zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
VfGH vom 13.06.2020, WI3/2020

VfGH vom 13.06.2020, WI3/2020

Leitsatz

Keine Stattgabe der Wahlanfechtung zur Wahl der Mitglieder des Gemeinderates der Marktgemeinde Langenrohr vom ; förmliche Zustimmung des Wahlwerbers zur Aufnahme in den Wahlvorschlag nach der Nö GRWO 1994 durch Unterschrift an falscher Stelle des Wahlvorschlages nicht gegeben; Rechtmäßigkeit der Zurückweisung des Wahlvorschlags ohne Verbesserungsauftrag

Spruch

Der Anfechtung wird nicht stattgegeben.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt, Anfechtung und Vorverfahren

1. Am fand die mit Verordnung der Niederösterreichischen Landesregierung vom , LGBl 79/2019, ausgeschriebene Wahl zum Gemeinderat der Stadtgemeinde Marchegg, Verwaltungsbezirk Gänserndorf, statt.

2. Zu dieser Wahl brachten die folgenden Wahlparteien Wahlvorschläge ein:

"Österreichische Volkspartei – ÖVP",

"Sozialdemokratische Partei Österreich – SPÖ",

"Freiheitliche Partei Österreichs – FPÖ" sowie

"Die Grünen Marchegg – Grüne".

3. Beim Anfechtungswerber handelt es sich um den erstgenannten Wahlwerber sowie zustellungsbevollmächtigten Vertreter der "Sozialdemokratischen Partei Österreich – SPÖ". Nach den Wahlakten wurde der Wahlvorschlag der "Sozialdemokratischen Partei Österreich – SPÖ" ohne Zustimmungserklärungen eingebracht. In der Sitzung der Gemeindewahlbehörde vom 18. und wurde beschlossen, den Wahlvorschlag der "Sozialdemokratischen Partei Österreich – SPÖ" wegen fehlender Zustimmung der Wahlwerber zur Aufnahme in den Wahlvorschlag gemäß § 32 Abs 2 litd NÖ GRWO 1994 zurückzuweisen. Die Zurückweisung erfolgte mit Bescheid vom .

4. Der Wahl der Mitglieder des Gemeinderates der Stadtgemeinde Marchegg lagen somit die folgenden von der Gemeindewahlbehörde am kundgemachten Wahlvorschläge zugrunde:

"Österreichische Volkspartei – ÖVP",

"Freiheitliche Partei Österreichs – FPÖ" sowie

"Die Grünen Marchegg – Grüne".

5. Laut Kundmachung der Gemeindewahlbehörde wurden bei der Gemeinderatswahl 1.669 gültige Stimmen abgegeben, 69 Stimmen wurden als ungültig gewertet; es gelangten 21 Mandate zur Vergabe. Dabei entfielen

auf den Wahlvorschlag "Österreichische Volkspartei – ÖVP" 916 Stimmen (12 Mandate),

auf den Wahlvorschlag "Freiheitliche Partei Österreichs – FPÖ" 263 Stimmen (3 Mandate) sowie

auf den Wahlvorschlag "Die Grünen Marchegg – Grüne" 490 Stimmen (6 Mandate).

6. Der vom Anfechtungswerber als Wahlwerber und zustellungsbevollmächtigter Vertreter der Wählergruppe "Sozialdemokratische Partei Österreich – SPÖ" erhobenen Beschwerde gegen das Wahlergebnis gab die Landes-Hauptwahlbehörde mit Bescheid vom nicht statt.

7. Mit der am durch den Anfechtungswerber eingebrachten, auf Art 141 Abs 1 lita B-VG gestützten Wahlanfechtungsschrift wird der Antrag gestellt, das Wahlverfahren der Gemeinderatswahl der Stadtgemeinde Marchegg vom aufzuheben und für nichtig zu erklären. Begründend wird Folgendes ausgeführt (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen):

"Prozessvoraussetzungen

Gem § 67 Abs 2 VfGG kann die Wahlentscheidung der Landes-Hauptwahlbehörde betreffend eine Gemeinderatswahl innerhalb von vier Wochen nach Beendigung des Wahlverfahrens bzw vier Wochen nach Zustellung eines Bescheides oder einer Entscheidung der Landes-Hauptwahlbehörde (§68 Abs 1 VfGG) beim VfGH wegen jeder behaupteten Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens vom zustellungsbevollmächtigten Vertreter einer Wählergruppe angefochten werden.

[…] Zur Anfechtungslegitimation

Der Anfechtungswerber ist zustellungsbevollmächtigter Vertreter einer Wahlpartei, die einen Wahlvorschlag erstattet hat (SPÖ). Darüber hinaus ist der Anfechtungswerber auch Wahlwerber, dem die Wählbarkeit im Wahlverfahren rechtswidrig aberkannt wurde (§67 Abs 2 VfGG). Der Wahlvorschlag der Wahlpartei 'SPÖ' (in der Folge der 'Wahlvorschlag') wurde rechtzeitig am im Gemeindeamt der Stadtgemeinde Marchegg eingebracht. Der Anfechtungswerber ist sohin jedenfalls anfechtungslegitimiert.

[…]

[…] Falsche Auslegung des § 32 Abs 2 litd NÖ GRWO

[…]

Die Zurückweisung des Wahlvorschlages der SPÖ erfolgte jedenfalls zu Unrecht.

Die Landes-Hauptwahlbehörde sowie zuvor die Gemeindewahlbehörde verkennen offenkundig den Umstand, dass der Anfechtungswerber, als erstgereihter Kandidat, auch als Wahlwerber auf der zweiten Seite des Wahlvorschlages angeführt ist und den Wahlvorschlag auf der dritten Seite unstrittig eigenhändig unterschrieben hat. […]

Bei verfassungskonformer Auslegung des § 32 Abs 2 litd NÖ GRWO, sohin unter Berücksichtigung der Wahlrechtsgrundsätze, hätte die Landes-Hauptwahlbehörde die Unterschrift eines auf der Parteiliste gereihten Kandidaten auch als Zustimmung zur Aufnahme in den Wahlvorschlag werten müssen. Der Anfechtungswerber hat den Wahlvorschlag auf Seite sechs als zustellungsbevollmächtigter Vertreter unterschrieben. Vier Seiten davor, auf Seite zwei desselben Dokuments, ist er als Wahlwerber angeführt.

Die Formulare der 'Verordnung über die Gestaltung der Drucksorten zur Vollziehung der NÖ Gemeinderatswahlordnung 1994' sind zwar für den gesamten Wahlvorgang zu verwenden, jedoch können (und müssen) diese entweder digital oder per Hand auch an die jeweiligen Gegebenheiten angepasst werden.

Es ist völlig abwegig, die Unterschrift des Anfechtungswerbers auf Seite 6 des Wahlvorschlages nicht als Zustimmung im Sinne des § 32 Abs 2 litd NÖ GRWO zu werten. § 32 Abs 2 litd NÖ GRWO ist, wie jede andere gesetzliche Bestimmung, verfassungskonform auszulegen. Die Wahrung des allgemeinen (passiven) Wahlrechts ist jedenfalls als höherrangig anzusehen als ein 'mit aller Gewalt' Festhalten an einem Formular, welches vorgesehener Weise regelmäßig auch bearbeitet wird und insofern ein 'lebendes' Dokument und keine 'unberührbare' Formvorlage ist. So ist es nach allgemeiner Ansicht beispielhaft auch zulässig, dass alle Wahlwerber auf ein und demselben Beiblatt 'Zustimmungserklärung' unterzeichnen oder auch, dass jeder Wahlwerber ein eigen[e]s Beiblatt unterzeichnet. Wenn – wie im vorliegenden Fall – ein Wahlwerber das Formular auf einer Seite davor unterzeichnet, muss dies sohin ebenso den Anforderungen einer 'Zustimmung' genügen. […]

Darüber hinaus ist selbst bei einer extrem wörtlichen Interpretation des § 32 Abs 2 litd NÖ GRWO nur die 'Zustimmung wenigstens eines Wahlwerbers' von Nöten[,] um die 'unbedingten' Voraussetzungen eines Wahlvorschlages zu erfüllen. Die 'Erklärung, sich nicht auf einen Wahlvorschlag einer anderen Wahlpartei in der Gemeinde um das Amt eines Gemeinderates zu bewerben', entsprechend des § 29 Abs 2 litc NÖ GRWO, wird von § 32 Abs 2 litd NÖ GRWO gerade nicht gefordert. Die Bestimmung des § 32 Abs 2 litd NÖ GRWO fordert explizit (nur) die Zustimmung wenigstens eines Wahlwerbers, nicht aber das Vorliegen des Formulars 'Zustimmungserklärung'. Die Unterschrift des Wahlwerbers *** auf der sechsten Seite des Wahlvorschlages ist jedenfalls als solche Zustimmung zu werten. Hätte der Genannte seiner Kandidatur nicht zugestimmt, hätte[…] er auch nicht als zustellungsbevollmächtigter Vertreter den Wahlvorschlag, der ihn an erster Stelle der Wahlwerber auswies, unterschrieben.

Auch dies spricht dafür, dass die Unterschrift eines Wahlwerbers auf dem Wahlvorschlag, wie diese im gegenständlichen Fall erfolgt ist, bei verfassungskonformer Interpretation jedenfalls auch als Zustimmung im Sinne des § 32 Abs 2 litd NÖ GRWO anzusehen ist.

Da der Wahlvorschlag der SPÖ die Zustimmung wenigstens eines Wahlwerbers zur Aufnahme in den Wahlvorschlag iSd § 32 Abs 2 litd NÖ GRWO aufwies, war die Zurückweisung des Wahlvorschlages der SPÖ durch die Gemeindewahlbehörde rechtswidrig.

Der Wahlvorschlag der SPÖ wäre durch die Gemeindewahlbehörde daher (lediglich) zur Verbesserung zurückzustellen gewesen.

Die Landes-Hauptwahlbehörde stellt auf Seite 11 des Bescheides vom fest, dass die Unterschrift des zustellungsbevollmächtigten Vertreters der Wahlpartei die ausdrückliche Zustimmung des Wahlwerbers zur Aufnahme in den Wahlvorschlag und dessen Erklärung, sich nicht auf einen Wahlvorschlag einer anderen Wahlpartei in der Gemeinde um das Amt eines Gemeinderates zu bewerben, nicht zu ersetzen vermöge.

Die Landes-Hauptwahlbehörde unterstellt dem Gesetzgeber zu Unrecht, dass dieser nicht nur die Zustimmung des Wahlwerbers, sondern auch die Erklärung, sich nicht auf einen Wahlvorschlag einer anderen Wahlpartei in der Gemeinde um das Amt eines Gemeinderates zu bewerben, enthalten müsse. Genau diese Erklärung verlangt § 32 NÖ GRWO jedoch nicht. § 32 NÖ GRWO verlangt (nur) die Zustimmung wenigstens eines Wahlwerbers. Wie diese Zustimmung ausgestaltet sein muss[,] determiniert § 32 NÖ GRWO gerade nicht.

Auf Seite 11 des Bescheides vom begründet die Landes-Hauptwahlbehörde ihre Entscheidung vollkommen verfehlt mit einer ständigen Judikaturlinie des VfGH (VfSlg 11.732/1988, VfSlg 2037/1950). Diese zutreffende Judikaturlinie des VfGH dient dem Zweck, dass niemand gegen seinen Willen als Kandidat auf eine Parteiliste gesetzt werden kann, da dies dem Grundsatz der Freiheit der politischen Willensbildung widerspräche. Die 'Gefahr', dass im gegenständlichen Fall jemand gegen seinen Willen auf einen Wahlvorschlag gesetzt worden wäre, bestand jedoch gerade nicht, hat doch der Anfechtungswerber seine Kandidatur mit eigenhändiger Unterschrift bestätigt.

Der Versuch der Landes-Hauptwahlbehörde, die zitierte Judikatur des VfGH auf gegenständlichen Fall anzuwenden[,] ist absolut verfehlt und sogar geeignet[,] die Absicht des Verfassungsgesetzgebers und des VfGH, welche der Sicherstellung einer allgemeinen und freien politischen Willensbildung dient, ins Gegenteil zu verkehren.

[…] Zur Auslegung von Wahlrechtsbestimmungen

Im Zuge der Sitzung der Gemeindewahlbehörde vom wurde seitens des Gemeindewahlleiters – unter Berufung auf die Rechtsansicht des Amtes der NÖ Landesregierung – darauf hingewiesen, dass laut ständiger Judikatur des Verfassungsgerichtshofes Wahlrechtsbestimmungen strikt nach ihrem Wortlaut auszulegen seien und daher ein Fehlen der Zustimmungserklärungen einen Mangel begründet, der zur (nicht verbesserungsfähigen) Zurückweisung des Wahlvorschlages führe.

Dabei wird seitens der Gemeindewahlbehörde verkannt, dass die Judikatur der strikten Auslegung von Formalvorschriften nach deren Wortlaut, dem Ziel dient, die Stimmabgabe zweifelsfrei zu dokumentieren und damit verbundene Unklarheiten möglichst zu beseitigen sowie eine nachvollziehbare Zuordnung der Stimmen zu den einzelnen Wahlparteien und die Überprüfbarkeit des Wahlverfahrens, insbesondere auch anlässlich einer Wahlanfechtung, sicherzustellen (vgl ; , WI22/2015). In diesem Zusammenhang hat der VfGH zum Beispiel mehrfach entschieden, dass die Bestimmungen hinsichtlich der Ausgabe von Briefwahlkarten ausgesprochen streng zu handhaben sind (vgl dazu insbesondere VfSlg 19.246/2010, 19.278/2010; ; , WI4/2015).

Darüber hinaus ist gerade bei einer extrem wörtlichen Interpretation des § 32 Abs 2 litd NÖ GRWO nur die 'Zustimmung wenigstens eines Wahlwerbers' von Nöten[,] um die 'unbedingten' Voraussetzungen eines Wahlvorschlages zu erfüllen[,] und gerade nicht die 'Zustimmungserklärung' iSd § 29 Abs 2 litc NÖ GRWO, welche rechtsunrichtig von der Landes-Hauptwahlbehörde offenbar gefordert wird (siehe hierzu Seite 11 unten des Bescheides vom 'Zustimmung [...] und dessen Erklärung, sich nicht auf einem Wahlvorschlag einer anderen Wahlpartei in der Gemeinde um das Amt eines Gemeinderates zu bewerben').

Die Judikaturlinie der strikten Auslegung von Wahlrechtsbestimmungen dient sohin der Sicherstellung demokratischer Wahlen und nicht der Untergrabung der Wahlrechtsgrundsätze. Den Ausschluss einer gesamten Wahlpartei vom allgemeinen (passiven) Wahlrecht mit dieser Judikaturlinie des VfGH zu begründen[,] wäre geradezu anachronistisch und ist unzulässig.

[…] Verstoß gegen das Willkürverbot

[…]

Hätte die Stadtamtsdirektorin oder der Bürgermeister als Gemeindewahlleiter […] den Anfechtungswerber auf das Nichtvorliegen der Formulare 'Zustimmungserklärung' hingewiesen, hätten die vorhandenen Zustimmungserklärungen noch fristgerecht bei der Gemeinde nachgereicht werden können.

[…]

[…] Verfassungswidrigkeit des § 32 Abs 2 litd NÖ GRWO

Sollte der VfGH die Ansicht vertreten, dass die Gemeindewahlbehörde bzw die Landes-Hauptwahlbehörde § 32 Abs 2 litd NÖ GRWO rechtsrichtig angewendet haben, wird aus anwaltlicher Vorsicht gegenständliche Anfechtung auch auf die Verfassungswidrigkeit der Wahlvorschrift des § 32 Abs 2 litd NÖ GRWO gestützt. Es widerspricht den Wahlrechtsgrundsätzen, insbesondere dem Grundsatz des allgemeinen Wahlrechts, das Nichtvorliegen des Formulars Zustimmungserklärung an die im Ergebnis schärfste Konsequenz, nämlich die nicht verbesserungsfähige Zurückweisung des Wahlvorschlages, zu binden. Eine Zurückstellung zur Verbesserung wäre in solch einem Fall besser geeignet und mit einem geringeren Eingriff in das verfassungsrechtlich besonders geschützte Wahlrecht verbunden."

8. Die Landes-Hauptwahlbehörde legte die Bezug habenden Akten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie auf den Bescheid vom verweist. Ergänzend führt sie aus, dass in § 29 NÖ GRWO 1994 der erforderliche Inhalt und die Ausgestaltung von Wahlvorschlägen vorgeschrieben seien; § 32 NÖ GRWO 1994 lege nur das Vorgehen der Wahlbehörde bei der Prüfung des Vorliegens dieser Voraussetzungen fest. Gemäß § 29 Abs 6 NÖ GRWO 1994 hätten Wahlvorschläge zwingend der Verordnung über die Gestaltung von Drucksorten zur Vollziehung der NÖ GRWO 1994 zu entsprechen. Es sei somit sehr wohl determiniert, wie die Zustimmung iSd § 32 Abs 2 litd NÖ GRWO 1994 ausgestaltet sein müsse. Dass der erstgenannte Wahlwerber auch als zustellungsbevollmächtigter Vertreter fungiere, sei in diesem Zusammenhang irrelevant. Dies ergebe sich bereits aus den unterschiedlichen Rechtsfolgen bei Fehlen der Zustimmungserklärung bzw der Anführung eines zustellungsbevollmächtigten Vertreters (§30 Abs 2 NÖ GRWO 1994). Entgegen den Ausführungen des Anfechtungswerbers lasse sich aus dem Grundsatz der Freiheit der Wahl ableiten, dass selbst dann, wenn die Wahlordnung keine ausdrückliche Vorschrift enthalte, eine Zustimmungserklärung der Wahlwerber nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes erforderlich sei. Dies entspreche auch dem Postulat der Reinheit der Wahlen.

II. Rechtslage

1. Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen der NÖ Gemeinderatswahlordnung 1994 (NÖ GRWO 1994), LGBl 0350-0 idF LGBl 72/2019, lauten – auszugsweise – wie folgt:

"5. Abschnitt

Wahlwerbung

§29

Wahlvorschläge

(1) Wählergruppen, die sich an der Wahlwerbung beteiligen wollen (Wahlparteien), müssen ihre Wahlvorschläge spätestens um 12.00 Uhr des 39.Tages vor dem Wahltag ausschließlich im Original und ausschließlich in schriftlicher Form im Gemeindeamt einbringen. Das Datum und die Uhrzeit des Einlangens muß auf dem Wahlvorschlag vermerkt werden.

(2) Ein Wahlvorschlag muß enthalten:

a) eine unterscheidende Parteibezeichnung, die – einschließlich einer allfälligen Kurzbezeichnung – nicht mehr als sechs Worte umfassen darf; eine Kurzbezeichnung darf höchstens sechs alphanumerische Schriftzeichen der deutschen Sprache umfassen und gilt stets als ein Wort, auch wenn sie kein Wort ergibt,

b) die Liste der Wahlwerber; d.i. ein Verzeichnis von höchstens doppelt sovielen Bewerbern, als Gemeinderäte zu wählen sind, in mit arabischen Ziffern bezeichneter Reihenfolge. Die Bewerber müssen unter Angabe des Familiennamens, Vornamens, Geburtsdatums, Geburtsortes, Berufes und der Adresse sowie der Staatsangehörigkeit angegeben werden,

c) die Zustimmung der Wahlwerber zur Aufnahme in den Wahlvorschlag und deren Erklärung, sich nicht auf einem Wahlvorschlag einer anderen Wahlpartei in der Gemeinde um das Amt eines Gemeinderates zu bewerben,

d) die Bezeichnung eines zustellungsbevollmächtigten Vertreters und dessen Stellvertreters. Dieser ist Vertreter der Wahlpartei im Verkehr mit den Behörden und

e) in Gemeinden mit mehr als 1.000 Einwohnern die Unterstützung von mindestens zehn aktiv Wahlberechtigten der betreffenden Gemeinde, in Gemeinden mit mehr als 2.000 Einwohnern von soviel, als der Zahl der in den Gemeinderat zu wählenden Gemeinderatsmitglieder, und in Gemeinden mit mehr als 10.000 Einwohnern, als der doppelten Zahl der in den Gemeinderat zu wählenden Gemeinderatsmitglieder entspricht. Für die Einwohnergrenzen ist jeweils die am Tag der Wahlausschreibung vorausgegangene Volkszählung maßgeblich. Wahlwerber, die ihre Zustimmung zur Aufnahme in den Wahlvorschlag erklärt haben, werden in die Zahl eingerechnet. Jene Wahlparteien, die im zuletzt gewählten Gemeinderat vertreten waren, bedürfen keiner Unterstützungserklärungen. Gleiches gilt, wenn der Zustellungsbevollmächtigte einer Wahlpartei, die im zuletzt gewählten Gemeinderat vertreten war, der Gemeindewahlbehörde gegenüber schriftlich erklärt hat, daß diese Wahlpartei lediglich ihre Parteibezeichnung geändert hat, ansonsten aber Identität der Wahlpartei vorliegt.

(3) Die Unterstützer dürfen in einer Gemeinde nur eine Unterstützungserklärung für eine Wahlpartei leisten. Die Unterstützungserklärung, die ausschließlich in schriftlicher Form geleistet werden darf, muß die Aussage enthalten, daß der Unterstützer keine andere Wahlpartei in dieser Gemeinde unterstützt.

(4) Einzelne Unterstützungserklärungen dürfen nur bis zum Einlangen des Wahlvorschlages im Gemeindeamt zurückgezogen werden.

(5) Die Wahlbehörden sind zur Geheimhaltung der Unterstützungserklärungen nicht verpflichtet.

(6) Die Wahlvorschläge müssen der Verordnung der Landesregierung über die Gestaltung von Drucksorten zur Vollziehung dieses Gesetzes entsprechen.

[…]

§32

Prüfung und Verbesserung der Wahlvorschläge

(1) Die Gemeindewahlbehörde muß die Wahlvorschläge daraufhin überprüfen, ob sie den Voraussetzungen des § 29 Abs 2 entsprechen und die vorgeschlagenen Wahlwerber das passive Wahlrecht haben.

(2) Wenn der Wahlvorschlag

a) verspätet überreicht wird,

b) nicht im Original oder in schriftlicher Form überreicht wird,

c) keinen einzigen Wahlwerber enthält,

d) nicht die Zustimmung wenigstens eines Wahlwerbers zur Aufnahme in den Wahlvorschlag enthält oder

e) nicht über die notwendigen Unterstützungserklärungen verfügt,

unterbleibt die Zurückstellung zur Verbesserung und er ist als unzulässig zurückzuweisen. Liegen andere Mängel vor, ist der Wahlvorschlag sofort zur Behebung der Mängel innerhalb einer Frist von drei Tagen zurückzustellen. Wenn der Mangel nicht fristgerecht behoben wird, muß die Wahlbehörde von Amts wegen gemäß den § 30 und 31 vorgehen bzw die Parteiliste richtigstellen und erforderlichenfalls Namen von Wahlwerbern streichen.

[(3)-(4)…]

[…]

10. Abschnitt

Wahlanfechtung

§56

Anfechtung der Wahl

Das Wahlergebnis kann von den zustellungsbevollmächtigten Vertretern der Wahlparteien, die einen Wahlvorschlag erstattet haben, und von jedem Wahlwerber, der behauptet, in seinem passiven Wahlrecht verletzt worden zu sein, durch Beschwerde angefochten werden. Die Anfechtung kann wegen behaupteter Unrichtigkeit der Ermittlung des Wahlergebnisses oder wegen angeblich gesetzwidriger Vorgänge im Wahlverfahren erfolgen.

§57

Verfahren

Die Beschwerde muß schriftlich binnen zwei Wochen ab dem ersten Tag der Kundmachung des Wahlergebnisses bei der Gemeinde eingebracht werden. Die Beschwerde muß einen begründeten Antrag auf Nichtigerklärung des Wahlverfahrens oder eines Teiles davon enthalten. Der Vorsitzende der Gemeindewahlbehörde muß die Beschwerde innerhalb von drei Tagen samt den Wahlakten der Landes-Hauptwahlbehörde zur Entscheidung vorlegen."

2. Die maßgebliche Bestimmung sowie das Muster 6 der Anlage der Verordnung über die Gestaltung der Drucksorten zur Vollziehung der NÖ Gemeinderatswahlordnung 1994, LGBl 0350/2-0 idF LGBl 77/2019, lauten wie folgt:

"§1

Zur Vollziehung der NÖ Gemeinderatswahlordnung 1994 (NÖ GRWO 1994), LGBl 0350, müssen die in der Anlage enthaltenen Muster verwendet werden. Die Zustimmungserklärung gemäß Muster 6 der Anlage ist jedoch auch in Form einer Liste, in die die Namen mehrerer wahlwerbender Personen mit ihren Unterschriften eingetragen werden, darstellbar."

[…]

F 6

(§29 NÖ GRWO 1994)

An die Gemeindewahlbehörde der Gemeinde ………………………………………….

Gemäß § 29 der NÖ Gemeinderatswahlordnung 1994, LGBl 0350, wird folgender

WAHLVORSCHLAG

für die Wahl des Gemeinderates der

Gemeinde ………………………………………….. am …………………….………………

vorgelegt.

I.

Unterscheidende Parteibezeichnung und allfällige Kurzbezeichnung

Unterscheidende Parteibezeichnung1): ………………………………………………………………………….……

allfällige Kurzbezeichnung2): ……………..

1) Die unterscheidende Parteibezeichnung darf einschließlich einer allfälligen Kurzbezeichnung nicht mehr als sechs Worte umfassen.

2) Die Kurzbezeichnung darf höchstens sechs alphanumerische Schriftzeichen der deutschen Sprache umfassen und gilt stets als ein Wort.

II.

Parteiliste der

Wahlpartei: …………………………………………

Reihenfolge:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
1
Vorname:
Familienname:
Geb. Ort:
Geb. Datum:
Adresse:
Beruf:
Staatsang.:
2
Vorname:
Familienname:
Geb. Ort:
Geb. Datum:
Adresse:
Beruf:
Staatsang.:
3
Vorname:
Familienname:
Geb. Ort:
Geb. Datum:
Adresse:
Beruf:
Staatsang.:

usw

III.

Bezeichnung des/der zustellungsbevollmächtigten

Vertreters/Vertreterin und des/der Stellvertreters/Stellvertreterin:

A. Zustellungsbevollmächtigte/r Vertreter/in:

Name: ……………………………….……………………………

Geburtsjahr: ………………

Beruf: ……………………………………………….……………..

Adresse: ………………………………………….……………….

B. Stellvertreter/in des/der zustellungsbevollmächtigten Vertreters/Vertreterin:

Name: ………………………………………………………….….

Geburtsjahr: ………………

Beruf: ……………………..………………………….……….……

Adresse: ……………………………………………….……….….

Der/Die zustellungsbevollmächtigte Vertreter/in:

………………………………………………..

Unterschrift

Aktenvermerk der Gemeinde:

Der Wahlvorschlag ist am ……………………. um ………. Uhr bei der Gemeinde eingelangt.

Zl: …………………

Amtssiegel

…………………………………………………………..

Unterschrift des/der Übernehmenden

ZUSTIMMUNGSERKLÄRUNG

Ich/Wir stimme/stimmen der Aufnahme in den Wahlvorschlag der Wahlpartei ………………………………….…................. zu und erkläre/erklären, mich/sich nicht auf dem Wahlvorschlag einer anderen Wahlpartei in der Gemeinde um das Amt eines Gemeinderatsmitgliedes zu bewerben:

Vor- und Familienname: ……………………….…………………………

Unterschrift: …………………………………………….……"

III. Erwägungen

1. Zur Zulässigkeit

1.1. Gemäß Art 141 Abs 1 lita B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof unter anderem über die Anfechtung von Wahlen zu den allgemeinen Vertretungskörpern, somit auch über die Anfechtung von Wahlen zum Gemeinderat (vgl VfSlg 19.245/2010, 19.247/2010, 20.043/2016, 20.044/2016, 20.139/2017). Nach Art 141 Abs 1 zweiter Satz B-VG kann eine solche Anfechtung auf die behauptete Rechtswidrigkeit des Verfahrens gegründet werden.

1.2. Nach § 67 Abs 2 zweiter Satz VfGG sind zur Anfechtung der Wahl grundsätzlich jene Wählergruppen berechtigt, die bei der Wahlbehörde rechtzeitig Wahlvorschläge für die angefochtene Wahl vorgelegt haben, und zwar durch ihren zustellungsbevollmächtigten Vertreter. Weiters kann eine Wahlanfechtung nach § 67 Abs 2 letzter Satz VfGG auch der Wahlwerber einbringen, der behauptet, dass ihm die Wählbarkeit im Wahlverfahren rechtswidrig aberkannt wurde.

1.3. Hinsichtlich des Wahlvorschlages nimmt der Verfassungsgerichtshof seit dem Erkenntnis VfSlg 4992/1965 in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt ein, dass die Anfechtungslegitimation, jedenfalls soweit die Frage der Gültigkeit des eingereichten Wahlvorschlages das Ergebnis der Wahlanfechtung mitbestimmt, nicht zusätzlich davon abhängt, ob dieser Wahlvorschlag rechtswirksam erstattet wurde (zB VfSlg 7387/1974, 10.217/1984, 18.932/2009, 20.024/2015). Wie den Wahlakten zu entnehmen ist, wurde ein – wenn auch in weiterer Folge von der Wahlbehörde zurückgewiesener – Wahlvorschlag eingereicht.

1.4. Der Anfechtungswerber begründet seine Anfechtungslegitimation unter anderem auch damit, dass ihm die Wählbarkeit rechtswidrig aberkannt wurde. Der Verfassungsgerichtshof hat in VfSlg 6739/1972 ausgesprochen, dass unter Aberkennung der Wählbarkeit nur solche Maßnahmen zu verstehen sind, durch die der Wahlwerber davon ausgeschlossen wird, gewählt zu werden; andere Maßnahmen im Verlaufe des Wahlverfahrens, mögen sie auch auf die Wahl und die durch diese bedingte Position des Wahlwerbers von Einfluss sein, haben keinen Einfluss auf die Wählbarkeit. Unter Aberkennung der Wählbarkeit ist demgemäß insbesondere auch die Nichtzulassung zur Wahl aus in der Person des Wahlwerbers gelegenen Gründen zu verstehen, nicht hingegen die Zurückweisung eines Wahlvorschlages aus anderen Gründen (vgl auch VfSlg 18.552/2008, 19.021/2010, 19.278/2010, 20.006/2015).

Da der Anfechtungswerber auf der Parteiliste des Wahlvorschlages aufscheint und der Wahlvorschlag wegen seiner mangelnden Zustimmungserklärung als Wahlwerber gemäß § 32 Abs 2 litd NÖ GRWO 1994 zurückgewiesen wurde, steht die Zurückweisung des Wahlvorschlages auch mit der Person des Anfechtungswerbers in Zusammenhang; ihm wurde durch die Zurückweisung des Wahlvorschlages die Wählbarkeit aberkannt (vgl in diesem Zusammenhang VfSlg 19.021/2010, 19.782/2013). Der Wahlwerber ist daher zur Anfechtung legitimiert.

1.5. Nach § 68 Abs 1 VfGG ist die Wahlanfechtung – soweit das in Betracht kommende Gesetz nicht anderes bestimmt – binnen vier Wochen nach Beendigung des Wahlverfahrens oder, wenn sie auf die Rechtswidrigkeit eines Bescheides oder einer Entscheidung einer Verwaltungsbehörde oder eines Erkenntnisses oder Beschlusses eines Verwaltungsgerichtes gegründet wird, binnen vier Wochen nach Zustellung einzubringen.

1.6. Gemäß § 56 NÖ GRWO 1994 ist ein Instanzenzug eingerichtet; das Wahlergebnis kann von den zustellungsbevollmächtigten Vertretern der Wahlparteien binnen zwei Wochen ab Kundmachung des Wahlergebnisses durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei der Gemeinde einzubringen, die sie der Landes-Hauptwahlbehörde vorzulegen hat. Die Wahlanfechtung kann erst nach Erschöpfung dieses Instanzenzuges beim Verfassungsgerichtshof eingebracht werden. Maßgeblich für den Beginn der Anfechtungsfrist ist daher die Zustellung des Bescheides der Landes-Hauptwahlbehörde. Die Landes-Hauptwahlbehörde hat der Beschwerde mit Bescheid vom nicht stattgegeben. Die am eingebrachte Anfechtung ist daher jedenfalls rechtzeitig.

1.7. Da auch die übrigen Prozessvoraussetzungen erfüllt sind, ist die Anfechtung der Wahl der Mitglieder des Gemeinderates der Stadtgemeinde Marchegg vom zulässig.

2. In der Sache

2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat ein Wahlverfahren nur in den Grenzen der von der anfechtungswerbenden Partei in der Anfechtungsschrift behaupteten Rechtswidrigkeiten nachzuprüfen. Es ist ihm hingegen verwehrt, die Rechtmäßigkeit des Wahlverfahrens darüber hinaus von Amts wegen einer weiteren Überprüfung zu unterziehen (vgl VfSlg 20.067/2016, 20.071/2016, 20.242/2018, 20.259/2018).

2.2. Der Anfechtungswerber sieht die Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens darin begründet, dass der Wahlvorschlag zu Unrecht zurückgewiesen worden sei. Der Wahlvorschlag sei ohne Verbesserungsauftrag zurückgewiesen worden, weil er nicht gemäß § 32 Abs 2 litd NÖ GRWO 1994 die Zustimmung wenigstens eines Wahlwerbers zur Aufnahme in den Wahlvorschlag enthalten habe. Da der Wahlvorschlag jedoch vom erstgenannten Wahlwerber und zustellungsbevollmächtigten Vertreter unterschrieben worden sei, habe dieser damit seiner Aufnahme in den Wahlvorschlag zugestimmt. Es hätte daher ein Verbesserungsauftrag ergehen müssen. Sofern § 32 Abs 2 litd NÖ GRWO 1994 so auszulegen sei, dass seine Unterschrift nicht als Zustimmung zu werten sei, sei die Bestimmung verfassungswidrig.

2.3. Gemäß § 29 Abs 2 litc NÖ GRWO 1994 muss ein Wahlvorschlag die Zustimmung der Wahlwerber zur Aufnahme in den Wahlvorschlag und deren Erklärung enthalten, sich nicht auf einem Wahlvorschlag einer anderen Wahlpartei in der Gemeinde um das Amt eines Gemeinderates zu bewerben. Nach § 32 Abs 2 litd NÖ GRWO 1994 unterbleibt die Zurückstellung zur Verbesserung und ist der Wahlvorschlag als unzulässig zurückzuweisen, wenn er nicht die Zustimmung wenigstens eines Wahlwerbers zur Aufnahme in den Wahlvorschlag enthält. Liegen andere Mängel vor, ist der Wahlvorschlag sofort zur Behebung der Mängel innerhalb einer Frist von drei Tagen zurückzustellen.

Die Wahlvorschläge müssen gemäß § 29 Abs 6 NÖ GRWO 1994 der Verordnung über die Gestaltung von Drucksorten zur Vollziehung der NÖ GRWO 1994 entsprechen. Nach § 1 dieser Verordnung müssen zur Vollziehung der NÖ GRWO 1994 die in der Anlage der Verordnung enthaltenen Muster verwendet werden. Die Zustimmungserklärung gemäß Muster 6 der Anlage ist jedoch auch in Form einer Liste, in die die Namen mehrerer wahlwerbender Personen mit ihren Unterschriften eingetragen werden, darstellbar.

Beim Muster 6 der Anlage der Verordnung über die Gestaltung von Drucksorten zur Vollziehung der NÖ GRWO 1994 handelt es sich um das Muster für Wahlvorschläge. Der Wahlvorschlag gliedert sich nach diesem Muster in die drei Punkte "I. Unterscheidende Parteibezeichnung und allfällige Kurzbezeichnung", "II. Parteiliste der Wahlpartei", "III. Bezeichnung des/der zustellungsbevollmächtigten Vertreters/Vertreterin und des/der Stellvertreters/Stellvertreterin" sowie die Zustimmungserklärung auf der letzten Seite. Die ersten drei Punkte sind bei dem von der "Sozialdemokratischen Partei Österreich – SPÖ" eingebrachten Wahlvorschlag enthalten, die Seite mit der Zustimmungserklärung fehlt. Die einzige Unterschrift des zustellungsbevollmächtigten Vertreters sowie gleichzeitig erstgenannten Wahlwerbers befindet sich unter dem Punkt "III. Bezeichnung des/der zustellungsbevollmächtigten Vertreters/Vertreterin und des/der Stellvertreters/Stellvertreterin" an der Stelle, an der "Der/Die zustellungsbevollmächtigte Vertreter/in" zu unterschreiben hat.

2.4. Zu den Bedenken des Anfechtungswerbers in Bezug auf § 32 Abs 2 litd NÖ GRWO 1994 ist festzuhalten, dass es nicht in Widerspruch zu den Wahlgrundsätzen steht, wenn grundsätzlich ein gültiger Wahlvorschlag eingebracht werden muss, der gewisse gesetzlich festgelegte Mindestanforderungen zu erfüllen hat, um überhaupt verbesserungsfähig zu sein. Die in § 29 Abs 2 litc iVm § 32 Abs 2 litd NÖ GRWO 1994 ua enthaltene Anordnung, dass der Wahlvorschlag die Zustimmung des Wahlwerbers enthalten muss, soll sicherstellen, dass zum einen der in der Parteiliste aufscheinende Wahlwerber mit seiner Unterschrift erklärt, mit der Nominierung als Wahlwerber einverstanden zu sein, und dass zum anderen nur solche Wahlwerber zur Wahl zugelassen werden, die grundsätzlich bereit sind, die Funktion auch auszuüben.

Der Verfassungsgerichtshof würde eine solche Zustimmung – selbst ohne ausdrückliche gesetzliche Anordnung – für erforderlich erachten, so dass die Aufnahme eines auch das passive Wahlrecht besitzenden Wahlberechtigten in einen Wahlvorschlag ohne sein Wissen und eventuell auch gegen seinen Willen tatsächlich eine Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens bedeuten und daher zur Aufhebung des Wahlverfahrens führen kann. Denn die Nominierung eines Kandidaten auf einer bestimmten Parteiliste ohne seine Zustimmung oder gar gegen seinen erklärten Willen widerspräche dem Grundsatz der Freiheit der politischen Willensbildung und Betätigung sowie dem Postulat der Reinheit der Wahlen (VfSlg 2037/1950, 11.732/1988).

Dass nicht von sämtlichen Wahlwerbern, sondern lediglich von einem Wahlwerber die Zustimmung für einen verbesserungsfähigen Wahlvorschlag erforderlich ist, erklärt sich dadurch, dass bereits ein einziger Wahlwerber für einen gültigen Wahlvorschlag ausreichend ist. § 29 Abs 2 litb NÖ GRWO 1994 legt nämlich nur fest, dass es sich bei der Liste der Wahlwerber um "ein Verzeichnis von höchstens doppelt sovielen Bewerbern, als Gemeinderäte zu wählen sind", handeln muss; eine Mindestanzahl ist nicht vorgesehen. Auch § 32 Abs 2 litc NÖ GRWO 1994 verlangt für das Vorliegen eines verbesserungsfähigen Wahlvorschlages nur, dass dieser zumindest einen Wahlwerber enthält. Somit liegt im Hinblick auf die Zustimmungserklärungen jedenfalls ein gültiger Wahlvorschlag vor, wenn wenigstens ein Wahlwerber seine Zustimmung erteilt hat, auch wenn von den weiteren Wahlwerbern die Zustimmungserklärungen fehlen (und allenfalls auch nicht nach einem Verbesserungsauftrag beigebracht werden können). Es bestehen daher keine Bedenken dagegen, wenn der Gesetzgeber als Voraussetzung für die Verbesserungsfähigkeit eines Wahlvorschlages das Vorliegen von zumindest einer Zustimmung von einem der im Wahlvorschlag genannten Wahlwerber für erforderlich erachtet.

2.5. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes – vor dem Hintergrund der aus dem demokratischen Grundprinzip der Bundesverfassung abzuleitenden notwendigen Eindeutigkeit wahlrechtlicher Regelungen (VfSlg 17.141/2004, 19.847/2014) – sind Formalvorschriften der Wahlordnungen strikt nach ihrem Wortlaut auszulegen, soll nicht der Willkür Tür und Tor geöffnet werden. Die Wahlbehörden sind durch die Formalvorschriften der Wahlordnungen streng gebunden (zB VfSlg 1904/1950, 6750/1972, 8848/1980, 15.375/1998, 17.141/2004, 19.734/2013, 19.847/2014, 20.019/2015).

2.6. Der Anfechtungswerber begründet seine Anfechtung damit, dass er als Wahlwerber seine Zustimmung zur Aufnahme in den Wahlvorschlag implizit durch seine Unterschrift an einer anderen Stelle des Wahlvorschlages erteilt habe. Dem ist entgegenzusetzen, dass diese Form der Zustimmungserklärung weder in der NÖ GRWO 1994 noch in der Verordnung über die Gestaltung der Drucksorten zur Vollziehung der NÖ GRWO 1994 vorgesehen ist. Gemäß § 1 dieser Verordnung müssen die in der Anlage enthaltenen Muster verwendet werden; die Zustimmungserklärung gemäß Muster 6 der Anlage ist auch in Form einer Liste, in die die Namen mehrerer wahlwerbender Personen mit ihren Unterschriften eingetragen werden, darstellbar. Eine dementsprechende Zustimmungserklärung liegt hier nicht vor. Es wurde ausschließlich unter dem Punkt "III. Bezeichnung des/der zustellungsbevollmächtigten Vertreters/Vertreterin und des/der Stellvertreters/Stellvertreterin" eine Unterschrift gesetzt. Die Unterschrift des zustellungsbevollmächtigten Vertreters an dieser Stelle kann aber auf Grund des Wortlautes nicht als Zustimmungserklärung eines Wahlwerbers "gemäß Muster 6 der Anlage" gewertet werden, zumal es sich nach der NÖ GRWO 1994 bei einem zustellungsbevollmächtigten Vertreter nicht zugleich um einen Wahlwerber handeln muss. Die Unterschrift unter Punkt III. als zustellungsbevollmächtigter Vertreter kann daher schon deshalb nicht als Zustimmungserklärung eines Wahlwerbers gewertet werden.

Da das Gesetz ausdrücklich eine Zustimmungserklärung und diese in einer bestimmten Form verlangt, geht die Argumentation des Anfechtungswerbers ins Leere. Wenn die Wahlrechtsbestimmungen ausdrücklich eine bestimmte Form der Zustimmungserklärung vorsehen, ist diese an jener Stelle zu leisten, an der sie vorgesehen ist. Eine Unterschrift an einer anderen Stelle des Wahlvorschlages oder als zustellungsbevollmächtigter Vertreter unter dem Punkt "III. Bezeichnung des/der zustellungsbevollmächtigten Vertreters/Vertreterin und des/der Stellvertreters/Stellvertreterin" erfüllt die gesetzlichen Erfordernisse nicht. Die Gemeindewahlbehörde und die Landes-Hauptwahlbehörde sind somit zu Recht davon ausgegangen, dass der Wahlvorschlag gemäß § 32 Abs 2 litd NÖ GRWO 1994 ohne Verbesserungsauftrag zurückzuweisen war.

2.7. Die Anfechtung der Gemeinderatswahl der Stadtgemeinde Marchegg vom erweist sich somit als unbegründet.

IV. Ergebnis

1. Der Anfechtung ist nicht stattzugeben.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
ECLI:
ECLI:AT:VFGH:2020:WI3.2020
Schlagworte:
VfGH / Wahlanfechtung, Wahlen, Gemeinderat, Wahlvorschlag, Wahlbehörden, Zustellungsbevollmächtigter, Wahlrecht passives, VfGH / Legitimation

Dieses Dokument entstammt dem Rechtsinformationssystem des Bundes.