VfGH vom 30.06.2016, WII1/2016
Leitsatz
Stattgabe des Antrags eines Gemeinderates auf Verlustigerklärung des Mandats eines Gemeinderatsmitglieds wegen Verlusts der Wählbarkeit infolge Verlegung des Hauptwohnsitzes
Spruch
Dem Antrag des Gemeinderates der Gemeinde Keutschach am See wird stattgegeben. T. N. wird seines Mandates als Mitglied des Gemeinderates der Gemeinde Keutschach am See verlustig erklärt.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt, Antragsvorbringen und Vorverfahren
1. T. N. wurde am als Mitglied des Gemeinderates der Gemeinde Keutschach am See angelobt und übt seit diesem Zeitpunkt sein Mandat als Gemeinderat der genannten Gemeinde aus.
2. Der Gemeinderat der Gemeinde Keutschach am See, vertreten durch den Bürgermeister, hat mit dem am beschlossenen (vgl. die Niederschrift der 6. Sitzung des Gemeinderates am ) und beim Verfassungsgerichtshof am eingelangten Antrag die "Feststellung des Mandatsverlustes des Gemeinderatsmitgliedes N[.] T[.] […] gem. § 31 […] Abs 1 und 3 […] Kärntner Allgemeine Gemeindeordnung" beantragt. Begründend wird insbesondere Folgendes ausgeführt:
"Das Gemeinderatsmitglied N[.] T[.] wurde in der konstituierenden Sitzung des Gemeinderates am als ordentliches Gemeinderatsmitglied angelobt.
Am hat Hr. N[.] T[.] seinen ordentlichen Wohnsitz nach Klagenfurt verlegt und somit die Wählbarkeit nach der Kärntner Gemeinderats- und Bürgermeisterwahlordnung 2002 verloren. Herr N[.] T[.] hat von sich aus keinen Verzicht auf sein Gemeinderatsmandat erklärt. ln der Gemeinderatssitzung vom hat der Gemeinderat der Gemeinde Keutschach am See nachstehenden Antrag des Gemeindevorstandes zum Beschluss erhoben:
'Der Vorsitzende bringt den Antrag des Gemeindevorstandes vom , dass Herr T[.] N[.] zufolge des Verlustes der Wählbarkeit seines Gemeinderatsmandates gem. § 31 Abs 1 der K-AGO für verlustig zu erklären und beim Verfassungsgerichtshof den Antrag auf Mandatsverlust zu stellen zur Abstimmung. Abstimmungsergebnis 11 zu 7 Gegenstimmen. Der Antrag ist somit mehrheitlich angenommen.'"
3. Mit einem an T. N. gerichteten, am rechtswirksam zugestellten Schreiben des Verfassungsgerichtshofes vom wurde dem Antragsgegner der genannte Antrag des Gemeinderates der Gemeinde Keutschach am See mit dem Bemerken übermittelt, dass es dem Antragsgegner frei stehe, binnen drei Wochen eine schriftliche Gegenäußerung zu erstatten. Dieser machte davon jedoch keinen Gebrauch.
II. Rechtslage
1. § 31 Kärntner Allgemeine Gemeindeordnung – K-AGO, LGBl 66/1998, idF LGBl 85/2013, lautet wie folgt:
"§31
Mandatsverlust
(1) Ein Mitglied des Gemeinderates ist seines Mandates für verlustig zu erklären, wenn es
a) das vorgeschriebene Gelöbnis (§21 Abs 3, 5 und 6) verweigert;
b) nach erfolgter Wahl nach der Kärntner Gemeinderats- und Bürgermeisterwahlordnung 2002 die Wählbarkeit verliert oder wenn nachträglich ein Grund bekannt wird, der seine Wählbarkeit gehindert hätte;
c) durch zwei Monate den Eintritt in den Gemeinderat schuldhaft verzögert hat oder es während eines ununterbrochenen Zeitraumes von zwei Monaten den Sitzungen des Gemeinderates oder der Ausschüsse, deren Mitglied es ist, ohne triftigen Grund ferngeblieben ist.
(2) Der Gemeinderat hat den Antrag auf Mandatsverlust an den Verfassungsgerichtshof zu stellen, wenn er einen der Fälle des Abs 1 für gegeben erachtet.
(3) Abs 1 und 2 gelten in gleicher Weise für Ersatzmitglieder des Gemeinderates."
2. § 39 Kärntner Gemeinderats- und Bürgermeisterwahlordnung 2002 – KGBWO 2002, LGBl 32/2002, idF LGBl 85/2013, lautet auszugsweise wie folgt:
"§39
Wählbarkeit
(1) Wählbar in den Gemeinderat sind alle österreichischen Staatsbürger und alle Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die am Tag der Wahl das 18. Lebensjahr vollendet haben, in der Gemeinde den Hauptwohnsitz im Sinne des Art 6 Abs 3 B VG haben und nicht durch ein inländisches ordentliches Gericht wegen einer oder mehrerer mit Vorsatz begangener strafbarer Handlungen zu einer mehr als einjährigen Freiheitsstrafe rechtskräftig verurteilt worden sind. Der Ausschluss von der Wählbarkeit endet nach sechs Monaten. Die Frist beginnt, sobald die Strafe vollstreckt ist und mit Freiheitsentziehung verbundene vorbeugende Maßnahmen vollzogen oder weggefallen sind; ist die Strafe nur durch Anrechnung einer Vorhaft verbüßt worden, so beginnt die Frist mit Rechtskraft des Urteils.
(2) […]"
III. Erwägungen
1. Gemäß Art 141 Abs 1 erster Satz litc B VG erkennt der Verfassungsgerichtshof "auf Antrag eines allgemeinen Vertretungskörpers auf Mandatsverlust eines seiner Mitglieder". Ein solcher Antrag "kann [...] auf einen gesetzlich vorgesehenen Grund für den Verlust der Mitgliedschaft in einem allgemeinen Vertretungskörper [gegründet werden]" (Art141 Abs 1 zweiter Satz B VG).
Gemäß § 71 Abs 1 erster Satz VfGG 1953 können die allgemeinen Vertretungskörper (somit auch ein Gemeinderat) "jederzeit beim Verfassungsgerichtshof den Antrag stellen, ein Mitglied des Vertretungskörpers aus einem gesetzlich vorgesehenen Grund seines Mandates für verlustig zu erklären".
2. Dem – zulässigen – Antrag des Gemeinderates der Gemeinde Keutschach am See ist aus den nachstehenden Erwägungen stattzugeben:
2.1. Gemäß § 31 Abs 1 litb K-AGO ist ein Mitglied des Gemeinderates seines Mandates u.a. dann für verlustig zu erklären, wenn es nach erfolgter Wahl gemäß der K-GBWO die Wählbarkeit verliert. Zu Folge § 31 Abs 2 K-AGO hat der Gemeinderat den Antrag auf Mandatsverlust an den Verfassungsgerichtshof zu stellen, wenn er einen der Fälle des Abs 1 für gegeben erachtet.
Wählbar in den Gemeinderat sind nach § 39 Abs 1 erster Satz K-GBWO alle österreichischen Staatsbürger und alle Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die am Tag der Wahl das 18. Lebensjahr vollendet haben, in der Gemeinde den Hauptwohnsitz im Sinne des Art 6 Abs 3 B VG haben und nicht durch ein inländisches ordentliches Gericht wegen einer oder mehrerer mit Vorsatz begangener strafbarer Handlungen zu einer mehr als einjährigen Freiheitsstrafe rechtskräftig verurteilt worden sind.
3. Der ins Treffen geführte Umstand, T. N. habe seinen Hauptwohnsitz in Keutschach am See aufgelassen und diesen nach Klagenfurt am Wörthersee verlegt, entspricht den Tatsachen: Laut Abfrage aus dem Zentralen Melderegister vom hat der bisher mit Hauptwohnsitz in der Gemeinde Keutschach am See gemeldete T. N. mit seinen Hauptwohnsitz nach Klagenfurt am Wörthersee verlegt.
4. Somit ist davon auszugehen, dass T. N. mit der Verlegung seines Hauptwohnsitzes von der Gemeinde Keutschach am See nach Klagenfurt am Wörthersee den in § 39 Abs 1 erster Satz K-GBWO iVm § 31 Abs 1 litb K-AGO vorgesehenen Grund für den Verlust seines Mandates als Mitglied des Gemeinderates der Gemeinde Keutschach am See gesetzt hat (vgl. auch VfSlg 15.950/2000, 18.497/2008), weshalb spruchgemäß zu entscheiden ist.
IV. Ergebnis
Dem Antrag ist daher stattzugeben.
Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
European Case Law Identifier
ECLI:AT:VFGH:2016:WII1.2016