VfGH vom 08.10.2014, WI1/2014
Leitsatz
Keine Stattgabe der Anfechtung der engeren Wahl des Bürgermeisters der Gemeinde Neumarkt am Wallersee; Anfechtungsantrag auf Aufhebung des Wahlverfahrens ab Beginn der Feststellung des Wahlergebnisses durch die Sprengelwahlbehörden zu eng gefasst angesichts des objektiv nicht feststellbaren Wahlergebnisses wegen Verstoßes gegen das Gebot der sicheren Verwahrung der Wahlakten
Spruch
Der Anfechtung wird nicht stattgegeben.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt, Anfechtung und Vorverfahren
1. Am fanden die durch Verordnung der Sbg. Landesregierung vom , LGBl 83, ausgeschriebenen Wahlen der Gemeindevertretungen und der Bürgermeister der Gemeinden des Landes Salzburg mit Ausnahme der Landeshauptstadt Salzburg, darunter auch die Wahl des Bürgermeisters der Gemeinde Neumarkt am Wallersee statt.
2. Da bei dieser Wahl kein Bewerber mehr als die Hälfte der abgegebenen gültigen Stimmen auf sich vereinigen konnte, fand am (vgl. § 2 Verordnung LGBl 83/2013) eine engere Wahl zwischen den Bewerbern der Neumarkter Volkspartei – Adi Rieger (ÖVP) und der anfechtungswerbenden SPÖ Neumarkt – Jan Schierl (SPÖ) statt.
3. Laut Kundmachung der Gemeindewahlbehörde der Gemeinde Neumarkt am Wallersee vom wurden bei dieser Wahl 2.663 gültige und 46 ungültige Stimmen abgegeben. Von den gültigen Stimmen entfielen auf die ÖVP 1.340 und auf die SPÖ 1.323 Stimmen.
4. Mit ihrer am elektronisch eingebrachten, auf Art 141 B VG gestützten Anfechtung begehrt die anfechtungswerbende Partei die Nichtigerklärung des Wahlverfahrens vom Beginn der Feststellung des Wahlergebnisses ("beginnend mit den Überprüfungen auf Gültigkeit der Stimmzettel […] und den Feststellungen über die auf die beiden Bewerber entfallenen abgegebenen gültigen Stimmen gem. § 71 Sb[g] GdWO") durch die Sprengelwahlbehörden 1 und 5 an.
Begründend führt die anfechtungswerbende Partei im Wesentlichen Folgendes aus:
"3.a. Die Sprengelwahlbehörde des Wahlsprengels 1 – Volksschule Neumarkt hat insofern rechtswidrig gehandelt, als sie 10 Stimmzettel zu Unrecht als für den Kandidaten Dipl.-Ing. Adolf Rieger abgegeben gewertet hat, diese jedoch für den Kandidaten Jan Schierl-Martinu[…] abgegeben wurden. […] Seitens eines Wahlhelfers wurde diese rechtswidrige Handlungsweise der Wahlbehörde in einem anonymen Schreiben, der Anfechtungswerberin zugegangen am , wie folgt angezeigt:
[…]
[']Ich habe bei der Bürgermeisterwahl am mitgeholfen. Dabei ist folgendes passiert. Im Wahllokal Volksschule Neumarkt hat ein Helfer Zehnerpackerl für Rieger und Schierl gemacht. Ein Packerl Schierl[-S]timmen ist beim Stoß für Rieger abgelegt worden, sicher nicht absichtlich, es ist einfach passiert. Dann wurden die Stöße nochmals gezählt und Schierl hat gewonnen, der andere Helfer, der die Verwechslung gesehen hat, wollte nichts sagen, weil er keine Probleme wollte. Und er hat sich gedacht, es kommt eh nicht darauf an. Am nächsten Tag hat er erfahren, dass Adi Rieger mit nur 17 Stimmen gewonnen hat. Da hat er sich auch nichts gedacht, weil in dem Stoß waren nur 10 Stimmen. Erst im Gespräch mit mir sind wir draufgekommen, dass die 10 Stimmen eigentlich 20 Stimmen sind, da sie beim einen wegkommen und beim anderen dazu. Der Helfer hat einen auf der Gemeinde gefragt, aber niemand will etwas damit zu tun haben. Der auf der Gemeinde hat gesagt, dass nur sie beide etwas machen können. Ich habe immer wieder nachgedacht und jetzt entschieden, ihnen zu schreiben. Auch will ich nicht ins Gerede kommen und mit der Sache nichts zu tun haben.[']
[…] Der 'Schierl' Stoß wurde damit fälschlicherweise dem Stoß der für 'Rieger' als gültig abgegeben gewerteten Stimmzettel zugeordnet. Die Wahlbehörde hat rechtswidrig gehandelt indem sie […] Stimmzettel unrichtig zuordnete. […]
[…]
Das rechtswidrige Vorgehen der Wahlbehörde war auf das Wahlergebnis von Einfluss, da bei einer richtigen Wertung und Zuordnung der 10 Stimmzettel[…] ein anderer als der in der Kundmachung verlautbarte Bürgermeister[…] gewählt worden wäre. Laut Kundmachung vom wurde das Wahlergebnis mit einem Stimmenvorsprung von 17 Stimmen zu Gunsten des Kandidaten Dipl.Ing. Rieger entschieden. Bei richtiger Bewertung der 10 Stimmzettel[…] wären 1.330 Stimmen auf Dipl.Ing. Rieger und 1.333 Stimmen auf Schierl-Martinu entfallen, sodass der Kandidat Rieger unterlegen und der Kandidat Schierl zum Bürgermeister gewählt worden wäre.
Noch am selben Wahlabend beantragte die Anfechtungswerberin noch vor Abschluss des Wahlverfahrens und Kundmachung des Wahlergebnisses – wegen Verdachts auf Unregelmäßigkeiten bei der Stimmenzählung – ausdrücklich die Neuauszählung der abgegebenen Stimmen. Der in einer Niederschrift festgehaltene Antrag der Anfechtungswerberin wurde mit Abstimmung von der Gemeindewahlbehörde jedoch abgelehnt.
[…]
Nach Zugang des [anonymen] Schreibens wurde der Amtsleiter der Stadtgemeinde hievon verständigt und um umgehende Sicherstellung der Wahlakten ersucht. Die Gemeindewahlbehörde wurde am einberufen, welche die Wahlakten sichtete. Die Wahlakten bzw. die Stimmzettel den Wahlsprengel 1 betreffend[…] waren in drei großen verschlossenen Kuverts mit der Aufschrift[…] 'Rieger', 'Schierl' [bzw.] 'ungültig'[…] in einem Karton aufbewahrt gefunden worden. Infolgedessen wurde die Versiegelung dieses Kartons mit dem Amtsiegel Nr 3 gegen unbemerktes Öffnen veranlasst.
3.b. Die Gemeindewahlbehörde hat als Sprengelwahlbehörde des Wahlsprengels 5 insofern rechtswidrig gehandelt, als sie einen Stimmzettel, welcher lose und nicht einkuvertiert (ohne Wahlkuvert)[…] in die Wahlurne eingeworfen wurde, dem Bewerber Dipl.Ing. Rieger zugerechnet hat. Die richtige Wertung eines Stimmzettels erfordert nach § 71 Sbg GdWO[,] die von den Wählern abgegeben[en] Wahlkuverts zu öffnen. Im gegenständlichen Fall wurde der Stimmzettel jedoch ohne Wahlkuvert eingeworfen. Dieser Vorgang wurde in der Niederschrift festgehalten, nichts desto trotz wurde der Stimmzettel von Seiten der Gemeindewahlbehörde[…] als gültiger Stimmzettel zu Gunsten des Bewerbers Dipl.-Ing. Rieger gewertet (VfSlg 15695/1999)[.]
3.c. Die Gemeindewahlbehörde hat als Sprengelwahlbehörde des Wahlsprengels 5 insofern rechtswidrig gehandelt, als sie einen ungültigen Stimmzettel dem Bewerber Dipl.-Ing. Rieger zugerechnet hat. Die gültige Ausfüllung eines Stimmzettels erfordert nach § 70 Sb[g] GdWO das Anzeichnen eines Bewerbers für die Wahl des Bürgermeisters. Im gegenstandlichen Fall erstreckte sich das Kreuz über die zwei Zeilen beider Bewerber und lag der Kreuzungspunkt nur zufallig in der Zeile des Bewerbers Dipl.-Ing. Rieger. Gemäß § 70 Sb[g] GdWO gilt ein Stimmzettel als ungültig, wenn zwei oder mehrere Bewerber angezeichnet sind. Der Vorgang wurde in der Niederschrift festgehalten (VfSlg 15695/1999).
Durch die rechtswidrige Wertung der beiden in 3.b. und 3.c. beschriebenen Stimmzettel wurde der Einfluss der geltend gemachten Rechtswidrigkeiten auf das Wahlergebnis[…] verstärkt. Bei richtiger Wertung der beiden Stimmzettel[…] hätte der Bewerber Dipl.-Ing. Rieger lediglich 1.328 Stimmen erhalten." (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen)
5. Die Gemeindewahlbehörde der Gemeinde Neumarkt am Wallersee als die nach der in Betracht kommenden Wahlordnung höchste Wahlbehörde legte die Wahlakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie im Wesentlichen Folgendes ausführt:
"Die Gemeindewahlbehörde hat am getagt und festgestellt, dass die Gemeindewahlbehörde am nicht einberufen wurde, wie in der Wahlanfechtung behauptet, sondern nur der Gemeindewahlleiter-Stellvertreter mit Vertrauenspersonen.
Die Gemeindewahlbehörde hat am weiters ein Gespräch mit 6 Personen der Sprengelwahlbehörde I – Volksschule Neumarkt geführt[.] […] Auf Grund der Aussagen der 6 Beteiligten schlussfolgert die Gemeindewahlbehörde, dass niemand[em] aus der Sprengelwahlbehörde I – Volksschule Neumarkt eine Unregelmäßigkeit aufgefallen ist, dass keiner mit jemand[em] gesprochen hat bezüglich Briefschreibung [und] dass keiner den Brief selbst geschrieben hat. Auch vom Gemeindeamt ist der Gemeindewahlbehörde niemand bekannt, der etwas dazu weiß oder gesagt hat."
6. Die Wählergruppe Neumarkter Volkspartei – Adi Rieger (ÖVP) erstattete durch ihren zustellungsbevollmächtigten Vertreter eine Äußerung, in der die "Zurückweisung" (gemeint wohl: Nichtstattgabe) der Anfechtung als unbegründet mangels hinreichender Substantiierung, in eventu die Aufhebung des Wahlverfahrens vom Beginn des Abstimmungsverfahrens an wegen nicht auszuschließender Manipulation des Wahlaktes begehrt wird. Begründend wird im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
"Bei der Stichwahl am beantragten die von der SPÖ gestellten Mitglieder der Gemeindewahlbehörde die Nachzählung aller Sprengel durch die Gemeindewahlbehörde. Durch Mehrheitsbeschluss dieser Wahlbehörde wurde das Nachzählen aller Sprengelwahlergebnisse abgelehnt, man einigte sich aber darauf, den Sprengel 4 Volksschule Sighartstein nachzuzählen. Nach Überprüfung dieses Sprengelwahlergebnisses durch die Sprengelwahlbehörde wurde von der Gemeindewahlbehörde einstimmig die Richtigkeit des Wahlergebnisses durch Unterschrift aller Wahlbehördenmitglieder festgestellt.
Anfang April 2014, ca. 9 Tage vor dem Einlangen des anonymen Briefes […] hat ein namentlich bekannter Gemeindebürger in der Feuerwehrzeugstätte Sighartstein schon erstmals öffentlich kundgetan, dass es eine Wahlanfechtung betreffend die Bürgermeisterstichwahl geben wird. Ähnliche Aussagen wurden vor Einlangen dieses Briefes auch in einem Neumarkter Hotel von ebenfalls namentlich bekannten Personen bereits öffentlich getätigt.
Am Freitag, , hat Herr ******* aufgeregt den nicht im Amtsgebäude befindlichen Amtsleiter angerufen, man möge unverzüglich eine Sitzung der Gemeindewahlbehörde einberufen. Begründet wurde dieses Begehren von Herrn ******* damit, dass bei ihm ein anonymes Schreiben eingelangt sei, in welchem festgehalten wird, dass in einem Sprengel das Wahlergebnis falsch ausgezählt sei.
Eine solche Sitzung konnte aufgrund der urlaubsbedingten Abwesenheit des Gemeindewahlleiters sowie der bereits angesprochenen Abwesenheit des Amtsleiters nicht einberufen werden. Weiters wurde der Stellvertreter der Gemeindewahlbehörde, Herr ***** ********, vom Einlangen dieses Schreibens am informiert. Daraufhin einigte man sich, dass man noch am abends eine Versiegelung des Wahlaktes vornehmen wolle. Bei dieser Versiegelung war[en] neben dem stellvertretenden Leiter der Gemeindewahlbehörde Herr[n] ******** auch noch Herr ******, der Amtsleiter **** *********, Frau ******* sowie die Vertrauenspersonen Herr ***** und Herr ****** anwesend. Dabei wurden Teile des Wahlaktes versiegelt, jedenfalls die von der Wahlanfechtung umfassten Sprengel 1 und 5.
Nach formellem Einlangen der Beschwerde bei der Gemeindewahlbehörde wurde vom Leiter dieser Behörde eine Sitzung für den ausgeschrieben.
Im Zuge der Wahlanfechtung und der damit einhergehenden Nachforschungen wurde auch festgestellt, dass sämtliche 25 Gemeindevertreter sowie 11 Mitarbeiter des Amtes für jenen Raum, in welchem die Wahlakten aufbewahrt waren, einen sperrbaren Schlüssel haben. Dieser Umstand ist insofern von besonderer Bedeutung, da der Wahlakt bis zum nicht versiegelt war."
7. Die anfechtungswerbende Partei erstattete eine Replik.
II. Rechtslage
Die im vorliegenden Fall zur Anwendung kommenden maßgeblichen Bestimmungen der Sbg. Gemeindewahlordnung 1998, LGBl 117 (WV), idF LGBl 106/2013, lauten – auszugsweise – wie folgt:
"Zusammenrechnung der Sprengelergebnisse durch die Gemeindewahlbehörde, Überprüfung der Wahlakten, Niederschrift § 74
(1) In Gemeinden, die in Wahlsprengel eingeteilt sind, hat die Gemeindewahlbehörde die ihr von den Sprengelwahlbehörden gemäß § 71 Abs 5 bekanntgegebenen Ergebnisse für den gesamten Bereich der Gemeinde zusammenzurechnen.
(2) Die Sprengelwahlbehörden in den im Abs 1 bezeichneten Gemeinden haben die Wahlakten, verschlossen und nach Möglichkeit in versiegeltem Umschlag, unverzüglich der Gemeindewahlbehörde zu übermitteln. Die Gemeindewahlbehörden haben die von den Sprengelwahlbehörden gemäß den §§71 Abs 3 und 4 und 72 vorgenommenen Feststellungen aufgrund der Niederschriften zu überprüfen, für den gesamten Bereich der Gemeinde zusammenzurechnen und in einer Niederschrift zu beurkunden. Für die Niederschrift gelten die Bestimmungen des § 73 Abs 2 lita bis d und f, h und i sinngemäß. Die Niederschrift hat insbesondere das Gesamtergebnis der Wahl für den Bereich der Gemeinde in der in den §§71 Abs 3 und 4 und 72 gegliederten Form zu enthalten.
(3) Die Niederschrift ist von den Mitgliedern der Gemeindewahlbehörde zu unterfertigen. Wird sie nicht von allen Mitgliedern unterschrieben, ist der Grund hiefür anzugeben.
(4) Den Niederschriften der im Abs 1 bezeichneten Gemeindewahlbehörden sind die Wahlakten der Sprengelwahlbehörden sowie die gemäß § 43 veröffentlichten Wahlvorschläge als Beilagen anzuschließen. Sie bilden in diesen Gemeinden den Wahlakt der Gemeindewahlbehörde.
[…]
Besondere Maßnahmen bei außergewöhnlichen Ereignissen § 75
(1) Treten Umstände ein, welche den Anfang, die Fortsetzung oder Beendigung der Wahlhandlung verhindern, kann die Wahlbehörde die Wahlhandlung verlängern oder auf den nächsten Tag verschieben.
(2) Jede Verlängerung oder Verschiebung ist sofort auf ortsübliche Weise zu verlautbaren.
(3) Hatte die Abgabe der Stimmen bereits begonnen, sind die Wahlakten und die Wahlurne mit den darin enthaltenen Wahlkuverts und den Stimmzetteln von der Wahlbehörde bis zur Fortsetzung der Wahlhandlung unter Verschluß zu legen und sicher zu verwahren.
[…]
Einsprüche gegen zahlenmäßige Ermittlungen § 83
(1) Dem zustellungsbevollmächtigten Vertreter einer Partei steht es frei, gegen die zahlenmäßigen Ermittlungen einer Gemeindewahlbehörde innerhalb von drei Tagen nach der gemäß § 82 erfolgten Verlautbarung bei der Bezirkswahlbehörde schriftlich Einspruch zu erheben.
(2) In den Einsprüchen ist hinreichend glaubhaft zu machen, warum und inwiefern die zahlenmäßigen Ermittlungen der Gemeindewahlbehörde nicht den Bestimmungen dieses Gesetzes entsprechen. Fehlt diese Begründung, kann der Einspruch ohne weitere Überprüfung abgewiesen werden.
(3) Wird ein hinlänglich begründeter Einspruch erhoben, überprüft die Bezirkswahlbehörde aufgrund der ihr vorliegenden Schriftstücke das Wahlergebnis. Ergibt sich aus diesen Schriftstücken die Unrichtigkeit der Ermittlung, hat die Bezirkswahlbehörde sofort das Ergebnis der Ermittlung richtigzustellen, die Verlautbarung der Gemeindewahlbehörde zu widerrufen und das richtige Ergebnis zu verlautbaren.
(4) Gibt die Überprüfung keinen Anlaß zur Richtigstellung der Ermittlungen, hat die Bezirkswahlbehörde den Einspruch abzuweisen.
(5) Die Entscheidung der Bezirkswahlbehörde ist endgültig."
III. Erwägungen
1. Zur Zulässigkeit der Anfechtung
1.1. Gemäß Art 141 Abs 1 litb B VG erkennt der Verfassungsgerichtshof u.a. über Anfechtungen von Wahlen in die mit der Vollziehung betrauten Organe einer Gemeinde, so auch über die Anfechtung einer Direktwahl des Bürgermeisters (vgl. VfSlg 13.504/1993, 15.285/1998). Nach Art 141 Abs 1 zweiter Satz B VG kann eine solche Anfechtung auf die behauptete Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens gegründet werden.
1.2. Nach § 67 Abs 2 zweiter Satz VfGG (vgl. zu dessen sinngemäßer Anwendung auf die Anfechtung einer Direktwahl des Bürgermeisters VfSlg 13.504/1993) sind zur Anfechtung der Wahl grundsätzlich jene Wählergruppen berechtigt, die bei der Wahlbehörde Wahlvorschläge für die angefochtene Wahl rechtzeitig vorgelegt haben. Dies trifft nach der Aktenlage auf die anfechtungswerbende Partei zu.
1.3. Nach § 68 Abs 1 VfGG muss die Anfechtung binnen vier Wochen nach Beendigung des Wahlverfahrens, wenn aber in dem anzuwendenden Wahlgesetz ein Instanzenzug vorgesehen ist, binnen vier Wochen nach Zustellung des in letzter Instanz ergangenen Bescheides eingebracht werden.
1.3.1. Nun sieht zwar § 83 Sbg. Gemeindewahlordnung 1998 u.a. für die engere Wahl des Bürgermeisters administrative Einsprüche an die Bezirkswahlbehörde – im Sinne eines Instanzenzugs nach § 68 Abs 1 VfGG – vor, doch gilt dies nur für Einsprüche gegen die ziffernmäßige ("zahlenmäßige") Ermittlung des Wahlergebnisses durch die Gemeindewahlbehörde. Zur Geltendmachung aller anderen (das sind sämtliche nicht ziffernmäßige Ermittlungen betreffende) Rechtswidrigkeiten des Wahlverfahrens steht die unmittelbare Anfechtung beim Verfassungsgerichtshof binnen vier Wochen nach Beendigung des Wahlverfahrens (erster Teilsatz des § 68 Abs 1 VfGG) offen.
Im vorliegenden Fall strebt die anfechtungswerbende Partei nicht die Nachprüfung ziffernmäßiger Ermittlungen einer Wahlbehörde an. Sie rügt vielmehr die Wertung von Stimmzetteln als für eine bestimmte Partei abgegeben oder als gültig bzw. ungültig, wofür die unmittelbare Anfechtung nach Art 141 Abs 1 litb B VG eröffnet wird (vgl. VfSlg 15.695/1999). Die begehrte Nachprüfung beschränkt sich – im Unterschied zu dem der Entscheidung VfSlg 9441/1982 zugrunde liegenden Fall – nämlich nicht auf ein bloßes Nachzählen der in den Umschlägen der Parteien jeweils enthaltenen Stimmzettel, sondern hat die Rechtmäßigkeit der Zuordnung dieser Stimmzettel zur jeweiligen Partei zum Gegenstand.
1.3.2. Maßgebender Zeitpunkt für den Beginn des Laufes der vierwöchigen Anfechtungsfrist ist die Beendigung des Wahlverfahrens, das ist im vorliegenden Fall die Kundmachung (Verlautbarung) des Wahlergebnisses. Aus den vorgelegten Wahlakten ergibt sich, dass die Gemeindewahlbehörde das Wahlergebnis am durch Anschlag an der Gemeindeamtstafel kundgemacht hat. Die am elektronisch eingebrachte Anfechtung erweist sich daher als rechtzeitig.
1.4. Da auch die übrigen Prozessvoraussetzungen erfüllt sind, ist die Anfechtung zulässig.
2. In der Sache
2.1. Die Anfechtung ist nicht begründet.
2.2. Der Verfassungsgerichtshof hat ein Wahlverfahren nur in den Grenzen der von der anfechtungswerbenden Partei – in der Anfechtungsschrift – behaupteten Rechtswidrigkeiten nachzuprüfen, es ist ihm darüber hinaus aber verwehrt, die Rechtmäßigkeit eines Wahlverfahrens – von Amts wegen – einer weiteren Überprüfung zu unterziehen (vgl. zB VfSlg 17.589/2005, 19.245/2010).
2.3. Im vorliegenden Fall kann dahinstehen, ob das Anfechtungsvorbringen überhaupt dem Erfordernis der hinreichenden Substantiierung der behaupteten Rechtswidrigkeit genügt. Dem Antrag auf Aufhebung des Wahlverfahrens ab Beginn der Feststellung des Wahlergebnisses durch die Sprengelwahlbehörden muss bereits aus folgendem Grund der Erfolg versagt bleiben:
2.3.1. Auf Grund der übereinstimmenden Sachverhaltsdarstellungen der anfechtungswerbenden Partei und der beteiligten Wählergruppe sowie auf Grund der vorgelegten Akten (vgl. insbesondere die Niederschriften vom und vom ) erachtet es der Verfassungsgerichtshof als erwiesen, dass der Wahlakt der Gemeindewahlbehörde einschließlich der Wahlakten der Sprengelwahlbehörden im Zeitraum zwischen bis einschließlich unversiegelt und auch sonst nicht fest verschlossen in einem für unbefugte Personen unkontrolliert zugänglichen Raum aufbewahrt war. Dieser Umstand stellt einen Verstoß gegen das u.a. aus § 74 Abs 2 und § 75 Abs 3 Sbg. Gemeindewahlordnung 1998 ableitbare Gebot der sicheren Verwahrung der Wahlakten (vgl. VfSlg 11.020/1986, 14.847/1997; weiters VfSlg 3047/1956, 9011/1981) dar. Dieses Gebot gilt auch im Stadium eines verfassungsgerichtlichen Anfechtungsverfahrens bzw. des hiezu nach Abschluss des Wahlverfahrens einsetzenden Fristenlaufes, weil gesichert sein muss, dass das verfassungsgerichtliche Verfahren von Wahlunterlagen ausgeht, deren Beweiswert – objektiv – nicht angezweifelt werden kann (vgl. VfSlg 14.847/1997). Haben unbefugte Personen unkontrollierten Zugang zu den Wahlakten, ist eine verlässliche Ermittlung des Wahlergebnisses durch die hiezu (allein) zuständigen Organe objektiv nicht mehr gewährleistet: Bei Verletzung jener Vorschriften der Wahlordnung, die eine einwandfreie Prüfung der Stimmenzählung sichern sollen, ist nämlich die Möglichkeit von Missbräuchen, die das Gesetz unbedingt ausschließen will, jedenfalls gegeben, ohne dass es des Nachweises einer konkreten – das Wahlergebnis tatsächlich verändernden – Manipulation bedarf (VfSlg 4882/1964, 11.020/1986, 14.847/1997, 16.035/2000).
2.3.2. Da das Wahlergebnis anhand der Wahlakten – objektiv – nicht mit Verlässlichkeit festgestellt werden kann, dürfte sich der Verfassungsgerichtshof im Falle des Zutreffens der behaupteten Rechtswidrigkeit nicht damit begnügen, die Wahl auf Grund der behaupteten Rechtswidrigkeit vom Beginn der Feststellung des Wahlergebnisses durch die Sprengelwahlbehörden an aufzuheben. Der Verfassungsgerichtshof wäre vielmehr genötigt, die Wahl vom Beginn des Abstimmungsverfahrens an aufzuheben (vgl. VfSlg 3047/1956, 9011/1981, 11.020/1986). Zu einem solchen Ausspruch ist er aber wegen des engen Aufhebungsantrages der anfechtungswerbenden Partei – diese beantragt ausdrücklich (bloß) die Aufhebung des Wahlverfahrens ab Beginn der Feststellung des Wahlergebnisses durch die Sprengelwahlbehörden – nicht befugt (vgl. VfSlg 14.080/1995, 15.645/1999).
IV. Ergebnis
1. Der Anfechtung ist daher nicht stattzugeben.
2. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
European Case Law Identifier
ECLI:AT:VFGH:2014:WI1.2014