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VfGH vom 11.03.1993, V98/92

VfGH vom 11.03.1993, V98/92

Sammlungsnummer

13331

Leitsatz

Aufhebung eines als Rechtsverordnung zu qualifizierenden Erlasses des Bundesministers für Finanzen zur Abgrenzung zwischen Hoheitsverwaltung und Wirtschaftsverwaltung bei Bezügen aus öffentlichen Kassen nach dem österreichisch-liechtensteinischen Doppelbesteuerungsabkommen mangels Kundmachung im Bundesgesetzblatt; keine Bedenken gegen den Inhalt der Verordnung

Spruch

Der Erlaß des Bundesministers für Finanzen vom , Amtsblatt der Österreichischen Finanzverwaltung Nr. 281, zur Abgrenzung zwischen Hoheitsverwaltung und Wirtschaftsverwaltung bei Bezügen aus öffentlichen Kassen nach Art 19 des österreichisch-liechtensteinischen Doppelbesteuerungsabkommens, wird als gesetzwidrig aufgehoben.

Der Bundesminister für Finanzen ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aufhebung im Bundesgesetzblatt verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Im Amtsblatt der Österreichischen Finanzverwaltung 1989 ist unter Nr. 281 ein auf das Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Fürstentum Liechtenstein zur Vermeidung der Doppelbesteuerung vom , BGBl. 24/1971, bezugnehmender Erlaß des Bundesministers für Finanzen vom , Z 04 3202/2-IV/4/89, mit folgendem Wortlaut veröffentlicht:

"In Artikel 19 Abs 2 des österreichisch-liechtensteinischen DBAs ist vorgesehen, daß die allgemeine Regel, Bezüge aus öffentlichen Kassen im Schuldnerstaat zu besteuern, keine Anwendung findet, wenn es sich um Vergütungen für Dienstleistungen handelt, die im Zusammenhang mit einer kaufmännischen oder gewerblichen Tätigkeit eines der Vertragsstaaten oder einer seiner Gebietskörperschaften erbracht werden. Für die Besteuerung solcher Vergütungen sind die Bestimmungen der Art 15, 16 und 18 maßgeblich.

Im Rahmen eines mit der Liechtensteinischen Steuerverwaltung durchgeführten Verständigungsverfahrens wurde Einvernehmen darüber erzielt, daß unter diese Bestimmung Tätigkeiten von Gebietskörperschaften fallen, die nach österreichischer Rechtslage land- und forstwirtschaftliche Betriebe oder Betriebe gewerblicher Art darstellen. Eine beispielsweise Aufzählung solcher Tätigkeiten ist in den Anlagen A und B enthalten. Die Verständigungsvereinbarung bezieht sich auch auf Tätigkeiten, die nach innerstaatlichem Recht nur im Bereich der Umsatzsteuer als Betriebe gewerblicher Art behandelt werden.

Die Verständigungsregelung ist ab anzuwenden.

Diese der innerstaatlichen Rechtslage entsprechende Abgrenzung zwischen Hoheitsverwaltung und Wirtschaftsverwaltung wird - vorbehaltlich anderslautender Verständigungsregelungen - auch gegenüber allen anderen Staaten mit entsprechender Abkommensbestimmung vertreten."

In der Anlage B (Betriebe gewerblicher Art) sind unter anderem Krankenanstalten genannt.

1. Beim Verfassungsgerichtshof sind zu B1040/91, 1041/91 und 1117/91 bis 1120/91 Beschwerden von Krankenschwestern und einem Krankenpfleger mit österreichischem Wohnsitz anhängig, die im Krankenhaus Vaduz beschäftigt sind. Sie bringen vor, für die Annahme dieser Beschäftigung sei wesentlich gewesen, daß die Besteuerung der daraus erzielten Einkünfte Liechtenstein überlassen bleibe, was wegen der unterschiedlichen Höhe der Steuern wirtschaftliche Vorteile bringe. Mit den angefochtenen Berufungsbescheiden der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg werden ihnen nunmehr auf Basis dieser Einkünfte Vorauszahlungen auf die Einkommensteuer für 1991 und die Folgejahre vorgeschrieben.

In den angefochtenen Bescheiden ist diese Vorschreibung nach wörtlicher Wiedergabe des ersten Absatzes des genannten Erlasses wie folgt begründet:

"Nach Auffassung der Abgabenbehörde II. Instanz, die sich mit der des Finanzamtes deckt, fallen unter Artikel 19 Abs 2 DBA Tätigkeiten von Gebietskörperschaften, die nach österreichischer Rechtslage land- und forstwirtschaftliche Betriebe oder Betriebe gewerblicher Art darstellen. Da nach österreichischer Rechtslage Krankenanstalten nicht zur Hoheitsverwaltung zählen, weil sie von jedermann betrieben werden können, und da die Gewinnerzielungsabsicht nach § 2 Abs 1 KStG nicht Tatbestandsmerkmal für einen Betrieb gewerblicher Art ist, stellen öffentliche Krankenanstalten nach innerstaatlichem Recht Betriebe gewerblicher Art von Körperschaften öffentlichen Rechts dar.

Daraus wiederum folgt, daß das Finanzamt die Einkünfte der Berufungswerberin zutreffend unter Artikel 15 Abs 4 DBA-Lie subsumiert und dementsprechend die inländische Steuerpflicht bejaht hat.

Die Berufungswerberin wendet sich gegen diesen Standpunkt im wesentlichen mit dem Hinweis darauf, daß in zwanzigjähriger Verwaltungspraxis hinsichtlich der in Rede stehenden Einkünfte das Besteuerungsrecht Liechtenstein überlassen worden ist. Dieser Einwand ist, soweit damit die bisher gehandhabte Verwaltungspraxis aufgezeigt wird, zutreffend. Für die Berufungswerberin ist damit aber nichts gewonnen. Denn auch durch zwanzigjährige rechtsirrtümliche Verwaltungspraxis kann nicht der Anspruch auf Aufrechterhaltung des rechtswidrigen Zustandes abgeleitet werden."

Der Finanzlandesdirektion war in einem gleichgelagerten Fall ein Rechtsgutachten des Univ.-Prof. Dr. Bernhard Raschauer vorgelegt worden, das zu einem anderen Ergebnis gelangte. In einer Stellungnahme der Finanzlandesdirektion zu diesem Gutachten, deren Zusendung über Ersuchen im angefochtenen Bescheid angeboten wird, heißt es (S. 8f), der Gutachter übersehe,

"... daß die von ihm angesprochene Maßnahme des Finanzamtes ebenso wie die gegenständliche Stellungnahme beziehungsweise allfällige zweitinstanzliche Berufungsentscheidungen und auch der Erlaß des Bundesministeriums für Finanzen vom lediglich Konkretisierungen bzw. Auslegungen des Doppelbesteuerungsabkommens aus dem Jahr 1968 darstellen. Von einer Änderung der Rechtslage kann daher keine Rede sein; noch weniger von einer rückwirkenden. Es ist dem Gutachter allerdings einzuräumen, daß die bisherige Verwaltungspraxis das alleinige Besteuerungsrecht in vergleichbaren Fällen Liechtenstein überlassen hat...".

In den Beschwerdeverfahren gab der Bundesminister für Finanzen zur Frage der Rechtsnatur des Erlasses folgende Stellungahme ab:

"Was den Hinweis auf die Anwendung der Verständigungsregelung ab betrifft, so sollte dadurch in einfachster Form lediglich zum Ausdruck gebracht werden, daß seitens des Bundesministeriums für Finanzen keine Bedenken bestehen, wenn die aus dieser Interpretation resultierenden steuerlichen Konsequenzen nicht rückwirkend, sondern nur für die Zukunft angewendet werden. Dies hatte seinen Grund zum einen in verfahrensökonomischen Überlegungen, zum anderen sollten auch für die betroffenen Abgabepflichtigen Härten vermieden werden, die zweifellos dadurch entstanden wären, wenn die bisher in Liechtenstein besteuerten Bezüge - entgegen der bisherigen rechtsirrigen gegenteiligen Verwaltungspraxis - rückwirkend auch in Österreich erfaßt worden wären.

Bei der Entscheidung über die ggstl. Beschwerde sollte ho.

Erachtens aber auch folgender Gesichtspunkt mitbedacht werden:

Würde der ggstl. Erlaß nun tatsächlich aus Formalgründen aufgehoben, dann würde der Gerichtshof der Beschwerde nur scheinbar zum Erfolg verhelfen. Denn in einem solchen Fall müßte das Finanzamt die rechtsrichtige Gesetzeslage innerhalb der Verjährungsfrist rückwirkend herbeiführen und könnte sich nicht auf den ministeriellen Erlaß berufen, der von rückwirkenden Aktionen entbindet. Eine rückwirkende Nachversteuerung als Folge der höchstgerichtlichen Erlaßaufhebung würde dann zu einer schmerzhaften Verböserung für die beim Verfassungsgerichtshof Schutz suchende Beschwerdeführerin führen."

II. Aus Anlaß dieser Beschwerdeverfahren hat der Verfassungsgerichtshof von Amts wegen die Prüfung der Gesetzmäßigkeit des genannten Erlasses beschlossen und ausgeführt:

"Der Verfassungsgerichtshof geht vorläufig davon aus, daß die Beschwerden zulässig sind und er bei ihrer Erledigung den genannten Erlaß des Bundesministers für Finanzen anzuwenden hätte. Er scheint nicht nur eine Rechtsansicht mitzuteilen, sondern versteht sich als (Verständigungs-)Regelung, die ab anzuwenden ist, und gestaltet anscheinend Rechte und Pflichten der Bürger, weil er deren steuerliche Behandlung betrifft und diese gegenüber der bisherigen Praxis neu - und zwar ab - regelt. Die Stellungnahme des Bundesministers für Finanzen scheint diesem Verständnis nicht nur nicht zu widersprechen, sondern es geradezu zu bestätigen. Im Sinne seiner ständigen Rechtsprechung nimmt der Verfassungsgerichtshof daher vorläufig an, daß es sich um eine Rechtsverordnung handelt.

Als solche hätte sie aber im Bundesgesetzblatt kundgemacht werden müssen."

Der Bundesminister für Finanzen hat dazu folgende Stellungnahme abgegeben:

"Die Besteuerung öffentlicher Bezüge ist in Artikel 19 des Abkommens zwischen der Republik Österreich und dem Fürstentum Liechtenstein vom , BGBl. Nr. 24/1971, geregelt. Die Zuteilung der Besteuerungsrechte ist unterschiedlich, je nachdem, ob die Dienstleistungen im Rahmen des Hoheitsbereiches eines der Vertragsstaaten oder einer seiner Gebietskörperschaften oder im Zusammenhang mit einer kaufmännischen oder gewerblichen Tätigkeit eines der Vertragsstaaten oder einer seiner Gebietskörperschaften erbracht wird. Im ersten Fall steht das Besteuerungsrecht nur dem Staat zu, in dem sich die bezugsauszahlende Stelle befindet (Art19 Abs 1). Für den zweiten Fall gelten hingegen die Zuteilungsregeln für private Aktivbezüge, was bedeutet, daß die Bezüge der im erwerbswirtschaftlichen Bereich eines Vertragsstaates oder einer seiner Gebietskörperschaften tätigen österreichischen Grenzgänger im Wohnsitzstaat Österreich zu besteuern sind, während der Quellenstaat Liechtenstein nur eine den Bestimmungen des Artikels 15 Absatz 4 entsprechende Quellensteuer von 4 % erheben kann. Somit ergeben sich die Rechte und Pflichten der betroffenen österreichischen Grenzgänger unmittelbar aus den Abkommensbestimmungen. Dies kommt schon dadurch zum Ausdruck, daß in keiner der maßgeblichen Erledigungen auf andere Rechtsquellen als das angeführte Abkommen Bezug genommen wurde. Die Bestimmung wurde aber offenbar in der Vergangenheit von liechtensteinischer Seite in der Art und Weise ausgelegt, daß die Bezüge der am Krankenhaus Vaduz beschäftigten österreichischen Grenzgänger so behandelt wurden, als handelte es sich dabei um Bezüge für Dienstleistungen im Hoheitsbereich. Dieser der österreichischen Rechtslage widersprechenden Auffassung folgten die Finanzämter im Bereich der Finanzlandesdirektion Vorarlberg. Die zuständige Finanzlandesdirektion griff jedoch unter Berücksichtigung des innerstaatlichen Rechtes diese Frage auf und ersuchte das Bundesministerium für Finanzen um Bestätigung ihrer Rechtsauffassung (OZ 1). Dieses Ersuchen hat also nichts anderes zum Zweck als die Bekanntgabe der Rechtsauffassung des Bundesministeriums für Finanzen zur Abgrenzung des Hoheitsbereiches und des erwerbswirtschaftlichen Bereiches öffentlich-rechtlicher Körperschaften. Der gegenständliche Erlaß ist somit ebenfalls nichts anderes als die Bekanntgabe der erfragten Rechtsauffassung.

Die Definition der Begriffe 'kaufmännische oder gewerbliche Tätigkeit' ist im Abkommen nicht enthalten. Dies hat zur Folge, daß gemäß Artikel 3 Absatz 2 die jeweilige innerstaatliche Definition jedes Vertragsstaates für die Auslegung maßgeblich ist. Da es dabei durchaus möglich ist, daß in den Vertragsstaaten abweichende Definitionen bestehen, wurde in dieser Frage ein Verständigungsverfahren eingeleitet (OZ 2), um die rechtliche Situation des Vertragspartners zu erkunden. Nach mehrfachem Notenwechsel in dieser Frage teilte die liechtensteinische Steuerverwaltung am mit, daß sie die von österreichischer Seite vertretene Rechtsansicht teile (OZ 3 und 4). Das in diesem Schreiben zum Ausdruck gebrachte Einverständnis des Vertragspartners gab den Anlaß, die Finanzlandesdirektionen mit Erlaß vom über den Ausgang des Verständigungsverfahrens zu informieren. In der Folge ging jedoch die liechtensteinische Seite von ihrer bisher vertretenen Haltung ab und wies erstmalig auf eine abweichende liechtensteinische Rechtslage hin (OZ 5). Das gleichzeitig vorgebrachte Ersuchen um eine neuerliche Überprüfung der Frage führte zu einem weiteren Notenwechsel (OZ 6, 7). Schließlich wurde dem liechtensteinischen Wunsch um Abhaltung von Gesprächen auf Beamtenebene entsprochen (OZ 8). Das Ergebnis dieser Gespräche wurde in der Niederschrift vom festgehalten (OZ 9). Darin kommt zum Ausdruck, daß die innerstaatlichen Rechtsvorschriften betreffend Abgrenzung zwischen Hoheitsverwaltung und erwerbswirtschaftlicher Tätigkeit öffentlich rechtlicher Körperschaften in einigen Bereichen übereinstimmen, hinsichtlich anderer Aktivitäten jedoch unterschiedlich sind. Zur Vermeidung einer durch die jeweils unterschiedliche innerstaatliche Rechtslage möglicherweise eintretende Doppelbesteuerung bekundete die österreichische Seite die Bereitschaft, im Rahmen der Möglichkeiten des § 48 der Bundesabgabenordnung für die österreichischen Grenzgänger Abhilfe zu schaffen.

Aus dem vorher Gesagten, wie auch aus den beiliegenden Aktenunterlagen geht hervor, daß der Erlaß die Rechte und Pflichten der Steuerpflichtigen nicht neu regelt, sondern lediglich zum Ausdruck bringt, wie die eingangs angeführten Bestimmungen des Doppelbesteuerungsabkommens nach Auffassung des Bundesministeriums für Finanzen auszulegen sind, wobei in diesem Fall im Rahmen des Verständigungsverfahrens eine einvernehmliche Lösung mit dem Vertragspartner unter Berücksichtigung des innerstaatlichen liechtensteinischen Rechtes gesucht worden war. Da die innerstaatliche österreichische Rechtslage in Bezug auf die Abgrenzung zwischen dem hoheitlichen und dem erwerbswirtschaftlichen Bereich - sieht man von der durch die höchstgerichtliche Rechtsprechung weiterentwickelten Konkretisierung ab - aber keineswegs neu ist, sondern bereits im Zeitpunkt des Abschlusses des Abkommens bestanden hat, bringt auch die detaillierte Aufzählung der erwerbswirtschaftlichen Tätigkeiten im Erlaß keinerlei Neuerung zum Ausdruck. Alle damit verbundenen Konsequenzen in Bezug auf Besteuerungsrechte leiten sich, wie bereits ausgeführt, unmittelbar aus den Abkommensbestimmungen ab. Dies bedeutet, daß die Bezüge der im erwerbswirtschaftlichen Bereich tätigen österreichischen Grenzgänger ab dem Zeitpunkt der Anwendung des Abkommens in Österreich steuerpflichtig gewesen sind. Auch wenn die Abgabenbehörden erster Instanz in Vorarlberg erst nach Mitteilung der Auffassung des BMF ihre bisherige rechtsirrige Verwaltungspraxis aufgegeben haben, kann damit nicht der Verordnungscharakter des Erlasses begründet werden. Da der Abgabepflichtige kein Recht auf Beibehaltung einer rechtsirrigen Verwaltungspraxis hat, kann es auch keinen Eingriff in seine Rechte darstellen, wenn die rechtsirrige Verwaltungspraxis durch eine rechtsrichtige ersetzt wird. Da im vorliegenden Fall nicht auszuschließen war, daß derartige rechtsirrige Auffassungen auch von anderen Abgabenbehörden vertreten werden, wurde vorsorglich die Rechtsansicht des Bundesministeriums für Finanzen nicht nur den betroffenen Finanzämtern, sondern allen Finanzlandesdirektionen mitgeteilt. Was den Vorwurf betrifft, der Erlaß regle konkret den Zeitpunkt, ab dem die (Verständigungs-)Regelung anzuwenden sei, so wird dazu nochmals wiederholt, daß dadurch lediglich in einfachster Form eine Rückwirkung der steuerlichen Konsequenzen vermieden werden sollte. Gleichzeitig wurde damit den betroffenen österreichischen Grenzgängern die Sicherheit geboten, daß sie nicht mit einer Aufrollung ihrer Besteuerungsfälle innerhalb der gesetzlichen Verjährungsfrist zu rechnen haben. Da der Erlaß aber schon inhaltlich keine Neuregelung bringt, kann auch die konkrete Angabe des Zeitpunktes, ab dem die rechtsirrige Verwaltungspraxis nicht mehr anzuwenden ist, keine Neugestaltung der Rechtsverhältnisse der Abgabepflichtigen bedeuten."

III. Die Verordnungsprüfungsverfahren sind

zulässig und die Bedenken begründet. Der in Prüfung gezogene Erlaß ist eine Rechtsverordnung, die im Bundesgesetzblatt hätte kundgemacht werden müssen.

Da Zweifel an der Zulässigkeit der Anlaßbeschwerde nicht hervorgekommen sind, der in Prüfung gezogene Erlaß dem Bundesminister für Finanzen zuzurechnen ist und im Bundesgesetzblatt nicht kundgemacht wurde, hängt sowohl die Zulässigkeit der Verordnungsprüfungsverfahren wie die Lösung der Sachfrage allein davon ab, ob der Erlaß eine Rechtsverordnung darstellt. Daß es sich um einen generellen, nicht bloß auf den Einzelfall bezogenen Akt handelt, bedarf angesichts seines Wortlautes und seiner Aufnahme in das Amtsblatt keiner weiteren Begründung. Zweifelhaft könnte nur sein - und dahin geht auch der Einwand des Bundesministers für Finanzen -, ob der Erlaß normativ, also für die Betroffenen verbindlich ist.

Der Bundesminister für Finanzen verneint diese Frage mit der Behauptung, daß der Erlaß die Rechte und Pflichten der Steuerpflichtigen

"nicht neu regelt, sondern lediglich zum Ausdruck bringt, wie die ... Bestimmungen des Doppelbesteuerungsabkommens ... auszulegen sind."

In der Tat hat der Verfassungsgerichtshof bei Beurteilung der Frage, ob ein Verwaltungsakt verbindlich und von der Behörde anzuwenden ist oder eine unverbindliche bloße Mitteilung einer Rechtsauffassung darstellt (der sich die Behörde anschließen könne, aber nicht müsse), gelegentlich - unter anderem - geprüft, ob der Akt sich auf eine Wiedergabe des Gesetzesinhaltes beschränkt oder von der Rechtslage abweicht und sie neu gestaltet (z.B. indem er ein gesetzliches Merkmal in einer möglicherweise zweifelhaften Frage einschränkend oder erweiternd konkretisiert: VfSlg. 8648/1979, 10170/1984 ua.).

Daß hier die Rechtslage neu gestaltet wird, ergibt sich schon daraus, daß der Behörde nicht etwa freigestellt wird, einer Rechtsmeinung des Bundesministers zu folgen oder nicht, sondern die Äußerung als eine "Regelung" verstanden werden will, die "ab anzuwenden" ist und die Behörde verpflichtet, entgegen der bisherigen Praxis die in den Anlagen aufgezählten Betriebe öffentlich-rechtlicher Körperschaften als Betriebe land- und forstwirtschaftlicher oder gewerblicher Art im Sinne des Doppelbesteuerungsabkommens zu behandeln. Es ist damit der Behörde - und zwar unabhängig davon, ob sie eine Klärung der Rechtslage in diesem Sinn selbst angestrebt hat oder nicht - rechtens verwehrt, im Rückgriff auf das Gesetz (den Staatsvertrag) im Einzelfall künftig zu einem anderen Ergebnis zu kommen (vgl. VfSlg. 10170/1984).

Die Behauptung des Bundesministers für Finanzen, die in Rede stehende Formulierung wolle (neben der Darstellung der Rechtslage) nur sicherstellen, daß die (gebotene) Änderung der bisherigen Praxis nicht zurückwirke, beweist geradezu, was sie widerlegen will: daß nämlich den Behörden nicht die Beachtung des Gesetzes, sondern die Beachtung der "Verständigungsregelung" zur Pflicht gemacht wird. Die normative Wirkung des Erlasses erschöpft sich gerade nicht im Verbot rückwirkender Besteuerung, sondern erfaßt die gesamte "Verständigungsregelung" und bezweckt offenkundig in erster Linie deren Anwendung in der Zukunft (und nicht etwa das weitere Unterbleiben der Besteuerung für die Vergangenheit).

Der Erlaß hätte daher als Rechtsverordnung im Bundesgesetzblatt kundgemacht werden müssen (§2 Abs 1 litf des Bundesgesetzes über das Bundesgesetzblatt, BGBl. 293/1972). Er ist folglich aufzuheben. Eine Beschränkung der Aufhebung auf den für die Anlaßbeschwerden präjudiziellen Teil (das Wort "Krankenanstalten" in der Anlage B) erübrigt sich, weil die ganze Verordnung gesetzwidrig kundgemacht wurde (Art139 Abs 3 Satz 2 litc B-VG).

Zur Vermeidung von Mißverständnissen sei jedoch festgehalten, daß beim Verfassungsgerichtshof aus Anlaß der genannten Beschwerdefälle keine Bedenken gegen den Inhalt der Verordnung entstanden sind und daß der Gerichtshof kein Hindernis sieht, eine Verordnung dieses Inhaltes zu erlassen. Auch Maßnahmen zur Angleichung in- und ausländischer Besteuerung oder zur Erzielung einer dem Grundsatz der Gegenseitigkeit entsprechenden Behandlung nach § 48 BAO haben im Falle eines nach allgemeinen Merkmalen umschriebenen Adressatenkreises in Gestalt einer Verordnung zu ergehen (vgl. Stoll, Bundesabgabenordnung, Handbuch, 115). Es kann dahingestellt bleiben, ob zur Durchführung der Ergebnisse eines Verständigungsverfahrens nach einem Doppelbesteuerungsabkommen nicht deren Mitteilung an die Behörden genügt. Sofern die Erlassung genereller Rechtsakte für nötig befunden wird, muß dies jedenfalls in Verordnungsform geschehen.

Die Kundmachungsverpflichtung stützt sich auf Art 139 Abs 5

B-VG.

Von einer mündlichen Verhandlung hat der Gerichtshof abgesehen, da davon eine weitere Klärung der Rechtssache nicht zu erwarten war (§19 Abs 4 VerfGG).