VfGH vom 25.02.2021, WI14/2020
Leitsatz
Abweisung einer Anfechtung der Wiener Gemeinderats- und Bezirksvertretungswahl für den 20. Bezirk durch die Partei "ARTIKEL EINS"; Registrierung von Unterstützungserklärungen und Einbringung von Wahlvorschlägen vom Umfang des Wahlverfahrens vor dem VfGH erfasst; keine Unsachlichkeit der Verpflichtung neu kandidierender Parteien zur Vorlage von Unterstützungserklärungen sowie der Möglichkeit der Unterstützung durch fünf Nationalratsabgeordnete; keine Bedenken gegen die Verpflichtung zur Leistung einer Unterschrift vor dem Magistrat bzw der gerichtlichen oder notariellen Beglaubigung von Unterstützungserklärungen; keine unsachliche Verkürzung der Frist zur Vorlage der Unterstützungserklärungen auf Grund der COVID-19-Situation; Berechtigung zur Abgabe von Unterstützungserklärungen stellt auf die Eintragung in der – von der Gemeinde zu führenden – ständigen Evidenz der Wahlberechtigten ab; keine Bedenken gegen die Kundmachung in Hausfluren betreffend die Angaben über die dort Wahlberechtigten
Spruch
I.Die Anfechtung des Zweitanfechtungswerbers wird zurückgewiesen.
II.1. Die Anfechtung der Erstanfechtungswerberin wird, soweit sie sich gegen die Wiener Gemeinderatswahl und Bezirksvertretungswahl für den 20. Bezirk richtet, abgewiesen.
2. Im Übrigen wird die Anfechtung der Erstanfechtungswerberin zurückgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt, Anfechtungen und Vorverfahren
1. Am fanden die vom Bürgermeister der Bundeshauptstadt Wien gemäß § 3 Abs 1 der Wiener Gemeindewahlordnung 1996 (im Folgenden: GWO 1996), durch Verlautbarung im Amtsblatt der Stadt Wien, Ausgabe 27A vom , ausgeschriebenen Wahlen der Mitglieder des Gemeinderates und der Bezirksvertretungen statt. Die anfechtungswerbende Partei "ARTIKEL EINS (EINS)" ist als wahlwerbende Partei aufgetreten und hat gemäß § 43 Abs 1 GWO 1996 gesondert ihre Wahlvorschläge für die Wahl der Mitglieder des Gemeinderates und die Wahl der Bezirksvertretung für den 20. Bezirk am der zuständigen Bezirkswahlbehörde vorgelegt. Der Kreiswahlvorschlag für die Wahl der Mitglieder des Gemeinderates wurde mit 14 unterstützenden Unterschriften eingebracht. Der Bezirkswahlvorschlag für den 20. Bezirk wurde mit 15 unterstützenden Unterschriften eingebracht. Mit Schreiben vom hat die Bezirkswahlbehörde den zustellungsbevollmächtigten Vertreter der anfechtungswerbenden Partei gemäß § 47 Abs 3 GWO 1996 davon verständigt, dass die Wahlvorschläge nicht den Bestimmungen der § 43 Abs 3 iVm 44 Abs 1 bzw Abs 2 GWO 1996 entsprechen und daher als nicht eingebracht gelten. In der Veröffentlichung der Parteilisten durch die Bezirkswahlbehörde am (§50 GWO 1996) waren die Parteilisten der anfechtungswerbenden Partei nicht enthalten.
2. Die Namen der gewählten Bewerber und der Ersatzbewerber sowie die Zahl der Restmandate wurden – wie den vorgelegten Wahlakten zu entnehmen ist – durch Anschlag an der Amtstafel gemäß § 85 Abs 6 GWO 1996 am durch die Bezirkswahlbehörde für den 20. Wiener Gemeindebezirk bzw gemäß § 88 Abs 3 GWO 1996 am durch die Wiener Stadtwahlbehörde durch Anschlag an der Amtstafel (und im Amtsblatt der Stadt Wien, Ausgabe 45A vom ) verlautbart.
3. Mit ihrer am eingebrachten, auf Art 141 Abs 1 lita B-VG gestützten Anfechtung beantragen sowohl die anfechtungswerbende Partei "ARTIKEL EINS" (im Folgenden: "Erstanfechtungswerberin") durch deren zustellungsbevollmächtigten Vertreter als auch dieser als Wahlwerber (im Folgenden: "Zweitanfechtungswerber"), der Verfassungsgerichtshof möge die Wiener Gemeinderatswahl sowie die Wiener Bezirksvertretungswahl für den 20. Bezirk vom , in eventu – im Fall einer Aufhebung der GWO 1996 durch Wegfall der Gesetzesgrundlage – die Nichtigerklärung sämtlicher Wahlen der Bezirksvertretungen, auf Grund der Verfassungswidrigkeit von Bestimmungen der GWO 1996 sowie der Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens für nichtig erklären. Weiters wird die Feststellung beantragt, dass dem Zweitanfechtungswerber das passive Wahlrecht zu Unrecht aberkannt wurde.
3.1. Begründend führen die Anfechtungswerber im Wesentlichen aus, dass § 43 Abs 3 GWO 1996 gleichheitswidrig sei, weil demnach Unterstützungserklärungen nur für jene wahlwerbenden Parteien erforderlich seien, welche nicht auf Grund des Ergebnisses der letzten Gemeinderatswahl im Gemeinderat bzw der letzten Bezirksvertretungswahl in der jeweiligen Bezirksvertretung vertreten seien, während bei jenen Parteien, welche bereits vertreten seien, die Notwendigkeit zur Beibringung von Unterstützungserklärungen nicht gegeben sei. Damit werde auf eine Wählerentscheidung von vor fast fünf Jahren abgestellt, obwohl es nachweisbar sei, dass wahlwerbende Parteien, die in Gremien vertreten gewesen seien, bei einer Neuwahl nicht die ausreichend aktuelle Zustimmung durch die Wähler erfahren hätten, während umgekehrt noch nicht vertretene wahlwerbende Parteien sehr wohl eine ausreichende Zustimmung erhalten hätten. Auch würden sich aus Kosten- oder Organisationsgründen keine zwingenden Umstände ergeben, die Teilnahme der bereits in den Gremien etablierten Parteien bei der Sammlung von Unterstützungserklärungen für die einzubringenden Wahlvorschläge auszunehmen.
Ferner erachten die Anfechtungswerber die § 43 Abs 3 und 44 GWO 1996 als gleichheitswidrig, da diese eine ungerechtfertigte Besserstellung von Nationalratsabgeordneten darstellen würden; ein Kreis- oder Bezirkswahlvorschlag, welcher von wenigstens fünf Mitgliedern des Nationalrates unterschrieben sei, bedürfe nämlich keiner Unterstützungserklärung bzw keiner im § 44 Abs 3 GWO 1996 vorgesehenen Bestätigung der Unterstützungserklärung durch das Magistrat.
§44 Abs 3 GWO 1996 verstoße nach Ansicht der Anfechtungswerber auch deshalb gegen den Gleichheitssatz, weil Unterstützungserklärungen der eigenhändigen Unterschrift der abgebenden Person bedürfen, welche entweder vor dem Magistrat geleistet werde oder gerichtlich oder notariell beglaubigt sei und hiefür weder fliegende Wahlkommissionen noch elektronische Abgabemöglichkeiten oder ein briefliches Einbringen vorgesehen seien. Dadurch würden Personen mit körperlichen Beeinträchtigungen, sich im Strafvollzug befindende oder außerhalb Wiens aufhältige Personen von ihrem Recht auf Unterstützung einer wahlwerbenden Partei gänzlich ausgeschlossen werden.
3.2. Darüber hinaus monieren die Anfechtungswerber, dass es unsachlich sei, dass durch die mit LGBl für Wien 39/2020 erfolgte Novelle des § 43 Abs 1 GWO 1996, mit der die Frist zur Vorlage von Wahlvorschlägen vom 51. Tag auf den 58. Tag vorverlegt wurde, die Frist für die Vorlage von Unterstützungserklärungen verkürzt worden sei. Dadurch seien Wahlberechtigte, welche eine Unterstützungserklärung für eine wahlwerbende Partei abgeben hätten wollen, unnötig und fahrlässig einem größeren Gesundheitsrisiko ausgesetzt worden als Wahlberechtigte, welche am Wahltag selbst ihre Stimme abgeben hätten wollen. Insbesondere habe der Gesetzgeber in Kauf genommen, dass wahlwerbende Parteien mit entsprechendem Bedarf an Unterstützungserklärungen durch die Angst der Unterstützer vor einer COVID-19-Erkrankung bei der Unterstützung einer Wahlpartei behindert wurden. Außerdem wurden dadurch Personen, welche sich zu diesem Zeitpunkt in COVID-19-Quarantäne befunden hätten, in der Ausübung ihres Rechts der Unterstützung wahlwerbender Parteien beeinträchtigt.
3.3. Zudem verstoße § 12 Abs 2 GWO 1996 gegen den Gleichheitssatz, da der Erstanfechtungswerberin als nicht im zuletzt gewählten Gemeinderat vertretene Partei kein stimmberechtigtes Mitglied in der Wahlbehörde, sondern gemäß § 12 Abs 3 GWO 1996 lediglich die Entsendung von zwei Vertretern als Vertrauenspersonen zustehe. Sie sei daher bezüglich des Stimmrechts in den Wahlbehörden systematisch ausgeschlossen. Weiters würde der Ausschluss eines Einspruchsverfahrens gegen die nicht erfolgte Zulassung einer wahlwerbenden Partei gegen Art 3 1. ZPEMRK verstoßen.
3.4. Schließlich erblicken die Anfechtungswerber in § 44 Abs 3 GWO 1996 einen Verstoß gegen Art 3 1. ZPEMRK, da dieser für die Bestätigung einer Unterstützungserklärung durch den Magistrat persönliche Daten der unterstützenden Person verlange und deswegen Unterstützungserklärungen aus Angst vor der amtlichen Kenntnis einer politischen Präferenz unterbleiben würden; dies verstoße gegen das Prinzip des gleichen und geheimen Wahlrechts. Es bestehe keine zwingende Notwendigkeit zu einer derartigen Form der Abgabe von Unterstützungserklärungen. Vielmehr sei auch für diese Phase der Wahlen – zumindest optional – eine Form der Briefwahl einzusetzen, bei welcher das Wahlgeheimnis gewahrt bleibe.
3.5. Die Anfechtungswerber machen weiters auch Rechtswidrigkeiten des Wahlverfahrens geltend: Unter anderem deswegen, weil die Entscheidungen über Berichtigungsanträge zum Wählerverzeichnis gemäß § 30 Abs 1 iVm § 24 GWO 1996 bis spätestens und damit nach dem Abgabeschluss für die Wahlvorschläge samt Unterstützungserklärungen – welche spätestens bis zum , 13:00 Uhr, eingereicht werden mussten – zu ergehen hatten. Dadurch seien jene Wahlberechtigten, welche zu Unrecht nicht im Wählerverzeichnis eingetragen gewesen seien, in ihrem Recht zur Abgabe von Unterstützungserklärungen beeinträchtigt worden. Ferner sei eine Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens auch darin gelegen, dass die in jedem Haus anzubringende Kundmachung der Wahlberechtigten gemäß § 28 GWO 1996 keine Differenzierung zwischen der Anzahl der Wahlberechtigten zur Gemeinderatswahl und jener zur Bezirksvertretungswahl – bei welcher gemäß § 16 Abs 2 GWO 1996 auch Unionsbürger wahlberechtigt sind – erfolgt sei, sondern die Kundmachung lediglich die Zahl der Wahlberechtigten für die Bezirksvertretungswahlen beinhaltet habe. Dadurch habe ein Wahlberechtigter irrtümlicherweise davon ausgehen können, für beide Wahlen wahlberechtigt zu sein, und deswegen auf eine rechtzeitige Berichtigung verzichtet.
3.6. Abschließend legen die Anfechtungswerber Bedenken gegen eine ihrer Ansicht nach unnötige, unverhältnismäßige und die Chancen auf Einbringung ausreichend unterstützter Wahlvorschläge beschneidende Praxis dar, derzufolge selbst bei einer Niederlassung der Wahlbehörde getätigte und von der Behörde beglaubigte Unterstützungserklärungen von der unterstützenden Person wieder mitzunehmen und der unterstützten wahlwerbenden Partei zuzustellen seien. Dies stelle eine unverhältnismäßige Barriere für die Unterstützung von wahlwerbenden Parteien dar und habe diese Praxis den Erhalt von ausreichenden Unterstützungserklärungen für Wahlvorschläge der Erstanfechtungswerberin in unbekanntem Ausmaß beeinträchtigt, da Personen, welche zur Unterstützung der anfechtungswerbenden Partei bereit gewesen wären, den unnötigen Gesamtaufwand dafür nicht aufzubringen bereit oder in der Lage gewesen seien.
4. Die Wiener Stadtwahlbehörde und die Wiener Bezirkswahlbehörde legten die Wahlakten vor und erstatteten gemäß § 68 Abs 2 VfGG inhaltsgleiche Gegenschriften.
4.1. In diesen führen sie aus, dass die Anfechtungswerber nicht zur Anfechtung der Bezirksvertretungswahlen sämtlicher Wiener Gemeindebezirke legitimiert seien, da lediglich ein Wahlvorschlag für den 20. Wiener Gemeindebezirk eingebracht worden sei. Insoweit der Zweitanfechtungswerber die Aufhebung der Gemeinderatswahl und der Bezirksvertretungswahl für den 20. Wiener Gemeindebezirk beantrage, mache er keine rechtswidrige Aberkennung der Wählbarkeit geltend. Der Umstand, dass der Zweitanfechtungswerber nicht zur Gemeinderats- und Bezirksvertretungswahl antreten habe dürfen, sei nicht in seiner Person begründet gewesen, sondern lediglich mittelbare Folge des Umstands, dass der Wahlvorschlag der Erstanfechtungswerberin, in welchem der Zweitanfechtungswerber an zweiter Stelle gereiht war, mangels Beifügung der erforderlichen Zahl an Unterstützungserklärungen als nicht eingebracht beurteilt worden sei. Dem Zweitanfechtungswerber sei dadurch weder die Wählbarkeit iSd § 70 Abs 3 VfGG aberkannt worden, noch sei ihm sein gemäß Art 117 Abs 2 iVm Art 95 Abs 1 B-VG verfassungsgesetzlich gewährleistetes passives Wahlrecht aberkannt worden.
4.2. Ergänzend führen die Wiener Stadtwahlbehörde und die Bezirkswahlbehörde in ihren Gegenschriften aus, dass es der Anfechtung in zentralen Punkten an der erforderlichen Substantiierung fehlen würde. Es würden vielfach bloße Behauptungen aufgestellt und in etlichen Punkten sei nicht erkennbar, auf welche Rechtsvorschriften sich die Anfechtungswerber stützen würden. An zahlreichen Stellen würde ausschließlich die rechtlich völlig unverbindliche Allgemeine Erklärung der Menschenrechte zitiert werden, welche nicht Bestandteil des österreichischen Verfassungsrechtes sei. Weiters fehle im Antrag der Wahlanfechtungsschrift die Angabe des Zeitpunkts, ab welchem die Anfechtungswerber die Aufhebung der Wahl beantragen würden.
4.3. Zur behaupteten Verfassungswidrigkeit des § 43 Abs 3 GWO 1996 sei anzumerken, dass der Verfassungsgerichtshof seit Jahrzehnten die Vereinbarkeit der Differenzierung zwischen bereits im allgemeinen Vertretungskörper vertretenen und neu kandidierenden Gruppen mit dem Grundsatz des gleichen Wahlrechts bejahe und hiebei den rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers betone. Zudem bejahe auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) die Vereinbarkeit der Erforderlichkeit von Unterstützungserklärungen mit der wahlrechtlichen Garantie des Art 3 1. ZPEMRK. Zum behaupteten Verstoß der § 43 Abs 3 und 44 GWO 1996 gegen den Gleichheitssatz, weil demnach ein Kreis- oder Bezirkswahlvorschlag, welcher von wenigstens fünf Mitgliedern des Nationalrates unterschrieben sei, keiner Unterstützungserklärung bedürfe, werde auf die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes verwiesen, in der – hinsichtlich Wahlen unterschiedlichster Ebene – der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen habe, dass er weder gegen das System der Unterstützungserklärungen grundsätzlich Bedenken hege noch im Speziellen gegen die unterschiedliche Bewertung der Unterschriften eines Abgeordneten und eines sonstigen Wahlberechtigten, mit welchen ein Wahlvorschlag unterstützt wird, da die Abgeordneten bereits eine nicht unbeträchtliche Zahl von Wahlberechtigten repräsentieren würden. Zudem habe sich die Regelung des § 43 Abs 3 GWO 1996 nicht auf die der Wahlanfechtung zugrunde liegenden Wahlen ausgewirkt, da keine der wahlwerbenden Parteien die erforderlichen Unterstützungserklärungen durch Unterschriften von Abgeordneten ersetzt habe und diese Bestimmung daher – selbst bei Bedenken – keinesfalls präjudiziell sei.
4.4. Zur Ansicht der Anfechtungswerber, § 44 Abs 3 GWO 1996 würde gegen den Gleichheitssatz verstoßen, da Unterstützungserklärungen der eigenhändigen Unterschrift der abgebenden Person bedürfen würden, welche entweder vor dem Magistrat zu leisten oder gerichtlich oder notariell beglaubigen zu wäre, werde ausgeführt, dass sich die Abgabe einer Unterstützungserklärung in verschiedenster Hinsicht grundlegend von der Stimmabgabe bei der Wahl unterscheide, da diese in einem anderen Stadium der Wahl erfolge; es handle sich dabei gerade nicht um eine Entscheidung für eine bestimmte Wahlpartei, weswegen der vorgenommene Vergleich, wonach an die Unterstützungserklärung strengere formale Anforderungen gestellt werden würden als an die Wahlentscheidung, unpassend erscheine. Weiters seien die von den Anfechtungswerbern geforderten alternativen Möglichkeiten zur Abgabe der Unterstützungserklärung bei Wahlen auf keiner Ebene gesetzlich vorgesehen und auch verfassungsrechtlich nicht geboten. Die Ausnahme vom Grundsatz des persönlichen Wahlrechts gelte auf Grund ihres klaren Wortlauts ausschließlich für die Stimmabgabe und gerade nicht für die Abgabe von Unterstützungserklärungen. Verfassungsrechtliche Bedenken hinsichtlich der Abgabe von Unterstützungserklärungen durch körperlich oder sonst physisch beeinträchtigte Personen betreffend das auch in der (damals in Geltung stehenden) Nationalratswahlordnung 1971 vorgesehene Erfordernis des persönlichen Erscheinens habe der Verfassungsgerichtshof bereits in VfSlg 10.065/1984 verneint. Die Räumlichkeiten der Wahlreferate der MA 62 und der Magistratischen Bezirksämter seien mehrheitlich barrierefrei zugänglich; die Abgabe einer Unterstützungserklärung durch beeinträchtigte Personen sei daher problemlos möglich. Art 7 B-VG solle gerade die Gleichbehandlung von körperlich beeinträchtigten und jenen, die nicht körperlich beeinträchtigt sind, in allen Lebensbereichen gewährleisten. Eine Sonderregelung, welche körperlich beeinträchtigte Menschen ausgrenze, würde von diesen als diskriminierend aufgefasst werden. Dies zeige sich auch daran, dass viele Betroffene persönlich in das Wahllokal kommen würden und es während des gesamten Wahlverfahrens keine einzige in diese Richtung gehende Beschwerde gegeben habe. Betreffend in gerichtlichen Gefangenenhäusern, Strafvollzugsanstalten, im Maßnahmenvollzug oder in Hafträumen untergebrachte Personen würde gemäß § 98 Strafvollzugsgesetz eine rechtliche Möglichkeit betreffend die Abgabe der Unterstützungserklärung vor der Behörde bestehen. Hinsichtlich jener Personen, welche sich während der Frist für die Abgabe von Unterstützungserklärungen außerhalb Wiens aufhalten würden, sei zu bedenken, dass die Ortsabwesenheit nur in seltenen Fällen während des gesamten Fristenlaufs aufrecht bleiben werde, ohne dass damit der Hauptwohnsitz und damit die Wahlberechtigung ohnedies verloren ginge. Personen mit körperlichen Beeinträchtigungen, sich im Strafvollzug befindende oder außerhalb Wiens aufhältige Personen hätten außerdem die Möglichkeit, allfälligen faktischen Hindernissen bei der Abgabe der Unterstützungserklärung dadurch zu begegnen, dass sie ihre Unterschrift außerhalb der Amtsräumlichkeiten abgeben und diese notariell oder durch ein Gericht beglaubigen lassen.
4.5. Die Bedenken der Anfechtungswerber gegen die mit LGBl 39/2020 erfolgte Novelle des § 43 Abs 1 GWO 1996, womit durch die Änderung der Frist zur Vorlage von Wahlvorschlägen auch die Frist für die Vorlage von Unterstützungserklärungen verkürzt wurde und dadurch Wahlberechtigte, welche eine Unterstützungserklärung für eine wahlwerbende Partei abgeben hätten wollen, unnötig und fahrlässig einem größeren Gesundheitsrisiko ausgesetzt gewesen wären, seien unklar. Es sei nämlich kein sachlicher Zusammenhang zwischen der Länge der Frist für die Abgabe von sämtlichen Unterstützungserklärungen und der Dauer der Abgabe einer einzelnen Unterstützungserklärung ersichtlich. Auch seien die Ausführungen inhaltlich unzutreffend, da während der Frist für die Abgabe von Unterstützungserklärungen keine Ausgangsbeschränkungen gegolten hätten. In diesem Zeitraum sei die Infektionsgefahr in Österreich mit COVID-19 sehr gering gewesen und hätten dennoch für die Abgabe von Unterstützungserklärungen in den Amtsräumlichkeiten der MA 62 und den Magistratischen Bezirksämtern umfangreiche Sicherheitsvorkehrungen zum Ausschluss eines allfälligen Restrisikos gegolten. Der Kontakt mit den zuständigen Magistratsmitarbeitern sei sehr kurz gewesen. Dadurch sei das Risiko einer Infektion nach menschlichem Ermessen nahezu zur Gänze ausgeschlossen gewesen. Objektiv habe kein nachvollziehbarer Grund bestanden, wegen Furcht vor einer allfälligen Infektionsgefahr den Amtsräumlichkeiten fernzubleiben und eine beabsichtigte Unterstützungserklärung zu unterlassen. Weiters sei anzumerken, dass Personen, welche sich in COVID-19-Quarantäne befunden hätten, trotzdem genügend Zeit zur Abgabe von Unterstützungserklärungen gehabt hätten, da die Dauer der Quarantäne vierzehn bzw zehn Tage betragen habe und damit um vieles kürzer gewesen sei als die eineinhalbmonatige Frist zur Abgabe der Unterstützungserklärungen.
4.6. Soweit die Anfechtungswerber einen Verstoß des § 12 Abs 2 GWO 1996 gegen den Gleichheitssatz darin erblicken, dass der Erstanfechtungswerberin als nicht im zuletzt gewählten Gemeinderat vertretene Partei kein stimmberechtigtes Mitglied in den Wahlbehörden zustehe, und sie daher bezüglich des Stimmrechtes in den Wahlbehörden systematisch ausgeschlossen sei, werde darauf hingewiesen, dass die Differenzierung zwischen bereits im allgemeinen Vertretungskörper vertretenen Parteien und solchen, die dies nicht seien, nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes sachlich sei. Die besondere bevorzugte Stellung bereits im allgemeinen Vertretungskörper vertretener Parteien stelle eine Wertung dar, die bundesverfassungsrechtlich hinsichtlich der Wahlbehörden des Bundes in Art 26a B-VG explizit verankert sei. Deswegen sei keine Besetzung mit neutralen Personen oder mit stimmberechtigten Mitgliedern aller Parteien geboten. Im Übrigen komme die GWO 1996 Kleinparteien ohnehin sehr entgegen, indem diesen unabhängig von deren bisheriger Vertretung im allgemeinen Vertretungskörper ein gewisser Einfluss durch die Mitgliedschaft von Vertrauenspersonen ermöglicht werde.
Betreffend die Bedenken der Anfechtungswerber, wonach das Fehlen eines Rechtsmittels gegen die Nichtveröffentlichung eines eingebrachten Wahlvorschlages gegen Art 3 1. ZPEMRK verstoße, werde angemerkt, dass dieses System dem verfassungsmäßig vorgeschriebenen Rechtsschutzsystem gemäß Art 141 Abs 1 lita B-VG entspreche. Diese Bestimmung werde laut ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes so verstanden, dass grundsätzlich nur die gesamte Wahl nachträglich nach deren Durchführung überprüft werden könne und die Bekämpfbarkeit von Teilakten ausgeschlossen sei. Die von den Anfechtungswerbern als geboten erachtete Rechtslage hätte massive Rechtsunsicherheit zur Folge und würde in vielen Fällen die Verschiebung bereits anberaumter Wahlen erfordern. Es liege im Übrigen kein Verstoß gegen Art 3 1. ZPEMRK vor, da die derzeitige Rechtslage den direkten und unbeschränkten Zugang zu einem (Höchst-)Gericht ermöglichen würde; außerdem beschränke sich der sachliche Geltungsbereich des Art 3 1. ZPEMKR auf die Wahl gesetzgebender Organe; die Wahlen zu den Bezirksvertretungen würden demnach von dieser Bestimmung nicht erfasst.
4.7. Bezüglich der Bedenken der Anfechtungswerber, § 44 Abs 3 GWO 1996 würde gegen Art 3 1. ZPEMRK verstoßen, da dieser für die Bestätigung einer Unterstützungserklärung durch den Magistrat persönliche Daten der unterstützenden Person verlange und deswegen Unterstützungserklärungen aus Angst vor der amtlichen Kenntnis einer politischen Präferenz unterbleiben würden, sei anzumerken, dass es dem Wesen einer Unterstützungserklärung immanent sei, die Identität und insbesondere die Tatsache der Unterstützung offenzulegen; andernfalls könnte die Gültigkeit einer solchen Erklärung nicht überprüft werden. Die Beamten des Magistrats seien zur Amtsverschwiegenheit verpflichtet und erfolge keine elektronische Erfassung der Unterschriften. Weiters würden die Unterstützungserklärungen aus datenschutzrechtlichen Gründen nach Beendigung des Wahlverfahrens auch vernichtet werden.
II. Rechtslage
Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen der Wiener Gemeindewahlordnung 1996 (GWO 1996), LGBl 16/1996, idF LGBl 39/2020 lauten – auszugsweise – wie folgt:
"Artikel I
Wiener Gemeindewahlordnung 1996 - GWO 1996
I. HAUPTSTÜCK
Allgemeines, Wahlausschreibung, Wahlbehörden
3. Abschnitt
Wahlbehörden
§12. [(1) …]
(2) Die Beisitzer (Ersatzbeisitzer) werden auf Grund der Vorschläge der Parteien verhältnismäßig nach den bei der letzten Wahl des Gemeinderates auf die einzelnen Parteien im ganzen Gemeindegebiet entfallenen Stimmen unter Anwendung des d'Hondtschen Höchstzahlenverfahrens aufgeteilt.
(3) Hat eine Partei gemäß Abs 2 keinen Anspruch auf Berufung eines Beisitzers, so ist sie, falls sie im zuletzt gewählten Gemeinderat durch mindestens drei Mitglieder vertreten ist, berechtigt, in jede Wahlbehörde höchstens zwei Vertreter als ihre Vertrauenspersonen zu entsenden. Das gleiche Recht steht hinsichtlich der Bezirkswahlbehörden und der Stadtwahlbehörde auch solchen Parteien zu, die im zuletzt gewählten Gemeinderat mit weniger als drei Mitgliedern oder überhaupt nicht vertreten sind. Die Vertrauenspersonen sind zu den Sitzungen der Wahlbehörde einzuladen. Sie nehmen an den Verhandlungen ohne Stimmrecht teil. Im übrigen finden die Bestimmungen der § 4 Abs 3, 11, 12 Abs 1 und 4 und 13 Abs 2 sinngemäß Anwendung.
[(4) …]
[…]
4. Abschnitt
Berichtigungs- und Beschwerdeverfahren
§28. Spätestens zu Beginn der Einsichtsfrist ist in jedem Haus an einer den Hausbewohnern zugänglichen Stelle (Hausflur) eine Kundmachung anzuschlagen, welche die Zahl der Wahlberechtigten, nach Lage und Türnummer der Wohnung geordnet, sowie den Amtsraum angibt, in dem Berichtigungsanträge gegen das Wählerverzeichnis eingebracht werden können. Die Eigentümer der Häuser haben den ordnungsgemäßen Anschlag der vom Magistrat zu veranlassenden Kundmachungen während der Dauer der Einsichtsfrist in ihren Häusern zu dulden.
[…]
III. HAUPTSTÜCK
Wählbarkeit, Wahlwerbung
2. Abschnitt
Wahlwerbung
§43. (1) Wahlwerbende Parteien haben ihre Wahlvorschläge, gesondert für den Gemeinderat und für die Bezirksvertretungen, spätestens am 58. Tag vor dem Wahltag bis 13 Uhr den Bezirkswahlbehörden unter Beachtung der Zuständigkeitsregelung des § 6 Abs 2 vorzulegen (Kreis- und Bezirkswahlvorschläge). Der Bezirkswahlleiter hat nach sofortiger Überprüfung des Wahlvorschlages auf offensichtliche Mängel auf diesem den Tag und die Uhrzeit seines Einlangens zu vermerken. Fallen dem Bezirkswahlleiter an einem rechtzeitig vorgelegten Wahlvorschlag offensichtliche Mängel auf, so hat er der wahlwerbenden Partei über ihr Verlangen die Möglichkeit zur Verbesserung einzuräumen, wobei die Wiedervorlage des verbesserten Wahlvorschlages gleichfalls innerhalb der für die Einbringung von Wahlvorschlägen vorgeschriebenen Frist erfolgen muss, und erst danach den Eingangsvermerk anzubringen.
[(2) …]
(3) Wahlvorschlägen, welche von einer wahlwerbenden Partei eingebracht werden, die nicht aufgrund des Ergebnisses der letzten Gemeinderatswahl im Gemeinderat vertreten ist, sind Unterstützungserklärungen beizulegen, für welche § 44 die näheren Vorschriften enthält. Bezirkswahlvorschläge solcher wahlwerbender Parteien, die aufgrund des Ergebnisses der letzten Bezirksvertretungswahl in der Bezirksvertretung des betreffenden Bezirkes vertreten sind, bedürfen in diesem Bezirk keiner Unterstützungserklärung. Desgleichen bedarf ein Kreis- oder Bezirkswahlvorschlag, welcher von wenigstens fünf Mitgliedern des Nationalrates unterschrieben ist, keiner Unterstützungserklärung.
[(4) …]
§44. (1) Kreiswahlvorschläge für den Gemeinderat müssen von jeweils wenigstens 100 Personen, die am Stichtag in den entsprechenden Wahlkreisen als zum Gemeinderat wahlberechtigt in den von der Gemeinde nach bundesgesetzlichen Vorschriften zu führenden ständigen Evidenzen der Wahlberechtigten eingetragen waren, unterstützt sein. Hiebei sind dem Kreiswahlvorschlag die nach Muster der Anlage 6 ausgefüllten und gemäß Abs 3 eigenhändig unterfertigten Unterstützungserklärungen anzuschließen.
(2) Bezirkswahlvorschläge für die Bezirksvertretung müssen von wenigstens 50 Personen, die am Stichtag im entsprechenden Gemeindebezirk als zur Bezirksvertretung wahlberechtigt (§16) in den von der Gemeinde nach bundesgesetzlichen Vorschriften zu führenden ständigen Evidenzen der Wahlberechtigten oder in der Wählerevidenz für Unionsbürger gemäß § 19a Abs 1 eingetragen waren, unterstützt sein. Hiebei sind dem Bezirkswahlvorschlag die nach Muster der Anlage 7 ausgefüllten und gemäß Abs 3 eigenhändig unterfertigten Unterstützungserklärungen anzuschließen.
(3) Die Unterstützungserklärung hat die Bestätigung des Magistrates zu enthalten, dass die in der Erklärung bezeichnete Person am Stichtag in einer von der Gemeinde nach bundesgesetzlichen Vorschriften zu führenden ständigen Evidenz der Wahlberechtigten des Wahlkreises (Bezirkes) oder in der Wählerevidenz für Unionsbürger der Wahlberechtigten des Wahlkreises (Bezirkes) gemäß § 19a Abs 1 eingetragen war. Diese Bestätigung ist vom Magistrat zu erteilen, wenn die Unterstützungserklärung die Angaben über Vor- und Familien- oder Nachname, Geburtsdatum und Wohnadresse sowie die Bezeichnung des Wahlvorschlages enthält und die eigenhändige Unterschrift der die Unterstützungserklärung abgebenden Person entweder vor dem Magistrat geleistet wurde oder gerichtlich oder notariell beglaubigt ist. Im Falle des persönlichen Erscheinens beim Magistrat hat der Betreffende seine Identität durch eine mit Lichtbild ausgestattete öffentliche Urkunde (z. B. Reisepass, Personalausweis, Führerschein nachzuweisen.
[(4) …]
[…]
§47. (1) Die Bezirkswahlbehörde überprüft unverzüglich, ob die Wahlvorschläge von der erforderlichen Zahl der Wahlberechtigten unterstützt und die in den Parteilisten vorgeschlagenen Wahlwerber wählbar sind.
[(2) …]
(3) Weist ein Wahlvorschlag nicht die erforderliche Anzahl von Unterstützungserklärungen auf, entspricht er nicht den Voraussetzungen gemäß § 43 Abs 2 oder wurde der Beitrag zu den Kosten des Wahlverfahrens nicht gemäß § 43 Abs 4 fristgerecht in voller Höhe entrichtet, so gelten die Wahlvorschläge als nicht eingebracht. Hievon ist der zustellungsbevollmächtigte Vertreter (Stellvertreter) der Partei zu verständigen. Bewerber, die nicht wählbar sind, werden im Wahlvorschlag gestrichen. Auch in diesem Falle ist der zustellungsbevollmächtigte Vertreter (Stellvertreter) der wahlwerbenden Partei zu verständigen."
III. Erwägungen
1. Zur Zulässigkeit
1.1. Gemäß Art 141 Abs 1 lita B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof unter anderem über die Anfechtung von Wahlen zu den allgemeinen Vertretungskörpern. In der Bundeshauptstadt Wien zählen dazu nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes – für den Bereich des Art 141 B-VG – neben dem Gemeinderat (vgl Art 11 Abs 1 lita iVm Art 112 B-VG) auch die landesgesetzlich eingerichteten Bezirksvertretungen (VfSlg 11.739/1988, 15.028/1997, 15.033/1997, 16.479/2002). Nach Art 141 Abs 1 zweiter Satz B-VG kann eine solche Anfechtung auf die behauptete Rechtswidrigkeit des Verfahrens gegründet werden.
1.2. Nach § 67 Abs 2 zweiter Satz VfGG sind zur Anfechtung der Wahl grundsätzlich jene Wählergruppen berechtigt, die bei der Wahlbehörde rechtzeitig Wahlvorschläge für die angefochtene Wahl vorgelegt haben, und zwar durch ihren zustellungsbevollmächtigten Vertreter. Weiters kann eine Wahlanfechtung nach § 67 Abs 2 letzter Satz VfGG auch der Wahlwerber einbringen, der behauptet, dass ihm die Wählbarkeit im Wahlverfahren rechtswidrig aberkannt wurde.
1.3. Hinsichtlich des Wahlvorschlages nimmt der Verfassungsgerichtshof seit dem Erkenntnis VfSlg 4992/1965 in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt ein, dass die Anfechtungslegitimation, jedenfalls soweit die Frage der Gültigkeit des eingereichten Wahlvorschlages das Ergebnis der Wahlanfechtung mitbestimmt, nicht zusätzlich davon abhängt, ob dieser Vorschlag rechtswirksam erstattet wurde (zB VfSlg 7387/1974, 10.217/1984, 18.932/2009, 20.024/2015).
1.4. Wählergruppen, deren Wahlvorschläge als nicht eingebracht erklärt oder als unzulässig zurückgewiesen wurden, steht es folglich frei, diesen Teilakt des Wahlverfahrens im Weg einer Wahlanfechtung gemäß Art 141 B-VG mit der Behauptung zu bekämpfen, dass die (ihre Vorschläge behandelnde) Entscheidung der Wahlbehörde auf verfassungswidrigen Rechtsgrundlagen beruhe oder sonst rechtswidrig ergangen sei. Halten diese Vorwürfe im verfassungsgerichtlichen Wahlanfechtungsverfahren einer Nachprüfung nicht stand, sind die – von der Teilnahme der Wahl rechtmäßig ausgeschlossenen – Wählergruppen darüber hinaus zur Anfechtung des Wahlverfahrens nicht befugt (vgl VfSlg 11.995/1989 mwH, 19.733/2013).
1.5. Die Erstanfechtungswerberin ist sowohl bei der Wiener Gemeinderatswahl als auch bei der Wiener Bezirksvertretungswahl am als wahlwerbende Partei aufgetreten und hat gemäß § 43 Abs 1 GWO 1996 gesondert einen Kreiswahlvorschlag für die Gemeinderatswahl sowie einen Bezirkswahlvorschlag für die Bezirksvertretungswahl für den 20. Wiener Gemeindebezirk am eingereicht. Sie ist daher zur Anfechtung der Gemeinderatswahl und Bezirksvertretungswahl für den 20. Wiener Gemeindebezirk legitimiert. Zur Anfechtung betreffend die Wahlen sämtlicher anderer Wiener Gemeindebezirke ist sie – mangels Einreichung eines Wahlvorschlages – nicht legitimiert; die Anfechtung ist daher in diesem Umfang als unzulässig zurückzuweisen.
1.6. Der Zweitanfechtungswerber, der sowohl auf der Parteiliste des Kreiswahlvorschlages für die Gemeinderatswahl als auch auf der Parteiliste des Bezirkswahlvorschlages für die Bezirksvertretungswahl des 20. Wiener Gemeindebezirks aufscheint, begründet seine Anfechtungslegitimation damit, dass ihm durch die Nichtveröffentlichung der eingebrachten Wahlvorschläge die Wählbarkeit rechtswidrig aberkannt wurde.
1.6.1. Der Verfassungsgerichtshof hat in VfSlg 6739/1972 ausgesprochen, dass unter Aberkennung der Wählbarkeit nur solche Maßnahmen zu verstehen sind, durch die der Wahlwerber davon ausgeschlossen wird, gewählt zu werden; andere Maßnahmen im Verlaufe des Wahlverfahrens, mögen sie auch auf die Wahl und die durch diese bedingte Position des Wahlwerbers von Einfluss sein, haben keinen Einfluss auf die Wählbarkeit. Unter Aberkennung der Wählbarkeit ist demgemäß insbesondere auch die Nichtzulassung zur Wahl aus in der Person des Wahlwerbers gelegenen Gründen zu verstehen, nicht hingegen die Zurückweisung eines Wahlvorschlages aus anderen Gründen (vgl VfSlg 18.552/2008, 19.021/2010, 19.278/2010, 20.006/2015; ).
1.6.2. Wie sich aus der Niederschrift der Bezirkswahlbehörde für den 20. Bezirk vom ergibt, erfolgte die Nichtveröffentlichung der Wahlvorschläge gemäß § 47 Abs 3 iVm § 44 Abs 1 und 2 GWO 1996 deshalb, weil die erforderlichen Unterstützungserklärungen nicht beigebracht wurden. Somit waren für die Nichtveröffentlichung der Wahlvorschläge nicht in der Person des Wahlwerbers gelegene Gründe ausschlaggebend (vgl idZ VfSlg 19.021/2010; zur Bejahung der Anfechtungslegitimation, da insbesondere auch in der Person des Anfechtungswerbers liegende Gründe für die Zurückweisung des Wahlvorschlages ausschlaggebend waren bzw die Zurückweisung des Wahlvorschlages mit der Person des Anfechtungswerbers in Zusammenhang steht). Der Zweitanfechtungswerber ist zur Anfechtung der Wiener Gemeinderatswahl und der Bezirksvertretungswahl für den 20. Wiener Gemeindebezirk vom nicht legitimiert, weswegen seine Anfechtungen als unzulässig zurückzuweisen sind.
1.7. Nach § 68 Abs 1 VfGG ist die Wahlanfechtung – soweit das in Betracht kommende Gesetz nicht anderes bestimmt – binnen vier Wochen nach Beendigung des Wahlverfahrens oder, wenn sie auf die Rechtswidrigkeit eines Bescheides oder einer Entscheidung einer Verwaltungsbehörde oder eines Erkenntnisses oder Beschlusses eines Verwaltungsgerichtes gegründet wird, binnen vier Wochen nach Zustellung einzubringen.
1.8. § 90 Abs 1 GWO 1996 sieht nun administrative Einsprüche vor, und zwar gemäß § 90 Abs 1 lita leg cit GWO 1996 gegen die ziffernmäßige Ermittlung einer Bezirkswahlbehörde gemäß § 85 Abs 2 GWO 1996 (somit im ersten Ermittlungsverfahren bei der Wahl des Gemeinderates bzw im einzigen Ermittlungsverfahren bei der Wahl der Bezirksvertretung) bei der Stadtwahlbehörde sowie weiters gemäß § 90 Abs 1 litb leg. cit. gegen die ziffernmäßige Ermittlung der Stadtwahlbehörde gemäß § 89 Abs 2 GWO 1996 (somit im zweiten Ermittlungsverfahren bei der Wahl des Gemeinderates) beim Stadtsenat und schließlich gemäß § 90 Abs 1 litc leg cit gegen die gesetzwidrige Beurteilung oder Zurechnung von Stimmzetteln durch eine Sprengel- oder eine Bezirkswahlbehörde bei der Stadtwahlbehörde.
Zur Geltendmachung aller anderen Rechtswidrigkeiten des Wahlverfahrens steht die unmittelbare Anfechtung der Wahl beim Verfassungsgerichtshof binnen vier Wochen nach Beendigung des Wahlverfahrens (§68 Abs 1 erster Satz VfGG) offen.
1.9. Vorliegend strebt die Erstanfechtungswerberin in ihrer Anfechtungsschrift nicht die Nachprüfung der ziffernmäßigen Ermittlung oder der Zurechnung von Stimmzetteln durch die Wahlbehörde an; sie rügt vielmehr die in den Bereich sonstiger Rechtswidrigkeiten des Wahlverfahrens fallende Nichtzulassung ihrer Wahlvorschläge, wofür die unmittelbare Wahlanfechtung nach Art 141 Abs 1 lita B-VG eingeräumt ist.
1.10. Der Umfang des Wahlverfahrens ist im Rahmen eines Verfahrens nach Art 141 Abs 1 lita B-VG weit zu verstehen (vgl dazu VfSlg 19.995/2015) und erstreckt sich insbesondere auch auf die der eigentlichen Wahl vorgelagerte Aspekte, etwa die Registrierung von Unterstützungserklärungen und die Einbringung von Wahlvorschlägen. Auch Rechtswidrigkeiten, die diese Abläufe betreffen, sind somit mittels Wahlanfechtung gemäß Art 141 B-VG zu bekämpfen (s etwa VfSlg 10.610/1985, 11.256/1987, 17.192/2004). Dies trifft auch dann zu, wenn in diesem Zusammenhang Entscheidungen von Wahlbehörden oder Verwaltungsgerichten als – nicht selbstständig anfechtbare – Teilakte des Wahlverfahrens (vgl VfSlg 8973/1980, 9093/1981, 12.532/1990, 16.164/2001, 18.729/2009) ergehen. Maßgebender Zeitpunkt für den Beginn des Laufes der vierwöchigen Frist zur Anfechtung ist im vorliegenden Fall die Beendigung des Wahlverfahrens (vgl VfSlg 1904/1950, 20.024/2015), das ist die amtliche Verlautbarung der Namen der gewählten Bewerber und Ersatzbewerber durch Anschlag an der Amtstafel gemäß § 85 Abs 6 GWO 1996 am durch die Bezirkswahlbehörde für den 20. Wiener Gemeindebezirk bzw gemäß § 88 Abs 3 GWO 1996 am durch die Wiener Stadtwahlbehörde. Die am durch die Erstanfechtungswerberin beim Verfassungsgerichtshof eingebrachte Anfechtung erweist sich daher für beide Wahlen als rechtzeitig (vgl VfSlg 20.045/2016).
1.11. Da auch die übrigen Prozessvoraussetzungen vorliegen, ist die Wahlanfechtung der Erstanfechtungswerberin im Umfang der Anfechtung der Wiener Gemeinderatswahl und der Bezirksvertretungswahl für den 20. Wiener Gemeindebezirk zulässig.
2. In der Sache
2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat ein Wahlverfahren nur in den Grenzen der von der anfechtungswerbenden Partei in der Anfechtungsschrift behaupteten Rechtswidrigkeiten nachzuprüfen. Es ist ihm hingegen verwehrt, die Rechtmäßigkeit des Wahlverfahrens darüber hinaus von Amts wegen einer weiteren Überprüfung zu unterziehen (vgl VfSlg 20.067/2016, 20.071/2016; ; , WI1/2018).
2.2. Die Erstanfechtungswerberin wendet sich gegen die Nichtveröffentlichung ihrer Wahlvorschläge auf Grund verfassungswidriger Bestimmungen der GWO 1996 sowie gegen Rechtswidrigkeiten des Wahlverfahrens, welche potentiellen Einfluss auf das Wahlergebnis hatten.
Konkret widerspreche § 43 Abs 3 GWO 1996 dem Gleichheitssatz (Art7 Abs 1 B-VG), weil demnach Unterstützungserklärungen nur für jene wahlwerbenden Parteien verlangt werden, welche nicht auf Grund des Ergebnisses der letzten Gemeinderatswahl im Gemeinderat bzw der letzten Bezirksvertretungswahl in der jeweiligen Bezirksvertretung vertreten seien, während bei jenen Parteien, welche bereits vertreten seien, die Notwendigkeit zur Beibringung von Unterstützungserklärungen nicht vorgesehen sei. § 43 Abs 3 GWO 1996 sei überdies auch deshalb unsachlich, weil dieser eine ungerechtfertigte Bevorzugung einer Unterstützung durch Nationalratsabgeordnete beinhalte, da einerseits ein Kreis- oder Bezirkswahlvorschlag, welcher von wenigstens fünf Mitgliedern des Nationalrates unterstützt werde, keiner weiteren Unterstützungserklärung bedürfe; andererseits könne die Bestätigung einer Unterstützungserklärung vom Magistrat nur für einen Kreis- und für einen Bezirkswahlvorschlag ausgestellt werden.
2.2.1. Gemäß § 43 Abs 3 GWO 1996 sind den Wahlvorschlägen, welche von einer wahlwerbenden Partei eingebracht werden, die nicht auf Grund des Ergebnisses der letzten Gemeinderatswahl im Gemeinderat vertreten ist, Unterstützungserklärungen beizulegen, für welche § 44 leg cit die näheren Vorschriften enthält. Bezirkswahlvorschläge solcher wahlwerbender Parteien, die auf Grund des Ergebnisses der letzten Bezirksvertretungswahl in der Bezirksvertretung des betreffenden Bezirks vertreten sind, bedürfen in diesem Bezirk ebenfalls keiner Unterstützungserklärung. Desgleichen bedarf ein Kreis- oder Bezirkswahlvorschlag, welcher von wenigstens fünf Mitgliedern des Nationalrates unterschrieben ist, keiner Unterstützungserklärung. Gemäß § 44 Abs 4 GWO 1996 hat der Magistrat die Bestätigung einer Unterstützungserklärung unverzüglich und ohne Einhebung von Verwaltungsabgaben auszufertigen. Die Bestätigung darf für eine Person nur für einen Kreis- und für einen Bezirkswahlvorschlag ausgestellt werden.
2.2.2. Vorweg ist auf die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu verweisen, wonach angesichts der verfassungsgesetzlichen Verankerung des Verhältniswahlrechts keine Bedenken gegen Bestimmungen einer Wahlordnung bestehen, wenn Wahlvorschläge der Unterstützung durch eine Mindestzahl von Wahlberechtigten (zwingend) bedürfen; denn auf solche Weise werden – sowohl im Interesse der Vereinfachung des Wahlverfahrens als auch zur Vermeidung einer unnötigen Stimmenauffächerung – all jene Kleinstgruppen von der Wahlwerbung ausgeschlossen, die in Wahrheit außerstande sind, einen nennenswerten Grundstock an Anhängern nachzuweisen, und darum nach allgemeiner Lebenserfahrung von vornherein keine Aussicht auf Erlangung eines Mandates haben. So gesehen hat die jeder wahlwerbenden Gruppe auferlegte Verpflichtung zur Beibringung einer gewissen Anzahl von Unterstützungserklärungen nur zur Folge, dass eine Stimmabgabe für gänzlich aussichtslose Bewerber vermieden wird. Ein Ergebnis, das zur effektiven Gestaltung des Verhältniswahlrechts entscheidend beiträgt (vgl VfSlg 2758/1954, 3653/1959, 3969/1961, 6087/1969, 6201/1970, 6207/1970, 7387/1974, 7821/1976, 8694/1979, 10.065/1984, 10.217/1984, 11.256/1987).
Zur Differenzierung zwischen bereits im allgemeinen Vertretungskörper vertretenen und neu kandidierenden wahlwerbenden Parteien hat der Verfassungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen, dass es keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet, wenn der Gesetzgeber innerhalb seines rechtspolitischen Gestaltungsspielraums zur Auffassung gelangt, zwischen bereits im allgemeinen Vertretungskörper vertretenen und neu kandidierenden wahlwerbenden Parteien zu differenzieren (vgl idZ VfSlg 10.821/1986 mwN, 11.875/1988, 13.643/1993, 19.893/2014, 20.044/2016, 20.242/2018). Dieser Gestaltungsspielraum kommt dem Gesetzgeber auch bei der Regelung betreffend Unterstützungserklärungen zu. Es ist nicht unsachlich, bereits im Gemeinderat oder in der Bezirksvertretung vertretene Wahlparteien bei der Unterstützung von Wahlvorschlägen anders als erstmals kandidierende Parteien zu behandeln, weil in der Regel davon ausgegangen werden kann, dass solche wahlwerbenden Parteien einen nennenswerten Grundstock an Anhängern aufweisen. Der Erstanfechtungswerber hält es auch für unsachlich, dass fünf Abgeordnete zum Nationalrat einen Wahlvorschlag unterstützen können, obwohl diese in keinem Zusammenhang mit der Wahl in einen Gemeinderat oder einer Bezirksvertretung stehen. Soweit diese Bestimmung überhaupt präjudiziell ist, weil – wie die Stadt- und Bezirkswahlbehörde in ihren Gegenschriften zutreffend ausführen – diese Bestimmung in den zugrunde liegenden Wahlen nicht angewendet wurde, da keine der wahlwerbenden Parteien die erforderliche Anzahl von Unterstützungserklärungen durch Unterschriften von Abgeordneten zum Nationalrat ersetzt hat, bestehen dagegen keine Bedenken, weil diese Abgeordneten jedenfalls in der Regel eine nicht unbeträchtliche Zahl von Wahlberechtigten repräsentieren (vgl zB VfSlg 6201/1970, 7387/1974, 8694/1979, 10.178/1984, 15.169/1998 mit zahlreichen Hinweisen auf die ergangene Vorjudikatur; 19.893/2014).
2.3. Weiters sieht die Erstanfechtungswerberin einen Verstoß des § 44 Abs 3 GWO 1996 gegen den Gleichheitssatz (Art7 Abs 1 B-VG) darin, dass eine Unterstützungserklärung der eigenhändigen Unterschrift der abgebenden Person bedürfe, welche entweder vor dem Magistrat geleistet werde oder gerichtlich oder notariell beglaubigt sei, und hiefür weder fliegende Wahlkommissionen noch elektronische Abgabemöglichkeiten oder briefliches Einbringen vorgesehen seien; dadurch seien Personen mit körperlichen Beeinträchtigungen, sich im Strafvollzug befindende Personen oder außerhalb Wiens aufhältige Personen von ihrem Recht auf Unterstützung einer wahlwerbenden Partei gänzlich ausgeschlossen. Darüber hinaus erachtet die Erstanfechtungswerberin das in § 44 Abs 3 GWO 1996 normierte persönliche Erscheinen der unterstützenden Person vor dem Magistrat zur Erlangung der Bestätigung einer Unterstützungserklärung als einen Verstoß gegen Art 3 1. ZPEMRK, weil dafür persönliche Daten der unterstützenden Person preisgegeben werden müssten und deswegen Unterstützungserklärungen aus Angst vor der amtlichen Kenntnis einer politischen Präferenz unterbleiben würden; dies verletze das Prinzip von gleichen Wahlen mit geheimer Stimmabgabe. Es würde keine zwingende Notwendigkeit zu einer derartigen Form der Abgabe von Unterstützungserklärungen bestehen; auch für diese Phase der Wahlen wäre – zumindest optional – eine Form der Briefwahl einzusetzen, bei welcher das Wahlgeheimnis gewahrt bleibe.
2.3.1. § 44 Abs 3 GWO 1996 normiert, dass die Unterstützungserklärung die Bestätigung des Magistrates zu enthalten hat und diese vom Magistrat zu erteilen ist, wenn die Unterstützungserklärung die Angaben über Vor- und Familien- oder Nachname, Geburtsdatum und Wohnadresse sowie die Bezeichnung des Wahlvorschlages enthält und die eigenhändige Unterschrift der die Unterstützungserklärung abgebenden Person entweder vor dem Magistrat geleistet wurde oder gerichtlich oder notariell beglaubigt ist. § 98 Strafvollzugsgesetz sieht vor, dass ein Strafgefangener ausgeführt werden darf, wenn eine inländische Behörde oder Sicherheitsdienststelle darum ersucht oder wenn dazu aus Vollzugs- oder anderen Verwaltungsgründen Veranlassung besteht.
2.3.2. Der Verfassungsgerichtshof hat bereits in VfSlg 10.065/1984 bezüglich der Abgabe von Unterstützungserklärungen durch (schwer) Erkrankte und körperlich beeinträchtigte Menschen unter Hinweis auf VfSlg 5166/1965 ausgesprochen, dass es nicht unsachlich ist, wenn ein persönliches Erscheinen (auch) des Unterstützungswilligen vor der Gemeindebehörde vorgesehen ist; es handelt sich hiebei nämlich um einen der Wahlentscheidung zuzurechnenden – wesentlichen – Akt, der – iZm. weiteren Formalakten (Identitätsnachweis, Leistung der Unterschrift) – den Unterstützungswillen des Wahlberechtigten der zuständigen Behörde verbindlich zur Kenntnis bringt.
Nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 43 Abs 3 GWO 1996 ist ein persönliches Erscheinen eines Unterstützungswilligen beim Magistrat außerdem nur dann notwendig, wenn die eigenhändige Unterschrift des Unterstützungswilligen vor dem Magistrat erfolgen soll. Anstelle der Unterschrift vor dem Magistrat kann die Unterschrift jedoch auch gerichtlich oder – zum Beispiel im Fall der Immobilität – notariell beglaubigt werden, sodass (schwer) Erkrankte oder sonst beeinträchtigte Personen nicht unbedingt persönlich vor dem Magistrat erscheinen müssen. Dies gilt auch für Personen die sich im Strafvollzug befinden. Im Übrigen besteht auch für diese Personen – wie die Stadt- und Bezirkswahlbehörde zutreffend in ihren Gegenschriften ausführen – gemäß § 98 Strafvollzugsgesetz die Möglichkeit zur Abgabe einer Unterstützungserklärung vor dem Magistrat. Vor diesem Hintergrund bestehen gegen § 43 Abs 3 GWO 1996 keine Bedenken.
2.3.3. Betreffend die Bedenken der Erstanfechtungswerberin, wonach das in § 44 Abs 3 GWO 1996 normierte Erfordernis des persönlichen Erscheinens zur Abgabe einer Unterstützungserklärung deswegen einen Verstoß gegen Art 3 1. ZPEMRK darstellen würde, da dieser dafür persönliche Daten der unterstützenden Person verlange und deswegen Unterstützungserklärungen aus Angst vor der amtlichen Kenntnis einer politischen Präferenz unterbleiben würden, genügt es, auf die Ausführungen in VfSlg 10.217/1984 zu verweisen, von denen sich der Verfassungsgerichtshof nicht veranlasst sieht abzugehen:
"Es ist evident, daß das Prinzip des geheimen Wahlrechtes dem Wähler Gewißheit geben soll, daß Dritten unbekannt bleibt, wie er gewählt hat. In der Unterstützung einer wahlwerbenden Gruppe liegt wohl auch eine Wahlentscheidung (vgl VfSlg 5166/1965), ihr Ziel ist aber nur, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß eine wahlwerbende Gruppe kandidieren darf; Unterstützungserklärungen müssen daher notwendigerweise im Wahlverfahren in Erscheinung treten. Ausgehend hievon kann dem Landesgesetzgeber nicht der Vorwurf gemacht werden, in § 43 Abs 2 LWO eine sachwidrige Lösung getroffen zu haben. Im Gesetz werden nur solche Anordnungen getroffen, die der Wahlbehörde ermöglichen, ohne Schwierigkeiten zu überprüfen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen, die für Unterstützungsunterschriften gefordert sind, erfüllt wurden (zur Sachlichkeit der Regelung vgl auch [,] B307/83). Eine darüber hinausgehende Publizität, etwa durch Offenlegung der Namen unterstützender Personen in der Wählerevidenz, fordert das Gesetz nicht. […] Damit können aber gegen die eben zitierte Bestimmung auch keine Bedenken wegen eines Verstoßes gegen das Prinzip des geheimen Wahlrechts erhoben werden. Daran vermag auch nichts zu ändern, daß aus der notwendigen Deklarierung des Unterstützungswillens mit einem gewissen Grad an Wahrscheinlichkeit auf die Stimmabgabe bei der Wahl geschlossen werden kann."
2.3.4. In weiterer Folge moniert die Erstanfechtungswerberin, dass es (Art7 B-VG) unsachlich sei, dass durch die Änderung des § 43 Abs 1 GWO 1996 mit der Novelle, LGBl 39/2020, für die Frist zur Vorlage von Wahlvorschlägen an Stelle des 51. Tages der 58. Tag festgesetzt wurde, da dadurch auch die Frist für die Vorlage von Unterstützungserklärungen verkürzt worden sei. Dadurch seien Wahlberechtigte, welche eine Unterstützungserklärung für eine wahlwerbende Partei abgeben wollten, unnötig und fahrlässig einem größeren Gesundheitsrisiko ausgesetzt als Wahlberechtigte, welche am Wahltag selbst ihre Stimme abgeben hätten wollen.
2.3.5. Gemäß dem mit der Novelle LGBl 39/2020 geänderten § 43 Abs 1 GWO 1996 haben wahlwerbende Parteien ihre Wahlvorschläge gesondert für den Gemeinderat und für die Bezirksvertretungen spätestens am 58. Tag vor dem Wahltag bis 13 Uhr – anders als bisher bis spätestens am 51. Tag – den Bezirkswahlbehörden unter Beachtung der Zuständigkeitsregelung des § 6 Abs 2 leg cit vorzulegen (Kreis- und Bezirkswahlvorschläge).
2.3.6. Die Änderung der Frist des § 43 Abs 1 GWO 1996 wurde nach den Materialien zur betreffenden Novelle (StenProtLT [Wien] 20 GP., 46. Sitzung, 78) damit begründet, dass die Verkürzung der Frist auf Grund der "COVID-19-Situation" in Österreich erfolge, da man davon ausgehe, dass es viel mehr Briefwahlkarten geben werde, weswegen eine Vorverlegung des Fristendes für die Einreichung der Wahlvorschläge sinnvoll wäre, um den Behörden eine Woche länger Zeit für die Abwicklung der Wahl mittels Wahlkarten zu gewähren.
Die mit der Vorverlegung der Wahlvorschläge verbundene Verkürzung des Zeitraumes, in dem wahlwerbende Parteien Unterstützungserklärungen sammeln können, führt jedoch angesichts des nach wie vor zur Verfügung stehenden Zeitraumes und der erforderlichen Anzahl von Unterstützungserklärungen zu keinem unsachlichen Ergebnis: So sind für einen Kreiswahlvorschlag für den Gemeinderat gemäß § 44 Abs 1 GWO 1996 lediglich 100 (bei einer Anzahl von 1.133.010 Wahlberechtigten) und für einen Bezirkswahlvorschlag für die Bezirksvertretung gemäß § 44 Abs 2 GWO 1996 nur 50 (bei einer Anzahl von 55.872 Wahlberechtigten) Unterstützungserklärungen erforderlich (vgl zur Anzahl von Unterstützungserklärungen zB VfSlg 3969/1961, 7821/1976, 10.178/1984). Den wahlwerbenden Parteien stand vom Zeitpunkt der Kundmachung beider Wahlen (; Stichtag: ) bis zum Zeitpunkt der Vorlage der Wahlvorschläge am ausreichend Zeit zur Verfügung, um die erforderlichen Unterstützungserklärungen für ihre Wahlvorschläge zu sammeln. Innerhalb dieses Zeitraumes hatten auch Personen, welche sich während des Zeitraumes in Quarantäne befunden haben, jedenfalls ausreichend Zeit, um eine Unterstützungserklärung für die Wahlvorschläge der Erstanfechtungswerberin abzugeben (vgl zur Dauer der Quarantäne § 7 Epidemiegesetz 1950, wonach die Dauer der Quarantäne in der Regel zehn Tage beträgt; vgl auch § 2 Abs 1 der Verordnung über die Einreise nach Österreich in Zusammenhang mit der Eindämmung von SARS-CoV-2 idF BGBl II 263/2020, wonach die Dauer der Quarantäne zuerst vierzehn Tage bzw gemäß § 2 Abs 1 der Verordnung über die Einreise nach Österreich in Zusammenhang mit der Eindämmung von SARS-CoV-2 idF BGBl II 336/2020 ab zehn Tage betrug). Unabhängig von der Quarantäne gab es während dieses Zeitraumes auch keine sogenannten Ausgangsbeschränkungen in Österreich; eine unsachliche Verkürzung der Frist zur Vorlage von Unterstützungserklärungen hat daher nicht stattgefunden (vgl VfSlg 6201/1970).
2.4. Weiters wendet die Erstanfechtungswerberin ein, dass § 12 Abs 2 und Abs 3 GWO 1996, welcher wahlwerbende Parteien, die noch nicht im Wiener Gemeinderat vertreten sind, als stimmberechtigte Mitglieder in den Wahlbehörden systematisch ausschließe, sowie der Umstand, dass gegen eine nicht erfolgte Zulassung einer wahlwerbenden Partei zur Wahl lediglich die Wahlanfechtung beim Verfassungsgerichtshof möglich sei, gegen den Gleichheitssatz und Art 3 1. ZPEMRK verstoßen.
2.4.1. § 12 Abs 2 GWO 1996 normiert, dass die Beisitzer (Ersatzbeisitzer) auf Grund der Vorschläge der Parteien verhältnismäßig nach den bei der letzten Wahl des Gemeinderates auf die einzelnen Parteien im ganzen Gemeindegebiet entfallenen Stimmen unter Anwendung des d'Hondtschen Höchstzahlenverfahrens aufgeteilt werden; sonstige im Gemeinderat vertretene Parteien können – je nach ihrer Mandatsstärke – bis zu zwei Vertrauenspersonen entsenden. Gemäß § 12 Abs 3 GWO 1996 können auch Parteien, die im zuletzt gewählten Gemeinderat überhaupt nicht vertreten waren, eine Vertrauensperson entsenden. Gemäß § 12 Abs 3 dritter und vierter Satz GWO 1996 sind Vertrauenspersonen zu den Sitzungen der Wahlbehörden einzuladen und können diese an den Verhandlungen ohne Stimmrecht teilnehmen.
Wie der Verfassungsgerichtshof zuletzt in VfSlg 20.259/2018 ausgesprochen hat, verlangt Art 26a B-VG, nach dem den Wahlbehörden als stimmberechtigte Beisitzer Vertreter der wahlwerbenden Parteien anzugehören haben, weder eine Besetzung der Wahlbehörden mit parteipolitisch "neutralen Personen" (vgl VfSlg 17.589/2005) noch mit (stimmberechtigten) Vertretern aller Wahlparteien, die einen Wahlvorschlag erstattet haben (vgl zB VfSlg 18.729/2009, 20.071/2016, 20.242/2018). Im Übrigen hätte sogar eine (allenfalls rechtswidrige) Nichtberücksichtigung der Vertrauenspersonen bei der Ladung zu einer Sitzung der Wahlbehörde keine Auswirkungen auf die gültige Zusammensetzung oder Beschlussfähigkeit dieser, weil der Vertrauensperson jedenfalls nur ein Teilnahmerecht, nicht jedoch ein Stimmrecht zugekommen wäre (VfSlg 20.259/2018). Eine Verletzung der Erstanfechtungswerberin in (verfassungsgesetzlich) gewährleisteten Rechten hat daher nicht stattgefunden.
2.4.2. Soweit die Erstanfechtungswerberin Bedenken dagegen vorbringt, dass es gegen die nicht erfolgte Zulassung einer wahlwerbenden Partei kein Einspruchsverfahren geben würde und lediglich die Wahlanfechtung beim Verfassungsgerichtshof offen stünde, genügt der Hinweis auf VfSlg 19.995/2015, wonach der Umfang des Wahlverfahrens im Rahmen eines Verfahrens nach Art 141 Abs 1 lita B-VG weit zu verstehen ist und sich insbesondere auch auf die der eigentlichen Wahl vorgelagerten Aspekte, etwa das Verfahren betreffend die Unterstützung von wahlwerbenden Parteien und die Einbringung von Wahlvorschlägen erstreckt (vgl auch die Ausführungen unter Punkt III. 1.10. und die dort zitierte Judikatur). Damit stellt die Anfechtungsmöglichkeit der angefochtenen Wahl beim Verfassungsgerichtshof einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf dar, der eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Nichtzulassung der Wahlvorschläge ermöglicht.
2.5. Die Bedenken der Erstanfechtungswerberin dahingehend, dass das Fristende für die Abgabe von Wahlvorschlägen samt Unterstützungserklärungen vor dem Zeitpunkt liege, in dem das Berichtigungsverfahren für die Eintragung in das Wählerverzeichnis abzuschließen sei, gehen schon deshalb ins Leere, weil – wie in den Gegenschriften der Stadt- und Bezirkswahlbehörde zutreffend ausgeführt – § 44 Abs 3 GWO 1996 betreffend die Berechtigung zur Abgabe von Unterstützungserklärungen nicht auf das Wählerverzeichnis abstellt, sondern vielmehr auf das Erfordernis der Eintragung in einer von der Gemeinde nach bundesgesetzlichen Vorschriften zu führenden ständigen Evidenz der Wahlberechtigten des Wahlkreises (Bezirkes) oder in der Wählerevidenz für Unionsbürger der Wahlberechtigten des Wahlkreises (Bezirkes) gemäß § 19a Abs 1 GWO 1996. Diese Evidenzen bilden zwar die Grundlage für die Wählerverzeichnisse (vgl VfSlg 18.551/2008, 20.104/2016; ua) werden jedoch unabhängig von den Wahlen ständig geführt. In diese kann jederzeit Einsicht genommen werden; zudem können jederzeit Berichtigungsanträge gestellt werden (vgl zB § 1, 5 und 6 Wählerevidenzgesetz 2018).
2.6. Ebenfalls nicht nachvollzogen werden können die Bedenken der Erstanfechtungswerberin, wonach bei der Kundmachung gemäß § 28 GWO 1996 (Aushang in den Häusern betreffend Angaben über die dort Wahlberechtigten) keine Differenzierung zwischen der Anzahl der Wahlberechtigten zur Gemeinderatswahl und jener zur Bezirksvertretungswahl erfolgt sei, da für den Verfassungsgerichtshof nicht ersichtlich ist, inwieweit dies Auswirkungen auf die Abgabe von Unterstützungserklärungen haben könnte. Soweit die Erstanfechtungswerberin mit ihrem diesbezüglichen Vorbringen aber die Rechtmäßigkeit der Wählerevidenz bzw des Wählerverzeichnisses in Zweifel zieht, ist sie auf VfSlg 20.259/2018 zu verweisen, wonach Rechtswidrigkeiten im Zusammenhang mit der Erstellung der Wählerverzeichnisse, insbesondere die Frage, ob bestimmte Personen rechtswidriger Weise (nicht) in die Wählerevidenz bzw das Wählerverzeichnis eingetragen wurden, im hiefür vorgesehenen Verfahren (Art141 Abs 1 liti bzw litj B-VG) zu relevieren sind (vgl VfSlg 18.729/2009 mwN, 19.893/2014, 19.944/2015, 20.104/2016; sowie ; , E157/2015; , WIV4/2016).
2.7. Abschließend ist auszuführen, dass gegen die – von der Erstanfechtungswerberin als unverhältnismäßig und die Chancen auf Einbringung ausreichend unterstützter Wahlvorschläge beschneidend angesehene – Praxis, derzufolge vor der Wahlbehörde getätigte und von der Behörde beglaubigte Unterstützungserklärungen von der unterstützenden Person wieder mitzunehmen und der unterstützten wahlwerbenden Partei zuzustellen sind, auch keine Bedenken bestehen. Gemäß § 43 Abs 3 iVm § 44 Abs 1 und Abs 2 GWO 1996 sind die Unterstützungserklärungen dem von der wahlwerbenden Partei einzubringenden Wahlvorschlag anzuschließen; es ist daher eine ausschließliche Angelegenheit der wahlwerbenden Partei, sich darum zu kümmern, dass ausreichende Unterstützungserklärungen vorliegen, damit ein von ihr eingebrachter Wahlvorschlag nicht als unzulässig verworfen wird.
2.8. Da nach den vorstehenden Darlegungen weder die behaupteten Verfassungswidrigkeiten der präjudiziellen Bestimmungen der GWO 1996 noch sonstige Rechtswidrigkeiten des Wahlverfahrens vorliegen, ist der Anfechtung nicht stattzugeben.
IV. Ergebnis
1. Der Anfechtung ist daher nicht stattzugeben.
2. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
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ECLI: | ECLI:AT:VFGH:2021:WI14.2020 |
Schlagworte: | VfGH / Wahlanfechtung, Wahlen, Gemeinderat, Bezirksvertretungen, Wahlvorschlag, Wählerevidenz, Auslegung verfassungskonforme, Verhältniswahl, Rechtspolitik, COVID (Corona), Fristen, VfGH / Formerfordernisse, VfGH / Legitimation |
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