VfGH vom 23.11.2015, WI3/2015
Leitsatz
Stattgabe der Anfechtung der Stichwahl des Bürgermeisters der Gemeinde Bludenz wegen unzulässiger Ausstellung von Wahlkarten auf Grund rechtswidriger Anträge mangels persönlicher Beantragung durch den jeweiligen Wahlberechtigten
Spruch
Der Anfechtung wird stattgegeben.
Das Verfahren zum zweiten Wahlgang für die Wahl des Bürgermeisters der Gemeinde Bludenz am wird aufgehoben.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt, Anfechtung und Vorverfahren
1. Am fanden die mit Verordnung der Vorarlberger Landesregierung, LGBl 68/2014, ausgeschriebenen Wahlen in die Gemeindevertretung und des Bürgermeisters aller Gemeinden des Landes, darunter der Gemeinde Bludenz, statt.
2. Da bei den Wahlen in die Gemeindevertretung der Gemeinde Bludenz mehrere Parteien mindestens ein Gemeindevertretungsmandat erhielten und keiner der Wahlwerber dieser Parteien für das Amt des Bürgermeisters mehr als die Hälfte der abgegebenen gültigen Stimmen erreichen konnte, fand zwischen jenen beiden Wahlwerbern für das Amt des Bürgermeisters, auf die die meisten gültigen Stimmen entfielen, ein zweiter Wahlgang (Stichwahl) gemäß § 51 Vbg. Gemeindewahlgesetz (Vbg. GWG) am statt. Diese beiden Wahlwerber waren der von der Wählergruppe "Bürgermeister Mandi Katzenmayer – Bludenzer Volkspartei" vorgeschlagene Josef Katzenmayer und der von der Wählergruppe "Liste Mario Leiter – Unabhängige – SPÖ Bludenz" vorgeschlagene Mario Leiter.
3. Am wurde von der Gemeindewahlbehörde durch Anschlag an der Amtstafel veröffentlicht, dass auf Grund des Ergebnisses des zweiten Wahlganges der Wahlwerber Josef Katzenmayer zum Bürgermeister der Gemeinde Bludenz gewählt wurde (vgl. § 58 iVm § 49 Abs 3 und 5 Vbg. GWG). Aus der Niederschrift über die Feststellung des Gemeindewahlergebnisses ergibt sich, dass bei dem zweiten Wahlgang insgesamt 6.557 gültige Stimmen abgegeben wurden, 53 Stimmen wurden als ungültig gewertet. Von den gültigen Stimmen entfielen
auf Josef Katzenmayer 3.292 Stimmen und
auf Mario Leiter 3.265 Stimmen.
4. Mit ihrer am eingebrachten, auf Art 141 B VG gestützten Anfechtung begehrt die Wählergruppe "Liste Mario Leiter – Unabhängige – SPÖ Bludenz" (anfechtungswerbende Partei), vertreten durch ihren Zustellungsbevollmächtigten, die Nichtigerklärung und Aufhebung des "Verfahren[s] zur Stichwahl des Bürgermeisters der Stadt Bludenz am ".
Begründend macht die anfechtungswerbende Partei insbesondere Verstöße gegen die Grundsätze der freien und geheimen Wahl und das Gebot, dass der Wähler den Stimmzettel unbeobachtet und unbeeinflusst auszufüllen hat (unter Hinweis auf § 37a Abs 2 sowie § 40 Vbg. GWG), Rechtswidrigkeiten im Zusammenhang mit der Beantragung, Ausstellung und Rückgabe der Wahlkarten bzw. der diesbezüglichen Dokumentation sowie im Zusammenhang mit der Verwahrung der Wahlkarten nach ihrer Rückgabe und mit ihrer Auswertung, das rechtswidrige Unterlassen einer auffälligen Anmerkung der Ausstellung einer Wahlkarte im Wählerverzeichnis in mehreren Fällen (unter Hinweis auf § 5 Abs 5 Vbg. GWG), Verstöße gegen das Recht der anfechtungswerbenden Partei auf Überprüfung der Ordnungsmäßigkeit der Wahl sowie eine rechtswidrige Gestaltung der amtlichen Stimmzettel geltend. Hinsichtlich der behaupteten Rechtswidrigkeiten im Zusammenhang mit der Beantragung, Ausstellung und Rückgabe der Wahlkarten führt die anfechtungswerbende Partei wörtlich – auszugsweise – Folgendes aus:
"IV. Behauptete Rechtswidrigkeiten
[…]
1.2 Verstöße gegen § 5 Abs 4 (Wahlkarten):
a) Fehlende persönliche Ansuchen der Wahlberechtigten:
Für die Ausstellung einer Wahlkarte sind laut Gemeindewahlgesetz 1999 ein persönliches Ansuchen (schriftlich oder mündlich) des Wahlberechtigten, die Angabe eines gesetzlichen Verhinderungsgrundes sowie der Nachweis der Identität erforderlich.
Diesen Anforderungen wurde bei der gegenständlichen Stichwahl in zumindest 67 Fällen, bei denen Wahlkartenanträge per Vollmacht und nicht persönlich vom Wahlberechtigten gestellt wurden, zuwidergehandelt […].
Die von Bürgermeister Josef Katzenmayer mit der Wahlkartenausgabe beauftragte Beamtin […] folgte in zumindest 63 Fällen ÖVP-Funktionären über deren beliebige Anforderung und unter völliger Missachtung aller gesetzlichen Regeln Wahlkarten aus (s. Protokolle über die Sitzungen der Gemeindewahlbehörde vom 26./27. und […]). Den Wahlkartenanforderungen der Parteifunktionäre lagen nur teilweise Wahlkartenwünsche von Wählern zu Grunde. ln vielen Fällen besorgten sich die Parteifunktionäre die Wahlkarten bei der Beamtin ohne Wissen der Wähler und boten sie diesen dann anlässlich der Wahlkampf-Hausbesuche unverlangt an […].
Es kam sogar vor, dass die Funktionäre/Wahlwerber der ÖVP Wahlkarten nicht den Wahlberechtigten selbst, sondern Dritten – zB dem Personalbüro einer großen Firma in Bludenz oder Stationsmitarbeitern des B. Sz. – ausfolgten […]. Diese wiederum boten den Mitarbeitern und deren Angehörigen bzw. den Bewohnern […] Wahlkarten an.
Beim LKH B. wurden die Patienten offenbar mit Aushängen auf allen Stationen auf die Möglichkeit hingewiesen, Wahlkartenbestellungen zu tätigen […]. Es erfolgten dann laufend Wahlkartenbestellungen über die Betriebsrätin […] bei der zuständigen Beamtin […]. Die Wahlkarten wurden von einem Boten des LKH B. bei der Beamtin abgeholt oder diese gab sie beim Portier des Krankenhauses ab. Die Beamtin ersuchte die Betriebsrätin sogar ausdrücklich, die Bludenzer Bediensteten des Krankenhauses doch zu fragen, 'ob sie auch eine Wahlkarte möchten'. Sie diente die Ausfolgung von Wahlkarten den Bediensteten des Krankenhauses und den Patienten also geradezu an.
Ob die angeforderten Wahlkarten jemals zu den Patienten gelangt sind bzw. von diesen ausgefüllte Wahlkarten jemals zur Gemeindewahlbehörde, oder ob diese allenfalls in dritte Hände gelangten und von anderen Personen verwendet wurden, ist nicht erwiesen, aber jedenfalls nicht auszuschließen.
Auch über bloßes telefonisches Ansuchen von Wahlberechtigten […] wurden rechtswidrig Wahlkarten ausgegeben.
Zu § 39 Abs 1 NÖ GRWO 1994, der die Ausstellung von Wahlkarten regelt, hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, dass das Ansuchen um Ausstellung einer Wahlkarte durch eine dritte Person, sei sie bevollmächtigt oder nicht, nicht vorgesehen und damit rechtswidrig ist (WI-5/10 vom , Wahlanfechtung Altmelon).
Telefonische Ansuchen um Ausstellung einer Wahlkarte hat der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis WI-3/10-11 vom (Wahlanfechtung Lienz) als unzulässig erklärt, da dabei die Identität des Anrufers nicht überprüft und sohin nicht ausgeschlossen werden könne, dass die Wahlkarte durch eine andere Person benutzt wird oder die Person, auf deren Namen die Wahlkarte bestellt wird, durch die Nichtausfolgung von ihrem Wahlrecht ausgeschlossen wird.
ln beiden Erkenntnissen betonte der Verfassungsgerichtshof, dass die Bestimmungen der Wahlordnungen die Wahlkartenausstellung abschließend regeln. Ansuchen um Ausstellung einer Wahlkarte durch eine dritte Person, sei es mit oder ohne Vollmacht, sowie telefonische Ansuchen seien daher nicht zulässig.
Der im gegenständlichen Fall auf das Ansuchen um Ausstellung einer Wahlkarte anzuwendende § 5 Gemeindewahlgesetz 1999 ist mit den entsprechenden Regelungen im NÖ GRWO 1994 und der TGWO 1994 völlig ident.
Auch nach dem Vorarlberger Gemeindewahlgesetz ist daher ein Ansuchen um Ausstellung einer Wahlkarte durch eine dritte Person, sei sie bevollmächtigt oder nicht, nicht möglich. Nur der Wahlberechtigte selbst kann um eine Wahlkarte ansuchen, sei es durch Vorsprache bei der Gemeindewahlbehörde oder auf schriftlichem Weg. Ebenso sind daher telefonische Ansuchen um Ausstellung einer Wahlkarte ausgeschlossen.
Eine Stellvertretung wird vom Gesetz nur bei der Abholung einer Wahlkarte – um die der Wahlberechtigte selbst zuvor angesucht hatte – nicht aber bei der Stellung des Ansuchens selbst (§5 Abs 7 iVm Abs 4[…]) gestattet.
Es waren sohin alle oben dargestellten Wahlkartenansuchen, seien sie über ÖVP-Funktionäre, das Personalbüro einer großen Firma in Bludenz, Stationsmitarbeiter des B. Sz. oder über Mitarbeiter des LKH B. oder sonstige dritte Personen erfolgt, rechtswidrig. Das Gleiche gilt für telefonische Ansuchen um Wahlkartenausstellung. Diese wurden in der 'Statistik Wahlkartenanträge' von der Beamtin bemerkenswerterweise nicht ersichtlich gemacht.
b) Gesetzwidrige Übergabe (Ausfolgung) der von dritten angesuchten Wahlkarten an die Wahlberechtigten:
Nach dem Gemeindewahlgesetz (§5 Abs 7 iVm Abs 4 Satz 2) ist die von der Behörde ausgestellte Wahlkarte dem Wähler oder einer von ihm bevollmächtigten Person zu übergeben.
Bei der Ausfolgung einer – zuvor vom Wähler angesuchten und bewilligten – Wahlkarte sieht das Gesetz also ausdrücklich eine Bevollmächtigung einer dritten Person als Empfänger für den Wahlberechtigten vor.
Die Personen, die Wahlkarten für die Wähler entgegengenommen haben (Wahlwerber der ÖVP in 63 Fällen, Personalbüro einer großen Firma in Bludenz, Stationsmitarbeiter des B. Sz., Mitarbeiter des LKH B. und Sonstige)[,] verfügten im Zeitpunkt der Entgegennahme der Wahlkarten von der für deren Ausgabe zuständigen Beamtin über keine Vollmachten der Wähler. Die betroffenen Wähler wussten teils gar nicht, dass für sie überhaupt um Wahlkarten angesucht worden war […].
Die Übergabe der Wahlkarten an diese Personen war daher eindeutig gesetzwidrig. Der Verfassungsgerichtshof hat mit seinem Erkenntnis vom , WI 3/10-11, zum in § 5 Abs 7 GWG 1999 gleichlautenden § 34a Abs 4 TGWO 1994 ausgesprochen, dass diese Norm ausdrücklich vorschreibe, dass eine Übergabe bzw. Übersendung einer Wahlkarte an eine dritte Person nur mit einer entsprechenden Vollmacht zulässig ist. Eine solche Vollmacht muss natürlich in schriftlicher Form vorliegen. Die bloße Behauptung, bevollmächtigt zu sein, genügt nicht.
c) fehlende Angabe eines gesetzlichen Verhinderungsgrundes:
Bei der Wahlkartenausstellung ist es zu weiteren Gesetzwidrigkeiten gekommen.
In vielen Fällen wurde dem Erfordernis (§5 Abs 4) der Angabe eines gesetzlichen Verhinderungsgrundes nicht entsprochen […].
d) fehlende Nachweise der Identität der Wahlberechtigten:
Auch der gesetzlich geforderte Nachweis der Identität des Wahlberechtigten (§5 Abs 4) wurde häufig nicht erbracht […].
e) gesetzwidrige Rückgabe der ausgefüllten Wahlkarten an die Gemeindewahlbehörde:
Zu groben Gesetzwidrigkeiten kam es weiters bei der Rückgabe der von den Wählern ausgefüllten Wahlkarte an die Gemeindewahlbehörde. Diese erfolgte meist über ÖVP-Wahlwerber, Stationsmitarbeiter des Sz., offenbar auch über das Personalbüro der großen Firma in Bludenz sowie Mitarbeiter des LKH B. (§37a Abs 1).
Es wird auf die Ausführungen unten zu Punkt 1.6 verwiesen.
f) Sanierung durch nachträgliche Vollmachten?
Die hier versuchte Sanierung der Gesetzesverstöße durch nachträgliche Vollmachten war wirkungslos. Das Gesetz sieht weder beim Ansuchen um Ausstellung einer Wahlkarte[…] noch bei der Rückgabe der vom Wähler ausgefüllten Wahlkarte eine Stellvertretung vor. Die Mängel beim Ansuchen um eine Wahlkarte und bei deren Rückgabe konnten daher mittels Vollmacht nicht saniert werden.
Nur für die Übergabe einer vorher vom Wähler angesuchten und bewilligten Wahlkarte wäre eine Bevollmächtigung eines Dritten gesetzlich möglich. Diese Vollmacht muss aber schriftlich und zudem im Zeitpunkt der Übergabe vorliegen. Dies war nicht der Fall. Im Übrigen konnten nachträglich ohnehin nicht alle Vollmachten eingeholt werden, teils waren die eingeholten Vollmachten falsch […].
g) Zustellung von Wahlausweisen trotz vorheriger Ausfolgung einer Wahlkarte:
In einigen Fällen ist es weiters vorgekommen, dass Wählern, nachdem sie ihre Wahlkarten ausgefüllt und abgegeben hatten, dennoch Wahlausweise zugestellt […] wurden. Dadurch wurde die Gefahr geschaffen, dass die Wähler zwei Mal wählen.
[…]
1.6 Verstöße gemäß §§33 und 37a Abs 1:
Gemäß §§33 und 37a Abs 1 können Wahlberechtigte, die im Besitz einer Wahlkarte sind, ihr Wahlrecht entweder vor der zuständigen Wahlbehörde oder durch Übermittlung der verschlossenen Wahlkarte an die zuständige Gemeindewahlbehörde (Briefwahl) ausüben.
Im Gesetz ist aber nicht vorgesehen, dass diese Übermittlung der ausgefüllten Wahlkarte an die Gemeindewahlbehörde – also die Stimmabgabe per Wahlkarte! – auch durch dritte Personen erfolgen darf. Daraus ist zu schließen, dass nur der Wahlberechtigte selbst seine Wahlkarte bei der Gemeindewahlbehörde abgeben oder persönlich zur Post geben darf (§37a Abs 1).
Ließe man bei der Stimmabgabe per Wahlkarte eine Bevollmächtigung zu, bedeutete dies eine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung der beiden Stimmabgabeformen, also der Stimmabgabe vor der Wahlkommission einerseits und der Stimmabgabe per Wahlkarte andererseits. Eine solche hat der Gesetzgeber mit Sicherheit nicht beabsichtigt und auch nicht geregelt.
In beiden Fällen hat die Stimmabgabe persönlich durch den Wahlberechtigten, sei es vor der Wahlkommission oder durch die persönliche Übersendung bzw. Überbringung der Wahlkarte an die Gemeindewahlbehörde, zu erfolgen.
Es steht außer Frage, dass der Rückleitung der vom Wahlberechtigten ausgefüllten Wahlkarte an die Gemeindewahlbehörde dieselbe Bedeutung zukommt[…] wie dem vorhergehenden Ansuchen des Wahlberechtigten. Bei diesem Ansuchen ist laut Gesetz und Rechtsprechung eine Stellvertretung ausgeschlossen; dasselbe muss daher auch bei der noch bedeutenderen Stimmabgabe in Form der Rückleitung der ausgefüllten Wahlkarte an die Gemeindewahlbehörde gelten.
Auch gegen diese Bestimmungen wurde in zahlreichen Fällen verstoßen. In den Fällen (S. […], N. […] und K. […]) nahmen die ÖVP-Wahlwerber die ausgefüllten Wahlkarten wieder mit. Im Fall S. […] wurden die fünf Wahlkarten sogar dem Personalchef einer großen Bludenzer Firma übergeben. Beim Sz. übergaben Bewohner ihre ausgefüllte Wahlkarte dem Sekretariat […]. Im LKH B. übergaben Bedienstete und Patienten ihr ausgefüllten Wahlkarten der Betriebsrätin […] bzw. einem Boten des LKH, der sie zur Beamtin […] bei der Stadt Bludenz überbrachte […]. In allen Fällen ist nicht bekannt, ob die ausgefüllten Wahlkarten überhaupt jemals zur Gemeindewahlbehörde gelangten.
[…]
1.11 Verstoß gegen § 53 'Amtlicher Stimmzettel für die Stichwahl':
Nach dieser Bestimmung ist auf dem amtlichen Stimmzettel neben Namen und Geburtsdatum auch der Beruf des Kandidaten bei der Bürgermeister-Stichwahl anzugeben. Gegen diese Bestimmung wurde insoweit verstoßen, als beim amtierenden Bürgermeister Josef Katzenmayer der Beruf 'Bürgermeister' zwei Mal, einmal in Normalschrift und einmal hervorgehoben in Fettdruck, angeführt wurde. Ein solcher mehrfacher und besonders auffälliger Hinweis auf den Beruf des Kandidaten ist im Gesetz nicht vorgesehen.
Mit dieser suggestiven Hervorhebung des 'Bürgermeisters' war offensichtlich eine Beeinflussung der Wähler beabsichtigt ('Amtsbonus'). Es sollte die Amtsautorität des Bürgermeisters herausgestrichen werden.
Eine solche 'Wahlwerbung' ist auf einem amtlichen Stimmzettel unzulässig.
Auf dem amtlichen Stimmzettel hat der Bürgermeister ausschließlich als Amtsperson, und nicht als politischer Repräsentant zu fungieren. Er darf dort auch nicht auf die Stimmberechtigten Einfluss nehmen. Es liegt daher eine Verletzung des Neutralitätsgebotes und des Manipulationsverbotes vor (VfGH Wlll2/2013; VfSlg 19.772).
[…]
3. Zur Rechtslage:
[…]
3.2 Rechtsprechung des VfGH zur Unzulässigkeit des Antrages auf Ausstellung einer Wahlkarte durch eine dritte Person:
Im Erkenntnis vom , WI-5/10 ('Wahlanfechtung Altmelon'), hat der Verfassungsgerichtshof die Frage, ob § 39 Abs 1 NÖ GRWO 1994 ein Ansuchen um Ausstellung einer Wahlkarte durch eine dritte Person, also nicht den Wahlberechtigten selbst, sei es mit oder ohne Vollmacht, erlaubt, klar verneint.
Der Verfassungsgerichtshof begründete seinen die Stellvertretung bei Wahlkartenansuchen ablehnenden Standpunkt im zitierten Erkenntnis damit, dass § 39 Abs 1 NÖ GRWO 1994 abschließend festlege, in welcher Art Wahlkarten ausgestellt werden können. Diese Bestimmung erlaube es nicht, einen Antrag auf Ausstellung einer Wahlkarte durch eine dritte Person zu stellen, gleichgültig, ob diese bevollmächtigt sei oder nicht. Auch ein mündlicher Antrag eines Wählers auf Ausstellung einer Wahlkarte, den er an den Bürgermeister anlässlich eines Wahlkampf-Hausbesuches gerichtet habe, genüge den gesetzlichen Anforderungen nicht.
§39 Abs 1 NÖ GRWO 1994 im Wortlaut:
'(1) Die Ausstellung der Wahlkarte ist bei der Gemeinde bis spätestens am vierten Tag vor dem Wahltag schriftlich oder spätestens am zweiten Tag vor dem Wahltag, bis 12.00 Uhr, mündlich zu beantragen. Jedenfalls bis zum letztgenannten Zeitpunkt kann ein schriftlicher Antrag gestellt werden, wenn eine persönliche Übergabe der Wahlkarte an eine vom Antragsteller bevollmächtigte Person möglich ist . ... '
Der hier relevante § 5 Abs 4 Gemeindewahlgesetz 1999 im Wortlaut:
'(4) Die Wahlkarte ist den Wahlberechtigten vom Bürgermeister ... auszustellen, wenn sie unter Angabe des Grundes spätestens am Mittwoch vor dem Wahltag schriftlich oder spätestens am Freitag vor dem Wahltag, 12.00 Uhr, mündlich darum ansuchen. Ebenfalls bis zum letztgenannten Zeitpunkt kann ein schriftlicher Antrag gestellt werden, wenn eine persönliche Übergabe der Wahlkarte an eine vom Antragsteller bevollmächtigte Person möglich ist. ...'
Diese inhalts- und fast textgleichen Normen können nicht unterschiedlich ausgelegt werden.
Die rechtliche Beurteilung des VfGH zu § 39 Abs 1 NÖ GRWO 1994 muss daher auch für den auf den gegenständlichen Fall anzuwendenden § 5 Abs 4 Gemeindewahlgesetz 1999 gelten.
Damit waren alle in der amtlichen 'Statistik Wahlkarten' […] angeführten 67 Ansuchen um Ausstellung einer Wahlkarte per Vollmacht gesetzwidrig und somit die Wahlkarten und die diesbezüglichen Stimmabgaben ungültig.
Eine Bevollmächtigung ist sowohl in § 39 Abs 1 NÖ GRWO 1994[…] als auch in § 5 Abs 4 Vorarlberger Gemeindewahlgesetz 1999 überhaupt nur für einen einzigen Fall vorgesehen, und zwar für die Übergabe (Ausfolgung) der Wahlkarte, wenn der Wähler selbst zuvor um eine solche angesucht hatte und diese bewilligt wurde.
Der Verfassungsgerichtshof sprach hiezu im Erkenntnis WI3/10-11 vom aus, dass gemäß § 34 Abs 4 TGWO 1994 die Übergabe einer Wahlkarte an eine dritte Person (gemeint: einer Wahlkarte, um die der Wahlberechtigte zuvor angesucht hatte und die bewilligt wurde) nur mit einer entsprechenden Vollmacht zulässig sei. Dieser Norm entspricht § 5 Abs 7 2. Satz Gemeindewahlgesetz 1999 fast wortwörtlich. Auch dort ist vorgesehen, dass die Wahlkarte, um die zuvor vom Wähler angesucht wurde, nur diesem selbst oder einer von ihm bevollmächtigten Person übergeben werden darf.
Weitere Fälle einer Bevollmächtigung im Zuge einer Wahlkartenausstellung oder deren Verwendung sind im Gesetz nicht vorgesehen.
3.3 Weitere Rechtswidrigkeiten bei der Wahlkartenausstellung:
Bei der Ausstellung der 67 Wahlkarten, um die die ÖVP-Funktionäre angesucht hatten und die ÖVP-Kandidaten und sonstigen Unbefugten übergeben wurden, ist es zu weiteren Gesetzwidrigkeiten gekommen (fehlende Angabe eines gesetzlichen Verhinderungsgrundes und fehlende Nachweise der Identität des Ansuchenden).
Es wird auf Punkt IV. 1.2 litb) verwiesen.
Eine weitere Rechtswidrigkeit ist darin gelegen, dass die Wahlkartenausstellungen amtlich nicht dokumentiert wurden und damit im Nachhinein weitgehend unüberprüfbar sind. Der Verfassungsgerichtshof ( WI 5/10) fordert ausdrücklich eine Dokumentation hinsichtlich eines jeden Ansuchens um Wahlkartenausstellung.
3.4 Gesetzliche Grundlagen (GWG 1999) zur Unzulässigkeit einer Bevollmächtigung beim Ansuchen um eine Wahlkarte und bei der Rückgabe/Rücksendung der ausgefüllten Wahlkarte:
Gemäß § 5 Abs 7 Gemeindewahlgesetz muss der Ausfolgung der Wahlkarte an den Wähler oder eine von diesem bevollmächtigte Person ein Antrag des Wählers auf Ausstellung einer Wahlkarte vorausgehen:
§5 Abs 7:
'Wird dem Antrag auf Ausstellung einer Wahlkarte stattgegeben ... so sind dem Wähler gleichzeitig mit der Wahlkarte ... auszufolgen. Der Stimmzettel und das Wahlkuvert sind in die Wahlkarte zu legen, die sodann dem Antragsteller oder einer von ihm bevollmächtigten Person zu übergeben oder zu übersenden ist …'.
Auch aus § 5 Abs 4 2. Satz geht klar hervor, dass die Übergabe der Wahlkarte an eine vom Wähler bevollmächtigte Person nur möglich ist, wenn der Wahlberechtigte zuvor selbst um diese angesucht hat:
§5 Abs 4 2. Satz:
'Ebenfalls bis zum letztgenannten Zeitpunkt kann ein schriftlicher Antrag gestellt werden, wenn eine persönliche Übergabe der Wahlkarte an eine vom Antragsteller bevollmächtigte Person möglich ist.'
Nach diesen eindeutigen Bestimmungen ist die Bevollmächtigung einer dritten Person also nur für die Übergabe einer vom Antragsteller zuvor angesuchten und bewilligten Wahlkarte möglich.
Hingegen ist im Gemeindewahlgesetz 1999 für das Ansuchen um Ausstellung einer Wahlkarte eine Bevollmächtigung einer dritten Person nicht vorgesehen!
Das Gemeindewahlgesetz sieht vielmehr ausdrücklich nur ein mündliches oder schriftliches Ansuchen allein des Wahlberechtigten selbst vor:
§5 Abs 4:
'Die Wahlkarte ist den Wahlberechtigten vom Bürgermeister ... auszustellen, wenn sie unter Angabe des Grundes spätestens am ................ darum ansuchen.'.
Es findet sich im Gemeindewahlgesetz nicht der geringste Hinweis, dass – außer für die Abholung einer vom Wähler angesuchten und bewilligten Wahlkarte – auch für das Ansuchen um Ausstellung einer Wahlkarte die Bevollmächtigung einer dritten Person zulässig sein könnte.
Wenn der Gesetzgeber bei der bloßen Übergabe einer bewilligten Vollmacht eine Vollmacht vorsieht, dann hätte er diese Vollmachtsmöglichkeit umso eher auch beim – bedeutenderen – Ansuchen um Ausstellung einer Wahlkarte und auch bei der Rückleitung einer ausgefüllten Wahlkarte geregelt, wenn er in diesen beiden Fällen ebenfalls eine Bevollmächtigung hätte zulassen wollen.
Für die Höchstpersönlichkeit des Ansuchens um Ausstellung einer Wahlkarte gibt es gute Gründe. Bei einem höchstpersönlichen Ansuchen unter Nachweis der Identität ist die Manipulations- und Missbrauchsgefahr deutlich geringer[…] als bei einem Ansuchen durch eine dritte Person als vom Wahlberechtigten angeblich bevollmächtigter. Dem gegenüber ist die Missbrauchsgefahr bei der im Gesetz vorgesehenen Abholung/Übergabe der zuvor angesuchten Wahlkarte durch eine bevollmächtigte Person geringer, zumal zu diesem Zeitpunkt die Ausstellung der Wahlkarte bereits im Wählerverzeichnis vermerkt wurde (§5 Abs 5).
Dieselbe Höchstpersönlichkeit gilt auch bei der Rückleitung der formell ausgefüllten Wahlkarte an die Gemeindewahlbehörde, wenn der Wähler nicht mit der Wahlkarte vor der Wahlkommission wählt. Diese Rückleitung hat die gleiche Bedeutung wie das Ansuchen, weshalb auch bei ihr im Gesetz keine Bevollmächtigung Dritter vorgesehen ist (§37a Abs 1).
Das Ansuchen um Ausstellung einer Wahlkarte und die darauffolgende Rückgabe/Rücksendung der ausgefüllten Wahlkarte an die Gemeindewahlbehörde ist die übliche Form der Stimmabgabe bei der Wahl mit Wahlkarte.
Es steht außer Frage, dass der Gesetzgeber die Gleichwertigkeit der Stimmabgabe per Wahlkarte und der Stimmabgabe vor der Wahlkommission durch die strengen gesetzlichen Bestimmungen gewährleisten will.
Für keine der beiden Stimmabgabeformen ist im Gesetz eine Bevollmächtigung einer dritten Person vorgesehen. Der Grund liegt offensichtlich ua darin, dass das Wahlrecht ein höchstpersönliches Recht ist und daher persönlich auszuüben ist. Es wäre zudem in keiner Weise nachvollziehbar und würde einen unauflösbaren Wertungswiderspruch bedeuten, wenn bei der Stimmabgabe per Wahlkarte durch Rückgabe/Rücksendung der ausgefüllten Wahlkarte an die Gemeindewahlbehörde eine Bevollmächtigung zulässig wäre, nicht aber bei der Stimmabgabe vor der Wahlkommission. Beide Stimmabgaben wären nicht mehr gleichwertig, weil die Gefahr eines Missbrauchs bei einer Stimmabgabe durch einen Bevollmächtigten deutlich höher ist[…] als bei der persönliche Stimmabgabe.
3.5 Rechtslage zu telefonischen Anträgen auf Ausstellung einer Wahlkarte:
Der Verfassungsgerichtshof hat im Zuge seines Erkenntnisses vom WI 3/10-11 ('Wahlanfechtung Lienz') ausgesprochen, dass in § 34a Abs 2 Tiroler Gemeindewahlordnung 1994, dem hier § 5 Abs 4 Gemeindewahlgesetz 1999 entspricht, abschließend festgelegt werde, in welcher Art Wahlkarten ausgestellt werden können. Es gebe daher keinen Zweifel daran, dass etwa eine Antragstellung über das Telefon nicht zulässig ist. Der eindeutige Wortlaut des § 34a Abs 2 TGWO 1994 lasse keinen Raum für die telefonische Antragstellung. Bei der Ausstellung einer Wahlkarte nach telefonischer Antragstellung sei mangels Überprüfbarkeit der Identität des Anrufers nicht auszuschließen, dass die Wahlkarte durch eine andere Person benutzt wird oder die Person, auf deren Namen bestellt wird, durch die Nichtausfolgen derselben von ihrem Wahlrecht ausgeschlossen wird.
Das Vorarlberger Gemeindewahlgesetz 1999 schließt zwar eine telefonische Antragstellung nicht ausdrücklich aus, es gestattet sie aber auch nicht. Der 8. Beilage im Jahr 2008 zu den Sitzungsberichten des Vorarlberger Landtages XXVIII., Regierungsvorlage zum Wahlrechtsänderungsgesetz 2008, ist aber (S 28) zu entnehmen, dass eine telefonische Antragstellung vom Gesetzgeber als nicht zulässig erachtet wird ([…] Beilage 8/2008, Bericht zum Wahlrechtsänderungsgesetz 2008).
Auf Grund der identen Textierung des hier anzuwendenden § 5 Abs 4 Gemeindewahlgesetz 1999 mit § 39 Abs 1 NÖ GRWO 1994 gilt diese Rechtsprechung daher auch im vorliegenden Fall. Es ist daher von der Rechtswidrigkeit der telefonischen Wahlkartenansuchen auszugehen.
Die ÖVP hatte die telefonische Wahlkartenbestellung massiv beworben (Rundschreiben des Bürgermeisters[…]; Aussendung der Stadt Bludenz 'Wichtige Information!!!!!!!'[…]; Internet- und Facebock-Einträge der Funktionäre[…]). Sowohl in der 'Wichtigen Information!!!!!!!' […] als auch im Rundschreiben des Bürgermeisters […] wurde ausdrücklich eine Telefonnummer zum Zwecke der telefonischen Antragstellung um Wahlkarten angeführt. Es ist daher als sicher anzunehmen, dass es zu einer Vielzahl telefonischer Wahlkartenansuchen und somit rechtswidrigen Wahlkartenausstellungen gekommen ist. Diese rechtswidrige Vorgangsweise sollte offensichtlich verschwiegen werden. Anders ist nicht erklärbar, dass [in] der 'Statistik Wahlkartenanträge' der für die Wahlkartenausgabe zuständigen Beamtin […] ([…] Anhang zum Sitzungsprotokoll der Gemeindewahlbehörde vom ) kein einziges telefonisches Ansuchen erwähnt wird! Allein schon der Fall Mag. L. […] belegt aber, dass diese amtliche Dokumentation unvollständig und damit falsch ist.
Wenn telefonische Ansuchen um die Ausstellung einer Wahlkarte mangels Überprüfbarkeit der Identität des Anrufers unzulässig sind, muss dies genauso für die hier vorliegenden 63 Anforderungen von Wahlkarten durch ÖVP Funktionäre per E-Mail gelten.
3.6 Sanierung durch nachträgliche Vollmachtseinholungen?
Wie bereits ausgeführt, versuchten ÖVP-Wahlwerber, die Gesetzesbrüche durch die nachträgliche Einholung von Vollmachten der Wahlkartenwähler 'zu sanieren'. Dies gelang zumindest in acht Fällen nicht […], teils waren die Vollmachten falsch […].
Selbst wenn man – entgegen dem Gesetzeswortlaut und der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes – eine solche nachträgliche Sanierung per Vollmacht grundsätzlich zuließe, wäre zu beachten, dass die Gesetzesverstöße im Zeitpunkt der Nachreichung der Vollmachten bereits erfolgt waren. Sie können daher durch die Vollmachten nicht mehr ungeschehen gemacht werden. Hinzu kommt, dass die nachträglichen Vollmachtseinholungen völlig intransparent und daher nicht überprüfbar waren. Sie geschahen teils geradezu in einer Art 'Nacht- und Nebelaktion'. Die Wahlberechtigten wurden in aller Früh aus dem Bett geholt und mit erheblichem Druck angehalten, die Vollmachten nachträglich zu unterschreiben […]. Die Abläufe bei den nachträglichen Vollmachtseinholungen sind überhaupt nicht dokumentiert. Es ist möglich, dass die Wähler über den Grund für die Ausstellung der nachträglichen Vollmacht falsch oder irreführend informiert wurden. Es ist auch möglich, dass die nachträglichen Vollmachten teils gar nicht von den jeweiligen Wahlberechtigten stammen.
Diese nachträglichen Sanierungsbemühungen bewegen sich daher in einem Graubereich, der sich jeder Überprüfung durch die betroffenen Wählerparteien entzieht.
Aus diesem Grund fordert der Verfassungsgerichtshof zu Recht, dass die klaren gesetzlichen Regelungen zur Ausstellung von Wahlkarten, die die erforderliche Transparenz der Abläufe sicherstellen, genauestens einzuhalten sind.
Die Bevollmächtigung ist im Gesetz überhaupt nur für die Übergabe einer bewilligten Wahlkarte an eine dritte Person vorgesehen (§§5 Abs 7 iVm Abs 4 Satz 2). Für das Ansuchen um Ausstellung einer Wahlkarte sowie die Rückgabe der ausgefüllten Wahlkarten sieht das Gesetz hingegen keine Bevollmächtigung vor. Diese beiden Vorgänge stellen die Stimmabgabe per Wahlkarte dar und sind daher höchstpersönlich, so wie die Stimmabgabe vor der Wahlkommission auch. Vollmachten könnten auch die hier vorgelegenen weiteren Gesetzwidrigkeiten bei der Wahlkartenausstellung – Fehlen eines gesetzlichen Verhinderungsgrundes für die unmittelbare Stimmabgabe […] sowie die fehlenden Identitätsnachweise […] – nicht sanieren.
Der Standpunkt, dass Identitätsnachweise bei Übergabe der Wahlkarten durch die ÖVP-Wahlwerber an die Wähler teils nicht erforderlich gewesen seien, weil die Wähler amtsbekannt gewesen seien, schlägt jedenfalls nicht durch. Die Wähler müssen dem Amt, und nicht den ÖVP-Wahlwerber[n], bekannt gewesen sein. Zudem entfällt bei telefonischen Wahlkartenansuchen schon per se ein Identitätsnachweis.
Damit scheidet eine allfällige Relevanz der nachträglich hastig eingeholten Vollmachten, deren Inhalt bis heute nicht bekannt ist, in jedem Falle aus.
3.7 Relevanz der rechtswidrig ausgestellten 67 'Wahlkarten per Vollmacht':
Den Wahlkarten kam bei dieser Wahl eine entscheidende Bedeutung zu.
Dem Wahlakt (Niederschrift über die Sitzung der Gemeindewahlbehörde vom mit Anhang 'Statistik Wahlkarten-Antrag' […]) ist zu entnehmen, dass um 100 Wahlkarten per Vollmacht angesucht wurde. Dies ist falsch, weil (s. Gemeindesitzungsprotokolle der Gemeindewahlbehörde […]) anfangs nur 16 Vollmachten vorlagen. Weitere Vollmachten wurden erst später nachgebracht. Aber auch bei Wahlschluss lagen nicht alle Vollmachten vor. Solche 'Vollmachts-Ansuchen' sind im Gesetz nicht vorgesehen. Die Ausstellung dieser 67 Wahlkarten erfolgte daher gesetzwidrig.
Diese 67 gesetzwidrigen Wahlkarten haben die Wahl entschieden.
Josef Katzenmayer erzielte seinen Stimmenvorsprung erst nach Auszählung der letzten drei Wahlsprengel 1, 2 und 3 […], denen gesetzwidrig alle Wahlkarten zugeteilt worden waren. Bei der Auszählung in den übrigen 11 Sprengeln war Josef Katzenmayer noch zurückgelegen. Der Stimmenvorsprung betrug letztlich nur 27, sodass die Relevanz der 100 gesetzwidrigen Wahlkarten auf der Hand liegt. Es wäre abwegig, zu unterstellen, dass gerade diese 100 Wahlkarten nur Stimmen für Mario Leiter enthielten, zumal wohl naheliegend ist, dass die ÖVP Funktionäre hauptsächlich ihre eigenen Wähler mobilisierten (s. Rundschreiben des Bürgermeisters […] 'Liebe Mitglieder und Freunde der Bludenzer Volkspartei, ... Wir organisieren euch gerne eine Wahlkarte'.). Jedenfalls ist diese ungewöhnliche Erhöhung der Anzahl der Wahlkarten vom ersten Wahlgang bis zur Stichwahl um 214 bzw. 22 % […] sowie die Erzielung des Stimmenvorsprungs von Josef Katzenmayer bei den drei Wahlkarten-Sprengeln mehr als ein klares Indiz dafür, dass sich der gesetzwidrige Stimmenfang der ÖVP mit Hilfe der Wahlkarten anlässlich ihrer Hausbesuche 'ausgezahlt' hat; das heißt, das Wahlergebnis (27 Stimmen Unterschied!) wurde dadurch verfälscht.
Die Abläufe im Zusammenhang mit den Wahlkarten haben möglicherweise auch eine strafrechtliche Relevanz. Kriminalpolizeiliche Ermittlungen sind jedenfalls im Gange […].
3.8 Zum Einfluss der vorgekommenen Gesetzwidrigkeiten auf das Wahlergebnis:
Der Verfassungsgerichtshof unterscheidet zwischen Rechtswidrigkeiten des Wahlverfahrens und der Verletzung einer Vorschrift der Wahlordnung. Bei Vorliegen von Rechtswidrigkeiten des Wahlverfahrens ist es erforderlich, dass die Rechtswidrigkeit nach Lage des Falles auf das Wahlergebnis zumindest von Einfluss sein konnte, ein Umstand, der nach längjähriger ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes die entsprechende Voraussetzung des Art 141 Abs 1 Satz 3 B VG iVm § 70 Abs 1 Satz 1 VfGG (Einfluss auf das Wahlergebnis) bereits erfüllt (vgl. VfSlg 11.740/1988, 15.375/1998; WI-3/10-11; WI-5/10).
Liegt hingegen – so wie hier – die Verletzung einer Vorschrift der Wahlordnung (Gemeindewahlgesetz 1999) vor, die die Möglichkeit von Manipulationen und Missbräuchen im Wahlverfahren ausschließen will, ist dem Erfordernis des Einflusses der Rechtswidrigkeiten auf das Wahlergebnis jedenfalls entsprochen, ohne dass es des Nachweises einer konkreten – das Wahlergebnis tatsächlich verändernden – Manipulation bedürfte (vgl. VfSlg 15.375/1998; WI-3/10-11; WI-5/10).
Im vorliegenden Fall ist es tatsächlich zu Manipulationen und Missbräuchen gekommen. Diese schafften in mannigfacher Hinsicht die Gefahr, dass das Wahlergebnis verfälscht wird, was letztendlich auch der Fall war.
[…]
Hiezu im Einzelnen:
Es können die ÖVP-Funktionäre, an die die Wahlkarten – teils nachweislich ohne Wissen des eigentlichen Adressaten […] [–] ausgegeben wurden, diese auch selbst benutzt haben. N. B. lehnte die von einem ÖVP-Wahlwerber für sie, ihren Mann und ihren Sohn unverlangt überbrachten Wahlkarten ab. Es ist möglich, dass dritte Personen, allenfalls der besagte ÖVP-Wahlwerber, mit diesen Wahlkarten gewählt ha[ben]. Ebenso kann eine Wahlkarte nach telefonischer Antragstellung durch eine andere Person benutzt worden sein, oder eine Person, auf deren Namen eine Wahlkarte von den ÖVP-Wahlwerberin bestellt wurde [sic], durch deren Nichtausfolgung von ihrem Wahlrecht ausgeschlossen worden sein (VfGH WI3/10-11). So ist beispielsweise im Fall M. L. […] nicht auszuschließen, dass die Wahlkarte, die sich eine ÖVP-Wahlwerberin ohne ihr Wissen verschafft hatte und die M. L. dann auf Grund ihres völlig berechtigten Misstrauens nicht annahm, von einer anderen Person, vielleicht von dieser Funktionärin, benützt wurde.
Es ist auch möglich, dass die ÖVP-Wahlwerber, denen von den Wählern die ausgefüllten Wahlkarten übergeben wurden, diese gar nicht bei der Gemeindewahlbehörde abgeliefert haben, etwa wenn sie den Eindruck hatten, dass nicht 'der Richtige' gewählt wurde.
Es ist auch nicht auszuschließen, dass von den ÖVP-Funktionären bei der Beamtin beschaffte Wahlkarten in falsche Hände gerieten, zumal sich die ÖVP-Funktionäre offenbar in den meisten Fällen keine Identitätsnachweise der Wahlkartenwähler vorlegen ließen. Es ist daher nicht auszuschließen, dass Wahlkarten auch an Wähler oder Nichtwähler, für die sie nicht bestimmt waren, ausgefolgt wurden und diese damit gewählt haben.
Bei […] einer großen Bludenzer Firma wurden die Wahlkartenbestellungen vom Personalchef [entgegengenommen], die Wahlkarten von ihm ausgefolgt und die ausgefüllten Wahlkarten wieder von ihm vereinnahmt […]. Der Personalchef agierte damit als Erfüllungsgehilfe der ÖVP-Wahlwerber. Hier ist die Gefahr nicht auszuschließen, dass einzelne ausgefüllte[…] Wahlkarten, die vielleicht nicht verschlossen und daher einsehbar waren, nicht wieder an die Gemeindewahlbehörde zurückgeleitet wurden.
[…]
4.16 Zusammenfassend:
Auf Grund des Wahlaktes (s. Sitzungsprotokolle der Gemeindewahlbehörde vom 26., 27. und […]) und der beiliegenden eidesstattlichen Erklärungen ist erwiesen, dass die dem Bürgermeister als Amtsperson gesetzlich vorbehaltene Wahlkartenausstellung in zumindest 63 Fällen zu einer 'Parteiangelegenheit' gemacht wurde. ÖVP-Funktionäre haben Wahlkarten, in vielen Fällen sogar ohne Wissen der betroffenen Wähler, fast 'paketweise' bei der zuständigen Beamtin bestellt. Die Wahlkarten wurden dann von ÖVP-Wahlwerbern den überraschten Wählern anlässlich der Wahlkampf-Hausbesuche angedient. Einzelne Wähler wurden dabei mit Nachdruck aufgefordert, sofort vor dem ÖVP Wahlwerbern [sic] die Stimme – für den Bürgermeister Katzenmayer – abzugeben. Damit wurde der Wählerwille gebeugt und das Wahlgeheimnis verletzt. Gleichzeitig bewarb die ÖVP die Wahlkartenbestellung massiv, insbesondere auch die verbotene telefonische Wahlkartenbestellung. Sie hatte damit Erfolg. Im zweiten Wahlgang wurden um 214 (22 %) mehr Wahlkarten ausgegeben[…] als im ersten. Von großen Firmen und Institutionen, wie zB dem Sz. und dem LKH B., erwartete man besonders große Rückläufe von Wahlkarten. Es wurden daher dort Personen mit einer zentralen Funktion gezielt in die gesetzwidrige Wahlkartenverteilung eingespannt. Der ÖVP gelang es, das Gemeindewahlgesetz auszuhebeln. An die Stelle der amtlichen Wahlkartenausgabe trat eine beliebige Verteilung von Wahlkarten durch ÖVP-Wahlwerber.
Der Versuch, die Gesetzesbrüche durch die Einholung nachträglicher Vollmachten zu sanieren, war, wie ausgeführt, zum Scheitern verurteilt.
Es blieb nicht bei den Verstößen im Zusammenhang mit der Ausstellung der Wahlkarten. Auch die Rückgabe der von den Wählern ausgefüllten Wahlkarten war grob gesetzwidrig. Nur eine persönliche Rückgabe oder eine persönliche Versendung der Walkarten an die Gemeindewahlbehörde hätte dem Gesetz entsprochen. Das Ansuchen um Ausstellung der Wahlkarte und die Rückleitung der ausgefüllten Wahlkarte an die Wahlbehörde ist die Stimmabgabe bei der Wahl per Wahlkarte. Sie hat, so wie die Stimmabgabe vor der Wahlkommission, selbstredend höchstpersönlich zu erfolgen. Eine Stellvertretung ist hier per se ausgeschlossen und im Gesetz auch nicht vorgesehen. Im gegenständlichen Fall wurden die von den Wählern ausgefüllten Wahlkarten aber grob gesetzwidrig von ÖVP-Wahlwerbern und anderen unbefugten Personen an die Wahlbehörde zugeleitet. Damit wurde das Recht der Wähler auf höchstpersönliche Stimmabgabe verletzt.
Der Verfassungsgerichtshof hat wiederholt betont, dass die Formalvorschriften in den Wahlgesetzen wortwörtlich zu interpretieren und sohin streng auszulegen sind. Sie bieten daher keinen Spielraum für irgendwelche Interpretationen als Rechtfertigung für Abweichungen von den klaren Rechtsregeln. Die strengen Formvorschriften zur Ausstellung von Wahlkarten sollen vor der Stimmabgabe durch unberechtigte Personen schützen und die persönliche Vornahme des Wahlaktes gewährleisten. Sie sollen Missbräuche und Manipulationen der Wahl und des Ergebnisses verhindern. Gerade bei der Wahl mit Wahlkarten sind strengste Anforderungen an die Einhaltung der gesetzlichen Regeln zu stellen, da die Wahlkartenwahl – im Gegensatz zur persönlichen Stimmabgabe vor der Wahlkommission – zwangsläufig mit einer größeren Gefahr des Missbrauchs und der Manipulation verbunden ist. Missbrauch und Manipulation können hier bei der Ausstellung der Wahlkarte oder der Rückleitung der ausgefüllten Wahlkarte an die Gemeindewahlbehörde geschehen. Eben aus diesen Gründen hat der Gesetzgeber bei den Wahlkarten keine Bevollmächtigung, weder für das Ansuchen[…] noch deren Rücksendung oder Retourgabe an die Gemeindewahlbehörde, vorgesehen. Eine solche Bevollmächtigung von Dritten bei der Stimmabgabe per Wahlkarte wäre auch nicht nachvollziehbar, zumal sie bei der Stimmabgabe vor der Wahlkommission ja auch nicht möglich ist.
Die zahlreichen Gesetzwidrigkeiten bei dieser Wahl beschränkten sich nicht auf die Wahlkartenausstellung. Es kam zu weiteren Gesetzwidrigkeiten, bemerkenswerter[w]eise gerade bei der Dokumentation zu den Wahlkarten. Es fehlt insbesondere offenbar jede Dokumentation zu den Vorgängen bei der Wahlkartenausstellung und Rückleitung. Zu dieser wäre die zuständige Beamtin der Stadt Bludenz schon gesetzlich verpflichtet gewesen. Die Dokumentation wird auch vom Verfassungsgerichtshof gefordert ( WI-5/10). Ins Bild passt, dass die Anfechtungswerberin durch die Verweigerung der Einsicht in den Wahlakt daran gehindert wurde, weitere Gesetzwidrigkeiten im Zusammenhang mit der Wahl nachzuweisen.
Das Wahlrecht ist neben den Menschenrechten ein kerndemokratisches Recht und ein Grundpfeiler der Demokratie. Es verdient daher besonderen Schutz. Nicht rechtskonform durchgeführte Wahlen erschüttern letztendlich das gesamte demokratische System. Gerade im äußerst sensiblen Bereich von Wahlkartenausstellungen sind daher höchste Ansprüche an die Gesetzeskonformität der Abläufe zu stellen. Andernfalls läuft man Gefahr, dass Wahlkartenstimmen zu 'Stimmen zweiter Klasse' werden und die amtliche Wahlkartenausgabe, so wie es hier der Fall war, in die Hände politischer Funktionäre fällt. Ließe man nachträgliche Vollmachten als Sanierung der Gesetzwidrigkeiten zu, würden die Wahlvorschriften jede Bedeutung verlieren. Sie könnten sanktionslos missachtet werden. Ein allenfalls zu Tage tretender Gesetzesverstoß könnte mühelos durch eine nachträgliche Vollmacht saniert werden. Die wahlrechtlichen Formalvorschriften würden damit überflüssig, der Gesetzeszweck ins Gegenteil verkehrt. An die Stelle der vom Gesetzgeber angestrebten Transparenz und Überprüfbarkeit der Abläufe träten lntransparenz und Unkontrollierbarkeit. Einer solchen Entwicklung – der Wahlkartenskandal in Bludenz ist ganz offensichtlich kein Einzelfall (s. Hohenems) – ist entschieden entgegenzutreten.
Eine gewisse Einsicht, dass das Handeln der ÖVP-Wahlwerber rechtswidrig war, scheint sich zwischenzeitlich immerhin abzuzeichnen, zumal selbst der Wahlkampfleiter der ÖVP deren Aktivitäten, wenngleich beschönigend, als 'mutmaßlich und dilettantisch versuchte Mogeleien' bewertet und entsprechende Konsequenzen gezogen hat […].
Aus der Tatsache, dass in der Stichwahl 214 Wahlkarten mehr ausgestellt wurden als im ersten Wahlgang und der nach Auszählung von 11 Wahlsprengeln noch zurückliegende Kandidat Josef Katzenmayer seinen Stimmenvorsprung (27 Stimmen!) in den Wahlkartensprengeln 1 bis 3 erzielte, ergibt sich, dass die Wahlkarten und damit die bei deren Ausstellung in großer Zahl vorgekommenen Gesetzesverstöße das Wahlergebnis verfälscht haben und deswegen die Wahl zu Gunsten des Josef Katzenmayer ausgegangen ist (VfSlg 11.740/1988, 15.375/1998, WI-3/10-11).
Auf Grund der geschilderten Vorkommnisse und vorgekommenen zahlreichen Rechtswidrigkeiten liegen daher die Voraussetzungen für die Anfechtung der Stichwahl des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Bludenz vom vor." (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen)
5. Die Gemeinde Bludenz erstattete eine Stellungnahme, in der sie dem Vorbringen der anfechtungswerbenden Partei entgegentritt und insbesondere ausführt, dass aus dem Wortlaut des § 37a Abs 1 Vbg. GWG nicht klar herauszulesen sei, dass auch die Abgabe der Wahlkarte an die Gemeindewahlbehörde persönlich erfolgen müsse.
6. Im Zuge des verfassungsgerichtlichen Verfahrens langte eine Stellungnahme einer Gemeindebediensteten der Gemeinde Bludenz ein, in der sie insbesondere Folgendes ausführt:
"3. Zu Punkt 1.2., […] Verstöße gegen § 5 Abs 4 (Wahlkarten):
Im Gemeindewahlgesetz (GWG) ist das Recht des Wahlberechtigten auf Ausstellung einer Wahlkarte über mündlichen oder schriftlichen Antrag festgelegt. Bei der mündlichen Antragstellung im Amt hat jedenfalls der Antragsteller seine Identität durch ein Dokument nachzuweisen. Bei einem schriftlichen Antrag kann die Identität des Antragstellers, sofern er nicht amtsbekannt ist, auch auf andere Weise glaubhaft gemacht werden.
Nicht dezidiert festgelegt ist im Gemeindewahlgesetz jedoch die Form des schriftlichen Antrages. Demnach ist die Einbringung eines schriftlichen Antrages im Auftrag des Wahlberechtigten durch eine dritte Person nicht auszuschließen, wenn die Identität des Antragstellers glaubhaft gemacht werden kann.
Im Antrag auf Ausstellung einer Wahlkarte sind Gründe für die Notwendigkeit einer solchen anzuführen. Die Angabe, am Wahltag voraussichtlich verhindert zu sein, ist hierfür völlig ausreichend. Das Vorliegen von möglichen Hinderungsgründen am Wahltag ist, in Ermangelung einer gesetzlichen Bestimmung im GWG, durch den Antragsteller gegenüber dem Amt nicht nachzuweisen und kann auch vom Wahlberechtigten nicht eingefordert werden. Auch wenn in den Anträgen von den Herren M. und W. die Hinderungsgründe der Wahlberechtigten nicht angeführt sind, so kann schon alleine aufgrund der Antragstellung das voraussichtliche Vorliegen eines Hinderungsgrundes von sich aus angenommen werden, widrigenfalls eine Wahlkarte nicht beantragt worden wäre.
Die Wahlberechtigten erteilten den Herren M. und W. den mündlichen Auftrag der Einbringung eines Antrages auf Ausstellung einer Wahlkarte. Diesem Auftrag entsprechend wurden Herr W. und Herr M. für die Antragsteller tätig, indem sie die zuvor erteilten Aufträge elektronisch, nämlich per E-Mail, bei mir einbrachten. Die Übergabe erfolgte danach wiederum an die Herren W. und M. Diese sind mir persönlich bekannt.
Die ausgestellte Wahlkarte kann an eine vom Antragsteller bevollmächtigte Person übergeben werden. Im GWG finden sich keine Bestimmungen darüber, in welcher Art und Weise die erteilte Vollmacht durch den Übernehmer der Wahlkarte nachzuweisen ist. Demnach kann eine Berufung des Übernehmers durch schlüssige Behauptung, auf die ihm zuvor mündlich, durch den Antragsteller, welcher nicht zwingend der Wahlberechtigte sein muss, auch eine dritte Person mit der Übernahme der ausgestellten Wahlkarte für den Wahlberechtigten bevollmächtigen kann [sic]. Eine Untersagung der Weitergabe der von einer bevollmächtigten Person übernommenen Wahlkarte an Dritte ist den Bestimmungen des GWG nicht zu entnehmen.
Das Ausstellen der Wahlkarten wurde ordnungsgemäß im Wählerverzeichnis beim Namen des jeweiligen Wahlberechtigten (automatisch durch das Wahlprogramm des LMR) angemerkt. Weiters wurde als Maßnahme gegen eine allfällige missbräuchliche Verwendung der ausgestellten Wahlkarten durch [D]ritte am Wahltag vor Stimmabgabe die Identität des Wahlkarten-Inhabers durch die jeweilige Wahlkommission in den Sprengelwahlbehörden kontrolliert.
4. Zu Seite 8/51 der Anfechtungsschrift, zweiter Absatz:
Von mir wurden zu keiner Zeit Wahlkarten ausgestellt, die von Wahlberechtigten telefonisch angefordert wurden. Jenen Personen wurde mitgeteilt, dass [s]ie Wahlkarten mittels digitalem Antrag über www.wahlkartenantrag.at anfordern oder einen persönlichen Antrag stellen können. Daher kann eine solche Wahlkartenausgabe auch in der[…] 'Statistik Wahlkartenanträge' nicht ersichtlich sein.
5. Zu Punkt f) […]:
Die – wenn auch zu einem späteren Zeitpunkt erfolgte – Einholung der restlichen Vollmachten der Wahlberechtigten für die Beantragung der Ausstellung von Wahlkarten und deren Übernahme durch dritte Personen vermag jedenfalls zu beweisen, dass der Wunsch der Wahlberechtigten auf Beantragung einer Wahlkarte vorlag und diesem entsprochen wurde.
Aufgrund der Erhebungen durch die Gemeindewahlbehörde ist es jedenfalls als erwiesen anzusehen, dass diese Wahlkarten auch tatsächlich an die jeweiligen Wahlberechtigten zugestellt wurden und die Wahlberechtigten höchstpersönlich von ihrem Wahlrecht bei der Stichwahl für das Amt des Bürgermeisters der Stadt Bludenz Gebrauch machen konnten. Die Vollmachten lagen am Tag vor der Wahl, also am , vollständig – bis auf Fam. L. – bei der Gemeindewahlbehörde vor.
6. Zu Punkt g) […]:
In § 15 des Vorarlberger Gemeindewahlgesetzes ist bestimmt, dass jedem Wahlberechtigten, der keine Wahlkarte beantragt hat, ein amtlicher Wahlausweis und ein Stimmzettel zur Verfügung zu stellen ist. Der Bürgermeister hat dafür zu sorgen, dass die Unterlagen spätestens am vierten Tag vor dem Wahltag bei der im Wählerverzeichnis angeführten Adresse des Wahlberechtigten einlangen. Bei einer Stichwahl des Bürgermeisters sind die Stimmzettel nicht an die Wahlberechtigten zuzustellen (§58 GWG).
Vor der Wahlrechtsnovelle 2012 war im Gemeindewahlgesetz normiert, dass Wahlunterlagen an alle Wahlberechtigten (somit auch an Wahlkartenwähler) auszusenden waren. Da diese Bestimmung für manche Gemeinden unbefriedigend war, hat der Gesetzgeber hier eine Ausnahmebestimmung eingebaut. In den erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage der Wahlrechtsänderung, LGBl Nr 61/2012, ist dezidiert ausgeführt, dass die Zustellung der Wahlunterlagen an alle Wahlberechtigten (also auch an jene, welche eine Wahlkarte ausgestellt bekamen) weiterhin zulässig, aber nicht geboten ist.
Für die Gemeindevertretungs- und Bürgermeisterwahl am wurde von der Stadt Bludenz der 'Wahlservice' in Anspruch genommen. Hier wurden nach Ablauf des Stichtages der Wahl die Daten der Wahlberechtigten an eine Firma weitergeleitet, welche die persönlichen Wahlausweise (gemeinsam mit Wahlinformationen und einem Antragsformular für eine Wahlkarte) druckte und an die Stadt Bludenz übermittelte. Im Auftrag des Bürgermeisters wurden diese Unterlagen dann gemeinsam mit dem Stimmzettel an diese Wahlberechtigten versandt. Hier wurde mitberücksichtigt, ob vor Datenabzug an Personen schon eine Wahlkarte ausgestellt wurde. In diesen Fällen wird kein Wahlausweis mehr produziert.
Da die Inanspruchnahme des Wahlservice bei der Stichwahl am auf Grund der kurzen Zeitspanne zwischen den beiden Wahlen nicht möglich war, wurden die Wahlausweise von der Stadt Bludenz aus dem Wahlprogramm produziert und – wie im Gesetz vorgesehen – ohne Stimmzettel an alle Wahlberechtigten versandt, also auch an jene, welchen eine Wahlkarte für die Stichwahl ausgestellt wurde.
7. Zu Punkt 1.6) […]:
In den erläuternden Bemerkungen des Wahlrechtsänderungsgesetzes 2008, LGBl Nr 23/2008 heißt es: 'Auf welche Weise die Wahlkarte ins Gemeindeamt gelangt, ist nicht festgelegt. Als Formen der Übermittlung kommen nicht nur die Beförderung durch die Post oder einen anderen Postdienstleister in Betracht; die Wahlkarte kann auch persönlich oder von einem Boten während der Amtsstunden bei der jeweiligen Einlaufstelle des Gemeindeamtes abgegeben oder – zu welcher Zeit auch immer – in den Briefkasten des Gemeindeamtes eingeworfen werden.'
Es kam auch nach Einlangen beim Gemeindeamt zu keinen Gesetzesverstößen, da hier jede Wahlkarte geprüft, registriert und versperrt wurde.
[…]
15. Zu Punkt 4.14) […]:
[…] Die 5 Wahlkarten für das LKH B. waren ausschließlich für Bedienstete.
Die Bediensteten des LKH[,] die eine Wahlkarte bestellt haben[,] sind mir alle sehr gut bekannt, da ich vor meiner Zeit im Rathaus Bludenz[…] im damaligen Krankenhaus der Stadt Bludenz tätig war.
[…]
Für Patienten wurden bei mir keine Wahlkarten bestellt." (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen)
7. Die Wählergruppe "Bürgermeister Mandi Katzenmayer – Bludenzer Volkspartei", vertreten durch ihren Zustellungsbevollmächtigten, übermittelte eine Äußerung, in der sie die unter Punkt I.5. und I.6. genannten Stellungnahmen zum Inhalt ihrer "Gegenschrift" erhebt und dem Vorbringen der anfechtungswerbenden Partei insbesondere wie folgt entgegentritt:
"II. Im Folgenden wird der Einfachheit halber (im Wesentlichen) in der Reihenfolge der im Anfechtungsschriftsatz aufgelisteten 'Gesetzesverstöße' und die von der Anfechtungswerberin vorgelegten 'eidesstattlichen Erklärungen' wie folgt repliziert [sic]:
1. Die im Anfechtungsschriftsatz wiedergegebenen Bestimmungen aus dem Gemeindewahlgesetz 1999 sind richtig.
Unrichtig sind jedoch die von ihr daraus abgeleiteten Schlussfolgerungen unter '3. Zur Rechtslage' […], worauf später noch eingegangen wird.
2. Die Anfechtungswerberin versucht in der Beschwerde den Eindruck zu vermitteln, dass die von ihr angezogenen Erkenntnisse des (WI 3/10-11) und vom (WI-5/10) ihren Rechtsstandpunkt zu untermauern vermögen.
Dem ist nicht so:
Das Erkenntnis vom bezieht sich auf die Tiroler Gemeindewahlordnung 1994 (bei der angefochtenen Bürgermeisterstichwahl in Lienz hatte die Wahlbehörde 7 % der Wahlkarten nach telefonischer Antragstellung ausgestellt). Der VfGH hat vor diesem Hintergrund erkannt, dass 7 % der Wahlkarten auf das Wahlergebnis Einfluss haben konnten, da zwischen den beiden Wahlwerbern in der Stichwahl nur ein Abstand von 14 Stimmen lag).
Das Erkenntnis vom befasst sich mit der NÖ GRWO 1994, deren Verfahren zur Ausstellung von Wahlkarten (§39) dezidiert andere Bestimmungen enthält als das Vorarlberger Gemeindewahlgesetz.
Die NÖ GRWO 1994 […]hält im Gegensatz zum Vorarlberger GWG in § 39 Abs 1 ausdrücklich fest, dass eine telefonische Beantragung auf Ausstellung einer Wahlkarte nicht zulässig ist.
Eine gleichartige Bestimmung ist dem Vorarlberger GWG fremd.
Nach der NÖ GRWO 1994 ist auch die Übergabe der Wahlkarte an eine vom Antragsteller bevollmächtigte Person ausdrücklich vorgesehen; die Identität ist durch ein Dokument nachzuweisen.
Bei der schriftlichen Antragstellung ist die Identität glaubhaft zu machen.
Insgesamt lässt sich bei einem Vergleich der Niederösterreichischen und Vorarlberger Regelungen feststellen, dass die Regelungen in der NÖ GRWO detaillierter und klarer sind als in Vorarlberg.
Offensichtlich wollte der Gesetzgeber in Vorarlberg der Wahlbehörde bzw. den Wahlkartenwählerlnnen einen größeren Spielraum bei der Ausstellung und Übergabe der Wahlkarten sowie bei deren Verwendung einräumen.
Die von der Beschwerdeführerin angestellten Analogieschlüsse sind daher nicht zulässig.
Die Anfechtungswerberin versucht auch darzulegen, dass im Zusammenhang mit der Wahlkartenausgabe alles verboten sei, was nicht ausdrücklich vorgesehen sei. Diese Ansicht mag einem 'nordkoreanischen' Rechts- bzw. Staatsverständnis entsprechen. Ein westlich-demokratischer Staat folgt eher der umgekehrten Regel, wonach grundsätzlich erlaubt ist, was nicht explizit verboten ist.
[…]
Bereits der polizeiliche Zwischenbericht, auf dessen Inhalt sich die mitbeteiligte Partei […] ausdrücklich beruft, widerlegt die in der Beschwerde behaupteten Gesetzesverstöße zum weit überwiegenden Teil, weil
a) bei jedem Wahlkartenwähler die Ausübung des persönlichen und unbeeinflussten Wahlrechtes (unbeobachtet) gewährleistet war, was durch die persönliche Unterschrift auf der Wahlkarte bestätigt worden ist;
b) die ÖVP-Wahlhelfer M. W., P. M. und B. M. alle Wahlberechtigten, die bei ihnen Wahlkarten für sich (und ihre Familienangehörigen) in Auftrag gaben, persönlich kannten und es daher keiner weiteren Identitätsprüfung bedurfte;
(die Gemeindebedienstete […] hat in ihrer schriftlichen Äußerung an den VfG[H] vom ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sie die vorerwähnten W., M. und M. persönlich kannte und ihnen daher vertrauen durfte);
soweit diese Wahlberechtigten Wahlkarten für Familienangehörige beantragt haben, durften sich die Wahlhelfer auf eine schlüssige Vollmachtserteilung innerhalb des Familienverbandes verlassen;
c) im Wählerverzeichnis sämtliche ausgestellten Wahlkarten selbstverständlich korrekt angemerkt wurden und folglich doppelte Stimmabgaben ausgeschlossen waren;
d) sämtliche bei der Gemeinde rücklangenden Wahlkarten bis zur Auswertung durch die Wahlbehörden entweder versperrt verwahrt oder unter ständiger Beobachtung der zuständigen Gemeindebediensteten […] gehalten wurden;
e) die Ausgabe und Zustellung von Wahlausweisen an alle Wahlberechtigten auch bei Ausstellung von Wahlkarten gesetzeskonform und im zugehörigen EDV-Programm vorgesehen war.
Der in der Beschwerde behauptete Ausschluss vom Wahlrecht aufgrund des 'rechtswidrigen Wahlkartenservices der ÖVP' […] kann von der Beschwerdeführerin nicht ernst gemeint sein, zumal das entsprechende Rundschreiben des ÖVP-Kandidaten Mandi Katzenmayer ausdrücklich an Mitglieder und Freunde der ÖVP gerichtet war.
Im anderen Falle würde die Beschwerdeführerin geltend machen, dass die von ihr beanstandete Vorgangsweise der ÖVP-Wahlhelfer eigentlich allen 'Nichtwählern' hätte zu Gute kommen sollen.
Wie die Nichtwähler vor der Wahl hätten erkannt werden sollen, lässt die Beschwerdeführerin offen. Ihre Argumentation ist rational nicht nachvollziehbar.
III. 1. Das in diesem Verfahren anzuwendende Gemeindewahlgesetz enthält keine expliziten Vorgaben für die Form des (schriftlichen) Antrages auf Ausstellung einer Wahlkarte.
a) Auch die Antragstellung durch eine dritte Person ist grundsätzlich zulässig, wenn die Identität des Antragstellers glaubhaft gemacht werden kann.
Auf diese Umstände hat auch bereits die LPD Vorarlberg in ihrem Zwischenbericht vom hingewiesen:
Sie erachtete es durch die Vorlage der – wenngleich nachträglich eingeholten – schriftlichen Vollmachten als erwiesen, dass dem Willen der Wahlberechtigten (auf Ausstellung einer Wahlkarte) durch die Ausfolgung der Wahlkarte entsprochen worden sei.
b) In § 5 Abs 4 GWG ist zwar vorgesehen, dass der Antragsteller die Wahlkarte 'unter Angabe des Grundes' zu beantragen hat.
Die möglichen Gründe sind in § 5 Abs 3 lita und litb GWG aufgezählt.
Das Gesetz sieht jedoch keine Sanktion für die Nichtbenennung eines Ausstellungsgrundes vor. Ebenso wenig ist vom Wahlberechtigten das Vorliegen des tatsächlichen Hinderungsgrundes nachzuweisen; die Angabe, am Wahltag voraussichtlich verhindert zu sein, ist völlig ausreichend; auch eine Kontrollmöglichkeit der Wahlbehörde ist nicht vorgesehen.
Die Nichtbenennung eines Antragsgrundes mag vielleicht eine Ordnungswidrigkeit sein. Auf das Wahlergebnis hat sie jedoch keinerlei Einfluss. Die Beschwerdeführerin vermag einen solchen Einfluss verständlicherweise auch nicht darzulegen.
c) Die Gemeindewahlbehörde hat erhoben, dass die Wahlkarten tatsächlich den jeweiligen Wahlberechtigten, auf welche Weise immer sie den Antrag gestellt haben mögen, zugestellt worden sind und diese laut Unterschrift auf der Wahlkarte von ihrem Stimmrecht persönlich, unbeobachtet und unbeeinflusst Gebrauch machen konnten.
Jede davon abweichende Behauptung ist einfach unwahr.
d) Wie es zur Ausstellung der 63 schriftlich (per E-Mail) angeforderten und durch Vollmachten gedeckten Wahlkarten sowie zu den vier Wahlkarten ohne Vollmachten […] gekommen ist, ist aus dem Wahlakt und den Beilagen 5, 6 und 7 zum Zwischenbericht der LPD sowie den Aussagen der Beschuldigten […] (Beilagen 1, 2 und 3 des vorgenannten Berichtes) detailliert ersichtlich.
e) Die LPD hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die 'bislang durchgeführten kriminalpolizeilichen Ermittlungen' keine hinreichenden Verdachtsmomente gegen die Beschuldigten […], geschweige denn Bürgermeister Mandi Katzenmayer, ergeben haben.
f) Jedem Wahlberechtigten wird postalisch ein Wahlausweis übermittelt, es sei denn, er/sie hätte zu diesem Zeitpunkt bereits eine Wahlkarte beantragt.
Aus diesem Grund wird im Wählerverzeichnis auch angemerkt, wenn ein Wähler nach Zustellung des Wahlausweises eine Wahlkarte beantragt. Worin die behauptete Rechtswidrigkeit liegen soll, bleibt unklar.
g) die von der Anfechtungswerberin angestellte Schlussfolgerung, dass eine ausgefüllte und versiegelte Wahlkarte persönlich an die Wahlbehörde retourniert werden müsse, ist unrichtig.
Da das GWG nicht explizit festlegt, auf welche Art und Weise die Wahlkarte ins Gemeindeamt gelangt, kommen alle Formen der Übermittlung in Betracht. Es steht jedem Wähler völlig frei, die Wahlkarte persönlich, per Post, per Bote oder durch einen von ihm Bevollmächtigte[n] an die Wahlbehörde zu übermitteln.
2. Die Ausführungen unter Punkt '3. Zur Rechtslage' […] stehen folglich mit den Bestimmungen des Gemeindewahlgesetzes 1999 nicht im Einklang, weil diese eben keine schriftliche Bevollmächtigung für die Beantragung einer Wahlkarte (und deren Entgegennahme und Retournierung) vorsehen.
Es mag zutreffen, dass den Buchstaben des Gemeindewahlgesetzes nicht in allen Fällen vollumfänglich entsprochen wurde, doch vermag die Beschwerdeführerin in keinem einzigen Fall darzulegen, dass die zugestandenen Formalfehler einen Einfluss auf das Wahlergebnis haben konnten.
Dies ist jedoch selbst bei zugestandenen Formverstößen eine entscheidende Voraussetzung für eine erfolgreiche Wahlanfechtung.
[…]
V. Zusammenfassung:
Entgegen der Darstellung der Anfechtungswerberin, liegen die behaupteten und konstruierten Rechtswidrigkeiten zum weitaus überwiegenden Teil nicht vor.
Richtig ist – und dies wurde nie in Abrede gestellt – dass bei der Ausgabe der Wahlkarten nicht in allen Punkten exakt dem Gesetzeswortlaut entsprochen worden ist.
Es wurde – primär von der ÖVP – versucht, möglichst viele Wähler zur Wahl zu bewegen und ihnen den Zugang zu Wahlkarten zu erleichtern. Dabei sind möglicherweise Formalfehler begangen worden, die allerdings – mit 4 Ausnahmen (!!!) – durch die nachträgliche Einholung von schriftlichen Vollmachten (obwohl dies im Gesetz keineswegs explicit vorgesehen ist) geheilt worden sind.
Wie bereits ausgeführt, sind die von der Anfechtungswerberin vorgenommenen Interpretationen und Auslegungen des Gesetzestextes in den meisten Fällen weder richtig noch zulässig.
Beispielsweise ist die Behauptung, dass eine versiegelte Wahlkarte nur höchstpersönlich an die Gemeindewahlbehörde rückgeleitet werden dürfe, jedenfalls unrichtig. Ebenso sind die Ausführungen zu den Wahlausweisen und die damit angeblich bestehende Möglichkeit, vom Wahlrecht mehrfach Gebrauch machen zu können, geradezu grotesk.
Bei näherer Betrachtung […] entpuppen sich die angeblich 63 relevanten Fälle (= Wahlkarten, die über Ersuchen von ÖVP Wahlhelfern ausgestellt wurden sowie ein telefonisches Ansuchen)[…] letztendlich als 'Sturm im Wasserglas'[.]
ln 59 Fällen (63 per [E-Mail] bestellte Wahlkarten abzüglich 4 telefonisch bestellte 'Familie L.')
waren die um eine Wahlkarte ansuchenden Wähler den Wahlhelfern persönlich bekannt,
haben die Wahlkartenwähler ihre Wahlkarte korrekt ausgefüllt und mit ihrer Unterschrift eidesstattlich bestätigt, dass sie persönlich, unbeobachtet und unbeeinflusst gewählt haben,
haben die Wahlkartenwähler – nach dem Ansuchen[,] jedoch vor (!!!) der Wahl – eine schriftliche Vollmacht zur Antragstellung unterfertigt und vorgelegt[.]
Lediglich die Familie L. (4 Fälle) hat die nachträgliche Ausstellung einer Vollmacht aus unbekannten Gründen verweigert, obwohl Frau Mag. L. in ihrer eidesstattlichen Erklärung bestätigt, dass sie um Wahlkarten für sich und 3 Familienmitglieder angesucht habe.
Selbst angesichts des knappen Wahlergebnisses sind die vorerwähnten 4 Stimmen der Familie L. nicht geeignet, ein abweichendes Wahlergebnis zu begründen bzw. das Wahlergebnis zu beeinflussen.
Durch die Vorlage der vorerwähnten Vollmachten (vor der Wahl!) wurde zweifelsfrei dokumentiert, dass die entsprechenden Wähler auch tatsächlich persönlich ihr Wahlrecht ausgeübt haben.
Aus dem Protokoll der Gemeindewahlbehörde vom […] sowie der ebenfalls im Wahlakt erliegenden Auswertung 'Wahlkarten per E-Mail' ergibt sich im Detail der Ablauf für die im Verfahren relevanten 63 Wahlkarten (E-Mail-Anforderungen der ÖVP).
So ist beispielsweise ersichtlich, dass die für M. C., E. C. B., M. S. und M. S. sowie Frau V. ausgestellten Wahlkarten im Wahllokal hinterlegt wurden ('im Wahllokal hl').
Die von der Anfechtungswerberin behaupteten 'Horrorszenarien' (z.B. angeblicher Ausschluss vom Wahlrecht, Möglichkeit der mehrfachen Stimmabgabe, Beeinflussung der Wähler, offen herumliegende Wahlkarten, Verstoß gegen die Ausgabe von Wahlausweisen, ......) haben nachweislich allesamt nicht stattgefunden.
Vielmehr ist erwiesen, dass keine der von der Anfechtungswerberin behaupteten Rechtswidrigkeiten vorliegt bzw. einen relevanten Einfluss auf das Wahlergebnis haben konnte, weshalb beantragt wird, dem Anfechtungsantrag keine Folge zu geben." (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen)
8. Die Vorarlberger Landeswahlbehörde legte den Wahlakt vor, sah von der Erstattung einer Gegenschrift jedoch ab.
9. Zur Klärung des Sachverhaltes forderte der Verfassungsgerichtshof in weiterer Folge mit Schreiben vom die Landeswahlbehörde auf, "die im Protokoll über die Sitzung der Gemeindewahlbehörde am Sonntag, dem , 12.00 bis 12[.]15 Uhr, angesprochene 'Liste der von der ÖVP mit Emails bestellten Wahlkarten' sowie die in der Äußerung der Wählergruppe 'Bgm. Mandi Katzenmayer – Bludenzer Volkspartei' […] erwähnte 'Auswertung 'Wahlkarten per E-Mail'' bzw. allfällige sonstige Aufzeichnungen bezüglich Beantragung, Zustellung und Einlangen dieser Wahlkarten vorzulegen oder mitzuteilen, weshalb die Vorlage dieser Informationen nicht möglich ist." Weiters erging in diesem Schreiben die Aufforderung, "die vorhandenen, von den Wahlkartenwählern erteilten Vollmachten vorzulegen". Dieser Aufforderung wurde mit Schreiben des Bürgermeisters der Gemeinde Bludenz vom entsprochen.
10. Die anfechtungswerbende Partei replizierte in ihrer Äußerung vom auf das Vorbringen der Wählergruppe "Bürgermeister Mandi Katzenmayer – Bludenzer Volkspartei", die Stellungnahme der Gemeinde Bludenz sowie die unter Punkt I.6. genannte Stellungnahme der Gemeindebediensteten.
II. Rechtslage
Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des Vbg. Gesetzes über das Verfahren bei Wahlen in die Gemeindevertretung und des Bürgermeisters (Gemeindewahlgesetz – GWG.), LGBl 30/1999, idF LGBl 21/2014, lauten:
"§2
Wahl des Bürgermeisters
Der Bürgermeister ist von den Wahlberechtigten aufgrund des gleichen, unmittelbaren, geheimen und persönlichen Mehrheitswahlrechtes zu wählen. Er ist nicht von den Wahlberechtigten zu wählen, wenn er nach den §§61 Abs 1 und 63 Abs 4 des Gemeindegesetzes von der Gemeindevertretung zu wählen ist.
[…]
§5
Wahlkarten
(1) Die Wahlberechtigten haben ihr Wahlrecht in jenem Wahlsprengel auszuüben, dem sie aufgrund der Eintragung im abgeschlossenen Wählerverzeichnis angehören.
(2) Wahlberechtigte, die im Besitz einer Wahlkarte sind (Wahlkartenwähler), können ihr Wahlrecht ausüben durch
a) Stimmabgabe vor der Sprengelwahlbehörde im Wahlsprengel nach Abs 1 oder in einem sonstigen Wahlsprengel der Gemeinde,
b) Stimmabgabe vor einer Wahlkommission für Gehunfähige im Falle des Abs 3 litb sowie des § 37 Abs 3 oder
c) Übermittlung der verschlossenen Wahlkarte an die zuständige Gemeindewahlbehörde (Briefwahl).
(3) Anspruch auf Ausstellung einer Wahlkarte haben Wahlberechtigte,
a) die am Wahltag voraussichtlich verhindert sein werden, ihre Stimme vor der zuständigen Wahlbehörde abzugeben, etwa wegen Ortsabwesenheit, aus gesundheitlichen Gründen oder wegen Aufenthalts im Ausland,
b) die infolge Krankheit oder aus ähnlichen Gründen gehunfähig sind, die Möglichkeit der Stimmabgabe vor der Wahlkommission für Gehunfähige in Anspruch nehmen wollen und dies bei der Antragstellung unter Angabe der Adresse der gewünschten Stimmabgabe erklären. Die Gehunfähigkeit ist durch ein ärztliches Zeugnis zu belegen. Vom Erfordernis der Vorlage eines ärztlichen Zeugnisses kann bei jenen Personen abgesehen werden, deren Gehunfähigkeit amtsbekannt ist.
(4) Die Wahlkarte ist den Wahlberechtigten vom Bürgermeister jener Gemeinde, in deren abgeschlossenem Wählerverzeichnis sie eingetragen sind, auszustellen, wenn sie unter Angabe des Grundes spätestens am Mittwoch vor dem Wahltag schriftlich oder spätestens am Freitag vor dem Wahltag, 12.00 Uhr, mündlich darum ansuchen. Ebenfalls bis zum letztgenannten Zeitpunkt kann ein schriftlicher Antrag gestellt werden, wenn eine persönliche Übergabe der Wahlkarte an eine vom Antragsteller bevollmächtigte Person möglich ist. Beim mündlichen Antrag ist die Identität durch ein Dokument nachzuweisen, beim schriftlichen Antrag kann die Identität, sofern der Antragsteller nicht amtsbekannt ist oder der Antrag im Fall einer elektronischen Einbringung nicht digital signiert ist, auch auf andere Weise, insbesondere durch Angabe der Passnummer, durch Vorlage der Ablichtung eines Lichtbildausweises oder einer anderen Urkunde, glaubhaft gemacht werden.
(5) Die Wahlkarte ist als verschließbarer Briefumschlag nach dem in der Anlage 1 dargestellten Muster herzustellen. Bei Wahlkarten, die mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung ausgestellt werden, genügt an Stelle der Unterschrift des Bürgermeisters bzw. des für den Bürgermeister tätigen Bediensteten die Beifügung seines Namens. Die Ausstellung der Wahlkarte ist im Wählerverzeichnis beim Namen des Wahlberechtigten auffällig anzumerken.
(6) Die Ausstellung von Gleichstücken für abhanden gekommene Wahlkarten ist unzulässig. Unbrauchbar gewordene Wahlkarten können an die Gemeinde retourniert werden, wenn sie noch nicht zugeklebt wurden und die eidesstattliche Erklärung noch nicht unterschrieben wurde. Die Gemeinde hat daraufhin ein Duplikat auszustellen. Die unbrauchbar gewordene Wahlkarte ist mit einem entsprechenden Vermerk zu kennzeichnen und der Gemeindewahlbehörde zu übermitteln. Diese hat die Wahlkarte dem Wahlakt der Gemeinde anzuschließen.
(7) Wird dem Antrag auf Ausstellung einer Wahlkarte stattgegeben, so sind dem Wähler gleichzeitig mit der Wahlkarte auch ein amtlicher Stimmzettel und ein Wahlkuvert auszufolgen. Der amtliche Stimmzettel und das Wahlkuvert sind in die Wahlkarte zu legen, die sodann jeweils unverschlossen dem Antragsteller oder einer von ihm bevollmächtigten Person zu übergeben oder zu übersenden ist. Der Antragsteller hat die Wahlkarte sorgfältig zu verwahren. Wird dem Antrag auf Ausstellung einer Wahlkarte nicht stattgegeben, so ist der Antragsteller hiervon schriftlich zu verständigen. Dies kann per E-Mail erfolgen, wenn der Gemeinde eine E-Mail-Adresse des Antragstellers bekannt ist.
[…]
§37a
Briefliche Stimmabgabe
(1) Wahlberechtigte, die im Besitz einer Wahlkarte sind (§5), können ihr Wahlrecht auch durch Übermittlung der verschlossenen Wahlkarte an die zuständige Gemeindewahlbehörde ausüben (Briefwahl).
(2) Hiezu hat der Wähler den amtlichen Stimmzettel persönlich, unbeobachtet und unbeeinflusst auszufüllen, den ausgefüllten Stimmzettel in das Wahlkuvert und dieses in die Wahlkarte zu legen sowie die Wahlkarte zu verschließen. Sodann hat er auf der Wahlkarte durch Unterschrift eidesstattlich zu erklären, dass er den amtlichen Stimmzettel persönlich, unbeobachtet und unbeeinflusst ausgefüllt hat. Aus der Wahlkarte mit der eidesstattlichen Erklärung hat die Identität des Wählers hervorzugehen.
(3) Die Wahlkarte ist so rechtzeitig an die zuständige Gemeindewahlbehörde zu übermitteln, dass sie spätestens bis Schließen des letzten Wahllokals beim Gemeindeamt einlangt.
(4) Zur Prüfung, ob die Wahlkarten einzubeziehen sind, ist die Gemeindewahlbehörde zuständig (§41a Abs 1). Zur Auswertung der nach dieser Prüfung einzubeziehenden Wahlkarten ist die Gemeindewahlbehörde als Sprengelwahlbehörde zuständig, soweit sie hiezu nicht eine oder mehrere andere Sprengelwahlbehörden bestimmt hat. Sie hat eine solche Bestimmung vorzunehmen, wenn sie nicht selbst als Sprengelwahlbehörde (§6 in Verbindung mit § 8 Abs 3 Landtagswahlgesetz) tätig ist.
(5) Der Leiter der Gemeindewahlbehörde hat Wahlkarten, die brieflich einlangen, bis zur Prüfung (§41a) unter Verschluss zu verwahren.
[…]
§48
Ergebnis der Wahl des Bürgermeisters
(1) Die Gemeindewahlbehörde hat jenen Wahlwerber als zum Bürgermeister gewählt zu erklären,
a) dessen Partei mindestens ein Gemeindevertretungsmandat erhalten hat und
b) der mehr als die Hälfte der für die Wahl des Bürgermeisters abgegebenen gültigen Stimmen erreicht hat.
(2) Hat keiner der Wahlwerber, dessen Partei mindestens ein Gemeindevertretungsmandat erhalten hat, mehr als die Hälfte der abgegebenen gültigen Stimmen erreicht, so ist nach den Bestimmungen des 8. Abschnittes vorzugehen.
(3) Wurde nur über einen einzigen Wahlwerber für das Amt des Bürgermeisters abgestimmt, hat ihn die Gemeindewahlbehörde als zum Bürgermeister gewählt zu erklären, wenn seine Partei mindestens ein Gemeindevertretungsmandat erhalten hat und mehr als die Hälfte der abgegebenen gültigen Stimmen auf 'ja' lauten.
(4) Wenn nach den Abs 1 bis 3 kein Wahlwerber als zum Bürgermeister gewählt erklärt wird und nicht nach den Bestimmungen des 8. Abschnittes vorzugehen ist, ist der Bürgermeister nach § 61 Gemeindegesetz von der Gemeindevertretung zu wählen.
§49
Niederschrift der Gemeindewahlbehörde,
Kundmachung der Wahlergebnisse
(1) Die Gemeindewahlbehörde hat die Ergebnisse der Wahlen in einer Niederschrift zu beurkunden.
[…]
(3) Bei gemeinsam stattfindenden Wahlen in die Gemeindevertretung und des Bürgermeisters hat die Niederschrift überdies zu enthalten:
a) den Namen des Wahlwerbers, der zum Bürgermeister gewählt wurde, oder,
b) im Fall der Stichwahl, die Namen der beiden Wahlwerber, zwischen denen die Stichwahl stattfindet, oder allenfalls
c) die Feststellung, dass der Bürgermeister gemäß § 61 Gemeindegesetz von der Gemeindevertretung zu wählen ist.
[…]
(5) Die Gemeindewahlbehörde hat die Feststellungen gemäß Abs 2 litd bis f und Abs 3 durch Anschlag an der Amtstafel zu veröffentlichen. Die Veröffentlichung ist unverzüglich vorzunehmen und hat eine Woche zu dauern. In der Kundmachung ist der Tag, an dem sie an der Amtstafel angeschlagen wurde, anzugeben und auf die Möglichkeit des Einspruches gegen die Ermittlung der Wahlergebnisse nach § 50 hinzuweisen.
§50
Einsprüche gegen die Ermittlung der Wahlergebnisse
(1) Binnen drei Tagen nach Verlautbarung der Wahlergebnisse (§49 Abs 5) kann jede Partei, deren Wahlvorschlag für die Wahlen in die Gemeindevertretung veröffentlicht wurde (§20 Abs 1), gegen die ziffernmäßige Ermittlung der Wahlergebnisse bei den Wahlen in die Gemeindevertretung und jede Partei, deren Wahlvorschlag für die Wahl des Bürgermeisters veröffentlicht wurde (§24 Abs 2), gegen die ziffernmäßige Ermittlung der Wahlergebnisse bei der Wahl des Bürgermeisters durch ihren zustellungsbevollmächtigten Vertreter Einspruch erheben. Im Einspruch ist hinreichend glaubhaft zu machen, warum und inwiefern die ziffernmäßigen Ermittlungen der Gemeindewahlbehörde nicht den Bestimmungen dieses Gesetzes entsprechen. Der Einspruch ist bei der Gemeindewahlbehörde schriftlich einzubringen und von dieser samt den bezüglichen Akten spätestens am Tag nach Ablauf der Einspruchsfrist im Wege der Bezirkswahlbehörde der Landeswahlbehörde vorzulegen.
(2) Fehlt eine Begründung nach Abs 1, kann der Einspruch ohne weitere Überprüfung abgewiesen werden. In den übrigen Fällen hat die Landeswahlbehörde die Ermittlung der Wahlergebnisse zu überprüfen. Ergibt die Überprüfung die Unrichtigkeit der Ermittlung, so hat sie die betreffenden Ergebnisse unverzüglich richtig zu stellen, die Kundmachung der Gemeindewahlbehörde gemäß § 49 Abs 5 zu widerrufen und die richtigen Ergebnisse in der gleichen Weise wie die widerrufenen zu verlautbaren.
(3) Gibt die Überprüfung keinen Anlass zu einer Richtigstellung, so hat die Landeswahlbehörde den Einspruch abzuweisen.
8. Abschnitt
Zweiter Wahlgang für die Wahl des Bürgermeisters (Stichwahl)
§51
Stichwahl
(1) Ein zweiter Wahlgang für die Wahl des Bürgermeisters (Stichwahl) hat stattzufinden, wenn
a) bei den Wahlen in die Gemeindevertretung mehrere Parteien mindestens ein Gemeindevertretungsmandat erhalten haben und
b) keiner der Wahlwerber dieser Parteien für das Amt des Bürgermeisters mehr als die Hälfte der abgegebenen gültigen Stimmen erreicht.
(2) Die Stichwahl findet zwischen jenen beiden Wahlwerbern für das Amt des Bürgermeisters statt, die die meisten gültigen Stimmen erreicht haben. Bei Stimmengleichheit entscheidet die höhere Zahl der bei den Wahlen in die Gemeindevertretung für die Partei abgegebenen gültigen Stimmen. Haben die Parteien beider Wahlwerber bei den Wahlen in die Gemeindevertretung die gleiche Anzahl an Stimmen erreicht, so entscheidet das Los.
[…]
§53
Amtlicher Stimmzettel für die Stichwahl
Für die Stichwahl ist ein amtlicher Stimmzettel nach dem in der Anlage 7 dargestellten Muster zu verwenden. Die Wahlwerber sind in der Reihenfolge der veröffentlichten Wahlvorschläge (§§20 Abs 2 und 24 Abs 2) von oben nach unten anzuführen. Sie sind mit Familien- bzw. Nachnamen und Vornamen, Geburtsjahr, Beruf sowie der Partei, die sie vorgeschlagen hat, anzugeben. Die Stimmzettel sind von der Gemeindewahlbehörde anfertigen zu lassen.
[…]
§58
Sinngemäße Anwendung anderer Bestimmungen
Die Bestimmungen über die Wahl des Bürgermeisters gelten auch für die Stichwahl sinngemäß. Die Stimmzettel sind den Wahlberechtigten jedoch nicht zuzustellen."
III. Erwägungen
1. Zur Zulässigkeit der Anfechtung
1.1. Gemäß Art 141 Abs 1 litb B VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über Anfechtungen von Wahlen in die mit der Vollziehung betrauten Organe der Gemeinde, so auch über die Anfechtung einer Direktwahl des Bürgermeisters (vgl. zB VfSlg 19.246/2010; ). Nach Art 141 Abs 1 zweiter Satz B VG kann eine solche Anfechtung auf die behauptete Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens gegründet werden.
1.2. Nach § 68 Abs 1 VfGG ist die Wahlanfechtung – soweit das in Betracht kommende Gesetz nicht anderes bestimmt – binnen vier Wochen nach Beendigung des Wahlverfahrens oder, wenn sie auf die Rechtswidrigkeit eines Bescheides oder einer Entscheidung einer Verwaltungsbehörde oder eines Erkenntnisses oder Beschlusses eines Verwaltungsgerichtes gegründet wird, binnen vier Wochen nach Zustellung von einer gemäß § 67 Abs 2 VfGG antragsberechtigten Wählergruppe einzubringen. In den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde kann die Wahlanfechtung erst nach Erschöpfung des Instanzenzuges eingebracht werden.
1.2.1. § 50 Vbg. GWG sieht die Möglichkeit eines Einspruches gegen die ziffernmäßige Ermittlung der Wahlergebnisse bei den Wahlen in die Gemeindevertretung und bei der Wahl des Bürgermeisters vor. Diese Bestimmung ist gemäß § 58 Vbg. GWG für die Stichwahl sinngemäß anzuwenden. Zur Geltendmachung aller anderen (das sind sämtliche nicht ziffernmäßige Ermittlungen betreffende) Rechtswidrigkeiten des Wahlverfahrens steht die unmittelbare Anfechtung der Wahl beim Verfassungsgerichtshof binnen vier Wochen nach Beendigung des Wahlverfahrens offen.
1.2.2. Im vorliegenden Fall strebt die anfechtungswerbende Partei in ihrer Anfechtungsschrift nicht die Nachprüfung ziffernmäßiger Ermittlungen einer Wahlbehörde an; sie rügt vielmehr sonstige Rechtswidrigkeiten des Wahlverfahrens, wofür die unmittelbare Anfechtung nach Art 141 Abs 1 litb B VG eröffnet wird.
1.2.3. Maßgebender Zeitpunkt für den Beginn des Laufes der Anfechtungsfrist ist die Beendigung des Wahlverfahrens (vgl. zB VfSlg 19.246/2010), das ist bei der Wahl des Bürgermeisters nach dem Vbg. GWG für den Fall eines zweiten Wahlganges gemäß dem 8. Abschnitt des Vbg. GWG die der jeweiligen Gemeindewahlbehörde obliegende Veröffentlichung des Namens des Wahlwerbers, der zum Bürgermeister gewählt wurde, durch Anschlag an der Amtstafel (vgl. § 58 iVm § 49 Abs 3 und 5 Vbg. GWG). Aus dem vorgelegten Wahlakt ergibt sich, dass die Gemeindewahlbehörde den Namen des Wahlwerbers, der im zweiten Wahlgang zum Bürgermeister gewählt wurde, am durch Anschlag an der Amtstafel veröffentlicht hat. Die am beim Verfassungsgerichtshof eingebrachte Anfechtung erweist sich sohin als rechtzeitig.
1.3. Da auch die übrigen Prozessvoraussetzungen erfüllt sind, ist die Anfechtung zulässig.
2. In der Sache
2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat ein Wahlverfahren nur in den Grenzen der von der anfechtungswerbenden Partei in der Anfechtungsschrift behaupteten Rechtswidrigkeiten nachzuprüfen. Es ist ihm hingegen verwehrt, die Rechtmäßigkeit des Wahlverfahrens darüber hinaus von Amts wegen einer weiteren Überprüfung zu unterziehen (vgl. VfSlg 17.589/2005, 19.245/2010; ).
2.2. Die anfechtungswerbende Partei macht in verschiedener Hinsicht Rechtswidrigkeiten im Zusammenhang mit der Beantragung, Ausstellung und Rückübermittlung von Wahlkarten geltend. In der Anfechtungsschrift wird dazu insbesondere Folgendes ausgeführt:
2.2.1. Wahlkartenanträge seien zum Teil per Vollmacht und nicht persönlich vom Wahlberechtigten gestellt worden; in zumindest 63 Fällen seien Wahlkarten "ÖVP-Funktionären" über deren Anforderungen, denen nur teilweise Wahlkartenwünsche der Wähler zugrunde gelegen seien, ausgefolgt worden, die in weiterer Folge teilweise nicht dem Wähler selbst, sondern Dritten – etwa dem Personalbüro einer großen Firma in Bludenz oder Stationsmitarbeitern des B. Sz., die den Mitarbeitern und deren Angehörigen bzw. den Bewohnern Wahlkarten angeboten hätten, – ausgefolgt worden seien. Im LKH B. seien Wahlkartenbestellungen über eine Betriebsrätin erfolgt; die Wahlkarten seien von einem Boten des LKH abgeholt oder von einer Gemeindebediensteten beim Portier des LKH abgegeben worden. Auch seien Wahlkarten über bloßes telefonisches Ansuchen von Wahlberechtigten ausgegeben worden.
2.2.2. Die Personen, die die Wahlkarten für die Wähler entgegengenommen hätten ("Wahlwerber" der ÖVP, Personalbüro einer großen Firma in Bludenz, Stationsmitarbeiter des B. Sz., Mitarbeiter des LKH B. und Sonstige), hätten im Zeitpunkt der Entgegennahme der Wahlkarten von der für deren Ausgabe zuständigen Gemeindebediensteten über keine Vollmachten der Wähler verfügt.
2.2.3. Ein Verhinderungsgrund sei bei der Beantragung der Wahlkarte in vielen Fällen nicht angegeben worden und der gesetzlich geforderte Nachweis der Identität des Wahlberechtigten häufig nicht erbracht worden.
2.2.4. Zu Rechtswidrigkeiten sei es schließlich auch bei der Rückgabe der von den Wählern ausgefüllten Wahlkarten an die Gemeindewahlbehörde gekommen; diese sei meist über "ÖVP-Wahlwerber", Stationsmitarbeiter des Sz., über das Personalbüro einer großen Firma in Bludenz sowie Mitarbeiter des LKH B. erfolgt.
2.2.5. Die versuchte Sanierung der Gesetzesverstöße durch nachträgliche Vollmachten sei wirkungslos gewesen. Eine Bevollmächtigung wäre nur für die Übergabe einer Wahlkarte, um die der Wähler angesucht hat, gesetzlich möglich; eine solche Vollmacht müsse aber schriftlich und zudem im Zeitpunkt der Übergabe vorliegen.
2.3. Auf Grund der Anfechtungsschrift und der übermittelten Äußerungen bzw. Stellungnahmen sowie des Wahlaktes geht der Verfassungsgerichtshof von folgendem Sachverhalt aus:
2.3.1. Der Verfassungsgerichtshof erachtet es als erwiesen, dass in 63 Fällen Wahlkarten per E-Mail von "Funktionären" bzw. "Wahlwerbern" der Wählergruppe "Bürgermeister Mandi Katzenmayer – Bludenzer Volkspartei" für Dritte beantragt wurden.
2.3.1.1. Bereits im Protokoll über die Sitzung der Gemeindewahlbehörde am Donnerstag, dem , ist dazu festgehalten, dass "ÖVP-Funktionäre" bei Hausbesuchen offensichtlich auch "Bestellungen" von Wahlkarten entgegengenommen hätten. In 63 Fällen seien von "ÖVP-Funktionären" per E Mail Wahlkarten für Dritte angefordert worden.
2.3.1.2. Dieses Protokoll ist zwar von drei Mitgliedern der Gemeindewahlbehörde (jeweils SPÖ) nicht unterfertigt worden. Der darin geschilderte Sachverhalt deckt sich aber in den für die Beurteilung der vorliegenden Wahlanfechtung wesentlichen Punkten mit den Schilderungen in der Anfechtungsschrift und wird durch die Ausführungen in der an den Verfassungsgerichtshof übermittelten Stellungnahme der Gemeindebediensteten (vgl. Punkt I.6.) jedenfalls nicht bestritten; in der Äußerung der Wählergruppe "Bürgermeister Mandi Katzenmayer – Bludenzer Volkspartei" (vgl. Punkt I.7.) wird hinsichtlich des Ablaufes bei der Ausstellung der 63 per E-Mail von "ÖVP-Funktionären" beantragten Wahlkarten ausdrücklich insbesondere auf die Protokolle der Gemeindewahlbehörde verwiesen.
2.3.2. Weiters geht der Verfassungsgerichtshof davon aus, dass in fünf Fällen Wahlkarten von einer Bediensteten des LKH B. für Dritte bei der zuständigen Gemeindebediensteten per E-Mail beantragt wurden. Dies ergibt sich aus dem der Anfechtung beigelegten E-Mail-Verkehr zwischen der Bediensteten des LKH und der Gemeindebediensteten, die die Ausgabe von fünf Wahlkarten an Bedienstete des LKH in ihrer Stellungnahme auch ausdrücklich einräumt.
2.3.3. Schließlich weist die dem Protokoll über die Sitzung der Gemeindewahlbehörde am Sonntag, dem , 12.00 bis 12.15 Uhr, beigelegte "Statistik Wahlkartenantrag" für die Stichwahl des Bürgermeisters der Gemeinde Bludenz in der Kategorie "Antragsart" 100 Fälle des Typs "Vollmacht" auf, woraus sich ergibt, dass zusätzlich zu den im Protokoll über die Sitzung der Gemeindewahlbehörde am Donnerstag, dem , genannten Fällen, in denen Wahlkarten von "Funktionären" bzw. "Wahlwerbern" der Wählergruppe "Bürgermeister Mandi Katzenmayer – Bludenzer Volkspartei" per E-Mail beantragt wurden (63 Wahlkarten), und den Anforderungen über das LKH B. (fünf Wahlkarten) noch weitere Anträge auf Ausstellung einer Wahlkarte nicht von den Wahlberechtigten persönlich, sondern von (hiezu allenfalls bevollmächtigten) Dritten gestellt wurden. Auf Aufforderung des Verfassungsgerichtshofes wurden 89 schriftliche Vollmachten, die zur Beantragung einer Wahlkarte ermächtigen, vorgelegt. Insgesamt geht der Verfassungsgerichtshof somit jedenfalls von 89 Anträgen auf Ausstellung von Wahlkarten durch dritte Personen aus.
2.4. Die Beantragung und Ausfolgung der Wahlkarten sowie die Ausübung des Wahlrechtes durch Wahlkartenwähler sind im Vbg. GWG näher geregelt:
2.4.1. Gemäß § 5 Abs 4 Vbg. GWG ist die Wahlkarte den Wahlberechtigten vom Bürgermeister jener Gemeinde, in deren abgeschlossenem Wählerverzeichnis sie eingetragen sind, auszustellen, wenn sie unter Angabe des Grundes spätestens am Mittwoch vor dem Wahltag schriftlich oder spätestens am Freitag vor dem Wahltag, 12.00 Uhr, mündlich darum ansuchen. Ebenfalls bis zum letztgenannten Zeitpunkt kann dieser Bestimmung zufolge ein schriftlicher Antrag gestellt werden, wenn eine persönliche Übergabe der Wahlkarte an eine vom Antragsteller bevollmächtigte Person möglich ist.
2.4.2. Wird dem Antrag auf Ausstellung einer Wahlkarte stattgegeben, sind dem Wähler gemäß § 5 Abs 7 Vbg. GWG gleichzeitig mit der Wahlkarte auch ein amtlicher Stimmzettel und ein Wahlkuvert auszufolgen. Der amtliche Stimmzettel und das Wahlkuvert sind in die Wahlkarte zu legen, die sodann jeweils unverschlossen dem Antragsteller oder einer von ihm bevollmächtigten Person zu übergeben oder zu übersenden ist.
2.4.3. Üben Wahlkartenwähler ihr Wahlrecht durch Briefwahl aus, so hat der Wähler den amtlichen Stimmzettel persönlich, unbeobachtet und unbeeinflusst auszufüllen, den ausgefüllten Stimmzettel in das Wahlkuvert und dieses in die Wahlkarte zu legen sowie die Wahlkarte zu verschließen. Sodann hat er auf der Wahlkarte durch Unterschrift eidesstattlich zu erklären, dass er den amtlichen Stimmzettel persönlich, unbeobachtet und unbeeinflusst ausgefüllt hat. Aus der Wahlkarte mit der eidesstattlichen Erklärung hat die Identität des Wählers hervorzugehen. Die Wahlkarte ist so rechtzeitig an die Gemeindewahlbehörde zu übermitteln, dass sie spätestens bis Schließen des letzten Wahllokales beim Gemeindeamt einlangt (§37a Vbg. GWG).
2.5. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes sind Formalvorschriften der Wahlordnung strikt nach ihrem Wortlaut auszulegen (vgl. zB VfSlg 1904/1950, 4168/1962, 5861/1968, 6750/1972, 7435/1974, 8848/1980, 10.610/1985, 12.289/1990, 15.375/1998, 17.141/2004, 19.734/2013, 19.847/2014; zuletzt ). Unter Zugrundelegung dieser Auslegungsmaxime ergibt sich für die Frage, ob einzelne Schritte im Verlauf der Beantragung, Ausfolgung und Rückübermittlung von Wahlkarten durch von den jeweiligen Wählern verschiedene Personen gesetzt werden können, Folgendes:
2.5.1. Die Möglichkeiten der Beantragung einer Wahlkarte sind in § 5 Abs 4 Vbg. GWG abschließend geregelt und auf die Antragstellung durch den jeweiligen Wahlberechtigten selbst beschränkt. Eine – schriftliche oder mündliche – Antragstellung durch eine vom jeweiligen Wahlberechtigten verschiedene Person ist – auch wenn sie dazu bevollmächtigt sein sollte – nicht vorgesehen. § 5 Abs 4 Vbg. GWG legt nämlich ausdrücklich fest, dass den Wahlberechtigten eine Wahlkarte auszustellen ist, "wenn sie" – also die jeweiligen Wahlberechtigten selbst – darum ansuchen. Die Beantragung einer Wahlkarte durch eine vom jeweiligen Wahlberechtigten selbst verschiedene Person scheidet damit unabhängig davon, ob hiezu eine entsprechende Vollmacht erteilt worden ist, jedenfalls aus (vgl. auch VfSlg 19.278/2010); die Ausstellung einer Wahlkarte auf Grund eines von einem Dritten gestellten Antrages ist unzulässig.
2.5.2. Im Gegensatz zur Beantragung einer Wahlkarte, bei der die Vertretung durch einen Bevollmächtigten nicht zulässig ist, sieht § 5 Abs 7 Vbg. GWG vor, dass dann, wenn dem Antrag auf Ausstellung einer Wahlkarte stattgegeben wird, die Wahlkarte samt Stimmzettel und Wahlkuvert "dem Antragsteller oder einer von ihm bevollmächtigten Person zu übergeben oder zu übersenden ist". Diese Bestimmung eröffnet damit ausdrücklich die Möglichkeit, die vom jeweiligen Wahlberechtigten beantragte Wahlkarte an eine – zuvor – von diesem hiezu bevollmächtigte Person auszufolgen. Eine besondere Form, in der diese Bevollmächtigung zu erfolgen hat, insbesondere ein zwingendes Gebot einer schriftlichen Bevollmächtigung, ist dieser Bestimmung nicht zu entnehmen. Damit scheidet eine mündliche Bevollmächtigung nicht generell aus. Um beurteilen zu können, ob die Voraussetzungen für die Ausfolgung der Wahlkarte an eine vom jeweiligen Wahlberechtigten verschiedene, dritte Person erfüllt sind, ist das Vorliegen einer Vollmacht aber jedenfalls vor der Ausfolgung der Wahlkarte zu überprüfen und in einer jeden Zweifel ausschließenden Form nachzuweisen. Das Bestehen einer Bevollmächtigung und deren Nachweis müssen zur Vermeidung von Unklarheiten und zur Verhinderung von Missbräuchen sowie zur Überprüfbarkeit im Falle einer Wahlanfechtung nachvollziehbar dokumentiert werden (vgl. auch VfSlg 19.278/2010 zur Dokumentationspflicht bei einem mündlich gestellten Antrag auf Ausstellung einer Wahlkarte). Diese Dokumentation stellt einen Bestandteil der für das verfassungsgerichtliche Verfahren maßgeblichen Wahlunterlagen dar.
2.5.3. Eine nähere Regelung, auf welchem Weg die Wahlkarte an die zuständige Gemeindewahlbehörde zu übermitteln ist, nachdem der Wähler das Wahlkuvert mit dem ausgefüllten Stimmzettel in die Wahlkarte gelegt und diese verschlossen hat, enthält das Vbg. GWG nicht. Es ist bloß in zeitlicher Hinsicht normiert, dass die Wahlkarte "so rechtzeitig an die zuständige Gemeindewahlbehörde zu übermitteln [ist], dass sie spätestens bis Schließen des letzten Wahllokals beim Gemeindeamt einlangt" (§37a Abs 3 Vbg. GWG). Daraus folgt, dass die Form der Übermittlung vom Wahlkartenwähler – auf dessen Risiko – frei bestimmt werden kann und dabei lediglich der zeitliche Rahmen eingehalten werden muss. Denkbar ist somit insbesondere auch eine Übermittlung durch einen Boten (ebenso Erläut. zur RV 8/2008 BlgLT [Vbg.] 28. GP, 31, 39).
2.5.4. Die Beantragung der Wahlkarte muss zwingend durch den jeweiligen Wahlberechtigten selbst erfolgen, bei der Ausfolgung der Wahlkarte und der Rückübermittlung an die Gemeindewahlbehörde kann sich der Antragsteller eines Bevollmächtigten bzw. Boten bedienen. Diese strengere Regelung bei der Beantragung der Wahlkarte dient jedenfalls dazu, die Möglichkeit von Manipulationen und Missbräuchen im Wahlverfahren auszuschließen; die vorgenommene Differenzierung begegnet somit keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. auch schon VfSlg 19.246/2010). Auch dass das Vbg. GWG nicht dazu verpflichtet, die Wahlkarte entweder persönlich an die Wahlbehörde zu überbringen oder persönlich zur Post zu geben, sondern auch andere Formen, wie etwa die Überbringung durch einen Boten, zulässt und die Wahl der Übermittlungsform im Verantwortungsbereich des jeweiligen Wahlkartenwählers belässt, begegnet grundsätzlich keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
2.6. Für den vorliegenden Sachverhalt ergibt sich aus der unter Punkt III.2.4. und III.2.5. dargestellten Rechtslage somit Folgendes:
Die Beantragung einer Wahlkarte durch vom jeweiligen Wähler verschiedene Personen stand unabhängig davon, ob bei der Antragstellung eine – allenfalls mündlich – erteilte diesbezügliche Vollmacht vorlag und nachgewiesen wurde oder nicht, nicht mit den maßgeblichen Bestimmungen des Vbg. GWG im Einklang (vgl. § 5 Abs 4 Vbg. GWG). Inwieweit sich die handelnden Personen untereinander kannten, spielt für die Beurteilung dieser Frage keine Rolle, kann dies doch nichts an dem Umstand ändern, dass nach dem Vbg. GWG die Beantragung einer Wahlkarte zwingend vom jeweiligen Wahlberechtigten selbst vorgenommen werden muss und jegliche Form der Vertretung ausscheidet. Die Beantragung der Wahlkarten durch dritte Personen, etwa durch "Funktionäre" bzw. "Wahlwerber" der Wählergruppe "Bürgermeister Mandi Katzenmayer – Bludenzer Volkspartei" und durch die Bedienstete des LKH B., erfolgte somit rechtswidrig. Die Ausstellung von Wahlkarten auf Grund dieser rechtswidrigen Anträge war unzulässig.
2.7. Nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes ist einer Wahlanfechtung nicht schon dann stattzugeben, wenn die behauptete Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens erwiesen wurde; sie muss darüber hinaus auch auf das Wahlergebnis von Einfluss gewesen sein (Art141 Abs 1 Satz 3 B VG iVm § 70 Abs 1 Satz 1 VfGG): Dazu sprach der Verfassungsgerichtshof wiederholt aus, dass diese (zweite) Voraussetzung bereits erfüllt ist, wenn die Rechtswidrigkeit auf das Wahlergebnis von Einfluss sein konnte (vgl. etwa VfSlg 11.738/1988, 19.345/2011, 19.734/2013; ).
2.7.1. Bei der Verletzung einer Vorschrift der Wahlordnung, die – so wie hier – die Möglichkeit von Manipulationen und Missbräuchen im Wahlverfahren ausschließen will, ist das Vorliegen dieser Voraussetzung jedenfalls zu bejahen, ohne dass es des Nachweises einer konkreten – das Wahlergebnis tatsächlich verändernden – Manipulation bedürfte (vgl. VfSlg 14.847/1997, 15.375/1998, 19.246/2010, 19.278/2010).
2.7.2. Voraussetzung für die Ausstellung einer Wahlkarte ist gemäß § 5 Abs 4 Vbg. GWG die persönliche Beantragung der Wahlkarte durch den Wahlberechtigten. Im vorliegenden Fall wurden in zumindest 89 Fällen Anträge auf Ausstellung einer Wahlkarte von Dritten gestellt und daher eine 27 Stimmen übersteigende Anzahl an Wahlkarten (der Niederschrift über die Feststellung des Gemeindewahlergebnisses zufolge lagen beim zweiten Wahlgang für die Wahl des Bürgermeisters der Gemeinde Bludenz am 27 Stimmen zwischen Josef Katzenmayer und Mario Leiter) ohne entsprechenden Antrag der Wahlberechtigten ausgegeben. Da eine Antragstellung durch dritte Personen – unabhängig davon, ob diese dazu bevollmächtigt wurden oder nicht – unzulässig ist, hätten in diesen Fällen mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 5 Abs 4 Vbg. GWG keine Wahlkarten ausgestellt werden dürfen. Somit besteht kein Zweifel daran, dass die festgestellten Rechtswidrigkeiten von Einfluss auf das Wahlergebnis sein konnten (vgl. VfSlg 19.278/2010).
2.8. Demgemäß ist das Verfahren zum zweiten Wahlgang für die Wahl des Bürgermeisters der Gemeinde Bludenz am schon aus diesem Grund aufzuheben.
2.9. Bei dieser Sach- und Rechtslage bedarf es keines näheren Eingehens auf das restliche Anfechtungsvorbringen. Im Hinblick auf die Wiederholungswahl sieht sich der Verfassungsgerichtshof veranlasst, zum Vorbringen der anfechtungswerbenden Partei, wonach bei der Gestaltung des amtlichen Stimmzettels für den zweiten Wahlgang für die Wahl des Bürgermeisters der Gemeinde Bludenz am dadurch, dass der Beruf des amtierenden Bürgermeisters ("Bürgermeister") zweimal, einmal in Normalschrift und einmal hervorgehoben in Fettdruck, angeführt worden sei, gegen § 53 Vbg. GWG verstoßen worden sei, Folgendes festzuhalten: Gemäß § 53 Vbg. GWG sind auf dem amtlichen Stimmzettel für den zweiten Wahlgang für die Wahl des Bürgermeisters die Wahlwerber mit Familien- bzw. Nachnamen und Vornamen, Geburtsjahr, Beruf sowie der Partei, die sie vorgeschlagen hat, anzugeben. Da die Wortfolge "Bürgermeister Mandi Katzenmayer" auch Teil der unterscheidenden Parteibezeichnung jener Partei ist, die den amtierenden Bürgermeister als Wahlwerber für die Wahl des Bürgermeisters vorgeschlagen hat, führt eine § 53 Vbg. GWG entsprechende Gestaltung des Stimmzettels zwangsläufig zu einer zweifachen Anführung der Bezeichnung "Bürgermeister" im Zusammenhang mit dem Wahlwerber Josef Katzenmayer. Die gemäß § 53 Vbg. GWG anzugebenden Informationen zu den Wahlwerbern, insbesondere der Name, Beruf und die Bezeichnung der Partei, sind bei beiden Wahlwerbern in derselben Schriftart und -größe abgedruckt; Bedenken gegen eine solche Gestaltung der amtlichen Stimmzettel bestehen somit nicht.
IV. Ergebnis
1. Der Anfechtung ist daher stattzugeben.
2. Das Verfahren zum zweiten Wahlgang für die Wahl des Bürgermeisters der Gemeinde Bludenz am ist aufzuheben.
3. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
European Case Law Identifier
ECLI:AT:VFGH:2015:WI3.2015