpflicht in Art 9a Abs 3 B VG geregelt sei; die Wendung "[Angelegenheiten,] zu deren Regelung der Bundesgesetzgeber [richtig: die Bundesgesetzgebung] zuständig ist" in Art 49b Abs 1 B VG sei jedoch insofern eng auszulegen, als darunter nur Angelegenheiten zu verstehen seien, welche in die Regelungskompetenz des einfachen Bundesgesetzgebers fielen.

Demgegenüber vertritt die Bundeswahlbehörde – unter Bezugnahme auf ein der Gegenschrift beiliegendes Gutachten des Bundeskanzleramtes-Verfassungsdienst – die Ansicht, dass schon die systematische Stellung des Art 49b B VG unter der Überschrift "D. Der Weg der Bundesgesetzgebung" den Ansatz stütze, dass der Anwendungsbereich dieser Bestimmung auch bundesverfassungsgesetzlich zu regelnde Angelegenheiten umfasse, was auch der dem B VG zugrunde liegenden Terminologie entspreche. Auch die sprachliche Ähnlichkeit des Art 49b Abs 1 B VG und des – mit derselben Novelle neu gefassten – Art 41 Abs 2 B VG (wonach es bei Einbringen eines Volksbegehrens genügen solle, wenn das Volksbegehren "eine durch Bundesgesetz zu regelnde Angelegenheit" betrifft), spreche letztlich gegen die Annahme einer impliziten Beschränkung des Anwendungsbereiches des Art 49b Abs 1 B VG auf "einfache" Bundesgesetze. Schließlich würde die Annahme, bundesverfassungsgesetzlich zu regelnde Angelegenheiten könnten nicht Gegenstand einer Volksbefragung sein, zu unerklärlichen Wertungswidersprüchen zu den Bestimmungen des B VG betreffend Volksbegehren und Volksabstimmungen führen, zumal gemäß Art 44 Abs 3 B VG "Gesamtänderungen der Bundesverfassung" nach Beendigung des Gesetzgebungsverfahrens verpflichtend einer Abstimmung durch das Bundesvolk zu unterziehen seien; insoweit wäre es unverständlich, wenn Art 49b Abs 1 B VG es der Bundes(verfassungs)gesetzgebung verwehrte, die Meinung des Bundesvolks zu einer "Angelegenheit von grundsätzlicher und gesamtösterreichischer Bedeutung" einzuholen, bevor ein entsprechendes Gesetzgebungs verfahren eingeleitet wird.

2.4.2. Der Verfassungsgerichtshof vermag sich der Argumentation des Anfechtungswerbers hinsichtlich des Gegenstandes des Art 49b Abs 1 B VG aus folgenden Gründen nicht anzuschließen:

2.4.2.1. Weder der Wortlaut noch die systematische Einordnung des Art 49b Abs 1 B VG deuten darauf hin, dass der Verfassungsgesetzgeber das Instrument der Volksbefragung auf Angelegenheiten beschränken wollte, zu deren Regelung der einfache Gesetzgeber zuständig ist. So verwendet Art 49b Abs 1 B VG seit der Novelle BGBl I 27/2007 – in Anpassung an die Terminologie des B VG (vgl. die Erläuterungen RV 94 BlgNR 23. GP, 4) – den Begriff "Bundesgesetzgebung"; aus der systematischen Einordnung im Zweiten Hauptstück (Gesetzgebung des Bundes) unter der Überschrift "D. Der Weg der Bundesgesetzgebung" – unter der sowohl die Entstehung von "einfachen" Bundesgesetzen als auch von Verfassungsgesetzen geregelt ist und lediglich in Art 44 B VG (in Bezug auf die Festlegung von Quoren für Gesetzesbeschlüsse) zwischen "einfachen" Gesetzen und Verfassungsgesetzen differenziert wird – ist abzuleiten, dass der Begriff "Bundesgesetzgebung" in Art 49b Abs 1 B VG auch Angelegenheiten im Rahmen der Bundesverfassungsgesetzgebung erfasst, dient die Volksbefragung doch gerade der Einholung der Meinung der Stimmberechtigten über Angelegenheiten "von grundsätzlicher und gesamtösterreichischer Bedeutung" mit Ausnahme bestimmter, im letzten Satz dieser Bestimmung angeführter Angelegenheiten (vgl. IA 137/A BlgNR 17. GP, 4).

2.4.2.2. In systematischer Hinsicht spricht auch der Vergleich mit Volksbegehren und Volksabstimmungen gegen einen Ausschluss bundesverfassungs gesetzlicher Materien: Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes können Volksbegehren gemäß Art 41 Abs 2 B VG durch "Bundes(verfassungs)gesetz" zu regelnde Angelegenheiten betreffen (vgl. VfSlg 18.029/2006, 19.644/2012); auch das Instrument der Volksabstimmung gemäß Art 43 und 44 Abs 3 B VG ist ausdrücklich auch auf Bundesverfassungsgesetze ausgerichtet, wobei im Falle einer Gesamtänderung der Bundesverfassung eine Volksabstimmung sogar zwingend durchzuführen ist. Vor dem Hintergrund, dass somit beschlossene Bundesverfassungsgesetze hinsichtlich einer Angelegenheit von grundsätzlicher und gesamtösterreichischer Bedeutung einer Volksabstimmung unterzogen werden können bzw. müssen, kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine Volksbefragung über eben diese Angelegenheit vor Einleitung eines entsprechenden Gesetzgebungsverfahrens von vornherein unzulässig ist.

2.4.3. Aus diesen Gründen erachtet der Verfassungsgerichtshof die Durchführung einer Volksbefragung über Angelegenheiten von grundsätzlicher und gesamtösterreichischer Bedeutung auch dann für zulässig, wenn sie eine durch Bundesverfassungsgesetz zu regelnde Angelegenheit betreffen.

2.5. Zur Fragestellung

2.5.1. In der Anfechtung wird im Hinblick auf die bei der Volksbefragung gewählte Fragestellung im Wesentlichen geltend gemacht, dass diese "manipulativ" und "verwirrend" sowie insofern verfehlt gewesen sei, als die Kombinationen Bundesheer/Zivildienst und Berufsheer/Sozialjahr zwar Alternativen darstellten, sich die Befragten jedoch nur für eine Kombination hätten entscheiden können. Das Ergebnis könne nicht den wahren Willen der Befragten widerspiegeln, weil Bürger, welche für den Zivildienst, nicht jedoch für das Bundesheer seien, trotzdem für die erste Möglichkeit gestimmt hätten, obwohl sie eventuell für den Zivildienst und ein Berufsheer wären. Die Fragen hätten somit aufgespalten – allenfalls im Rahmen mehrerer, formal getrennter Volksbefragungen – gestellt werden müssen. Zudem setze der Volksbefragungstext ungefragt die allgemeine Zustimmung zu einem österreichischen Militär voraus und nehme daher bereits die Grundfrage vorweg.

Die Bundeswahlbehörde bringt demgegenüber vor, dass Art 49b Abs 2 B VG den antragsberechtigten Organen bei der Formulierung der Fragestellung durch die Möglichkeit der Nennung von "zwei alternativen Lösungsvorschlägen" einen größeren Spielraum einräume, der es auch erlaube, bestimmte Vorhaben einer Volksbefragung zu unterziehen, wobei nicht jeder Lösungsvorschlag das kontradiktorische Gegenteil des jeweils anderen beinhalten müsse.

2.5.2. Der Verfassungsgerichtshof vermag sich den in der Anfechtung geäußerten Bedenken hinsichtlich der Klarheit der Fragestellung nicht anzuschließen:

2.5.2.1. In seinen Erkenntnissen VfSlg 15.816/2000 und 19.648/2012 hat der Verfassungsgerichtshof im Hinblick auf das letztlich aus dem – auch auf Volksbefragungen gemäß Art 49b B VG übertragbaren (vgl. auch VfSlg 13.839/1994) – Prinzip der Reinheit von Wahlen erfließende Verbot von Suggestivfragen und das Gebot der Klarheit der Fragestellung in Zusammenhang mit direkt-demokratischen Verfahren ausgesprochen, dass gerade Einrichtungen der direkten Demokratie es erfordern, dass das Substrat dessen, was den Wahlberechtigten zur Entscheidung vorgelegt wird (sei es nun ein Gesetzesantrag, ein Gesetzesbeschluss oder eine Frage), klar und eindeutig ist, damit Manipulationen hintangehalten und Missverständnisse soweit wie möglich ausgeschlossen werden können. So ist bei Volksbefragungen die Klarheit der Fragestellung essentiell, und zwar unabhängig davon, wie intensiv eine Frage vor einer Volksbefragung diskutiert wurde (VfSlg 15.816/2000).

2.5.3. Gemäß Art 49b Abs 2 Satz 2 B VG hat die Fragestellung einer Volksbefragung entweder aus einer mit "ja" oder "nein" zu beantwortenden Frage oder aus zwei alternativen Lösungsvorschlägen zu bestehen. Diese Bestimmung ist schon nach ihrer Textierung so zu verstehen, dass auch im Falle der Volksbefragung über zwei alternative Lösungsvorschläge diese in einem so engen Zusammenhang stehen müssen, dass die Fragestellung gleichsam auf einen Gegenstand hinausläuft, über den eine eindeutige Willensbildung möglich ist.

2.5.3.1. Im vorliegenden Fall besteht die Fragestellung zwar aus einer Verknüpfung von jeweils zwei Elementen in zwei alternativen Lösungsvorschlägen ("Berufsheer und bezahltes freiwilliges Sozialjahr" und "allgemeine Wehrpflicht und Zivildienst"). Dies verletzt jedoch – auch vor dem Hintergrund der genannten Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zum Gebot der Klarheit der Fragestellung – nicht Art 49b B VG, weil der gemäß Art 9a Abs 4 B VG als Wehrersatzdienst verpflichtend zu leistende Zivildienst in seiner derzeitigen Ausgestaltung – auch im Lichte des Art 4 Abs 2 und 3 litb EMRK – schon von Verfassungs wegen mit der allgemeinen Wehrpflicht verknüpft ist und die Herstellung des Zusammenhanges zwischen diesen Elementen (in alternativen Lösungsvorschlägen) daher im Rahmen der hier zu beurteilenden Fragestellung zulässig ist.

2.5.3.2. Entgegen den Ausführungen in der Anfechtungsschrift ist die Wendung "Beibehaltung […] des Zivildienstes" auch nicht suggestiv oder irreführend, zumal damit lediglich (zutreffenderweise) darauf hingewiesen wird, dass dieser Lösungsvorschlag den status quo darstellt.

2.6. Soweit in der Anfechtung ferner eine Verletzung des Gleichheitssatzes dadurch behauptet wird, dass die Themenstellung der Volksbefragung vom im Lichte des Art 9a Abs 3 und 4 B VG lediglich junge bzw. noch nicht wahlberechtigte Männer betroffen hätte und sich somit "an die falsche Gruppe an Abstimmenden" gerichtet und die verschiedenen Altersgruppen "gegeneinander ausgespielt" hätte, ist darauf hinzuweisen, dass Art 49b Abs 3 B VG – demzufolge bei der Volksbefragung jene Personen stimmberechtigt sind, die am Befragungstag das Wahlrecht zum Nationalrat besitzen (s. auch § 5 VolksbefragungsG 1989) – im Verfassungsrang steht. Dass bei einer Anknüpfung der Stimmberechtigung bei Volksbefragungen an das Wahlrecht zum Nationalrat einzelne Stimmberechtigte unter Umständen auch über Angelegenheiten abstimmen, die sie nicht oder weniger intensiv betreffen als andere Stimmberechtigte, ergibt sich somit unmittelbar aus der Verfassung selbst.

2.7. Zur behaupteten Verfälschung des Befragungsergebnisses bzw. der Verletzung des Neutralitätsgebotes

2.7.1. In der Anfechtung wird vorgebracht, dass beim Verfahren zur Volksbefragung in mehreren Gemeinden Tirols "seitens der Behörde" schriftlich wie mündlich Empfehlungen und sogar "Weisungen" zur Abstimmung erteilt worden seien, und diesbezüglich auf der Anfechtung angeschlossene Auszüge von Briefwurfsendungen verwiesen. Dies stelle eine Manipulation des Befragungsergebnisses und eine Verletzung des Neutralitätsgebotes dar.

Bei den der Anfechtung beiliegenden Auszügen von Briefwurfsendungen – und nur hinsichtlich dieser ist das Vorbringen hinreichend substantiiert (vgl. zB VfSlg 14.556/1996 mwH, W I 25/12) – handelt es sich – soweit erkennbar – um an die Gemeindebürger gerichtete, teilweise als "Amtliche Mitteilung" gekennzeichnete Schreiben der Gemeinden Ried im Oberinntal, Ischgl, Neustift im Stubaital, Breitenwang, Prägraten am Großvenediger, Zams, Wildschönau, Amlach, Schönberg, Reith bei Seefeld und Kartitsch sowie der Bürgermeister der Gemeinden Terfens und Birgitz und der ÖVP Ortsgruppe St. Anton am Arlberg.

Die Bundeswahlbehörde vertritt in ihrer Gegenschrift die Auffassung, dass – wenngleich dahingestellt bleiben könne, inwieweit derartige Äußerungen von Bürgermeistern, die zugleich als Amtsperson und als politische Repräsentanten fungieren, "empfehlenswert" seien – die behauptete Rechtswidrigkeit schon deshalb keine Relevanz für das Befragungsergebnis hätte haben können, weil selbst dann, wenn alle in Tirol bei der Volksbefragung stimmberechtigten Personen (535.498) von rechtswidrigen Handlungen der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister in eine bestimmte Richtung geleitet worden wären, dies keinen Einfluss auf das Ergebnis gehabt hätte, zumal die Differenz der Stimmen zwischen den beiden Lösungsvorschlägen (bundesweit) 631.838 Stimmberechtigte betrage, also deutlich mehr als alle 535.498 in Tirol Stimmberechtigten.

2.7.2. Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis VfSlg 13.839/1994 betreffend die Volksabstimmung über ein Bundesverfassungsgesetz über den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union im Hinblick auf den Vorwurf unzulässiger Werbung öffentlicher Stellen für den Gesetzesbeschluss des Nationalrates im Zuge des Volksabstimmungsverfahrens ausgeführt, dass die für allgemeine Wahlen grundsätzlich geltenden Regeln der "Freiheit der politischen Willensbildung und Betätigung" und des Postulates der "Reinheit der Wahlen", in deren Ergebnis der wahre Wille der Wählerschaft zum Ausdruck kommen soll, unter Bedachtnahme und nach Maßgabe der Unterschiedlichkeiten der beiden Rechtseinrichtungen, auch auf das Verfahren für Volksabstimmungen nach Art 43 und 44 Abs 3 B-VG iVm Art 46 B VG zu übertragen sind. Die Werbung für ein bestimmtes Abstimmungsverhalten dürfe dabei im Rahmen der allgemeinen Rechtsordnung in keiner wie immer gearteten Weise (rechtlich oder faktisch) unterbunden oder auch nur beeinträchtigt werden, so angesichts des verfassungsrechtlichen Gebotes der Freiheit der politischen Willensbildung und Betätigung zB auch nicht durch – staatliche – gezielte oder dem gleichkommende massive Desinformation, die im Effekt zur Fehlorientierung der abstimmungsberechtigten Bürger führe. Eine Beeinflussung der Wähler durch mündliche oder schriftliche Agitation werde nur dann für relevant erachtet, wenn sie die zum Schutz der Wahlfreiheit gezogenen Schranken überschreite (VfSlg 47/1921).

2.7.3. Diese Überlegungen finden auch im Zusammenhang mit der Durchführung von Volksbefragungen grundsätzlich Anwendung: Wenngleich bei einer Volksbefragung – anders als bei einer Volksabstimmung – noch keine staatliche Maßnahme vorliegt, für die staatliche Organe legitimerweise werben dürfen, steht das Neutralitätsgebot nicht jeglicher Form der Äußerung in Bezug auf die bei der Volksbefragung angebotenen Lösungsvorschläge entgegen. Grundsätzlich steht es den als Organen der Vollziehung fungierenden Personen – ebenso wie Mitgliedern der Bundesregierung und den sonstigen obersten Organen der Vollziehung sowie den Abgeordneten zu den gesetzgebenden Körperschaften – frei, in Unterstützung und Verfolgung ihrer politischen Ziele Empfehlungen für die Volksbefragung abzugeben und dafür auch öffentlich einzustehen (vgl. VfSlg 13.839/1994). Dies bedeutet aber freilich nicht, dass es bei Volksbefragungen zulässig ist, in "amtlichen Mitteilungen" oder als solche gekennzeichneten Schreiben in subjektiv wertender Weise für ein Ergebnis einzutreten und in dieser Hinsicht auf die Stimmberechtigten Einfluss zu nehmen (vgl. VfSlg 17.418/2004, 19.107/2010).

2.7.4. Ob die behauptete Rechtswidrigkeit des Verfahrens vorliegt, kann im vorliegenden Fall jedoch dahingestellt bleiben, weil ein Einfluss auf das Ergebnis der Volksbefragung auszuschließen ist:

2.7.4.1. Die bei einer Volksbefragung Stimmberechtigten sind in einen politischen Entscheidungsprozess eingebunden und so – ganz anders als bei allgemeinen Wahlen – nicht dazu aufgerufen, eine Wahlpartei und damit Personen zu wählen, sondern über eine von der gewählten gesetzgebenden Körperschaft beabsichtigte Maßnahme (positiv oder negativ bzw. durch Auswahl eines von zwei alternativen Lösungsvorschlägen) abzustimmen (vgl. auch VfSlg 13.839/1994). Wenngleich bei der Volksbefragung gemäß Art 45 Abs 1 B VG – der bei der Durchführung von Volksbefragungen sinngemäß anzuwenden ist (Art49b Abs 3 B VG) – die unbedingte Mehrheit der gültig abgegebenen Stimmen "entscheidet", ist bei der Auslegung des Begriffes "Ergebnis" im Zusammenhang mit Volksbefragungen zu berücksichtigen, dass dem Ergebnis einer Volksbefragung primär politische Bedeutung zukommt (vgl. auch die Erläuterungen 965 BlgNR 17. GP, 11, denen zufolge die Wirkung einer Volksbefragung eher mit der eines Volksbegehrens zu vergleichen ist); neben dem bloßen Überwiegen der Stimmen sind dabei insbesondere auch die Höhe der Beteiligung und die Mehrheitsverhältnisse relevant. Die einzige Rechtswirkung der Volksbefragung besteht darin, dass ihr Ergebnis gemäß Art 49b Abs 3 Satz 3 B VG von der Bundeswahlbehörde dem Nationalrat sowie der Bundesregierung vorzulegen ist.

2.7.4.2. Ob bei der Prüfung eines Einflusses der behaupteten Rechtswidrigkeit auf das Ergebnis ausschließlich darauf abzustellen ist, ob letztlich eine Mehrheit für den anderen Lösungsvorschlag rechnerisch möglich gewesen wäre, oder darüber hinaus auf weitere Aspekte Bedacht zu nehmen ist, kann jedoch dahingestellt bleiben, weil ein solcher Einfluss unter Berücksichtigung der Umstände des vorliegenden Falles jedenfalls ausgeschlossen ist:

In den behauptetermaßen von unzulässiger Beeinflussung der Stimmberechtigten betroffenen Gemeinden Ried im Oberinntal, Ischgl, Neustift im Stubaital, Breitenwang, Terfens, Prägraten am Großvenediger, Zams, Wildschönau, Amlach, Birgitz, Schönberg im Stubaital, Reith bei Seefeld, Kartitsch und St. Anton am Arlberg waren bei der Volksbefragung insgesamt 20.434 Personen stimmberechtigt; in diesen Gemeinden entfielen von insgesamt 9710 (davon 9579 gültig) abgegebenen Stimmen 3004 Stimmen auf Lösungsvorschlag A und 6575 Stimmen auf Lösungsvorschlag B. Selbst unter der Annahme, dass ohne die der Anfechtung angeschlossenen Schreiben alle abgegebenen Stimmen auf einen der beiden Lösungsvorschläge entfallen oder ungültig abgegeben worden wären – dass die behauptete Beeinflussung Stimmberechtigte von der Stimmabgabe abgehalten hätte, wurde in der Anfechtung nicht behauptet –, hätte die behauptete Rechtswidrigkeit im vorliegenden Fall bei der gegebenen Beteiligung im Hinblick auf das bundesweite Gesamtergebnis lediglich zu einer Verschiebung um höchstens 0,2 % führen können; eine derart geringfügige Abweichung kann jedoch nicht als Einfluss auf das Ergebnis der Volksbefragung gewertet werden.

1.1.1. Dass über die vorgelegten Fragmente hinaus "seitens der Behörde schriftlich wie mündlich Empfehlungen und sogar Weisungen zur Abstimmung erteilt" worden seien, wird in der Anfechtungsschrift nicht substantiiert dargelegt; der Verfassungsgerichtshof hat sich jedoch, wie unter Pkt. III . 2.1 . näher ausgeführt, auf die Prüfung zu beschränken, ob dem Verfahren zur Volksbefragung die in der Anfechtungsschrift behaupteten – hinreichend zu substantiierenden (zB VfSlg 14.556/1996 mwH, W I 25/12) – Rechtswidrigkeiten anhaften.

I. Ergebnis und damit zusammenhängende Ausführungen

1. Der Anfechtung ist daher nicht stattzugeben.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.