VfGH vom 15.12.2010, WI-5/10
19278
Leitsatz
Stattgabe der Anfechtung der Gemeinderatswahl in der Marktgemeinde Altmelon wegen rechtswidriger Ausstellung von Wahlkarten
Spruch
I. Die Wahlanfechtung wird hinsichtlich des Zweitanfechtungswerbers zurückgewiesen.
II. Im Übrigen wird der Wahlanfechtung stattgegeben und das Verfahren zur Wahl des Gemeinderates der Marktgemeinde Altmelon am insoweit aufgehoben, als es der Veröffentlichung der Wahlvorschläge nachfolgt.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1.1. Am fanden die von der
Niederösterreichischen Landesregierung ausgeschriebenen Wahlen zum Gemeinderat der Gemeinden des Bundeslandes Niederösterreich, darunter die der Marktgemeinde Altmelon, statt.
1.2. Dieser Wahl lagen die von der Gemeindewahlbehörde überprüften, gemäß § 34 Niederösterreichische Gemeinderatswahlordnung 1994, LGBl. 0350-8 (im Folgenden: NÖ GRWO 1994), abgeschlossenen und veröffentlichten Wahlvorschläge folgender Wahlparteien zu Grunde:
Liste 1: Österreichische Volkspartei (ÖVP),
Liste 2: Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ),
Liste 3: Sozialdemokratische Partei Österreichs (SPÖ).
1.3. Laut Feststellung der Gemeindewahlbehörde der Marktgemeinde Altmelon wurden bei dieser Wahl insgesamt 682 gültige Stimmen abgegeben, 8 Stimmzettel wurden als ungültig gewertet; es gelangten 15 Mandate zur Vergabe. Davon entfielen auf die
ÖVP: 522 Stimmen (12 Mandate),
FPÖ: 90 Stimmen (2 Mandate),
SPÖ: 70 Stimmen (1 Mandat).
2. Die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) - durch ihren zustellungsbevollmächtigten Vertreter - sowie ein Wahlwerber auf dem Wahlvorschlag der FPÖ erhoben gemäß § 56 NÖ GRWO 1994 (Administrativ )Beschwerde (wegen näher bezeichneter Rechtswidrigkeiten des Wahlverfahrens), die mit Bescheid der Landes-Hauptwahlbehörde vom als unbegründet abgewiesen wurde.
3. Mit ihrer am zur Post gegebenen, auf Art 141 B-VG gestützten Wahlanfechtungsschrift beantragen die FPÖ und ein Wahlwerber auf dem Wahlvorschlag der FPÖ, das gesamte Wahlverfahren der Gemeinderatswahl vom in der Marktgemeinde Altmelon für nichtig zu erklären.
Zur Begründung dieser Anfechtung wird u.a. Folgendes vorgebracht:
"Dem Erstanfechtungswerber gelangte zur Kenntnis, dass der Bürgermeister der Gemeinde Altmelon mehreren wahlberechtigten Gemeindebürgern unaufgefordert Wahlkarten zur Briefwahl ausgefolgt bzw. angeboten hat.
Diesbezüglich wurden vom Erstanfechtungswerber schriftliche Anträge gemäß § 39 Abs 1 der NÖ Gemeinderatswahlordnung angefordert und trotz Urgenz von den Organen der Gemeinderatswahlbehörde nicht beigebracht.
Aufgrund dieses Umstandes wurde unter Beiziehung des Zweitanfechtungswerbers das Gemeindeamt Altmelon aufgesucht und es wurde der Gemeindesekretär aufgefordert, die Unterlagen hinsichtlich der Briefwahl offen zu legen.
Durch die Einsichtnahme wurde festgestellt, dass bei 19 Briefwahlkarten keine Unterschrift im Verzeichnis aufschien, sondern stattdessen der Vermerk 'Postversand' eingetragen war. Von diesen wurden stichprobenartig mehrere Bürger, die namentlich angeführt waren und bei denen der Zusatz 'Postversand' ausgeführt war, kontaktiert und befragt, wie die Eintragung in die Liste zustande gekommen ist. Im Zuge einer derartigen Kontaktaufnahme hat der Zweitanfechtungswerber am telefonisch A. A. und Dr. K. A. diesbezüglich befragt. Beide gaben an, dass sie keinen Kontakt mit der Gemeinde Altmelon oder einem diesbezüglichen Vertreter aufgenommen haben. Wörtlich führten beide aus: 'keine Ahnung - war auf einmal im Briefkasten'.
Am erfolgte eine dahingehende Aufklärung der Sachlage, dass Frau Dr. A. A. (Mutter/Gattin) den Zweitanfechtungswerber telefonisch kontaktiert hat und diesem mitteilte, dass der Gemeindesekretär ihr eine Wahlkarte für A. und Dr. K. A. angeboten habe. Ihre Antwort auf das Angebot war: 'ja, warum nicht'. Frau Dr. A. A. ist in Altmelon nicht wahlberechtigt.
Die stichprobenartig befragten Personen haben keine Wahlkarte beantragt, dies ist auch bei anderen Personen nicht auszuschließen.
Die Landes-Hauptwahlbehörde beim Amt der niederösterreichischen Landesregierung hat mit Bescheid vom
, eingelangt am , ... , die Beschwerde als
unbegründet abgewiesen. Ihre Abweisung begründete die Landes-Hauptwahlbehörde im Wesentlichen damit, dass in der Beschwerde keine konkreten Behauptungen über Unrichtigkeiten des Wahlverfahrens vorgebracht worden seien, sondern lediglich allgemein und unbelegt gemutmaßt worden sei, dass es bei der Ausgabe von Wahlkarten zu Unregelmäßigkeiten gekommen sei. Dass dadurch einzelne Wähler in der Ausübung ihres Wahlrechtes gehindert gewesen wären, sei behauptet worden, jedoch ohne dies näher zu konkretisieren oder Einzelfälle zu belegen. Auch sei der konkrete Einfluss auf das Wahlergebnis nicht dargelegt worden. Die Beschwerde enthalte nur hinsichtlich Herrn Dr. K. A. ein konkretes Vorbringen, dies hätte jedoch im Falle von Rechtwidrigkeiten im Zuge der Wahlkartenausstellung keine Auswirkungen auf das von der Gemeinderatswahlbehörde festgestellte Wahlergebnis.
...
Die Landes-Hauptwahlbehörde stellte bei der Überprüfung des Wahlaktes [F]olgendes fest:
Insgesamt wurden 90 Wahlkarten ausgefolgt. Davon wurden 19 Wahlkarten per Post an die Wahlberechtigten versendet. 4 Wahlberechtigte, denen eine Wahlkarte ausgestellt worden war, machten von ihrem Wahlrecht nicht Gebrauch. 4 Wahlberechtigte machten von ihrem Wahlrecht in einem Wahllokal nach Abnahme der Wahlkarte Gebrauch.
Die Feststellung der Landes-Hauptwahlbehörde hinsichtlich der 19 Wahlkarten, welche per Postversand an die Wahlberechtigten versendet wurden, deckt sich zahlenmäßig mit den 19 Vermerken 'Postversand'.
Wie bereits dargelegt, erfolgte die Ausstellung der Wahlkarten, insbesondere hinsichtlich A. und Dr. K. A. in nicht gesetzeskonformer Weise, sondern aufgrund einer Kontaktaufnahme, welche nicht von den Wahlberechtigten ausging.
Gemäß § 39 NÖ Gemeinderatswahlordnung hat die Initiative für die Ausstellung einer Wahlkarte vom Wahlberechtigten auszugehen. Die Ausstellung der Wahlkarte ist bei der Gemeinde bis spätestens am 4. Tag vor dem Wahltag schriftlich oder spätestens am 2. Tag vor dem Wahltag bis 12:00 Uhr mündlich zu beantragen. Schon aufgrund dieser Formulierung ergibt sich eindeutig, dass der Bürger diese Wahlkarte ausdrücklich beantragen muss. Auch ist die Übergabe, wenn eine persönliche Übergabe nicht möglich ist, nur an eine bevollmächtigte Person möglich. Unter einer bevollmächtigten Person kann nur eine Person gemeint sein, die diese Vollmacht auch entsprechend nachweisen kann. Dies bedeutet im Konkreten, dass diese Person die Vollmacht schriftlich vorlegen muss, ansonsten eine Überprüfung nicht möglich wäre.
Die erwiesene Vorgangsweise der Gemeinde der telefonischen Kontaktaufnahme mit einer Verwandten, in dem konkreten Fall der Mutter bzw. Ehefrau, ist ein Verstoß gegen § 39
NÖ Gemeinderatswahlordnung. Auch aus der Formulierung, dass [über] den Antrag zur Ausstellung einer Wahlkarte der Bürgermeister entscheidet, ist ersichtlich, dass der Bürger einen Antrag stellen muss, da ansonsten eine Entscheidung durch den Bürgermeister nicht notwendig wäre. Im vorliegenden Fall hat der Gemeindesekretär die Wahlkarte für den Sohn bzw. den Ehemann angeboten. Die Betroffenen wussten nichts von der Ausstellung der Wahlkarte und wollten diese auch nicht.
Wie aus der Postwurfsendung 'Bürgermeister Brief' auf Seite 3 nach der Wahl dargetan wurde, erfolgte die telefonische Kontaktaufnahme des Gemeindesekretär[s] mit Frau Dr. A. im Auftrag des Bürgermeisters. Auch diese nachträglich versuchte Klärung der Vorgangsweise vermag die Rechtswidrigkeit nicht zu entkräften.
Hinsichtlich der fragwürdigen Wahlkartenausstellungen führte die Landes-Hauptwahlbehörde keine Ermittlungstätigkeit durch.
Aufgrund dieses Umstandes wurden weiterführende Erhebungen hinsichtlich der Wahlkartenausstellungen durchgeführt.
Aufgrund dieser Erhebungen wurde festgestellt, dass jene Personen, denen Wahlkarten ausgestellt wurden, zum überwiegenden Teil als ÖVP-nahe zu bezeichnen sind.
...
Die politischen Zugehörigkeiten stehen aufgrund des eigenen
öffentlichen Bekenntnisses der ... Personen zu einer Partei fest.
Aufgrund dieser Auflistung ist ein deutlicher Überhang der ÖVP-nahen Personen zu erkennen.
Der Bürgermeister der Marktgemeinde Altmelon gehört ebenfalls der ÖVP an.
Der Gemeindesekretär ist allgemein als ÖVP-nahestehend in der Gemeinde Altmelon bekannt, jedoch hat sich dieser niemals öffentlich zu einer Partei bekannt.
Die gesetzwidrigen telefonischen Anbote einer Wahlkarte wurden somit nur ausgewählten Personen zu teil, von denen ausgegangen werden konnte, dass diese Personen ihre Stimme zugunsten der ÖVP abgeben würden.
Als Beispiel, bei dem dieses 'besondere Service' nicht angeboten wurde, ist Frau E. S. anzuführen. Diese scheint im Wahlverzeichnis der Marktgemeinde Altmelon auf, hat jedoch ihren Wohnsitz nicht in der Marktgemeinde Altmelon. Der Vater von Frau E. S. war über Jahrzehnte SPÖ-Gemeinderatsmitglied der Marktgemeinde Altmelon. Frau E. S. erhielt keinen Anruf seitens der Gemeinde, in welchem ihr die Ausstellung einer Wahlkarte angeboten wurde.
Eine derartige Vorgangsweise seitens der Gemeinde, in absoluter Negation des klaren Wortlautes der Bestimmungen der NÖ Gemeinderatswahlordnung, für ausgewählte Personenkreise ist als grober Verstoß gegen die NÖ Gemeinderatswahlordnung zu werten und stellte darüber hinaus eine Ungleichbehandlung und ungerechtfertigte differenzierte Behandlung der wahlberechtigten Bürger der Marktgemeinde Altmelon dar.
Der VfGH hat in seiner Rechtsprechung zum Wahlverfahren insbesondere die Grundsätze herausgearbeitet, dass die Wahlbehörden durch die Formalvorschriften der Wahlordnung streng gebunden sind; die Bestimmungen der Wahlordnung müssen strikt nach ihrem Wortlaut ausgelegt werde[n], es soll nicht der Willkür Tür und Tor geöffnet werden (vgl. ; WI-4/98; WI-10/98).
Durch die geschilderte Vorgangsweise der Gemeinde als Wahlbehörde hat sie eklatant gegen die bestehenden Formalvorschriften der Wahlordnung verstoßen.
Art 141 Abs 1 B-VG statuiert zwei Voraussetzungen für eine Wahlanfechtung.
Einerseits muss eine Rechtswidrigkeit behauptet werden und andererseits muss diese auf das Wahlergebnis von Einfluss gewesen sein.
Die Landes-Hauptwahlbehörde hat die Beschwerde insbesondere mit der Begründung, dass der Nachweis nicht gelungen sei, dass die behauptete Rechtswidrigkeit Einfluss auf das Wahlergebnis hatte, als unbegründet abgewiesen.
Hinsichtlich dieser Argumentation ist festzuhalten, dass der VfGH unterscheidet zwischen Rechtswidrigkeiten des Wahlverfahrens und Verletzung einer Vorschrift der Wahlordnung.
Bei Vorliegen von Rechtswidrigkeiten des Wahlverfahrens ist es erforderlich, den konkreten Nachweis zu führen, dass die Rechtswidrigkeit Einfluss auf das Wahlergebnis hatte.
Bei Verletzung einer Vorschrift der Wahlordnung, die die Möglichkeit von Manipulationen und Missbräuchen im Wahlverfahren ausschließen will, ist dieses Erfordernis jedenfalls gegeben, ohne dass es des Nachweises einer konkreten - das Wahlergebnis tatsächlich verändernden - Manipulation bedürfte (vgl. ; WI-4/98; WI-10/98).
Die strengen Formalvorschriften zur Ausstellung einer Wahlkarte einerseits und die genaue Regelung des Wahlvorganges mittels Wahlkarte inklusive der zu unterschreibenden eidesstattlichen Erklärung stellen einen Kompromiss zwischen zwei Interessenslagen dar.
Einerseits soll die Ausübung des Wahlrechtes für am Wahltag verhinderte Personen ermöglicht werden, andererseits kollidiert diese mit der Pflicht seitens der staatlichen Institutionen, dafür Sorge zu tragen, dass das verfassungsrechtlich garantierte Prinzip der geheimen Wahl nicht verletzt wird.
Die formalen Erfordernisse zum Erhalt einer Wahlkarte soll[en] insbesondere auch jedem einzelnen Wahlberechtigten, der eine Wahlkarte beantragt, verdeutlichen, dass er selbst dafür Sorge zu tragen hat, dass seine Stimmabgabe geheim erfolgt. Die geheime Stimmabgabe, ohne Furcht vor negativen Konsequenzen[,} stellt ein fundamentales Prinzip der demokratischen Strukturen dar.
Dessen muss sich jeder Wahlkartenwähler bewusst sein und auch gewillt sein, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen, um die geheime Stimmabgabe zu gewährleisten.
Darüber hinaus sollen die strengen Formvorschriften zum Erhalt einer Wahlkarte auch vor der Stimmabgabe von unberechtigten Personen schützen und die persönliche Vornahme des Wahlaktes gewährleisten.
Diese strengen Formvorschriften wollen somit jeden einzelnen Wahlberechtigten vor Leichtfertigkeit bei der Stimmabgabe schützen und die Verhinderung von Missbräuchen und Manipulationen der Wahl und dessen Ergebnis[ses] bewirken.
Somit ist - entgegen der Ansicht der Landes-Hauptwahlbehörde - der Nachweis nicht erforderlich, dass das Wahlergebnis im Konkreten beeinflusst wurde.
Darüber hinaus ist festzuhalten, dass ausgehend von der Anzahl der erwiesenen Verstöße gegen die NÖ Gemeinderatswahlordnung, welche mit dem Vermerk 'Postversand' bezeichnet sind, es in Anbetracht der Wahlbeteiligung zu einem Einfluss auf das Wahlergebnis gekommen sein kann.
Ausgehend von der Überlegung, dass die Wahlberechtigten aufgrund dieser 'verbotenen Wahlwerbung' bzw. dieses 'besonderen Services' ihre Stimme zugunsten der ÖVP abgaben, ergibt sich bereits bei einer Zurechnung der 19 Stimmen (es kann nicht ausgeschlossen werden, dass Herr Dr. A. nur aufgrund der gesetzwidrigen Vorgänge von seinem Wahlrecht nicht Gebrauch gemacht hat) zur SPÖ bereits eine anders gelagerte Mandatsverteilung.
Weiters kann nicht ausgeschlossen werden, dass auch jene Wahlberechtigten der Marktgemeinde Altmelon, welche von ihrem Wahlrecht nicht Gebrauch gemacht haben, im Falle des 'besonderen Services' doch von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht hätten.
In Anbetracht des Umstandes, dass 114 Wahlberechtigte der Marktgemeinde Altmelon von ihrem Wahlrecht nicht Gebrauch gemacht haben, konnte dies ebenfalls einen erheblichen Einfluss auf das Wahlergebnis gehabt haben.
Hinsichtlich des Bescheides der Landes-Hauptwahlbehörde ist festzuhalten, dass keine Ermittlungen in Bezug auf die 19 unter rechtswidrigen Umständen ausgestellten Wahlkarten durchgeführt wurden.
Darüber hinaus wäre die Landes-Hauptwahlbehörde aufgrund der zahlreichen erwiesenen Verstöße gegen die NÖ Gemeinderatswahlordnung bei der Ausstellung von Wahlkarten verpflichtet gewesen, amtswegige Ermittlungen hinsichtlich aller Wahlkartenausstellungen durchzuführen, da den Anfechtungswerbern diesbezüglich nur eingeschränkte Kontrollbefugnisse zustehen.
Weiters erschöpft sich die Würdigung in dem Bescheid der Landes-Hauptwahlbehörde in der auszugsweisen Wiedergabe von Entscheidungen des VfGH und der lapidaren Feststellung, dass keine konkreten Behauptungen über die Unrichtigkeit des Wahlverfahrens vorgebracht worden seien. Einer derartigen Würdigung kommt kein Begründungswert zu.
Der gegenständliche Bescheid der Landes-Hauptwahlbehörde enthält auch keine Rechtsmittelbelehrung."
4. Die Landes-Hauptwahlbehörde legte dem Verfassungsgerichtshof die Wahlakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie beantragt, die Wahlanfechtung abzuweisen.
Begründend führt sie darin im Wesentlichen Folgendes aus:
"In der gegenständlichen Beschwerde wird insbesondere vorgebracht, dass in 19 Fällen Wahlkarten ohne schriftlichen Antrag ausgefolgt bzw. per Post versendet worden seien. Die Wahlkarten seien diesen Personen im Auftrag des Bürgermeisters telefonisch angeboten worden. Diese 19 Personen seien politisch überwiegend der Partei des Bürgermeisters zuzuordnen. Andere - nicht der Bürgermeisterpartei nahe stehende - Personen hätten keine entsprechenden Angebote zur Ausstellung von Wahlkarten erhalten. Diese Vorgangsweise stelle eine Verletzung formaler Erfordernisse zum Erhalt einer Wahlkarte dar. Der Nachweis eines konkreten Einflusses auf das Wahlergebnis sei nicht erforderlich.
...
Beanstandet wurde in der Wahlanfechtung wie in der gegenständlichen Beschwerde, dass 19 Wahlkarten ohne schriftlichen Antrag per Post versendet worden seien.
Insgesamt wurde[n] 90 Wahlkarten ausgefolgt. Davon wurden 19 Wahlkarten per Post an die Wahlberechtigten versendet. Im Sprengel 1 machten 36 Wahlberechtigte (34 eingelangte Wahlkarten, 2 Wähler nach Abnahme der Wahlkarte im Wahllokal), im Sprengel 2 45 Wahlberechtigte (43 eingelangte Wahlkarten, 2 Wähler nach Abnahme der Wahlkarte im Wahllokal) und vor der besonderen Wahlbehörde 5 Wahlberechtigte mit Wahlkarte von ihrem Wahlrecht Gebrauch. Insgesamt machten daher 86 Wahlberechtigte mit Wahlkarte von ihrem Wahlrecht Gebrauch. Nur 4 Wahlberechtigte, denen eine Wahlkarte ausgefolgt worden war, machten von ihrem Wahlrecht nicht Gebrauch. Von diesen 4 wurde nur 1 Wahlkarte per Post zugesandt, nämlich jene an den in der Anfechtung angeführten Herrn Dr. K. H. A.
...
Gemäß § 39 Abs 1 NÖ Gemeinderatswahlordnung kann die Beantragung einer Wahlkarte auch mündlich erfolgen. In den 19 beanstandeten Fällen erfolgte die Antragstellung - entsprechend der Stellungnahme der Gemeinde - fernmündlich, wobei die Antragsteller jeweils dem Bürgermeister persönlich bekannt waren, sodass ein ausdrücklicher schriftlicher Nachweis der Identität nach dem klaren Gesetzeswortlaut in diesen Fällen nicht erforderlich war.
In jenen Fällen, in denen die Antragstellung vertretungsweise durch Familienmitglieder erfolgte, war ein Nachweis einer erteilten Vollmacht nicht erforderlich, handelte es sich doch durchwegs um amtsbekannte Familienmitglieder, an deren Vertretungsbefugnis keinerlei Zweifel bestand.
Von den 19 Wählern, denen Wahlkarten aufgrund mündlicher Anträge auf dem Postweg zugestellt worden waren, haben 18 ihr Wahlrecht auch tatsächlich ausgeübt.
Nur einer dieser 19 Wähler, Herr Dr. K. H. A. hat sein Wahlrecht nicht ausgeübt. Dass dieser Wähler an der Ausübung seines Wahlrechtes gehindert gewesen wäre, wird weder in der Wahlanfechtung noch in der gegenständlichen Beschwerde behauptet. Dass diese Wahlkarte zugestellt wurde, ergibt sich einerseits unmittelbar aus dem Beschwerdevorbringen, wonach Herr Dr. A. auf Befragen durch einen der Beschwerdeführer angegeben habe, die Wahlkarte im Briefkasten vorgefunden zu haben, als auch aus der Stellungnahme des Bürgermeisters, der angibt, die Wahlkarte 'selbst zugestellt' zu haben.
...
Die in § 39 NÖ Gemeinderatswahlordnung enthaltenen Vorschriften im Zusammenhang mit der Ausstellung von Wahlkarten dienen jedenfalls dazu, die Ausübung des geheimen Wahlrechts zu gewährleisten.
Dazu ist festzuhalten, dass die Vorgangsweise bei der Ausstellung der inkriminierten 19 versendeten Wahlkarten entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht nicht rechtswidrig war bzw. auch keinesfalls dazu geführt hat, dass irgendein Wähler an der Ausübung seines geheimen Wahlrechtes gehindert gewesen wäre.
Ein konkreter Einfluss auf das Wahlergebnis kann ausgeschlossen werden, würde sich doch an der festgestellten Mandatsverteilung selbst dann nichts ändern, hätte die ÖVP 19 Stimmen weniger und die FPÖ 19[,] Stimmen mehr erhalten. Da jedoch ohnehin alle Wähler, auch jene 19 denen Wahlkarten per Post aufgrund fernmündlicher Anträge ausgefolgt worden waren, die Gelegenheit zur geheimen Stimmabgabe tatsächlich auch hatten, kann die in der Beschwerde dargelegte Behauptung eines möglichen Einflusses auf das Wahlergebnis nicht mehr als eine unsubstantiierte Mutmaßung darstellen.
Da in der gegenständlichen Beschwerde lediglich Rechtswidrigkeiten im Zusammenhang mit der Ausstellung von Wahlkarten behauptet werden, geht der Antrag, das gesamte Wahlverfahren (ab Abschluss des Wählerverzeichnisses oder ab Kundmachung der Wahlvorschläge?) aufzuheben[,] jedenfalls zu weit und wäre auch aus diesem Grund abzuweisen."
5. Im vorgelegten Wahlakt befindet sich ein Schreiben des Bürgermeisters der Marktgemeinde Altmelon vom , in dem er eine Stellungnahme zu der Wahlanfechtung abgibt und u.a. Folgendes ausführt:
"Bei den in der Beschwerde angeführten
19 Wahlkartenausstellungen handelt es sich keineswegs um gesetzwidrige telefonische Anbote. Zu diesen Wahlkartenausstellungen ist daher im Einzelnen [F]olgendes festzuhalten:
Nr. 6 K. L.
Die Wahlkarte für Frau K. L. wurde im Zuge des Hausbesuches von den Eltern der Betroffenen mündlich bei mir persönlich auf Grund dessen beantragt, weil ein längerer Auslandsaufenthalt es der Tochter nicht möglich gemacht hat[,] am selbst anwesend zu sein.
...
Nr. 7 W. C.
Frau W. C. befindet sich in einem Pflegeheim ... . Die
Wahlkartenbeantragung erfolgte über das Pflegeheim ... bei der
Gemeinde[,] worauf die Wahlkarte zugestellt wurde. ...
Nr. 8 und 9 H. C. und H. M.
Im Zuge des Hausbesuches wurden die Wahlkarten für die Töchter des Hauses von den Eltern bei mir persönlich beantragt[,] da sie am Wahltag ebenfalls verhindert waren. ...
Nr. 12 P. H.
Frau P. H. hat im Zuge des Hausbesuches um Ausstellung einer Wahlkarte gebeten. Es handelt sich um hier eine ältere Dame[,] die sich bei den winterlichen Verhältnissen in unserer Gegend den beschwerlichen Weg zum Wahllokal ersparen wollte.
Nr. 13 K. S.
Im Zuge des Hausbesuches wurde die Wahlkarte von [i]hrem Vater mündlich bei mir beantragt[,] da sie zum Wahltag nicht anwesend sein konnte. ...
Nr. 14 B. M.
Hier handelt es sich um einen Zweitwohnsitzer[,] der im Zuge eines persönlichen Gespräches die Wahlkarte mündlich beantragt hat.
Nr. 38 L. M.
Im Zuge des Hausbesuches wurde von der Mutter die Wahlkartenausstellung mündlich bei mir persönlich beantragt.
Nr. 40 und 41 Dr. G. H. und Dr. G. U.
Hier handelt es sich um Personen[,] die sich vorwiegend in den Sommermonaten in unserer Gemeinde aufhalten. Bei meinem mit Herrn Ing. J. B. durchgeführten Hausbesuch waren Herr Dr. H. und Frau Dr. U. G. nicht anwesend. Die Betroffenen sind nicht nur der Gemeinde[,] sondern vor allem Herrn Ing. J. B. seit langjährigen Geschäftsbeziehungen persönlich sehr gut bekannt. Er hat daher versucht[,] Herrn Dr. H. G. telefonisch zu kontaktieren, jedoch konnte er nicht sofort erreicht werden. Herr Ing. J. B. wurde von Herrn Dr. G. H. zurückgerufen. Mit der Sachlage betraut wurden im Zuge dieses Telefongespräches von Herrn Dr. H. G. die Wahlkarten ausdrücklich für sich und seine Gattin mündlich beantragt. Diese Beantragung wurde mir von Herrn Ing. J. B. zur Kenntnis gebracht. ...
Nr. 47 und 48 H. S. und H. N.
Die Wahlkarten wurden von der Mutter im Zuge einer Jugendaktion bei Herrn P. R. beantragt. Herr P. hat mich über diese Antragstellung in Kenntnis gesetzt. Ich habe dieser Antragstellung
zugestimmt... und den Gemeindesekretär veranlasst[,] die Wahlkarte
zuzustellen.
Nr. 52 H. E.
Hier handelt es sich um eine Zweitwohnsitzerin aus Altmelon.
...
Nr. 58 und 59 Herr A. A. und Herr Dr. K. A.
Insbesondere wird auf die Wahlkartenantragstellung für Herrn Dr. K. A. und seine[n] Sohn Herrn A. A. Bezug genommen. Ohne auch nur annähernd zu wissen[,] welche[r] politische[n] Gesinnung diese beiden Herren zugetan sind, habe ich es als meine Verpflichtung angesehen[,] zu versuchen[,] sie von [i]hrem Wahlrecht in Kenntnis zu setzen. Da die Familie A. nur sehr selten in Altmelon anzutreffen ist, wurde der Gemeindesekretär auf Hinweis meines Ortsvorstehers Herrn Ing. J. B. von mir angewiesen[,] mit der Gattin bzw. mit der
Mutter ... Kontakt telefonisch aufzunehmen, weil uns bekannt ist,
dass sie eine Ordination ... betreibt. Im Zuge dieses
Telefongespräches wurde Frau Dr. A. davon in Kenntnis gesetzt, dass [i]hr Gatte Herr Dr. K. A. und [i]hr Sohn Herr A. A. bei der Gemeinderatswahl in Altmelon wahlberechtigt sind. Daraufhin wurde von Frau Dr. A. die Ausstellung der Wahlkarten für [i]hren Gatten bzw. Sohn ausdrücklich mündlich beantragt. Die Zustelladressen für diese beiden Wahlkarten wurden der Gemeinde im Zuge dieses Gespräches bekannt gegeben. Frau Dr. A. ist Herrn Ing. J. B. auf Grund langjähriger Geschäftsbeziehungen sowie seiner langjährigen Tätigkeit als Ortsvorsteher persönlich sehr gut bekannt. Bei Frau Dr. A.
handelt es sich um eine amtsbekannte Person[,] deren
Vertretungsbefugnis für Herrn Dr. K. A. und Herrn A. A. nicht im
Geringsten anzuzweifeln war. Somit habe ich der Ausstellung der
Wahlkarte ohne Identitätsnachweis zugestimmt. ... Dass [s]ie die
Wahlkarten selbst erhalten haben[,] ist durch die in der Beschwerde
angeführte Aussage 'keine Ahnung war auf einmal im Briefkasten' als
erwiesen anzusehen. ... Aus dem § 39 der NÖ Gemeinderatswahlordnung
geht nicht zwingend hervor, dass die Antragstellung durch den Wahlberechtigten selbst vorgenommen werden muss. ...
Nr. 61 B. J.
Frau B. J. ist es auf Grund des körperlichen Gesundheitszustandes nicht mehr möglich[,] das Wahllokal selbst aufzusuchen. Die Wahlkartenausstellung wurde von [i]hrem Sohn B. E. mündlich bei mir persönlich beantragt.
Nr. 62 und 63 P. R. und P. J.
Im Zuge des Hausbesuches wurde Frau J. P. selbst angetroffen. Der Antrag auf die Wahlkartenausstellung wurde von ihr selbst bei mir persönlich in mündlicher Form vorgenommen. Frau P. R. war am Wahltag beruflich verhindert. Im Zuge des gleichen Hausbesuches wurde von [i]hrem Gatten Herrn P. F. die Wahlkartenbeantragung ebenfalls in mündlicher Form bei mir selbst vorgenommen. ...
Nr. 66 S. M. G.
Frau S. M. G. hat den Antrag auf Ausstellung der Wahlkarte am Gemeindeamt beim Gemeindesekretär gestellt. Dies wurde mir vom Gemeindesekretär zur Kenntnis gebracht, und da mir Frau S. persönlich bekannt ist[,] habe ich der Ausstellung zugestimmt. ...
..."
6. Auf Grund der vorgelegten Wahlakten hat sich für den Verfassungsgerichtshof ergeben, dass die in der Stellungnahme des Bürgermeisters mit Nr. 13 bezeichnete wahlberechtigte Person ihre Wahlkarte persönlich am Gemeindeamt übernommen hat und es sich nicht um einen der von der Anfechtungswerberin gerügten 19 Fälle des Postversandes handelt. Dafür befindet sich bei einem Hr. H. B. der Vermerk "Postversand". Zur Klärung des Sachverhaltes hat der Verfassungsgerichtshof den Bürgermeister zu einer weiteren Stellungnahme aufgefordert. In dieser - von den Parteien des gegenständlichen Verfahrens unwidersprochen gebliebenen - Stellungnahme führt der Bürgermeister u.a. Folgendes aus:
"Eingangs weise ich ausdrücklich darauf hin, dass entgegen der in der Gegenschrift der Landeshauptwahlbehörde angeführten Behauptung[,] alle 19 strittigen in der Wahlanfechtung angeführten Wahlkartenanträge seien fernmündlich erfolgt, nicht der Wahrheit entspricht. Diesbezüglich verweise ich eingehend auf meine erstmalige Stellungnahme vom [,] aus der klar und deutlich hervorgeht, dass der Großteil der Wahlkartenanträge mündlich bei mir persönlich und nur einige Anträge (Herr Dr. G. H., Frau Dr. G. U., Frau H. E., Herr A. A., Dr. K. A. und Frau S. G.) fernmündlich eingebracht wurden. Nach telefonischer Rücksprache mit der Landeshauptwahlbehörde wurde hier irrtümlich die Formulierung 'fernmündlich' anstatt 'mündlich' verwendet.
Ich habe persönlich mit den in der Anfrage angeführten Wahlkartenwählern hinsichtlich der erfolgten Antragstellung Kontakt aufgenommen, um unmissverständlich klar zu stellen, wie die Antragsstellung der einzelnen Wahlkarten erfolgt ist. Aus den beiliegenden Bestätigungen ist klar ersichtlich, dass die Initiative für die Wahlkartenausstellung von den einzelnen Wahlkartenwählern ausgegangen ist. Dem Verfassungsgerichtshof soll damit eine eindeutige Grundlage für die Entscheidungsfindung in diesem Verfahren zur Verfügung gestellt werden.
Zu Punkt 1 Ihres Schreibens vom ist festzuhalten,
dass die Heimleitung des Seniorenheimes von Frau C. W. beauftragt
wurde, eine Wahlkarte für die Gemeinderatswahl bei der Marktgemeinde
Altmelon zu beantragen. Auf Grund dieses Ersuchens wurde von der
Heimleitung des Seniorenheimes ... die Antragstellung in
telefonischer Form bei der Marktgemeinde vorgenommen. Eine
diesbezügliche Bestätigung der Heimleitung liegt bei. Da mir bekannt
war, dass Frau C. W. eine Heimbewohnerin des Seniorenheimes ... ist,
habe ich keine Veranlassung gesehen, diesem Antrag nicht statt zu geben.
Herr B. M. hat die Wahlkarte im Zuge eines persönlichen Gespräches mündlich bei mir persönlich beantragt. ...
Die Beantragung der Wahlkarte von Herrn H. B. wurde im Zuge des Hausbesuches bei mir persönlich vorgenommen. ...
Frau H. E. hat [i]hren Wahlkartenantrag telefonisch bei der Marktgemeinde Altmelon eingebracht. Frau H. ist eine der Marktgemeinde Altmelon bekannte Person. Da zu keinem Zeitpunkt an der Identität von Frau H. ein Zweifel bestanden hat, wurde dem Wahlkartenantrag von mir zugestimmt. ...
Der Wahlkartenantrag von Frau S. G. wurde telefonisch beim Gemeindeamt Altmelon vorgenommen. Auch bei Frau G. S. handelt es sich um eine amtsbekannte Person[,] die in unserer Gemeinde stark verwurzelt ist. Dieser Wahlkartenantrag wurde mir vom Gemeindesekretär Herrn H. M. zur Kenntnis gebracht. Auf die Frage[,] ob es sich bei der Antragstellerin tatsächlich um Frau G. S. gehandelt hat, wurde dies von Herrn H. M. klar und unmissverständlich zum Ausdruck gebracht. Bei Frau S. handelt es sich um die Nachbarin von Herrn H. M.[,] welcher mir zusätzlich versichert hat[,] Frau S. allein anhand ihrer Stimme erkannt zu haben. An der Identität von Frau S. war daher nie zu zweifeln und es wurde auch dieser Wahlkartenantrag einer positiven Erledigung zugeführt. ...
Weiters möchte ich nochmals darauf hinweisen, dass aus dem § 39 der NÖ Gemeinderatswahlordnung keinerlei Unterschied zwischen mündlicher und telefonischer (fernmündlicher) Beantragung einer Wahlkarte hervorgeht. Auch bei diversen Schulungen im Vorfeld zur Gemeinderatswahl wurde eine solche Vorgehensweise für in Ordnung befunden. Selbst wenn eine telefonische Beantragung einer Wahlkarte der Österreichischen Bundesverfassung widersprechen sollte, so kann im Falle der Marktgemeinde Altmelon in keinster Weise eine Beeinflussung des Wahlergebnisses (Mandatsverschiebung) nachgewiesen werden. Selbst die Anrechnung aller 19 Wahlkarten für die FPÖ würde keine Mandatsverschiebung ergeben.
...
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass nicht nur die vorgelegten Bestätigungen[,] sondern auch der Vergleich der Unterschriften auf den Bestätigungen mit den Unterschriften auf den betroffenen und wieder eingelangten Wahlkarten ein klares Indiz dafür sein sollten, dass es bei der Gemeinderatswahl in der Marktgemeinde Altmelon zu keinen Unregelmäßigkeiten gekommen ist, die auch nur annähernd eine Neuwahl tatsächlich rechtfertigen würden."
II. Die im vorliegenden Fall maßgebenden Bestimmungen der NÖ GRWO 1994 lauten samt ihren Überschriften:
"§38
Anspruch auf eine Wahlkarte
(1) Wahlberechtigte, die sich voraussichtlich am Wahltag innerhalb des Gemeindegebietes in einem anderen Wahlsprengel als dem ihrer Eintragung in das Wählerverzeichnis aufhalten werden und deshalb ihr Wahlrecht dort nicht ausüben können, haben Anspruch auf Ausstellung einer Wahlkarte.
(2) Anspruch auf Ausstellung einer Wahlkarte haben außerdem Personen, denen der Besuch des zuständigen Wahllokales wegen Bettlägerigkeit oder behördlicher Freiheitsbeschränkung unmöglich ist und welche die Möglichkeit der Stimmabgabe vor einer besonderen Wahlbehörde in Anspruch nehmen wollen.
(3) Anspruch auf Ausstellung einer Wahlkarte (Briefwahlkarte) haben ferner Wahlberechtigte, die am Wahltag voraussichtlich verhindert sein werden, ihre Stimme vor der zuständigen Wahlbehörde abzugeben, etwa wegen Ortsabwesenheit, aus gesundheitlichen Gründen oder wegen Aufenthalts im Ausland und die ihr Wahlrecht im Wege der Briefwahl ausüben wollen.
§39
Verfahren zur Ausstellung der Wahlkarte
(1) Die Ausstellung der Wahlkarte ist bei der Gemeinde bis spätestens am vierten Tag vor dem Wahltag schriftlich oder spätestens am zweiten Tag vor dem Wahltag, bis 12.00 Uhr, mündlich zu beantragen. Ebenfalls bis zum letztgenannten Zeitpunkt kann ein schriftlicher Antrag gestellt werden, wenn eine persönliche Übergabe der Wahlkarte an eine vom Antragsteller bevollmächtigte Person möglich ist. Beim mündlichen Antrag muß - wenn der Antragsteller dem Aussteller nicht persönlich bekannt ist - die Identität durch ein Dokument nachgewiesen werden. Wird die Wahlkarte auf andere Weise beantragt, kann die Identität auch anders glaubhaft gemacht werden. Für die Ausstellung einer Wahlkarte zum Besuch durch die besondere Wahlbehörde muß die Bettlägerigkeit glaubhaft gemacht werden. Außerdem muß angegeben werden, wo der Bettlägerige besucht werden soll. Über den Antrag zur Ausstellung einer Wahlkarte entscheidet der Bürgermeister. Gegen die Verweigerung der Wahlkarte steht kein Rechtsmittel zu. Die Wahlkarte ist zusammen mit einem amtlichen Stimmzettel und einem Wahlkuvert unverzüglich auszufolgen bzw. zuzustellen. Duplikate für verloren gegangene oder unbrauchbar gewordene Wahlkarten dürfen nicht ausgestellt werden.
(2) Die Wahlkarte ist als verschließbarer Briefumschlag herzustellen. Dieser hat das Format DIN E 4 (200 x 280 mm) aufzuweisen und einen Raum für die Unterschrift vorzusehen, mit der der Wahlberechtigte eidesstattlich erklärt, daß er das Wahlrecht persönlich, unbeobachtet und unbeeinflusst ausgeübt hat. Ferner hat er zweckdienliche Hinweise über die Briefwahl zu enthalten. Näheres ist durch Verordnung (§73) festzulegen.
(2a) (entfällt)
(3) Fällt bei einem Wahlberechtigten vor dem Wahltag die Bettlägerigkeit weg, muß er die Gemeinde rechtzeitig verständigen, daß ein Besuch durch die besondere Wahlbehörde nicht notwendig ist.
(4) Die Ausstellung der Wahlkarte muß im Wählerverzeichnis bei dem betreffenden Wähler mit dem Wort 'Wahlkarte' auffällig (z.B. mit Buntstift) angemerkt werden.
(5) Der Bürgermeister muß die Namen der Personen, denen eine Wahlkarte gemäß § 38 Abs 2 ausgestellt wurde, unter Angabe des Ortes, an dem die Ausübung des Wahlrechtes gewünscht wird, in einem gesonderten Verzeichnis eintragen. Dieses Verzeichnis muß spätestens am Tag vor dem Wahltag erstellt und dem (den) Vorsitzenden der besonderen Wahlbehörde(n) übermittelt werden.
...
§56
Anfechtung der Wahl
Das Wahlergebnis kann von den zustellungsbevollmächtigten Vertretern der Wahlparteien, die einen Wahlvorschlag erstattet haben, und von jedem Wahlwerber, der behauptet, in seinem passiven Wahlrecht verletzt worden zu sein, durch Beschwerde angefochten werden. Die Anfechtung kann wegen behaupteter Unrichtigkeit der Ermittlung des Wahlergebnisses oder wegen angeblich gesetzwidriger Vorgänge im Wahlverfahren erfolgen.
§57
Verfahren
Die Beschwerde muß schriftlich binnen zwei Wochen ab dem ersten Tag der Kundmachung des Wahlergebnisses bei der Gemeinde eingebracht werden. Die Beschwerde muß einen begründeten Antrag auf Nichtigerklärung des Wahlverfahrens oder eines Teiles davon enthalten. Der Vorsitzende der Gemeindewahlbehörde muß die Beschwerde innerhalb von drei Tagen samt den Wahlakten der Landes-Hauptwahlbehörde zur Entscheidung vorlegen.
§58
Entscheidungen der Landes-Hauptwahlbehörde
(1) Einer Beschwerde muß die Landes-Hauptwahlbehörde stattgeben, wenn die behauptete Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens erwiesen ist und außerdem auf das Wahlergebnis von Einfluß war. In der Entscheidung muß angegeben werden, ob das Wahlverfahren ganz oder teilweise aufgehoben wird. Im letzten Fall muß angegeben werden, ab welchem Zeitpunkt das Wahlverfahren wiederholt werden muß.
(2) - (5) ..."
III. Über die Wahlanfechtung wurde erwogen:
1.1. Gemäß Art 141 Abs 1 lita B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof u.a. über Anfechtungen von Wahlen zu den allgemeinen Vertretungskörpern, so auch über die Anfechtung einer Gemeinderatswahl (vgl. VfSlg. 14.847/1997).
1.2. Gemäß § 67 Abs 2 letzter Satz VfGG ist neben den Wählergruppen auch noch jener Wahlwerber zur Anfechtung berechtigt, der behauptet, dass ihm die Wählbarkeit im Wahlverfahren rechtswidrig aberkannt wurde. Der Verfassungsgerichtshof hat in VfSlg. 6739/1972 ausgesprochen, dass unter Aberkennung der Wählbarkeit nur solche Maßnahmen zu verstehen sind, durch die der Wahlwerber davon ausgeschlossen wird, gewählt zu werden; andere Maßnahmen im Verlaufe des Wahlverfahrens, mögen sie auch auf die Wahl und die durch diese bedingte Position des Wahlwerbers von Einfluss sein, haben keinen Einfluss auf die Wählbarkeit. Unter Aberkennung der Wählbarkeit ist demgemäß insbesondere auch die Nichtzulassung zur Wahl aus in der Person des Wahlwerbers gelegenen Gründen zu verstehen, nicht hingegen die Zurückweisung eines Wahlvorschlages aus anderen Gründen (vgl. auch VfSlg. 18.552/2008).
Eine solche Aberkennung der Wählbarkeit hat der Zweitanfechtungswerber nicht behauptet, weshalb er zur Anfechtung nicht legitimiert ist und die Wahlanfechtung insoweit zurückzuweisen ist.
1.3. Nach § 68 Abs 1 VfGG muss die Wahlanfechtung binnen vier Wochen nach Beendigung des Wahlverfahrens, wenn aber in dem betreffenden Wahlgesetz ein Instanzenzug vorgesehen ist, binnen vier Wochen nach Zustellung des in letzter Instanz ergangenen Bescheids eingebracht werden.
1.4. Einen derartigen, die unmittelbare Anfechtung der Wahl zum Gemeinderat der Marktgemeinde Altmelon beim Verfassungsgerichtshof ausschließenden Instanzenzug sieht § 56 NÖ GRWO 1994 vor. Danach kann das Wahlergebnis u.a. von den zustellungsbevollmächtigten Vertretern der Wahlparteien, die einen Wahlvorschlag erstattet haben, sowohl wegen behaupteter Unrichtigkeit der Ermittlung des Wahlergebnisses als auch wegen angeblich gesetzwidriger Vorgänge im Wahlverfahren schriftlich durch Beschwerde angefochten werden. Über eine solche Beschwerde entscheidet die Landes-Hauptwahlbehörde als einzige (Administrativ )Instanz.
1.5. Maßgebender Zeitpunkt für den Beginn des Laufes der vierwöchigen Frist zur Anfechtung der in Rede stehenden Gemeinderatswahl vor dem Verfassungsgerichtshof ist somit der , das ist der Tag der Zustellung des Bescheides der Landes-Hauptwahlbehörde an die Anfechtungswerber.
Die am zur Post gegebene Wahlanfechtungsschrift der FPÖ ist daher rechtzeitig.
1.6. Der Umstand, dass der Aufhebungsantrag auf das gesamte Verfahren der Gemeinderatswahl abzielt, macht ihn - entgegen der Ansicht der Landes-Hauptwahlbehörde - nicht unzulässig. Es liegt vielmehr am Verfassungsgerichtshof, den Antrag soweit, als er sich nach entsprechender Prüfung als unbegründet erweist, abzuweisen (VfSlg. 14.556/1996).
1.7. Die Wahlanfechtung der FPÖ ist daher, weil auch die sonstigen Prozessvoraussetzungen vorliegen, zulässig.
2. Nach Art 141 Abs 1 Satz 2 B-VG kann eine solche Anfechtung auf die behauptete Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens gegründet werden. Die Anfechtungswerberin rügt, dass 19 Wahlkarten per Post an Wahlberechtigte versandt worden seien und die dafür erforderliche Antragstellung in nicht gesetzeskonformer Weise durch telefonische Kontaktaufnahme mit Verwandten der Wahlberechtigten erfolgt sei, sowie dass die Antragstellung nicht von den Wahlberechtigten selbst ausgegangen sei, sondern bestimmten Personen von der Gemeinde eine Wahlkarte angeboten worden sei.
2.1. Gemäß § 38 Abs 3 NÖ GRWO 1994 haben Wahlberechtigte, die am Wahltag voraussichtlich verhindert sein werden, ihre Stimme vor der zuständigen Wahlbehörde abzugeben, etwa wegen Ortsabwesenheit, aus gesundheitlichen Gründen oder wegen Aufenthalts im Ausland, und die ihr Wahlrecht im Wege der Briefwahl ausüben wollen, über ihren rechtmäßig gestellten Antrag Anspruch auf Ausstellung einer Wahlkarte (Briefwahlkarte). Dieser Antrag ist gemäß § 39 Abs 1 leg.cit. spätestens am vierten Tag vor dem Wahltag schriftlich oder spätestens am zweiten Tag vor dem Wahltag mündlich bei der Gemeinde zu stellen. Beim mündlichen Antrag muss - wenn der Antragsteller dem Aussteller nicht persönlich bekannt ist - die Identität durch ein Dokument nachgewiesen werden. Wird die Wahlkarte auf andere Weise beantragt, kann die Identität auch anders glaubhaft gemacht werden. Duplikate für verloren gegangene oder unbrauchbar gewordene Wahlkarten dürfen nicht ausgestellt werden.
Bei Auslegung dieser Bestimmung sind die Grundsätze anzuwenden, die der Verfassungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung zum Wahlverfahren herausgearbeitet hat. Eine Wortinterpretation des § 39 Abs 1 NÖ GRWO 1994 - und wahlrechtliche Formalvorschriften sind nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes strikt nach ihrem Wortlaut auszulegen (vgl. zB VfSlg. 12.289/1990, 15.375/1998) - ergibt, dass darin abschließend festgelegt wird, in welcher Art Wahlkarten ausgestellt werden können, und lässt daher keinen Zweifel daran, dass eine Antragstellung über das Telefon nicht zulässig ist (vgl. WI-3/10).
Gemäß § 39 Abs 1 leg.cit. ist der Antrag auf Ausstellung einer Wahlkarte "bei der Gemeinde" einzubringen; über den Antrag entscheidet der Bürgermeister. Dies bedeutet einerseits, dass ein mündlicher Antrag auf Ausstellung einer Wahlkarte beim - zur Entscheidung über diesen Antrag zuständigen - Bürgermeister in dem - für alle Gemeindebehörden grundsätzlich als Hilfsorgan eingerichteten (Art117 Abs 7 Satz 1 B-VG) - Gemeindeamt (§42 NÖ Gemeindeordnung 1973, LGBl. 1000-16; vgl. auch Wolny/Kliba, 10. Teil, Rz 59, in: Klug, Oberndorfer, Wolny (Hrsg.), Das österreichische Gemeinderecht, 2008), gestellt werden muss; andererseits muss ein solcher Antrag auch entsprechend dokumentiert werden, um ihn auf seine Zulässigkeit hin überprüfen zu können. Ein mündlicher Antrag auf Ausstellung einer Wahlkarte, der beim Bürgermeister anlässlich eines von ihm vorgenommenen "Hausbesuches" bei Wahlberechtigten gestellt und dem unmittelbar durch Zusendung einer Wahlkarte entsprochen wurde, genügt diesen Anforderungen jedenfalls nicht.
Entsprechend dem oben genannten Auslegungsgrundsatz widerspricht aber auch eine vertretungsweise Antragstellung dem § 39 Abs 1 leg.cit. Diese Bestimmung erlaubt es nämlich nicht, einen Antrag auf Ausstellung einer Wahlkarte durch eine dritte Person zu stellen, gleichgültig, ob diese bevollmächtigt ist oder nicht.
Es ist weiters zu berücksichtigen, dass eine Vorschrift der in Rede stehenden Art Missbräuchen und Manipulationen im Wahlverfahren entgegenwirken will. Es war daher aber rechtswidrig, wenn in der Marktgemeinde Altmelon - wie sich aus den Wahlakten und aus den diesbezüglichen Stellungnahmen ergibt - 7 Wahlkarten nach telefonischer Antragstellung, 8 Wahlkarten bei persönlicher Vorsprache und persönlicher Kenntnis der Betreffenden auch für Familienmitglieder und 4 Wahlkarten nach "Ersuchen" anlässlich von "Hausbesuchen" des Bürgermeisters ausgestellt wurden.
2.2. Schließlich ist bei der im vorliegenden Fall gegebenen Sach- und Rechtslage davon auszugehen, dass die solcherart erwiesene Rechtswidrigkeit auch von Einfluss auf das Wahlergebnis sein konnte.
Bei der Verletzung einer Vorschrift der Wahlordnung, die - so wie hier - die Möglichkeit von Manipulationen und Missbräuchen im Wahlverfahren ausschließen will, ist das Vorliegen des eingangs erwähnten Erfordernisses jedenfalls gegeben, ohne dass es des Nachweises einer konkreten - das Wahlergebnis tatsächlich verändernden - Manipulation bedürfte (vgl. VfSlg. 15.375/1998 sowie WI-3/10).
Es ist auch nicht - wie die nachstehenden Ausführungen zeigen - von vornherein auszuschließen, dass die hier erwiesene Rechtswidrigkeit nach Lage des konkreten Falles auf das Wahlergebnis zumindest von Einfluss sein konnte, ein Umstand, der nach langjähriger ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes die entsprechende Voraussetzung des Art 141 Abs 1 Satz 3 B-VG iVm § 70 Abs 1 Satz 1 VfGG (Einfluss auf das Wahlergebnis) bereits erfüllt (vgl. VfSlg. 11.740/1988 sowie 15.375/1998):
Der Gemeinderat der Marktgemeinde Altmelon besteht aus 15 Mitgliedern (§19 Abs 1 NÖ Gemeindeordnung 1973).
Auf Basis der in der Niederschrift vom festgehaltenen Parteisummen berechnete die Gemeindewahlbehörde die Wahlzahl gemäß § 53 Abs 4 NÖ GRWO 1994 wie folgt:
ÖVP FPÖ SPÖ
Parteisumme 1 522,00 6 90,00 9 70,00
1/2 2 261,00 14 45,00 35,00
1/3 3 174,00
1/4 4 130,50
1/5 5 104,40
1/,00
1/,57
1/,25
1/,00
1/,20
1/11 13 47,45
1/12 15 43,50
Da das 1/12 der ÖVP-Parteisumme (d.i. die Zahl 43,50) der zwölfgrößten Zahl gemäß § 53 Abs 4 NÖ GRWO 1994 entspricht und somit die Wahlzahl bildet, entfielen kraft § 53 Abs 5 leg.cit. auf die
ÖVP 12 Mandate,
FPÖ 2 Mandate,
SPÖ 1 Mandat.
Die rechtswidrige Ausstellung von insgesamt 19 Wahlkarten konnte auf das Wahlergebnis insofern von Einfluss sein, als eine geänderte Zuordnung von 19 Stimmen auch eine Änderung der Mandatsverteilung zur Folge gehabt haben könnte.
3. Der Wahlanfechtung der FPÖ war daher stattzugeben und das Verfahren zur Wahl des Gemeinderates der Marktgemeinde Altmelon am insoweit aufzuheben, als es der Veröffentlichung der Wahlvorschläge nachfolgt, weil die Rechtswidrigkeit bereits ab diesem Zeitpunkt Auswirkungen auf das Wahlverfahren und damit letztlich auf das Wahlergebnis haben konnte, da frühestens ab diesem Zeitpunkt Wahlkarten - diese sind gemäß § 39 Abs 1 NÖ GRWO 1994 nämlich zusammen mit dem amtlichen Stimmzettel und einem Wahlkuvert auszufolgen - ausgestellt werden konnten.
4. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.