VfGH vom 18.06.2015, WI1/2015
Leitsatz
Teilweise Stattgabe der Anfechtung der Gemeinderatswahl der Gemeinde Baden wegen Rechtswidrigkeiten bei der Stimmabgabe und Zuordnung der Stimmen in einzelnen Wahlsprengeln
Spruch
I. Der Anfechtung wird insoweit stattgegeben, als sie die Wahlsprengel 8, 14, 21 und 28 betrifft.
Das Verfahren zur Wahl des Gemeinderates der Gemeinde Baden bei Wien am wird hinsichtlich der Wahlsprengel 8, 14, 21 und 28 insoweit aufgehoben, als es der Veröffentlichung der Wahlvorschläge nachfolgt.
II. Im Übrigen wird der Anfechtung nicht stattgegeben.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt, Anfechtung und Vorverfahren
1. Am fanden die durch Verordnung der Niederösterreichischen Landesregierung vom , LGBl 0350/70-0, ausgeschriebenen Wahlen zum Gemeinderat für alle Gemeinden Niederösterreichs mit Ausnahme der Städte mit eigenem Statut statt, darunter auch die Wahl des Gemeinderates der Gemeinde Baden bei Wien.
2. In der Gemeinde Baden bei Wien lagen dieser Wahl die von den folgenden Wählergruppen eingebrachten Wahlvorschläge zugrunde:
"Bürgermeister Kurt Staska – Volkspartei Baden (ÖVP)",
"Markus Riedmayer und sein Team (SPÖ)",
"Wir Badener – Bürgerliste Jowi Trenner",
"Die Grünen – Grüne Alternative Baden (GRÜNE)",
"Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ)" sowie
"NEOS Das Neue Österreich (NEOS)".
3. Laut Kundmachung der Gemeindewahlbehörde der Gemeinde Baden bei Wien vom wurden von den 13.143 abgegebenen Stimmen 192 als ungültig gewertet. Von den 12.951 als gültig gewerteten Stimmen entfielen
4.719 Stimmen auf die Wählergruppe "Bürgermeister Kurt Staska – Volkspartei Baden (ÖVP)",
2.359 Stimmen auf die Wählergruppe "Markus Riedmayer und sein Team (SPÖ)",
3.013 Stimmen auf die Wählergruppe "Wir Badener – Bürgerliste Jowi Trenner",
1.708 Stimmen auf die Wählergruppe "Die Grünen – Grüne Alternative Baden (GRÜNE)",
604 Stimmen auf die Wählergruppe "Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ)" und
548 Stimmen auf die Wählergruppe "NEOS Das Neue Österreich (NEOS)".
4. Die Gemeinderatsmandate wurden auf der Grundlage dieses Ergebnisses wie folgt zugewiesen:
"Bürgermeister Kurt Staska – Volkspartei Baden (ÖVP)": 16 Mandate
"Markus Riedmayer und sein Team (SPÖ)": 7 Mandate
"Wir Badener – Bürgerliste Jowi Trenner": 10 Mandate
"Die Grünen – Grüne Alternative Baden (GRÜNE)": 5 Mandate
"Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ)": 2 Mandate
"NEOS Das Neue Österreich (NEOS)": 1 Mandat
5. Mit Beschwerde des zustellungsbevollmächtigten Vertreters der anfechtungswerbenden Partei wurde insbesondere die Feststellung näher beschriebener Mängel im Wahlverfahren sowie die Nichtigerklärung der Wahl in den betreffenden Bereichen beantragt. Die Landes-Hauptwahlbehörde gab dieser Beschwerde mit Bescheid vom , dem zustellungsbevollmächtigten Vertreter der anfechtungswerbenden Partei am zugestellt, nicht statt.
6. Mit ihrer am eingebrachten, auf Art 141 B VG gestützten Anfechtung begehrt die anfechtungswerbende Partei die Nichtigerklärung und Aufhebung des Verfahrens für die Wahl zum Gemeinderat der Gemeinde Baden bei Wien am zur Gänze von Beginn an, in eventu die Nichtigerklärung und Aufhebung des Verfahrens dieser Wahl hinsichtlich der Sprengel 8, 14, 21, 27 und 28 von Beginn an und des gesamten Wahlverfahrens der Gemeinde Baden bei Wien ab dem Beginn des Ermittlungsverfahrens.
In ihrer Anfechtungsschrift legt die anfechtungswerbende Partei Mängel des Wahlverfahrens ausschließlich hinsichtlich der Wahlsprengel 8, 14, 21, 27 und 28 dar und führt dabei insbesondere Folgendes aus:
"IV. Vorbringen der Anfechtungswerberin
Nach Art 141 Abs 1 zweiter Satz B VG kann die Anfechtung einer Gemeinderatswahl auf die behauptete Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens gegründet werden. Die Anfechtungswerberin beantragte im Verfahren vor der Landes- Hauptwahlbehörde die teilweise Aufhebung des Ermittlungsverfahren[s] und Nichtigerklärung der Wahl und brachte dazu vor, es habe in den Wahlsprengel[n] 8, 14, 21, 27 und 28 Abweichungen der abgegebenen Stimmen von der Anzahl der Wahlberechtigten, die ihr Wahlrecht ausgeübt haben, gegeben.
Wörtlich wird die Anfechtungswerberin im Bescheid wie folgt zitiert:
'Sprengel 8 musste Beschluss gefasst werden, da ein Stimmzettel zu viel – vermutete Nachlässigkeit beim Zusammenheften – weitere gleichartige Abweichungen in den Sprengeln 14, 21 und 27.' (...) Befinden sich in einem Wahlkuvert mehrere Stimmzettel – etwa wenn sowohl der amtliche[…] als auch ein oder mehrere nichtamtliche Stimmzettel gemeinsam verwendet und kuvertiert wurden –[,] so sind diese untrennbar zu verbinden [z.B. zusammen[…]zu[…]heften] und deren Gültigkeit in einem zu beurteilen [§49 NÖ GRWO]. (...) 'Weiters gibt es im Protokoll beim Sprengel 28 eine wesentliche Unklarheit: Anzahl der Kuvert[s] in der Wahlurne 465 [...] Zahl der laut Abstimmungsverzeichnis erschienen[en] 644 Wähler(innen) einschließlich der Zahl der gültigen Wahlkarten.' (…) 'Weiters wird beantragt[,] die oben beschriebenen Mängel in den betreffenden Sprengelwahlbehörden und in der Gemeindewahlbehörde in Bezug auf Unrichtigkeit der Ermittlung des Wahlergebnisses und etwaiger gesetzwidriger Vorgänge im Wahlverfahren festzustellen und die Wahl in den betreffenden Bereichen für nichtig [zu] erklären.' (vgl Bescheid S 4 f)
V. Relevanz
In der Stadtgemeinde Baden sind 24.368 Bürger wahlberechtigt. In 33 Sprengel[n] wurden laut Wahlergebnis datiert mit 12.951 (vorläufig am 12.944) gültige Stimmen abgegeben. Von diesen Stimmen entfielen 4.719 (vorläufig am 4.714) gültig bewertete Stimmen auf die 'ÖVP Kurt Staska – Volkspartei Baden' und 2.353 (vorläufig am 2.360) Stimmen auf die Anfechtungswerberin. Auf Grundlage dieses Wahlergebnisses laut Kundmachung vom stünden der 'ÖVP Kurt Staska – Volkspartei Baden' 16 und der Anfechtungswerberin 7 Mandate zu.
Die Feststellungen der Landes- Hauptwahlbehörde, die auf Grundlage des Vorbringens der Anfechtungswerberin erfolgt sind, lauten wie folgt:
'zu Sprengel 8 (Niederschrift vom ):
(...) Seitens der Sprengelwahlbehörde wurden im Wahlsprengel 8 76 Stimmen der ÖVP mit Namensnennung ermittelt. Bei der Auszählung durch die Gemeindewahlbehörde wurden in diesem Kuvert 77 Stimmen festgestellt. Dies dürfte darauf zurückzuführen sein, dass 2 Stimmzettel aus demselben Wahlkuvert nicht richtig zusammengeheftet wurden. Die Gemeindewahlbehörde stellt einstimmig fest, dass im Wahlsprengel 8 auf den Wahlvorschlag der ÖVP mit Namensnennung 76 Stimmen entfallen.' (vgl Bescheid S 7)
'zu Sprengel 21 (Niederschrift vom ):
Aus der Niederschrift der Sprengelwahlbehörde des Wahlsprengels 21 ergibt sich, dass die Anzahl der Kuverts in der Wahlurne 274 beträgt und daher mit der Anzahl der laut Abstimmungsverzeichnis erschienen[en] 240 Wähler(innen) einschließlich der Zahl der gültigen Wahlkarten übereinstimmt. Ebenso ergibt sich aus der Niederschrift der Sprengelwahlbehörde, dass nach Öffnen der Wahlkuverts 276 Stimmzettel gezählt wurden. Laut Bemerkung in der Niederschrift der Sprengelwahlbehörde sind die zwei überzähligen Stimmen darauf zurückzuführen, dass die Stimmzettel nicht zusammengeheftet wurden. Ebenso wenig wie der Sprengelwahlbehörde ist es der Gemeindewahlbehörde möglich festzustellen, um welche Stimmzettel es sich bei den beiden überzähligen Stimmen handelt. Mangels derartiger Feststellbarkeit geht die Gemeindewahlbehörde von dem von der Sprengelwahlbehörde festgestellten Ergebnis aus und stellt fest, dass im gegenständlichen Wahlsprengel 21 270 gültige Stimmen abgegeben wurden.' (vgl Bescheid S 9)
'zu Sprengel 28 (Niederschrift vom ):
Aus der Niederschrift der Sprengelwahlbehörde des Wahlsprengels 28 ergibt sich, dass die Anzahl der Kuverts in der Wahlurne 465 beträgt und daher um eins kleiner ist als die Zahl der laut Abstimmungsverzeichnis erschienen[en] 644 (laut Stellung[n]ahme der Gemeindewahlbehörde vom richtig: 466) Wähler(innen) einschließlich der Zahl der gültigen Wahlkarten. Laut Bemerkung der Niederschrift der Sprengelwahlbehörde ist die eine fehlende Stimme darauf zurückzuführen, dass 1 Wahlkarte eingezogen und mit Kuvert gewählt wurde. Dies stellt jedoch keine logische Erklärung dar. Die Differenz ist für die Gemeindewahlbehörde jedoch nicht mehr nachvollziehbar, möglicherweise wurde ein leeres Wahlkuvert, welches als ungültige Stimme zu werten gewesen wäre, im Zuge der Ermittlungen der Sprengelwahlbehörde nicht berücksichtigt.
Mangels Feststellbarkeit geht die Gemeindewahlbehörde von dem von der Sprengelwahlbehörde festgestellten Ergebnis aus und stellt fest, dass im gegenständlichen Wahlsprengel 28 insgesamt 465 Stimmen abgegeben wurden.' (vgl Bescheid S 11)
Wenn man – ausgehend von den Feststellungen der Behörde auch nur 2 Stimmen der 'ÖVP Kurt Staska – Volkspartei Baden' als ungültig abzieht, stellt sich unter Berücksichtigung der anzuwendenden Berechnungsverfahren die Manda[…]tsverteilung wie folgt dar:
'ÖVP Kurt Staska – Volkspartei Baden' 15 (laut Wahlergebnis 16)
Anfechtungswerberin 8 (laut Wahlergebnis 7)
'Wir Badner – Bürgerliste Jowi Trenner' 10 (laut Wahlergebnis 10)
'Die Grünen – Grüne Alternative Baden' 5 (laut Wahlergebnis 5)
'FPÖ Freiheitliche Partei Österreich' 2 (laut Wahlergebnis 2)
'NEOS das neue Österreich' 1 (laut Wahlergebnis 1)
Klarzustellen ist, dass dieses Beispiel lediglich zur Veranschaulichung der Relevanz der gesetzwidrigen Vorgänge im Zuge der Gemeinderatswahl in der Stadtgemeinde Baden herangezogen werden kann.
Folgt man den wörtlich wiedergegeben[en] Feststellungen der Gemeindewahlbehörde, die auch von der Landes- Hauptwahlbehörde zu Grunde gelegt wurden, war für diese nicht mehr nachvollziehbar, welche Stimmen jene waren, die nicht zusammengeheftet wurden. Die Wahlbehörden haben daraus den Schluss gezogen, dass sie nicht von der Anzahl der Wahlkuverts[,] sondern von der Anzahl der Stimmzettel ausgegangen sind.
Wie in der Folge noch im Detail gerügt wird, war dieses Vorgehen klar gesetzwidrig. Zur Frage der Relevanz der Gesetzwidrigkeit räumt die Anfechtungswerberin ein, dass auch sie nicht mehr sagen kann, welche konkreten Stimmen als ungültig gezählt werden müssen. Da aber die Möglichkeit besteht, dass beispielsweise die Stimmen der 'ÖVP Kurt Staska – Volkspartei Baden' doppelt gezählt wurden und sich dadurch – wie oben ausgeführt – die Manda[…]tsverteilung ändern würde, ist die Relevanz des Begehrens aus Sicht der Anfechtungswerberin nachgewiesen.
Würde man im konkreten Fall die Relevanz nicht zugestehen, hieße das, dass die geltend gemachten gesetzwidrigen Vorgänge nie erfolgreich zur Nichtigerklärung der Wahl führen können, da im Nachhinein die Zuordnung der nicht ordnungsgemäß zusammengehefteten Stimmen niemals möglich sein wird. Telos des Erfordernisses des Nachweises der Relevanz einer Wahlanfechtung ist es, nur solche Anfechtungen zu gestatten, die darlegen können, dass bei richtiger Anwendung der Gesetzesbestimmung sich ein anderes Wahlergebnis errechnet hätte.
VI. Unrichtige rechtliche Beurteilung durch die Landes- Hauptwahlbehörde
1. Ausreichende Substantiierung des Vorbringens
Richtig führt die belangte Behörde aus, dass sie an die Anfechtungserklärung und an die […] behaupteten Rechtswidrigkeiten gebunden ist (vgl VfSlg 9441/1982). Dies grenzt das Verfahren ein. Werden in einer Wahlanfechtung die behaupteten Rechtswidrigkeiten nicht ausreichend substantiiert, liegt ein Prozesshindernis, also ein Zurückweisungsgrund vor (vgl VfSlg 9441/1982). Die Anfechtungswerberin muss also konkret darlegen, welche Rechtswidrigkeit vorliegen soll (vgl VfSlg 19245/2010). Wie oben unter dem Punkt Vorbringen der Anfechtungswerberin dargelegt, hat diese nicht nur die Sprengel angeführt[,] in denen sie konkrete Gesetzeswidrigkeiten vorbringt, sondern auch konkret ausgeführt, worin diese Gesetzwidrigkeit lag, nämlich in einem Verstoß gegen § 49 NÖ GRWO. Der Verfassungsgerichtshof hat in eine[m] Erkenntnis vom wie folgt ausgeführt:
'Die soeben wiedergegebene Behauptung der Anfechtungswerberin entspricht diesem Erfordernis nicht. Es wird nämlich in keiner Weise dargelegt, welche Rechtswidrigkeit konkret (fehlerhafte Zählung der Wahlkuverts und amtliche[n] Stimmzettel iSd § 60 TGWP 1994 oder der Stimmen iSd § 61 leg.cit.; Wertung von Stimmzettel[n] zu Unrecht als gültig bzw. ungültig iSd § 62 leg.cit.; fehlerhafte Ermittlung der Wahlzahl iSd […]§67 leg.cit. [o]der anderes) vorliegen soll. Die bloße Behauptung, dass die Ermittlung des Wahlergebnisses gegen §§60 ff TGWO 1994 verstoßen habe, ist zu abstrakt gehalten.' (vgl WI 1/10)
Der Verfassungsgerichtshof hat somit klare Vorgaben zum Grad der Substantiierung des Vorbringens gegeben, die von der belangten Behörde missachtet bzw. zu streng ausgelegt wurden: Die Anfechtungswerberin hat vorgebracht[,] es habe in mehreren (namentlich genannten) Sprengel[n] Rechtswidrigkeiten gegeben, da mehrere Stimmzettel, die sich im selben Kuvert befunden haben, entgegen der Vorschrift des § 49 NÖ GRWO nicht untrennbar verbunden wurden und deren Gültigkeit nicht unter einem beurteilt wurde. Dieses Vorbringen entspricht den Vorgaben des Verfassungsgerichtshofs.
Im Übrigen hat die Behörde [...] auf Grundlage der behaupteten Rechtswidrigkeiten Ermittlungen angestellt und Feststellungen getroffen. Das Ermittlungsverfahren der belangten Behörde ist an die Anfechtungserklärung der Anfechtungswerberin gebunden. Da ein Ermittlungsverfahren eingeleitet und entsprechende Feststellungen getroffen wurden, ist anscheinend auch die Behörde von einem ausreichend substantiierten Vorbringen ausgegangen. Andernfalls hätte sie das Begehren der Anfechtungswe[r]berin im Sinne der oben zitierten Judikatur zurückweisen müssen.
2. Feststellungen der Gemeindewahlbehörde
Die belangte Behörde führt aus, dass die Anfechtungswerberin den in den Niederschriften dokumentierten Feststellungen nicht entgegen[ge]treten sei (vgl Bescheid S 13). Sie übersieht dabei aber, dass das nicht nötig ist. Die Anfechtungswerberin hat ihr Vorbringen erstattet, auf [dessen] Grundlage die belangte Behörde ordnungsgemäß ermittelt hat. Auf Grund der Ermittlungen (insbesondere der Beischaffung der Niederschriften der Gemeindewahlbehörde) hat die belangte Behörde ihre Feststellungen getroffen. Diesen Feststellungen ist zu entnehmen, dass es in mehreren Sprengeln Ungereimtheiten gab (an dieser Stell[…]e wird auf die näheren Ausführungen unter dem Punkt Relevanz verwiesen). Es muss den Feststellungen der Gemeindewahlbehörde nicht entgegen[…]getreten werden, zumal diese schon jene Ungereimtheiten darlegen, auf die sich die Anfechtungswerberin stützt.
3. Gleiches Wahlrecht
Gem Art 26 B VG und Art 8 Staatsvertrag von Wien müssen alle Wähler mit ihrer Stimme den gleichen Einfluss auf das Wahlresultat haben, sodass das potentielle Gewicht jeder Stimme dasselbe ist. Jede von einem Wähler abgegebene Stimme muss daher den gleichen Zählwert haben. Aus diesem Verfassungsgrundsatz folgt auch, dass jeder Wahlberechtigte nur einmal seine Stimme abgeben darf. Die belangte Behörde hat jedoch Feststellungen getroffen[,] die deutlich darlegen, dass in mehreren Fällen Wähler mehr als eine Stimme abgegeben haben. Eine doppelte Stimmabgabe widerspricht dem Verfassungsgrundsatz des gleichen Wahlrechts und ist daher rechtswidrig. Wenn die zuständige Wahlbehörde nicht mehr nachvollziehen kann, welche Stimme doppelt und daher ungültig war, und diese Umstände eine Relevanz aufweisen, die einen Einfluss auf die Mandatsverteilung haben kann, muss die Wahl für nichtig erklärt und neuerlich durchgeführt werden.
Dieser Grundsatz spiegelt sich auch in der Niederösterreichischen Gemeinderatswahlordnung wi[…]der, zumal diese in § 49 leg cit normiert:
§49
Mehrere Stimmzettel in einem Wahlkuvert
Wenn ein Wahlkuvert mehrere Stimmzettel enthält, so sind die darauf angebrachten Worte, Bemerkungen oder Zeichen bzw. sonstigen Kennzeichnungen so zu beurteilen, als ob sie auf einem einzigen Stimmzettel angebracht wären. Sie zählen als ein einziger Stimmzettel und sind von der Wahlbehörde bei der Auszählung untrennbar miteinander zu verbinden.
Durch den angefochtenen Bescheid, der ein Wahlergebnis bestätigt, das – folgend den Feststellungen des Bescheides – eine doppelte Zählung von Stimmen zu Grunde legt, wird durch die rechtswidrige doppelte Zählung von Wählerstimmen[…] der Grundsatz des gleichen Wahlrechts verletzt.
Der Verfassungsgerichtshof hatte in seiner Entscheidung vom den gleichen Fall zu beurteilen und hat dazu ausgeführt: 'Eine Durchsicht der den Wahlsprengel 25 betreffenden Wahlakten durch den Verfassungsgerichtshof hat ergeben, daß im Abstimmungsverzeichnis 333 Wähler verzeichnet sind; in der Niederschrift der Sprengelwahlbehörde ist festgehalten, daß 333 Wahlkuverts gezählt wurden, die Zahl der Wahlkuverts mit der Zahl der laut Abstimmungsverzeichnis erschienenen Wähler übereinstimmt und 333 Stimmzettel abgegeben wurden. Eine Nachzählung durch den Verfassungsgerichtshof hat jedoch 334 Stimmzettel ergeben. Das bedeutet, daß die Zahl der Stimmzettel um eins höher ist als die Zahl der Wähler, die laut Abstimmungsverzeichnis ihre Stimme abgegeben haben .
Es liegt auf der Hand, daß bei dieser Sachlage von der Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens in diesem Sprengel auszugehen ist (s. dazu insbesondere § 49 NÖ GRWO 1994). Es kann auch kein Zweifel daran bestehen, daß diese Rechtswidrigkeit – jedenfalls in Zusammenhalt mit der in Pkt 3.3.4. festgestellten Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens – von Einfluß auf das Wahlergebnis sein konnte.' (vgl WI-4/96)
Die Anfechtungswerberin macht im gegenständlichen Fall in mehreren Sprengeln das gleiche Rechtsproblem geltend, nämlich, dass die Zahl der Stimmzettel nicht mit der Zahl der Wahlkuverts bzw mit der Zahl jener Bürger, die ihr Wahlrecht ausgeübt haben, übereinstimmt. Im Lichte dieser Judikatur ist der Wahlanfechtung der Anfechtungswerberin stattzugeben." [Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen]
7. Die Landes-Hauptwahlbehörde legte den Wahlakt vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie beantragt, der Anfechtung keine Folge zu geben. Begründend verweist die Landes-Hauptwahlbehörde auf die Ausführungen in ihrem Bescheid und führt insbesondere Folgendes aus:
"Darüber hinaus fällt auf, dass die gegenständliche Beschwerde – offensichtlich gestützt auf die angefochtene Entscheidung – ein durchaus detaillierteres Vorbringen beinhaltet als die der Landes-Hauptwahlbehörde seinerzeit vorgelegte Wahlanfechtung vom . Dort wo – wie im Sprengel 8 - Klarheit darüber bestand[,] woher der überzählige Stimmzettel stammte (hier: ÖVP), war es richtig[,] das von der Sprengelwahlbehörde festgestellte Ergebnis zu bestätigen und nicht die Stimmenanzahl entsprechend der Anzahl der vorgefundenen Stimmzettel festzustellen. Wo allerdings eine derartige eindeutige Zuordnung bzw. Fehleridentifikation nicht möglich war[,] wurde das festgestellte Ergebnis beibehalten."
II. Rechtslage
Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen der NÖ Gemeinderatswahlordnung 1994 (NÖ GRWO 1994), LGBl 0350-0, idF LGBl 0350-10, lauten wie folgt:
"8. Abschnitt
Verfahren am Wahltag, Abstimmungsverfahren
§40
Leitung der Wahl – Sonstige Befugnisse der Wahlbehörden
(1) Die Wahlhandlung wird in der Gemeinde von der Gemeindewahlbehörde und in jedem Wahlsprengel von der Sprengelwahlbehörde geleitet.
(2) Bei Störungen der Wahl kann der Vorsitzende bestimmen, daß die Wähler nur einzeln in das Wahllokal eingelassen werden.
(3) Im Wahllokal dürfen außer den Mitgliedern der Wahlbehörde nur der Stellvertreter des Vorsitzenden, die Ersatzmitglieder, die Vertrauenspersonen, die Wahlzeugen und das Hilfspersonal ständig anwesend sein.
(4) Wenn Umstände eintreten, die den Beginn, die Fortsetzung oder den Abschluß der Wahlhandlung behindern, kann die Wahlbehörde die Wahlhandlung auf den nächsten Tag verschieben oder verlängern. Dies muß sofort durch Anschlag an der Amtstafel kundgemacht und der Bezirkshauptmannschaft und der Landesregierung mitgeteilt werden.
(5) Wenn bereits Stimmzettel abgegeben wurden, müssen die Wahlakten und die Wahlurne von der Wahlbehörde bis zur Fortsetzung der Wahlhandlung versiegelt und sicher aufbewahrt werden.
§41
Beginn der Wahlhandlung, Stimmabgabe
(1) Der Vorsitzende der Wahlbehörde übergibt am Beginn der Wahlzeit der Wahlbehörde das Wählerverzeichnis, das Abstimmungsverzeichnis, die Wahlkuverts und die Stimmzettel.
(2) Unmittelbar vor Beginn der Stimmabgabe muß sich die Wahlbehörde überzeugen, daß die Wahlurne leer ist.
(3) Die Wähler geben in der Reihenfolge ihres Erscheinens die Stimme ab. Dazu tritt der Wähler vor die Wahlbehörde, nennt seinen Namen und seine Wohnadresse und legt eine Urkunde oder amtliche Bescheinigung vor, aus der seine Identität hervorgeht. Als Urkunden oder amtliche Bescheinigungen zur Feststellung der Identität kommen insbesondere Personalausweise, Pässe, Führerscheine und sonstige amtliche Lichtbildausweise in Betracht. Die Vorlage einer solchen Urkunde oder amtlichen Bescheinigung ist dann nicht notwendig, wenn der Wähler der Mehrheit der Mitglieder der Wahlbehörde persönlich bekannt ist. Danach erhält der Wähler die für die Wahl notwendigen Unterlagen.
(4) Der Wähler muß die Wahlzelle aufsuchen. Dort übt er sein Wahlrecht aus, verläßt die Zelle wieder und legt das Wahlkuvert ungeöffnet in die Wahlurne.
(5) Der Name des Wählers wird im Wählerverzeichnis abgestrichen und mit einer fortlaufenden Nummer in das Abstimmungsverzeichnis eingetragen. Hierauf muß der Wähler das Wahllokal verlassen.
(6) Die Wahlzelle darf immer nur von einer Person betreten werden. Nur Personen, denen aufgrund eines körperlichen Gebrechens die persönliche Stimmabgabe nicht möglich ist, dürfen sich von einer Person begleiten und diese für sich wählen lassen.
§42
Stimmabgabe mit Wahlkarten
(1) Wähler, die eine Wahlkarte besitzen, müssen außer dieser auch noch eine Urkunde oder amtliche Bescheinigung vorweisen, aus der sich die Identität mit der in der Wahlkarte genannten Person ergibt. Die Vorlage einer solchen Urkunde ist dann nicht notwendig, wenn der Wähler der Mehrheit der Mitglieder der Wahlbehörde persönlich bekannt ist. Die Namen der Wahlkartenwähler werden am Schluß des Wählerverzeichnisses fortlaufend numeriert eingetragen, es sei denn, dass ein Fall des Abs 2 vorliegt. Die Wahlkarte muß dem Wähler abgenommen und der Niederschrift beigelegt werden.
(2) Erscheint ein Wähler, dem eine Wahlkarte ausgestellt wurde, vor der Wahlbehörde, bei der er sein Wahlrecht an sich ausüben müßte, so kann er auch dort seine Stimme abgeben. Auch in diesem Fall muß die Wahlkarte dem Wähler abgenommen und der Niederschrift beigelegt werden.
(3) Anläßlich der Stimmabgabe durch bettlägerige oder in ihrer Freiheit beschränkte Wahlkartenwähler können auch andere anwesende Personen, die im Gemeindegebiet einen ordentlichen Wohnsitz haben und über eine Wahlkarte dieser Gemeinde verfügen, vor der besonderen Wahlbehörde die Stimme abgeben.
§42a
Stimmabgabe im Wege der Briefwahl
(1) Wähler, denen eine Wahlkarte ausgestellt wurde, können das Wahlrecht auch im Wege der Übermittlung der verschlossenen Wahlkarte an die Gemeindewahlbehörde ausüben (Briefwahl).
(2) Hiezu muß der Wähler den Stimmzettel in das Wahlkuvert legen und dieses in die Wahlkarte legen. Sodann muß der Wähler auf der Wahlkarte durch eigenhändige Unterschrift eidesstattlich erklären, dass er das Wahlrecht persönlich, unbeobachtet und unbeeinflusst ausgeübt hat. Aus der eidesstattlichen Erklärung muß die Identität des Wählers hervorgehen. Anschließend muß der Wähler die Wahlkarte verschließen, in das voradressierte Überkuvert legen und so rechtzeitig an die auf der Wahlkarte bezeichnete Gemeindewahlbehörde übermitteln, daß die Wahlkarte dort spätestens bis zum Wahltag, 6.30 Uhr, einlangt. Das Einwerfen der Wahlkarte in den allenfalls vorhandenen Einlaufkasten jener Gemeinde, die die Wahlkarte ausgestellt hat, gilt als Einlangen bei der Gemeindewahlbehörde. Darüber hinaus kann die verschlossene Wahlkarte am Wahltag bis zum Schließen des Wahllokals jener Sprengelwahlbehörde, in deren Wählerverzeichnis der Wähler eingetragen ist, übermittelt werden.
(2a) Die eingelangten Überkuverts und die allenfalls persönlich abgegebenen Wahlkarten ohne Überkuvert dürfen nicht geöffnet werden. Sie müssen mit einem Eingangsstempel, aus dem Datum und Uhrzeit des Einlangens ersichtlich sind, ferner mit einer fortlaufenden Nummer versehen und in ein gesondertes Verzeichnis fortlaufend nummeriert eingetragen sowie vom Gemeindewahlleiter bis zum Beginn der am Wahltag gemäß § 42a Abs 4 erster Satz vorzunehmenden Überprüfung unter Verschluß verwahrt werden. Dieses Verzeichnis muß der Niederschrift der Gemeindewahlbehörde (§55 Abs. 1) angeschlossen werden.
(3) Die Stimmabgabe im Wege der Briefwahl ist nichtig, wenn
a) die eidesstattliche Erklärung auf der Wahlkarte nicht oder nachweislich nicht durch den Wahlberechtigten abgegeben wurde,
b) die Wahlkarte am Wahltag nicht bis spätestens 6.30 Uhr bei der auf der Wahlkarte bezeichneten Gemeindewahlbehörde oder nicht bis zum Schließen des Wahllokals bei jener Sprengelwahlbehörde eingelangt ist, in deren Wählerverzeichnis der Wähler eingetragen ist.
(4) Ab 6.30 Uhr des Wahltages überprüft die Gemeindewahlbehörde die Anzahl der eingelangten Überkuverts und Wahlkarten mit der Anzahl der im Verzeichnis gemäß Abs 2a eingetragenen Überkuverts und Wahlkarten, öffnet die Überkuverts und entnimmt die Wahlkarten, teilt alle Wahlkarten entsprechend der Sprengelzugehörigkeit auf, trägt sie in ein gesondertes Verzeichnis ein und übermittelt die Wahlkarten zusammen mit einer Kopie des Verzeichnisses ohne Verzug verschlossen und womöglich im versiegelten Umschlag durch Boten der jeweiligen Sprengelwahlbehörde. Diese legt sie in ein gesondertes Behältnis, in dem auch die nach Abs 2 letzter Satz eingelangten Wahlkarten aufzubewahren sind. Die Übermittlung unterbleibt bei jenen Wahlkarten, welche die Gemeindewahlbehörde als Sprengelwahlbehörde (§10 Abs 2 zweiter Satz) betreffen. Diese Vorgänge sind in der Niederschrift der Gemeindewahlbehörde und der Sprengelwahlbehörde festzuhalten. Verspätet eingelangte Wahlkarten sind vom Gemeindewahlleiter bzw. Sprengelwahlleiter unverzüglich mit Datum und Uhrzeit des Einlangens zu versehen und nach ungenütztem Ablauf der Fristen zur Anfechtung der Wahl, im Fall der Anfechtung der Wahl nach Beendigung der Anfechtungsverfahren, im Fall einer (teilweisen) Wahlwiederholung erst nach ungenütztem Ablauf der dagegen offen stehenden Anfechtungsfristen bzw. nach Beendigung allfälliger Anfechtungsverfahren der Wiederholungswahl, zusammen mit den als nichtig erklärten Wahlkarten von der Gemeindewahlbehörde ungeöffnet zu vernichten.
[…]
§45
Ende der Wahlhandlung
(1) Wenn die Wahlzeit abgelaufen ist und alle bis dahin im Wahllokal oder im Warteraum erschienenen Wähler gestimmt haben, muß das Wahllokal geschlossen werden. Außer den Mitgliedern der Wahlbehörde, dem Stellvertreter des Vorsitzenden, den Ersatzmitgliedern, den Vertrauenspersonen, den Wahlzeugen und dem Hilfspersonal darf im Wahllokal niemand mehr anwesend sein.
(1a) Die Sprengelwahlbehörde muß gesondert die Zahl sowohl der von der Gemeindewahlbehörde übernommenen als auch der gemäß § 42 dem Wähler abgenommenen und der nach § 42a Abs 2 letzter Satz bei ihr eingelangten Wahlkarten in der Niederschrift festhalten. Dann muß die Sprengelwahlbehörde die von der Gemeindewahlbehörde übernommenen und die nach § 42a Abs 2 letzter Satz bei ihr eingelangten Wahlkarten auf das Vorliegen eines Nichtigkeitsgrundes nach § 42a Abs 3 überprüfen. Wahlkarten, bei denen ein Nichtigkeitsgrund vorliegt, dürfen in die Ergebnisermittlung nicht einbezogen werden; sie müssen ungeöffnet dem Wahlakt unter Verschluß beigefügt werden. Die Gründe für die Nichtigkeit der Wahlkarten und die Zahl der gültigen Wahlkarten sind in der Niederschrift festzuhalten. Danach muß die Sprengelwahlbehörde die gültigen Wahlkarten öffnen, die darin enthaltenen Kuverts entnehmen und in die Wahlurne einlegen. Sodann geht die Sprengelwahlbehörde gemäß Abs 2 und 3 vor.
(2) Die Wahlbehörde muß die in der Wahlurne enthaltenen Kuverts gründlich durcheinandermengen. Dann entleert sie die Wahlurne, stellt die Zahl der darin befindlichen Kuverts fest und vergleicht diese Zahl mit der Zahl der Wähler laut Abstimmungsverzeichnis einschließlich der Zahl der von der Gemeindewahlbehörde übernommenen gültigen Wahlkarten und der Zahl der gültigen Wahlkarten gemäß § 42a Abs 2 letzter Satz. Stimmen die Zahlen nicht überein, so muß diese Tatsache und der wahrscheinliche Grund dafür in der Niederschrift über die Wahlhandlung festgehalten werden.
(3) Nach Öffnung der Kuverts prüft die Wahlbehörde die Gültigkeit der Stimmzettel, stellt die Zahl der ungültigen Stimmen fest und versieht diese Stimmzettel mit fortlaufenden Zahlen. Die gültigen Stimmzettel werden nach Wahlparteien und innerhalb dieser nach Stimmzetteln mit oder ohne Bezeichnung eines Bewerbers geordnet. Die Wahlbehörde stellt die auf jede Wahlpartei entfallende Zahl von Stimmen (Parteisumme) fest. Die Wahlbehörde darf sich bei dieser Tätigkeit der Hilfe des Stellvertreters des Vorsitzenden und der Ersatzmitglieder bedienen.
[…]
§49
Mehrere Stimmzettel in einem Wahlkuvert
Wenn ein Wahlkuvert mehrere Stimmzettel enthält, so sind die darauf angebrachten Worte, Bemerkungen oder Zeichen bzw. sonstigen Kennzeichnungen so zu beurteilen, als ob sie auf einem einzigen Stimmzettel angebracht wären. Sie zählen als ein einziger Stimmzettel und sind von der Wahlbehörde bei der Auszählung untrennbar miteinander zu verbinden.
§50
Niederschrift der Sprengelwahlbehörde
(1) Die Sprengelwahlbehörde muß nach Abschluß der Wahlhandlung sofort im Wahllokal den Wahlvorgang in einer eigenen Niederschrift festhalten. Diese Niederschrift muß enthalten:
a) die Namen der Mitglieder der Wahlbehörde, des Stellvertreters des Vorsitzenden, der Ersatzmitglieder, der Vertrauenspersonen und der Wahlzeugen,
b) die Zeitangabe des Beginns und des Endes der Wahlhandlung und allfällige Unterbrechungen,
c) Entscheidungen über die Zulassung von Wählern in strittigen Fällen,
d) sonstige Entscheidungen der Wahlbehörde und außergewöhnliche Vorkommnisse (z.B. Nichtübereinstimmung der Zahl der in der Wahlurne befindlichen Kuverts mit der Zahl der Wähler laut Abstimmungsverzeichnis einschließlich der Zahl der von der Gemeindewahlbehörde übernommenen gültigen Wahlkarten und der Zahl der gültigen Wahlkarten gemäß § 42a Abs 2 letzter Satz.),
e) die Zahl der erschienenen Wähler, die Zahl der gültigen und ungültigen Stimmzettel und die Parteiensumme.
Die Niederschrift muß von den Mitgliedern der Wahlbehörde unterschrieben werden. Verweigert ein Mitglied die Unterschrift, ist der Grund anzugeben.
(2) Die Niederschrift über den Wahlvorgang, das Wählerverzeichnis, das Abstimmungsverzeichnis, die Wahlkarten und die Stimmzettel müssen zusammen versiegelt werden und der Gemeindewahlbehörde – wenn möglich durch mehrere Mitglieder der Wahlbehörde – sofort überbracht werden.
[…]
9. Abschnitt
Ermittlungsverfahren
§52
Überprüfung der Sprengelergebnisse, Ermittlung des Gesamtergebnisses
Die Gemeindewahlbehörde muß die Wahlergebnisse in den einzelnen Wahlsprengeln auf ihre Gesetzmäßigkeit und zahlenmäßige Richtigkeit überprüfen sowie auf Grund der von den Sprengelwahlbehörden vorgelegten Wahlakten feststellen:
- die Gesamtzahl der abgegebenen Stimmen
- die Summe der abgegebenen gültigen Stimmen
- die Summe der abgegebenen ungültigen Stimmen
- die Anzahl der auf jede Partei entfallenden gültigen Stimmen (Parteisummen).
[…]
10. Abschnitt
Wahlanfechtung
§56
Anfechtung der Wahl
Das Wahlergebnis kann von den zustellungsbevollmächtigten Vertretern der Wahlparteien, die einen Wahlvorschlag erstattet haben, und von jedem Wahlwerber, der behauptet, in seinem passiven Wahlrecht verletzt worden zu sein, durch Beschwerde angefochten werden. Die Anfechtung kann wegen behaupteter Unrichtigkeit der Ermittlung des Wahlergebnisses oder wegen angeblich gesetzwidriger Vorgänge im Wahlverfahren erfolgen.
§57
Verfahren
Die Beschwerde muß schriftlich binnen zwei Wochen ab dem ersten Tag der Kundmachung des Wahlergebnisses bei der Gemeinde eingebracht werden. Die Beschwerde muß einen begründeten Antrag auf Nichtigerklärung des Wahlverfahrens oder eines Teiles davon enthalten. Der Vorsitzende der Gemeindewahlbehörde muß die Beschwerde innerhalb von drei Tagen samt den Wahlakten der Landes-Hauptwahlbehörde zur Entscheidung vorlegen."
III. Erwägungen
1. Zur Zulässigkeit der Anfechtung
1.1. Gemäß Art 141 Abs 1 lita B VG erkennt der Verfassungsgerichtshof unter anderem über die Anfechtung von Wahlen zu den allgemeinen Vertretungskörpern, somit auch über die Anfechtung von Wahlen zum Gemeinderat (vgl. VfSlg 19.247/2010, 19.278/2010). Nach Art 141 Abs 1 zweiter Satz B VG kann eine solche Anfechtung auf die behauptete Rechtswidrigkeit des Verfahrens gegründet werden.
1.2. Nach § 67 Abs 2 zweiter Satz VfGG sind zur Anfechtung der Wahl grundsätzlich jene Wählergruppen berechtigt, die bei der Wahlbehörde rechtzeitig Wahlvorschläge für die angefochtene Wahl vorgelegt haben. Dies trifft nach der Aktenlage auf die anfechtungswerbende Partei zu.
1.3. Nach § 68 Abs 1 VfGG ist die Wahlanfechtung – soweit das in Betracht kommende Gesetz nicht anderes bestimmt – binnen vier Wochen nach Beendigung des Wahlverfahrens oder, wenn sie auf die Rechtswidrigkeit eines Bescheides oder einer Entscheidung einer Verwaltungsbehörde oder eines Erkenntnisses oder Beschlusses eines Verwaltungsgerichtes gegründet wird, binnen vier Wochen nach Zustellung einzubringen. In den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde kann die Wahlanfechtung erst nach Erschöpfung des Instanzenzuges eingebracht werden.
1.3.1. Gemäß § 56 NÖ GRWO 1994 kann das Wahlergebnis insbesondere von den zustellungsbevollmächtigten Vertretern der Wahlparteien, die einen Wahlvorschlag erstattet haben, durch Beschwerde angefochten werden. Diese Anfechtung kann wegen behaupteter Unrichtigkeit der Ermittlung des Wahlergebnisses oder wegen angeblich gesetzwidriger Vorgänge im Wahlverfahren erfolgen und muss gemäß § 57 NÖ GRWO 1994 schriftlich binnen zwei Wochen ab dem ersten Tag der Kundmachung des Wahlergebnisses bei der Gemeinde eingebracht werden. Der Vorsitzende der Gemeindewahlbehörde hat die Beschwerde innerhalb von drei Tagen samt den Wahlakten der Landes-Hauptwahlbehörde zur Entscheidung vorzulegen. Die Anfechtung der Wahl gemäß Art 141 Abs 1 lita B VG beim Verfassungsgerichtshof ist gemäß § 68 Abs 1 VfGG erst in weiterer Folge binnen vier Wochen nach Zustellung dieser Entscheidung zulässig.
1.3.2. Der zustellungsbevollmächtigte Vertreter der anfechtungswerbenden Partei hat eine Beschwerde gemäß § 56 NÖ GRWO 1994 eingebracht, in der unter anderem auch die in der vorliegenden Anfechtung behaupteten Rechtswidrigkeiten in den Wahlsprengeln 8, 14, 21, 27 und 28 der Gemeinde Baden bei Wien gerügt wurden und beantragt wurde, "die Wahl in den betreffenden Bereichen für nichtig zu erklären". Der der Anfechtung gemäß Art 141 Abs 1 lita B VG durch die NÖ GRWO 1994 vorgelagerte administrative Rechtsweg wurde somit eingehalten.
1.3.3. Die Landes-Hauptwahlbehörde hat der Beschwerde mit Bescheid vom , dem zustellungsbevollmächtigten Vertreter zugestellt am , nicht stattgegeben. Die am beim Verfassungsgerichtshof eingebrachte Anfechtung erweist sich sohin als rechtzeitig.
1.4. Da auch die übrigen Prozessvoraussetzungen erfüllt sind, ist die Anfechtung zulässig.
2. In der Sache
2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat ein Wahlverfahren nur in den Grenzen der von der anfechtungswerbenden Partei in der Anfechtungsschrift behaupteten Rechtswidrigkeiten nachzuprüfen. Es ist ihm hingegen verwehrt, die Rechtmäßigkeit des Wahlverfahrens darüber hinaus von Amts wegen einer weiteren Überprüfung zu unterziehen (vgl. VfSlg 17.589/2005, 19.245/2010; ).
2.2. Die anfechtungswerbende Partei wendet sich ausschließlich gegen das Wahlverfahren in den Wahlsprengeln 8, 14, 21, 27 und 28 der Gemeinde Baden bei Wien und führt begründend aus, dass jeweils die Zahl der Stimmzettel nicht mit der Zahl der Wahlkuverts bzw. mit der Zahl der Bürger, die ihr Wahlrecht ausgeübt haben, übereinstimme. Durch eine rechtswidrige doppelte Zählung von Wählerstimmen werde der Grundsatz des gleichen Wahlrechtes verletzt. Die Rechtswidrigkeit sei von Relevanz für die Mandatsverteilung, da schon das Abziehen von zwei als ungültig gewerteten Stimmen bei der Wählergruppe "Bürgermeister Kurt Staska – Volkspartei Baden (ÖVP)" eine Verschiebung der Mandate bewirke.
2.3. Das Abstimmungs- und Ermittlungsverfahren für die Wahlen des Gemeinderates in den Gemeinden des Landes Niederösterreich ist in den §§40 ff. NÖ GRWO 1994 ausführlich geregelt:
2.3.1. Die Leitung der Wahlhandlung obliegt in der Gemeinde der Gemeindewahlbehörde und in jedem Wahlsprengel den Sprengelwahlbehörden (§40 Abs 1 NÖ GRWO 1994). Der Vorsitzende der Wahlbehörde übergibt am Beginn der Wahlzeit der Wahlbehörde das Wählerverzeichnis, das Abstimmungsverzeichnis, die Wahlkuverts und die Stimmzettel (§41 Abs 1 NÖ GRWO 1994). Unmittelbar vor Beginn der Stimmabgabe muss sich die Wahlbehörde überzeugen, dass die Wahlurne leer ist (§41 Abs 2 NÖ GRWO 1994).
2.3.2. Besitzt ein Wähler keine Wahlkarte, erhält er nach Feststellung seiner Identität die für die Wahl notwendigen Unterlagen vor der Wahlbehörde (§41 Abs 3 NÖ GRWO 1994). Gemäß § 46 Abs 1 NÖ GRWO 1994 können sowohl amtliche als auch nichtamtliche Stimmzettel verwendet werden. Nach Verlassen der Wahlzelle legt der Wähler das Wahlkuvert ungeöffnet in die Wahlurne (vgl. § 41 Abs 4 NÖ GRWO 1994). Der Name des Wählers wird im Wählerverzeichnis abgestrichen und mit einer fortlaufenden Nummer in das Abstimmungsverzeichnis eingetragen. Hierauf muss der Wähler das Wahllokal wieder verlassen (vgl. § 41 Abs 5 NÖ GRWO 1994).
2.3.3. Die Namen von Wählern, die eine Wahlkarte besitzen und ihr Wahlrecht nicht mittels Briefwahl, sondern vor der Wahlbehörde ausüben, werden – wiederum nach Feststellung der Identität der Wähler – am Schluss des Wählerverzeichnisses fortlaufend nummeriert eingetragen, es sei denn, sie erscheinen vor der Wahlbehörde, bei der sie ihr Wahlrecht an sich ausüben müssten. Die Wahlkarte muss den Wählern jedenfalls abgenommen und der Niederschrift beigelegt werden (§42 NÖ GRWO 1994).
2.3.4. Übt ein Wähler, dem eine Wahlkarte ausgestellt wurde, sein Wahlrecht mittels Briefwahl aus, hat er den Stimmzettel in das Wahlkuvert und dieses in die Wahlkarte zu legen, sodann die eidesstattliche Erklärung auf der Wahlkarte abzugeben, die Wahlkarte zu verschließen und in das voradressierte Überkuvert zu legen. Das Überkuvert muss so rechtzeitig an die Gemeindewahlbehörde übermittelt werden, dass die Wahlkarte dort spätestens bis zum Wahltag, 6:30 Uhr, einlangt; darüber hinaus kann die verschlossene Wahlkarte am Wahltag bis zum Schließen des Wahllokales jener Sprengelwahlbehörde, in deren Wählerverzeichnis der Wähler eingetragen ist, übermittelt werden. Eingelangte Überkuverts bzw. Wahlkarten sind unter anderem mit einer fortlaufenden Nummer zu versehen, in ein gesondertes Verzeichnis fortlaufend nummeriert einzutragen und vom Gemeindewahlleiter unter Verschluss zu verwahren. Am Wahltag überprüft die Gemeindewahlbehörde die Anzahl der eingelangten Überkuverts und Wahlkarten mit der Anzahl der im Verzeichnis eingetragenen und entnimmt die Wahlkarten aus den Überkuverts. Alle Wahlkarten werden entsprechend der Sprengelzugehörigkeit aufgeteilt, in ein gesondertes Verzeichnis eingetragen und zusammen mit einer Kopie des Verzeichnisses ohne Verzug verschlossen und womöglich in versiegeltem Umschlag durch Boten der jeweiligen Sprengelwahlbehörde übermittelt. Diese legt sie in ein gesondertes Behältnis, in dem auch die direkt an die Sprengelwahlbehörde übermittelten Wahlkarten aufzubewahren sind (vgl. § 42a NÖ GRWO 1994).
2.3.5. Nach Ablauf der Wahlzeit hat die Sprengelwahlbehörde gesondert die Zahl sowohl der von der Gemeindewahlbehörde übernommenen als auch der den Wählern gemäß § 42 NÖ GRWO 1994 abgenommenen und der bei ihr eingelangten Wahlkarten in der Niederschrift festzuhalten. Nach Überprüfung auf das Vorliegen eines Nichtigkeitsgrundes der von der Gemeindewahlbehörde übernommenen und der an die Sprengelwahlbehörde übermittelten Wahlkarten öffnet die Sprengelwahlbehörde die gültigen Wahlkarten, entnimmt die darin enthaltenen Kuverts und legt sie in die Wahlurne ein (§45 Abs 1a NÖ GRWO 1994).
2.3.6. Die Kuverts in der Wahlurne werden gründlich durcheinandergemengt, anschließend die Wahlurne entleert und die Zahl der enthaltenen Kuverts festgestellt. Diese Zahl wird mit der Zahl der Wähler laut Abstimmungsverzeichnis einschließlich der Zahl der gültigen Wahlkarten verglichen. Stimmen diese Zahlen nicht überein, sind diese Tatsache und der wahrscheinliche Grund dafür in der Niederschrift festzuhalten (§45 Abs 2 NÖ GRWO 1994).
2.3.7. Nach Öffnung der Wahlkuverts prüft die Wahlbehörde die Gültigkeit der darin enthaltenen Stimmzettel (vgl. §§47 f. NÖ GRWO 1994), stellt die Zahl der ungültigen Stimmzettel fest und versieht diese mit fortlaufenden Zahlen. Die gültigen Stimmzettel werden geordnet und die auf jede Wahlpartei entfallende Zahl von Stimmen festgestellt (§45 Abs 3 NÖ GRWO 1994). Sind in einem Wahlkuvert mehrere Stimmzettel enthalten, so sind die auf diesen angebrachten Worte, Bemerkungen oder Zeichen bzw. sonstigen Kennzeichnungen so zu beurteilen, als ob sie auf einem einzigen Stimmzettel angebracht wären; sie zählen als ein Stimmzettel und sind von der Wahlbehörde bei der Auszählung untrennbar miteinander zu verbinden (vgl. § 49 NÖ GRWO 1994).
2.3.8. Nach Abschluss der Wahlhandlung muss die Sprengelwahlbehörde sofort im Wahllokal den Wahlvorgang in einer Niederschrift festhalten, die die in § 50 Abs 1 NÖ GRWO 1994 angeführten Angaben zu enthalten hat und in der insbesondere außergewöhnliche Vorkommnisse vermerkt werden müssen. Die Niederschrift, das Wählerverzeichnis, das Abstimmungsverzeichnis, die Wahlkarten und die Stimmzettel müssen zusammen versiegelt und der Gemeindewahlbehörde sofort überbracht werden (§50 NÖ GRWO 1994), die in der Folge die Wahlergebnisse in den einzelnen Wahlsprengeln auf ihre Gesetzmäßigkeit und zahlenmäßige Richtigkeit überprüft und das Ermittlungsverfahren durchführt (vgl. §§52 ff. NÖ GRWO 1994).
2.4. Diese Bestimmungen der NÖ GRWO 1994 dienen dem Ziel, die Stimmabgabe zweifelsfrei zu dokumentieren und damit verbundene Unklarheiten möglichst zu beseitigen sowie eine nachvollziehbare Zuordnung der Stimmen zu den einzelnen Wahlparteien und die Überprüfbarkeit des Wahlverfahrens, insbesondere auch anlässlich einer Wahlanfechtung, sicherzustellen. Außergewöhnliche Vorkommnisse sind in der Niederschrift festzuhalten (§50 Abs 1 litd NÖ GRWO 1994).
2.5. Die Stimmenzuordnung ist nachvollziehbar zu gestalten. Treten Ungereimtheiten hinsichtlich der Anzahl der abgegebenen Stimmzettel auf, so sind nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes spekulative Überlegungen, welche der hiefür in Betracht kommenden Stimmzettel und in weiterer Folge welche Parteisumme von der Rechtswidrigkeit betroffen ist, nicht anzustellen (vgl. VfSlg 14.847/1997). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes sind Formalvorschriften der Wahlordnung strikt nach ihrem Wortlaut auszulegen (vgl. zB VfSlg 1904/1950, 4168/1962, 5861/1968, 6750/1972, 7435/1974, 8848/1980, 10.610/1985, 12.289/1990, 15.375/1998, 17.141/2004, 19.734/2013; ).
2.6. Hinsichtlich der vorliegenden Anfechtung des Wahlverfahrens betreffend die Wahlsprengel 8 und 21 hat sich im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof Folgendes ergeben:
2.6.1. Aus den dem Verfassungsgerichtshof übermittelten Wahlakten, insbesondere aus der Niederschrift der Sprengelwahlbehörde des Wahlsprengels 8 vom und dem Abstimmungsverzeichnis dieses Wahlsprengels, ergibt sich, dass die Anzahl der laut Abstimmungsverzeichnis erschienenen Wähler vermehrt um die Anzahl der gültigen Wahlkarten 396 beträgt und mit der Anzahl der Kuverts übereinstimmt. Der Niederschrift der Sprengelwahlbehörde zufolge wurden auch 396 Stimmzettel abgegeben. In der Niederschrift der Gemeindewahlbehörde vom ist festgehalten, dass im Wahlsprengel 8 seitens der Sprengelwahlbehörde 76 Stimmen mit Namensnennung für die Wählergruppe "Bürgermeister Kurt Staska – Volkspartei Baden (ÖVP)" ermittelt worden seien, sich in diesem Kuvert jedoch 77 Stimmzettel befunden hätten. Die Gemeindewahlbehörde ging davon aus, dass sich dies darauf zurückführen lassen dürfte, dass zwei Stimmzettel aus demselben Wahlkuvert nicht richtig zusammengeheftet worden seien, und stellte deshalb 76 Stimmen mit Namensnennung für diese Wählergruppe fest. Die Gesamtanzahl der von der Gemeindewahlbehörde tatsächlich vorgefundenen Stimmzettel übersteigt somit die Anzahl der verzeichneten erschienenen Wähler vermehrt um die Anzahl der gültigen Wahlkarten um eins.
Eine Nachzählung durch den Verfassungsgerichtshof hat insgesamt 397 Stimmzettel, also ebenfalls einen Stimmzettel mehr als von der Sprengelwahlbehörde festgestellt, ergeben. Diese Zahl der abgegebenen Stimmzettel übersteigt jene der verzeichneten erschienenen Wähler vermehrt um die Zahl der gültigen Wahlkarten bzw. die in der Niederschrift der Sprengelwahlbehörde vom vermerkte – mangels Beilage der Wahlkuverts zum Wahlakt für den Verfassungsgerichtshof nicht nachprüfbare – Zahl an Wahlkuverts somit um eins.
2.6.2. Aus den dem Verfassungsgerichtshof übermittelten Wahlakten, insbesondere aus der Niederschrift der Sprengelwahlbehörde des Wahlsprengels 21 vom und dem Abstimmungsverzeichnis dieses Wahlsprengels, ergibt sich, dass die Anzahl der laut Abstimmungsverzeichnis erschienenen Wähler vermehrt um die Anzahl der gültigen Wahlkarten mit der in der Niederschrift der Sprengelwahlbehörde vom vermerkten Anzahl der in die Wahlurne eingeworfenen Kuverts übereinstimmt (274 Kuverts bzw. erschienene Wähler und gültige Wahlkarten), jene der abgegebenen Stimmzettel (276 Stimmzettel) diese Zahl jedoch um zwei übersteigt. In der Niederschrift der Sprengelwahlbehörde vom wird dazu bemerkt, dass sich die beiden überzähligen Stimmen darauf zurückführen ließen, dass Stimmzettel nicht zusammengeheftet worden seien. Eine Nachzählung der Stimmzettel durch den Verfassungsgerichtshof hat zu keinem anderen Ergebnis geführt.
2.6.3. Die Annahme sowohl in der Wahlanfechtung als auch in der Niederschrift der Sprengelwahlbehörde des Wahlsprengels 21 bzw. der Gemeindewahlbehörde vom , dass die überzähligen Stimmzettel in den Wahlsprengeln 8 und 21 darauf zurückzuführen seien, dass in einem Wahlkuvert abgegebene Stimmzettel entgegen § 49 NÖ GRWO 1994 nicht untrennbar verbunden wurden, ist zwar – insbesondere angesichts der Zulässigkeit sowohl amtlicher als auch nichtamtlicher Stimmzettel (vgl. § 46 NÖ GRWO 1994) – plausibel, letztlich aber nicht nachweisbar. Angesichts der dargestellten Regelungen der NÖ GRWO 1994, die es gerade ausschließen sollen, dass die Anzahl der Wähler, der Wahlkuverts und der Stimmzettel auseinanderfallen, ist bei dieser Sachlage jedoch offenkundig, dass es im Wahlverfahren betreffend die Wahlsprengel 8 und 21 zu Verletzungen der Bestimmungen der NÖ GRWO 1994 über die Stimmabgabe und die Zuordnung der Stimmen gekommen ist (vgl. VfSlg 1916/1950, 14.847/1997). Die exakte Beurteilung, welche der in Frage kommenden Bestimmungen nicht eingehalten worden ist, kann somit dahinstehen.
2.7. Hinsichtlich der vorliegenden Anfechtung des Wahlverfahrens betreffend die Wahlsprengel 14 und 28 hat sich im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof Folgendes ergeben:
2.7.1. Aus den dem Verfassungsgerichtshof übermittelten Wahlakten, insbesondere aus der Niederschrift der Sprengelwahlbehörde des Wahlsprengels 14 vom und dem Abstimmungsverzeichnis dieses Wahlsprengels, ergibt sich, dass die Anzahl der laut Abstimmungsverzeichnis erschienenen Wähler vermehrt um die Anzahl der gültigen Wahlkarten 423 beträgt. Zu der Zahl der Stimmzettel finden sich in der Niederschrift der Sprengelwahlbehörde widersprüchliche Angaben; die Gemeindewahlbehörde geht in ihrer Niederschrift vom von 423 Stimmzetteln aus. Diese Zahl hat auch die Nachzählung durch den Verfassungsgerichtshof bestätigt. Die Anzahl der Kuverts laut Niederschrift der Sprengelwahlbehörde (422 Kuverts) weicht davon allerdings um eins ab. Die Ursache für das fehlende Wahlkuvert konnte den Angaben in der Niederschrift der Sprengelwahlbehörde vom zufolge nicht geklärt werden.
2.7.2. Aus den dem Verfassungsgerichtshof übermittelten Wahlakten, insbesondere aus der Niederschrift der Sprengelwahlbehörde des Wahlsprengels 28 vom und dem Abstimmungsverzeichnis dieses Wahlsprengels, ergibt sich, dass die in der Niederschrift der Sprengelwahlbehörde vom vermerkte Anzahl der Kuverts und der abgegebenen Stimmzettel (465 Kuverts bzw. Stimmzettel) um eins kleiner ist als die Anzahl der laut Abstimmungsverzeichnis erschienenen Wähler vermehrt um die Anzahl der gültigen Wahlkarten (466 erschienene Wähler und gültige Wahlkarten). Eine Nachzählung der Stimmzettel durch den Verfassungsgerichtshof hat zu keinem anderen Ergebnis geführt. In der Niederschrift der Sprengelwahlbehörde wird diese Unstimmigkeit darauf zurückgeführt, dass eine Wahlkarte eingezogen und mit Wahlkuvert gewählt worden sei. Die Gemeindewahlbehörde stellt hingegen fest, dass die Differenz nicht mehr nachvollzogen werden könne (vgl. Niederschrift der Gemeindewahlbehörde vom ).
2.7.3. Die Ursache für das Auseinanderfallen der jeweiligen Anzahl der Wähler, Stimmzettel und Wahlkuverts in den Wahlsprengeln 14 und 28 lässt sich für den Verfassungsgerichtshof zwar ebenso wenig nachvollziehen wie für die Sprengel- bzw. die Gemeindewahlbehörde. Vor dem Hintergrund der unter Punkt 2.3. dargestellten Rechtslage besteht jedoch kein Zweifel daran, dass auch die in den Wahlsprengeln 14 und 28 festgestellten Unstimmigkeiten auf eine Verletzung der Bestimmungen der NÖ GRWO 1994 über die Stimmabgabe und die Zuordnung der Stimmen zurückgeführt werden müssen. Die exakte Beurteilung, welche Bestimmung(en) der NÖ GRWO 1994 nicht eingehalten wurde(n), kann somit dahinstehen.
2.8. Hinsichtlich der vorliegenden Anfechtung des Wahlverfahrens betreffend den Wahlsprengel 27 hat sich im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof Folgendes ergeben:
2.8.1. Aus den dem Verfassungsgerichtshof übermittelten Wahlakten, insbesondere aus der Niederschrift der Sprengelwahlbehörde des Wahlsprengels 27 vom und dem Abstimmungsverzeichnis dieses Wahlsprengels, ergibt sich, dass 435 Stimmzettel abgegeben und 435 Wahlkuverts in die Wahlurne eingeworfen worden sind, die Anzahl der in das Abstimmungsverzeichnis eingetragenen Wähler vermehrt um die Anzahl der gültigen Wahlkarten hingegen 436 beträgt. In der – auch von der anfechtungswerbenden Partei nicht in Zweifel gezogenen – Niederschrift der Sprengelwahlbehörde vom ist dazu vermerkt, dass ein Stimmzettel bzw. Wahlkuvert nicht in die Wahlurne eingeworfen worden sei. Eine Nachzählung der Stimmzettel durch den Verfassungsgerichtshof hat zu keinem abweichenden Ergebnis geführt.
2.8.2. Außergewöhnliche Vorkommnisse sind gemäß § 50 Abs 1 litd NÖ GRWO 1994 in der Niederschrift der Sprengelwahlbehörde festzuhalten. Entsprechend dieser Vorschrift hat die Sprengelwahlbehörde des Wahlsprengels 27 vermerkt, dass ein Stimmzettel bzw. Kuvert nicht in die Urne eingeworfen worden sei. Damit erklärt sich, dass die Zahl der Stimmzettel und der Wahlkuverts übereinstimmt, jedoch um eins kleiner ist als die Anzahl der ins Abstimmungsverzeichnis eingetragenen Wähler vermehrt um die Anzahl der gültigen Wahlkarten. Da jegliche Anhaltspunkte dafür fehlen, dass dieser Vermerk in der Niederschrift nicht den Tatsachen entspricht, und insbesondere keines der Mitglieder der Sprengelwahlbehörde die Unterschrift der Niederschrift verweigerte und auch in der Anfechtungsschrift nichts Gegenteiliges vorgebracht worden ist, besteht für den Verfassungsgerichtshof kein Anlass, diese Feststellung in der Niederschrift der Sprengelwahlbehörde in Zweifel zu ziehen (vgl. VfSlg 14.556/1996). Ungereimtheiten bei der Zuordnung der Stimmzettel sind in diesem Wahlsprengel somit nicht aufgetreten. Insofern ist der Wahlanfechtung daher nicht stattzugeben.
2.9. Nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes ist einer Wahlanfechtung nicht schon dann stattzugeben, wenn die behauptete Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens erwiesen wurde; sie muss darüber hinaus auch auf das Wahlergebnis von Einfluss gewesen sein (Art141 Abs 1 Satz 3 B VG iVm § 70 Abs 1 Satz 1 VfGG): Dazu sprach der Verfassungsgerichtshof wiederholt aus, dass diese (zweite) Voraussetzung bereits erfüllt ist, wenn die Rechtswidrigkeit auf das Wahlergebnis von Einfluss sein konnte (vgl. etwa VfSlg 11.738/1988, 19.345/2011, 19.734/2013).
2.9.1. Eine Korrektur der festgestellten Rechtswidrigkeit durch den Versuch einer "Rückabwicklung" scheidet nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes aus. Hinsichtlich der überzähligen Stimmzettel in den Wahlsprengeln 8 und 21 sind – notwendigerweise – spekulative Überlegungen darüber, welche der abgegebenen Stimmzettel und in weiterer Folge welche der Parteisummen von der in Rede stehenden Rechtswidrigkeit betroffen sind, nicht anzustellen (vgl. VfSlg 14.847/1997). Bei der vorliegenden Sachlage lässt sich – mangels Angaben in der jeweiligen Niederschrift zu allenfalls ohne Stimmzettel abgegebenen Wahlkuverts – weder nachweisen, wie viele Stimmzettel sich tatsächlich in einem Wahlkuvert befanden, noch auf welche Wahlparteien diese Stimmzettel entfallen sind. Selbst wenn man von bloß zwei Stimmzetteln in einem Wahlkuvert ausginge, kann somit nicht beurteilt werden, ob diese beiden Stimmzettel übereinstimmen und folglich als eine gültige Stimme für eine Wahlpartei zu werten sind oder ob angesichts widersprüchlicher Angaben jeweils eine Stimme bei zwei Wahlparteien ungültig wäre. Jede denkbare Korrektur der Parteisummen – und somit auch das Vorgehen der Gemeindewahlbehörde hinsichtlich des Sprengels 8, bei dem eine der vorgefundenen Stimmen mit Namensnennung für die Wählergruppe "Bürgermeister Kurt Staska – Volkspartei Baden (ÖVP)" nicht gezählt wurde (vgl. nochmals die Niederschrift der Gemeindewahlbehörde vom ) – würde somit auf der Grundlage bloßer Spekulationen erfolgen. Wie die Abweichungen in den Sprengeln 14 und 28 zustande gekommen sind, ist für den Verfassungsgerichtshof ebenso wenig nachvollziehbar wie für die Sprengel- bzw. Gemeindewahlbehörde, sodass auch insofern eine Korrektur ausscheidet.
2.9.2. Insbesondere vor dem Hintergrund des eingangs dargestellten Wahlergebnisses, bei dem bereits die Reduktion der Parteisumme der Wählergruppe "Bürgermeister Kurt Staska – Volkspartei Baden (ÖVP)" um zwei Stimmen infolge einer allfälligen Ungültigkeit eine Änderung der Mandatsverteilung und die Reduktion um eine Stimme eine Losentscheidung hinsichtlich der Zuteilung des letzten Mandates (§53 Abs 6 NÖ GRWO 1994) zur Folge hätte, kann somit kein Zweifel daran bestehen, dass die aufgezeigte Rechtswidrigkeit in den Sprengeln 8, 14, 21 und 28 – jedenfalls in Zusammenschau dieser Sprengel – Einfluss auf das Wahlergebnis haben konnte.
2.10. Da sich nicht nachweisen lässt, ob die festgestellte Rechtswidrigkeit auf mittels Briefwahl oder vor der Wahlbehörde abgegebene Stimmen zurückzuführen ist (zur Übermittlung der Wahlkarten an die Sprengelwahlbehörde bzw. ihre Auswertung durch die Sprengelwahlbehörde gemeinsam mit den vor der Wahlbehörde abgegebenen Stimmen vgl. nochmals §§42a, 45 NÖ GRWO 1994), ist das Wahlverfahren in den Wahlsprengeln 8, 14, 21 und 28 zur Korrektur der festgestellten Rechtswidrigkeit insoweit aufzuheben, als es der Veröffentlichung der Wahlvorschläge nachfolgt, da frühestens ab diesem Zeitpunkt Wahlkarten – diese sind gemäß § 39 Abs 3 NÖ GRWO 1994 nämlich zusammen mit dem amtlichen Stimmzettel und einem Wahlkuvert auszufolgen – ausgestellt werden konnten (vgl. VfSlg 19.278/2010). Sofern Wahlkartenwähler aus anderen Sprengeln bei der Gemeinderatswahl am in den Sprengeln 8, 14, 21 oder 28 ihre Stimme abgegeben haben (vgl. § 42 Abs 1 NÖ GRWO 1994), sind auch diese bei der Wiederholung des Wahlverfahrens zuzulassen, Wahlkartenwähler aus den von der Aufhebung betroffenen Sprengeln, die bei dieser Wahl ihre Stimme in einem nicht von der Aufhebung betroffenen Sprengel abgegeben haben, hingegen nicht (vgl. VfSlg 14.847/1997).
IV. Ergebnis
1. Der Anfechtung ist daher insoweit stattzugeben, als sie die Wahlsprengel 8, 14, 21 und 28 betrifft.
2. Das Verfahren zur Wahl des Gemeinderates der Gemeinde Baden bei Wien am ist hinsichtlich der Wahlsprengel 8, 14, 21 und 28 insoweit aufzuheben, als es der Veröffentlichung der Wahlvorschläge nachfolgt.
3. Im Übrigen ist der Anfechtung nicht stattzugeben.
4. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
European Case Law Identifier
ECLI:AT:VFGH:2015:WI1.2015