VfGH vom 14.06.2018, V97/2017 (V 97/2017-11)
Leitsatz
Gesetzwidrigkeit einer Bestimmung der Verordnung für die befristete Beschäftigung von AusländerInnen im Sommertourismus; Verweigerung der Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für erstmalig aus dem Ausland angeworbene Arbeitskräfte in Widerspruch zur gesetzlichen Grundlage
Spruch
I.1. Die Wortfolge ", die bereits in den vorangegangenen zwei Jahren jeweils im Rahmen eines Kontingents für den Sommertourismus beschäftigt waren," und die Wortfolge "ungeachtet einer Vorbeschäftigung in den vorangegangenen zwei Jahren" in § 2 Abs 1 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz für die befristete Beschäftigung von AusländerInnen im Sommertourismus, BGBl II Nr 102/2016, waren gesetzwidrig.
2. Die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Bundesgesetzblatt II verpflichtet.
II.Im Übrigen wird der Antrag abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I.Antrag
Mit dem vorliegenden, auf Art 139 Abs 1 Z 1 B-VG gestützten Antrag begehrt das Bundesverwaltungsgericht die Feststellung, dass die Wortfolge ", die bereits in den vorangegangenen zwei Jahren jeweils im Rahmen eines Kontingents für den Sommertourismus beschäftigt waren," und die Wortfolge "Staatsangehörige, die den Übergangsbestimmungen zur EU-Arbeitnehmerfreizügigkeit unterliegen (§32a AusIBG), AsylwerberInnen und Arbeitskräfte, die in Berg-, Alm- und Schutzhütten beschäftigt werden sollen, sind ungeachtet einer Vorbeschäftigung in den vorangegangenen zwei Jahren bevorzugt zu bewilligen." in § 2 Abs 1 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz für die befristete Beschäftigung von AusländerInnen im Sommertourismus, BGBI. II 102/2016, gesetzwidrig waren, in eventu dass § 2 Abs 1 dieser Verordnung zur Gänze gesetzwidrig war.
II.Rechtslage
Die maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar (die angefochtenen Bestimmungen sind hervorgehoben):
1.§4 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG), BGBl 218/1975, idF BGBl I 72/2013 lautet:
"Abschnitt II
Beschäftigungsbewilligung
Voraussetzungen
§4. (1) Einem Arbeitgeber ist auf Antrag eine Beschäftigungsbewilligung für den im Antrag angegebenen Ausländer zu erteilen, wenn die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Beschäftigung zulässt (Arbeitsmarktprüfung), wichtige öffentliche und gesamtwirtschaftliche Interessen nicht entgegenstehen und
1. der Ausländer über ein Aufenthaltsrecht nach dem NAG oder dem Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl I Nr 100, verfügt, das die Ausübung einer Beschäftigung nicht ausschließt, oder seit drei Monaten zum Asylverfahren zugelassen ist und über einen faktischen Abschiebeschutz oder ein Aufenthaltsrecht gemäß den §§12 oder 13 AsylG 2005 verfügt oder über ein Aufenthaltsrecht gemäß § 54 Abs 1 Z 2 oder 3 AsylG 2005 verfügt oder gemäß § 46a FPG geduldet ist und zuletzt gemäß § 1 Abs 2 lita vom Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes ausgenommen war,
2. die Gewähr gegeben erscheint, dass der Arbeitgeber die Lohn- und Arbeitsbedingungen einschließlich der sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften einhält,
3. keine wichtigen Gründe in der Person des Ausländers vorliegen, wie wiederholte Verstöße infolge Ausübung einer Beschäftigung ohne Beschäftigungsbewilligung während der letzten zwölf Monate,
4. die Beschäftigung, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, nicht bereits begonnen hat,
5. der Arbeitgeber während der letzten zwölf Monate vor der Antragseinbringung nicht wiederholt Ausländer entgegen den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes beschäftigt hat,
6. die Vereinbarung über die beabsichtigte Beschäftigung (§2 Abs 2) nicht aufgrund einer gemäß dem Arbeitsmarktförderungsgesetz, BGBl Nr 31/1969, unerlaubten Arbeitsvermittlung zustande gekommen ist und der Arbeitgeber dies wusste oder hätte wissen müssen,
7. der Arbeitgeber den Ausländer auf einem Arbeitsplatz seines Betriebes beschäftigen wird, wobei eine Zurverfügungstellung des Ausländers an Dritte unbeschadet des § 6 Abs 2 nicht als Beschäftigung im eigenen Betrieb gilt,
8. die Erklärung über die Verständigung des Betriebsrates oder der Personalvertretung von der beabsichtigten Einstellung des Ausländers vorliegt und
9. der Arbeitgeber nicht hinsichtlich des antragsgegenständlichen oder eines vergleichbaren Arbeitsplatzes innerhalb von sechs Monaten vor oder im Zuge der Antragstellung
a) einen Arbeitnehmer, der das 50. Lebensjahr vollendet hat, gekündigt hat oder
b) die Einstellung eines für den konkreten Arbeitsplatz geeigneten Arbeitnehmers, der das 50. Lebensjahr vollendet hat, abgelehnt hat, es sei denn, er macht glaubhaft, dass die Kündigung oder die Ablehnung der Einstellung nicht aufgrund des Alters des Arbeitnehmers erfolgt ist.
(2) Einem Arbeitgeber ist auf Antrag eine Beschäftigungsbewilligung für den im Antrag angegebenen ausländischen Lehrling […]
(3) Die Beschäftigungsbewilligung darf dem Arbeitgeber bei Erfüllung der allgemeinen Voraussetzungen gemäß Abs 1 und 2 nur erteilt werden, wenn
1. der Regionalbeirat die Erteilung einhellig befürwortet oder
(Anm.: Z 2 bis 4 aufgehoben durch BGBl I Nr 72/2013)
5. der Ausländer gemäß § 5 befristet beschäftigt werden soll oder
6. der Ausländer Schüler oder Studierender ist (§§63 und 64 NAG) oder
7. der Ausländer Betriebsentsandter ist (§18) oder
8. der Ausländer Rotationsarbeitskraft ist (§2 Abs 10) oder
9. der Ausländer gemäß § 57 AsylG 2005 besonderen Schutz genießt oder
[…]
(4) Der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz kann durch Verordnung festlegen, dass für weitere Personengruppen, an deren Beschäftigung öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen bestehen, Beschäftigungsbewilligungen erteilt werden dürfen. Die Verordnung kann eine bestimmte Geltungsdauer der Beschäftigungsbewilligungen, einen Höchstrahmen für einzelne Gruppen und – sofern es die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes zulässt – den Entfall der Arbeitsmarktprüfung im Einzelfall vorsehen.
(5) Bei Vorliegen einer Bewilligung zur grenzüberschreitenden Überlassung gemäß § 16 Abs 4 des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes oder gemäß § 40a Abs 2 des Landarbeitsgesetzes 1984 entfallen die Arbeitsmarktprüfung nach Abs 1 und die Anhörung des Regionalbeirates.
(6) Bei der Beschäftigung eines Gesellschafters gemäß § 2 Abs 4 gilt Abs 1 Z 2 nur dann als erfüllt, wenn die Beschäftigung die Lohn- und Arbeitsbedingungen inländischer Arbeitnehmer nicht gefährdet. Eine Gefährdung ist anzunehmen, wenn die Einkünfte des Gesellschafters, beginnend mit der Aufnahme seiner Tätigkeit, unter dem ortsüblichen Entgelt inländischer Arbeitnehmer liegen, die eine vergleichbare Tätigkeit ausüben.
(7) Die Arbeitsmarktprüfung gemäß Abs 1 und 2 entfällt bei
1. Familienangehörigen gemäß Abs 3 Z 4, sofern sie bereits zwölf Monate rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen sind,
2. Schülern und Studierenden (§§63 und 64 NAG) für eine Beschäftigung, die zehn Wochenstunden und nach Abschluss des ersten Studienabschnitts eines Diplomstudiums bzw. nach Abschluss eines Bachelor-Studiums 20 Wochenstunden nicht überschreitet,
3. Studienabsolventen (§12b Z 2),
4. Fachkräften hinsichtlich einer Beschäftigung in einem in der Fachkräfteverordnung (§13) festgelegten Mangelberuf,
5. Ausländern, die besonderen Schutz genießen (Abs3 Z 9) und
6. registrierten befristet beschäftigten Ausländern (§5 Abs 1)."
2.§5 AuslBG, BGBl 218/1975, idF BGBl I 25/2011 lautet:
"Befristet beschäftigte Ausländer
§5. (1) Ausländer, die in den Kalenderjahren 2006 bis 2010 im selben Wirtschaftszweig jeweils mindestens vier Monate im Rahmen von Kontingenten gemäß § 5 Abs 1 Z 1 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 135/2009 befristet beschäftigt waren, können sich bis bei den regionalen Geschäftsstellen des Arbeitsmarktservice für eine weitere Beschäftigung in diesem Wirtschaftszweig registrieren lassen. Für diese registrierten befristet beschäftigten Ausländer dürfen Beschäftigungsbewilligungen im jeweiligen Wirtschaftszweig mit einer Geltungsdauer von längstens sechs Monaten, pro Kalenderjahr jedoch nur für die Gesamtdauer von insgesamt zehn Monaten, erteilt werden. Die Arbeitsmarktprüfung im Einzelfall entfällt (§4 Abs 7 Z 6).
(2) Der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz kann bei einem vorübergehenden zusätzlichen Arbeitskräftebedarf, der weder aus dem im Inland verfügbaren Arbeitskräftepotenzial noch mit EWR-Bürgern, Schweizern und gemäß Abs 1 registrierten befristet beschäftigten Ausländern abgedeckt werden kann, durch Verordnung zahlenmäßige Kontingente
1. für eine zeitlich befristete Zulassung ausländischer Arbeitskräfte in einem bestimmten Wirtschaftszweig, in einer bestimmten Berufsgruppe oder Region oder
2. für die kurzfristige Zulassung ausländischer Erntehelfer, die zur sichtvermerksfreien Einreise in das Bundesgebiet berechtigt sind,
festlegen. Er hat dabei die allgemeine Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes, insbesondere im betreffenden Teilarbeitsmarkt, zu berücksichtigen und darf die gemäß § 13 Abs 4 Z 1 NAG festgelegte Höchstzahl für befristet zugelassene ausländische Arbeitskräfte im Jahresdurchschnitt nicht überschreiten. Zeitlich begrenzte Überschreitungen sind zulässig.
(3) Die Länder und die Interessenvertretungen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer auf Landesebene sind vor der Festlegung von Kontingenten gemäß Abs 2 anzuhören.
(4) Im Rahmen von Kontingenten gemäß Abs 2 Z 1 dürfen Beschäftigungsbewilligungen mit einer Geltungsdauer von längstens sechs Monaten erteilt werden. Für Ausländer, die schon in den vorangegangenen drei Jahren jeweils im Rahmen eines Kontingents für die zeitlich befristete Zulassung ausländischer Arbeitskräfte im Wirtschaftszweig Land- und Forstwirtschaft beschäftigt waren und den Übergangsbestimmungen zur Arbeitnehmerfreizügigkeit unterliegen (§32a), dürfen in diesem Wirtschaftszweig Beschäftigungsbewilligungen bis zu einer Gesamtdauer von neun Monaten erteilt werden. Pro Ausländer dürfen Beschäftigungsbewilligungen nur für eine Gesamtdauer von zwölf Monaten innerhalb von 14 Monaten erteilt werden. Die Beschäftigung von Ausländern, die bereits zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt sind, ist bevorzugt zu bewilligen.
(5) Im Rahmen von Kontingenten gemäß Abs 2 Z 2 dürfen Beschäftigungsbewilligungen mit einer Geltungsdauer von längstens sechs Wochen erteilt werden.
(6) Für Ausländer, die erstmalig für eine Beschäftigung im Rahmen von Kontingenten für die zeitlich befristete Zulassung ausländischer Arbeitskräfte und für die kurzfristige Zulassung ausländischer Erntehelfer aus dem Ausland angeworben werden, dürfen Beschäftigungsbewilligungen nur mit einhelliger Befürwortung des Regionalbeirats erteilt werden.
(7) Für Ausländer, die zur sichtvermerksfreien Einreise berechtigt sind, ist vor Erteilung der Beschäftigungsbewilligungen im Rahmen von Kontingenten gemäß Abs 2 eine fremdenpolizeiliche Unbedenklichkeitsbescheinigung (§31 Abs 2 FPG) vorzulegen. Mit der Vorlage dieser Bescheinigung gilt § 4 Abs 1 Z 1 als erfüllt."
3.Die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz für die befristete Beschäftigung von AusländerInnen im Sommertourismus, BGBI. II 102/2016, lautet:
"Aufgrund des § 5 Abs 2 Z 1 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes – AuslBG, BGBl Nr 218/1975, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl I Nr 113/2015, wird verordnet:
§1. Für den Wirtschaftszweig Sommertourismus wird ein Kontingent in der Höhe von 750 für die befristete Beschäftigung von ausländischen Arbeitskräften festgelegt und auf die Bundesländer wie folgt aufgeteilt:
Burgenland: …………………………….. 8
Kärnten: ………………………………… 85
Niederösterreich: ………………………. 10
Oberösterreich: ………………………… 100, davon 8 für Schaustellerbetriebe
Salzburg: ……………………………….. 130
Steiermark: …………………………….. 100, davon 5 für Schaustellerbetriebe
Tirol: …………………………………… 197
Vorarlberg: …………………………….. 92
Wien: …………………………………… 28, davon 24 für Schaustellerbetriebe
§2. (1) Im Rahmen dieser Kontingente dürfen Beschäftigungsbewilligungen für ausländische Arbeitskräfte, die bereits in den vorangegangenen zwei Jahren jeweils im Rahmen eines Kontingents für den Sommertourismus beschäftigt waren, erteilt werden. Staatsangehörige, die den Übergangsbestimmungen zur EU-Arbeitnehmerfreizügigkeit unterliegen (§32a AuslBG), AsylwerberInnen und Arbeitskräfte, die in Berg-, Alm- und Schutzhütten beschäftigt werden sollen, sind ungeachtet einer Vorbeschäftigung in den vorangegangenen zwei Jahren bevorzugt zu bewilligen.
(2) Die Geltungsdauer der Beschäftigungsbewilligung darf 25 Wochen nicht überschreiten und nicht nach dem enden.
§3. Diese Verordnung tritt mit Ablauf des außer Kraft."
4.§13 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, BGBl I 100/2005, idF BGBl I 70/2015 lautet:
"Niederlassungsverordnung
§13. (1) Die Bundesregierung erlässt über Vorschlag des Bundesministers für Inneres im Einvernehmen mit dem Hauptausschuss des Nationalrates eine Verordnung, mit der für jeweils ein Kalenderjahr die Anzahl der Aufenthaltstitel gemäß §§44 Abs 1, 46 Abs 1 Z 2, Abs 4 und 5, 47 Abs 4, 49 Abs 1, 2 und 4 und 56 Abs 3 sowie die Höchstzahl der Beschäftigungsbewilligungen für befristet beschäftigte Fremde festgelegt werden (Niederlassungsverordnung).
(2) In der Niederlassungsverordnung ist getrennt nach Quotenarten die Anzahl der Aufenthaltstitel festzulegen, die
1. Familienangehörigen gemäß § 46 Abs 1 Z 2,
2. Familienangehörigen von Drittstaatsangehörigen in den Fällen des § 46 Abs 4,
3. Drittstaatsangehörigen, die im Besitz einer 'Niederlassungsbewilligung – Angehöriger' sind und eine Zweckänderung auf einen Aufenthaltstitel 'Rot-Weiß-Rot – Karte plus' anstreben (§47 Abs 4 und § 56 Abs 3),
4. Drittstaatsangehörigen und deren Familienangehörigen, die sich ohne Erwerbsabsicht (§§44 Abs 1 und 46 Abs 5) auf Dauer in Österreich niederlassen dürfen und
5. Drittstaatsangehörigen, die im Besitz eines Aufenthaltstitels 'Daueraufenthalt – EU' eines anderen Mitgliedstaates sind und zur Ausübung einer selbständigen oder unselbständigen Erwerbstätigkeit oder in den Fällen des § 49 Abs 1 nach Österreich kommen wollen,
in dem Kalenderjahr, für das die Verordnung erlassen wird (Quotenjahr), höchstens erteilt werden dürfen. Die Bundesregierung hat dabei die Entwicklung eines geordneten Arbeitsmarktes sicherzustellen und in der Niederlassungsverordnung die Aufenthaltstitel so auf die Länder aufzuteilen, wie es deren Möglichkeiten und Erfordernissen entspricht.
(3) Vor Erlassung der Niederlassungsverordnung gemäß Abs 2 sind die Wirtschaftskammer Österreich, die Bundesarbeitskammer, die Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern Österreichs, der Österreichische Gemeindebund, der Österreichische Städtebund, der Österreichische Gewerkschaftsbund, die Österreichische Industriellenvereinigung und das Österreichische Wirtschaftsforschungsinstitut zu hören. Den Ländern ist die Möglichkeit zu geben, konkrete Vorschläge für die Zahl der im jeweiligen Land benötigten Aufenthaltstitel zu erstatten (Abs2 Z 1 bis 5); die Länder haben hiefür die bestehenden Möglichkeiten im Schul- und Gesundheitswesen sowie – nach Anhörung der maßgeblichen Gemeinden – die Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt und – nach Anhörung der Interessenvertretungen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer auf Landesebene – die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes zu berücksichtigen.
(4) In der Niederlassungsverordnung hat die Bundesregierung weiters festzulegen:
1. die Höchstzahl der Beschäftigungsbewilligungen für befristet beschäftigte Fremde (§5 AuslBG), mit denen der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz mit Verordnung ein damit verbundenes Einreise- und Aufenthaltsrecht gemäß § 24 FPG einräumen darf, und
2. die Höchstzahl der Beschäftigungsbewilligungen für Erntehelfer (§5 AuslBG), mit denen der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz mit Verordnung ein damit verbundenes Einreise- und Aufenthaltsrecht gemäß § 24 FPG einräumen darf.
(5) Bei Erlassung der Niederlassungsverordnung hat die Bundesregierung hinsichtlich der Quotenarten nach Abs 2 Z 1 bis 3 und 5 unter Bedachtnahme auf die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes abzuwägen, in welchem Ausmaß bei Vorrang der Integration der ansässigen erwerbsbereiten Fremden in den Arbeitsmarkt weitere erwerbsbereite Fremde zu unselbständiger Erwerbstätigkeit zugelassen werden können. Hierbei kann die Bundesregierung Gruppen ansässiger Drittstaatsangehöriger bezeichnen, denen in Hinblick auf ihre fortgeschrittene Integration der Familiennachzug bevorzugt ermöglicht werden soll. Außerdem kann die Bundesregierung Gruppen von Familienangehörigen bezeichnen, denen auf Grund bestimmter, die Integration erleichternder Umstände, wie etwa der bevorstehende Eintritt der Schulpflicht, der Familiennachzug bevorzugt ermöglicht werden soll.
(6) (Verfassungsbestimmung) Die Bundesregierung hat bei Erlassung der Niederlassungsverordnung auf die Aufnahmefähigkeit des inländischen Arbeitsmarktes und die Vorschläge der Länder Bedacht zu nehmen; eine zahlenmäßige Überschreitung eines solchen Vorschlages ist nur mit Zustimmung des betroffenen Landes zulässig.
(7) Die Niederlassungsverordnung ist jeweils so rechtzeitig zu erlassen, dass sie mit Beginn des folgenden Kalenderjahres in Kraft treten kann. Wird sie nicht rechtzeitig erlassen, ist die im Vorjahr geltende Verordnung mit der Maßgabe anzuwenden, dass in jedem Monat höchstens ein Zwölftel der Anzahl der Aufenthaltstitel erteilt werden darf.
(8) Sofern eine wesentliche Änderung der Umstände dies notwendig macht, hat die Bundesregierung die Niederlassungsverordnung auch während ihrer Geltungsdauer unter Beachtung der Abs 2 und 6 abzuändern." (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen)
5.Die Verordnung der Bundesregierung, mit der die Anzahl der quotenpflichtigen Aufenthaltstitel und die Höchstzahlen der Beschäftigungsbewilligungen für befristet beschäftigte Fremde und Erntehelfer für das Jahr 2016 festgelegt werden (Niederlassungsverordnung 2016 – NLV 2016), BGBl II 445/2015, lautet:
"Auf Grund des § 13 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG), BGBl I Nr 100/2005, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl I Nr 122/2015, wird im Einvernehmen mit dem Hauptausschuss des Nationalrates verordnet:
[…]
Befristet beschäftigte Fremde und Erntehelfer
§2. (1) Im Jahr 2016 dürfen auf Grund von Verordnungen des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz gemäß § 5 Abs 2 Z 1 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG), BGBl Nr 218/1975, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl I Nr 113/2015, bis zu 4 500 Beschäftigungsbewilligungen für befristet beschäftigte Fremde erteilt werden, mit denen ein damit verbundenes Einreise- und Aufenthaltsrecht gemäß § 24 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl I Nr 100, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl I Nr 121/2015, eingeräumt werden darf (§13 Abs 4 Z 1 NAG).
(2) Im Jahr 2016 dürfen auf Grund von Verordnungen des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz gemäß § 5 Abs 2 Z 2 AuslBG bis zu 700 Beschäftigungsbewilligungen für Erntehelfer erteilt werden, mit denen ein damit verbundenes Einreise- und Aufenthaltsrecht gemäß § 24 FPG eingeräumt werden darf (§13 Abs 4 Z 2 NAG).
[…]"
III.Antragsvorbringen und Vorverfahren
1.Dem Antrag des Bundesverwaltungsgerichtes liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Die beschwerdeführende Partei vor dem Bundesverwaltungsgericht beantragte als Arbeitgeber am beim Arbeitsmarktservice (im Folgenden: AMS) für eine serbische Staatsangehörige (im Folgenden: die Mitbeteiligte) eine befristete Zulassung als Kellnerin nach § 5 Abs 2 AuslBG, BGBl 218/1975, idF BGBl I 25/2011. Bereits im Jahr 2015 war die Mitbeteiligte im Rahmen des Saisonkontingents nach § 5 Abs 2 AuslBG im Betrieb der beschwerdeführenden Partei vor dem Bundesverwaltungsgericht zeitlich befristet zugelassen und beschäftigt gewesen. Das AMS lehnte mit Bescheid vom den nunmehrigen Antrag mit der Begründung ab, im Rahmen der Saisonkontingente für den Sommertourismus 2016 wären Beschäftigungsbewilligungen nur für ausländische Arbeitskräfte zu erteilen gewesen, die bereits in den vorangegangenen zwei Jahren jeweils im Rahmen eines Saisonkontingentes für den Sommertourismus beschäftigt gewesen waren. Die Mitbeteiligte sei in den vorangegangenen zwei Jahren lediglich einmal im Rahmen eines Kontingents für den Sommertourismus beschäftigt gewesen.
2.Das Bundesverwaltungsgericht legt die Bedenken, die es zur Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof bestimmt haben, wie folgt dar:
"11. § 5 Abs 2 Z 1 AusIBG ermächtigte den (zuständigen) Minister dazu, festzulegen, wie viele Kontingentbewilligungen für eine zeitlich befristete Zulassung ausländischer Arbeitskräfte erteilt werden dürfen und jener hat — bei der zahlenmäßigen Festlegung dieser Höhe — die allgemeine Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes, insbesondere im betreffenden Teilarbeitsmarkt, zu berücksichtigen. Die auf § 5 Abs 2 Z 1 AusIBG gestützte VO BGBl II Nr 102/2016 nahm diese quantitative Normierung zunächst in deren § 1 auch vor, statuierte jedoch darüber hinausgehend in deren § 2 Abs 1 Satz 1 ein — von der Verordnungsermächtigung des § 5 Abs 2 Z 1 AusIBG nicht umfasstes — zusätzliches Erteilungserfordernis, indem darin verordnet wurde, dass Bewilligungen nach dieser Verordnung nur für Saisoniers erteilt werden dürfen, die bereits 'in den vorangegangenen zwei Jahren jeweils' — sohin insgesamt zwei Mal — im Rahmen eines Kontingents für den Sommertourismus beschäftigt waren. Ebenso stellte § 2 Abs 1 Satz 2 der VO BGBI II Nr 102/2016, demzufolge bestimmte Personen ungeachtet einer Vorbeschäftigung in den vorangegangenen zwei Jahren bevorzugt zu bewilligen sind, keine zahlenmäßige Regelung dar. Die Verordnungsermächtigung des § 5 Abs 2 Z 1 AusIBG bietet jedoch nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes keine über die zahlenmäßige Festlegung von Kontingenten hinausgehende Grundlage für die dargestellte Regelung in § 2 Abs 1 der VO BGBI II Nr 102/2016, weshalb sich diese insoweit als überschießend erweist.
12. Ebenso bietet Art 18 Abs 2 B-VG, demgemäß jede Verwaltungsbehörde innerhalb ihres Wirkungsbereiches 'auf Grund der Gesetze' Verordnungen erlassen kann, keine Grundlage, da eine darauf gestützte Verordnung bloß präzisieren darf, was in den wesentlichen Konturen bereits im Gesetz selbst vorgezeichnet wurde. So steht gerade § 5 Abs 6 AusIBG der in § 2 Abs 1 Satz 1 der VO BGBI II Nr 102/2016 getroffenen Regelung, wonach Bewilligungen nach dieser Verordnung nur für Saisoniers erteilt werden dürfen, die bereits 'in den vorangegangenen zwei Jahren jeweils' im Rahmen eines Kontingents für den Sommertourismus beschäftigt waren, entgegen, da § 5 Abs 6 AusIBG explizit eine Regelung für Ausländer vorsieht, die erstmalig für eine Beschäftigung im Rahmen von Kontingenten für die zeitlich befristete Zulassung ausländischer Arbeitskräfte (§5 Abs 2 Z 1 AusIBG) und für die kurzfristige Zulassung ausländischer Erntehelfer aus dem Ausland angeworben werden; jenen dürfen gemäß § 5 Abs 6 AusIBG (obgleich nur) mit einhelliger Befürwortung des Regionalbeirats Beschäftigungsbewilligungen erteilt werden." (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen)
3.Die verordnungserlassende Behörde hat die Akten betreffend das Zustandekommen der angefochtenen Verordnung vorgelegt und eine Äußerung erstattet, in der den im Antrag erhobenen Bedenken wie folgt entgegengetreten wird:
"In den (nach der Begutachtung ergänzten) Erläuterungen zu dieser [Anm.: der angefochtenen] Bestimmung wird ausgeführt:
'Angesichts der großen Zahl vorgemerkter Arbeitsloser ist verstärkt danach zu trachten, den zusätzlichen Bedarf an Arbeitskräften auch im Saisontourismus aus diesem Potential abzudecken und die erstmalige Zulassung weiterer Saisoniers hintanzuhalten. Daher dürfen – anders als in den Vorjahren – im Rahmen der vorgesehenen Kontingente Beschäftigungsbewilligungen nur für Saisoniers erteilt werden, die bereits in den vorangegangenen zwei Jahren im Rahmen eines Kontingents für den Sommertourismus beschäftigt waren. Wie schon bisher sind Staatsangehörige, die den Übergangsbestimmungen zur EU-Arbeitnehmerfreizügigkeit unterliegen (derzeit KroatInnen), und AsylwerberInnen auch ohne das Erfordernis einer Vorbeschäftigung in den vorangegangenen zwei Jahren bevorzugt zu bewilligen. Dies gilt auch für Saisoniers, die in Berg-, Alm- und Schutzhütten beschäftigt werden sollen. Zielgruppe sind jene Arbeitskräfte aus Nepal (Sherpas), die in den letzten Jahren regelmäßig zugelassen wurden. Ihnen soll eine Saisonbeschäftigung auf Berg-, Alm- und Schutzhütten weiterhin die Möglichkeit bieten, Know-How im Tourismus zu erwerben und durch das daraus erzielte Einkommen ihre Familien zu unterstützen.'
[…]
3.1 Das BVwG legt seiner Beurteilung eine einschränkende Auslegung der Verordnungsermächtigung des § 5 Abs 2 AuslBG zu Grunde und geht dabei unzulässiger Weise davon aus, dass die dort ausdrücklich angeordnete Berücksichtigung der allgemeinen Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes, insbesondere im betreffenden Teilarbeitsmarkt, bei der Festlegung von Saisonkontingenten ausschließlich für die zahlenmäßige Bestimmung der Kontingenthöhe gelte. Dem Wortlaut der Bestimmung kann dies allerdings nicht entnommen werden, zumal sich der zweite Satz nur allgemein auf den ersten Satz bezieht und daher weitere arbeitsmarktpolitische Gesichtspunkte bei der Erlassung der Verordnung sehr wohl berücksichtigt werden können. Wie auch aus den oben zitierten Erläuterungen hervorgeht, war gerade die Lage des Arbeitsmarkts, insbesondere die hohe Zahl an Arbeitslosen, ausschlaggebend für die Reduktion des Kontingents und damit zusammenhängend für die Einschränkung der Bewilligungen auf bereits in den Vorjahren zugelassene Ausländer. Damit sollte erreicht werden, dass der zusätzliche saisonale Bedarf der Tourismusbetriebe an Arbeitskräften vorrangig aus dem im Inland bereits vorhandenen Arbeitskräftepotential abgedeckt wird und angesichts der Reduzierung der Kontingenthöhe nur bestimmte Personengruppen aus arbeitsmarktpolitischen Erwägungen zugelassen werden.
Diesem arbeitsmarktpolitischen Zweck dient auch die bevorzugte Bewilligung für Asylwerber im zweiten Satz des § 2 Abs 1 der Verordnung, da diese dem bereits im Inland vorhandenen Arbeitskräftepotential zuzurechnen sind. Schließlich verfolgt auch die bevorzugte Bewilligung von Arbeitskräften für die Beschäftigung in Berg-, Alm- und Schutzhütten das arbeitsmarktpolitische Ziel, den Arbeitskräftebedarf dieser speziellen Betriebe durch die Zulassung von Saisoniers aus Drittstaaten hinreichend abzudecken, weil die Arbeitsmarktprüfung ergeben hat, dass dieser spezifische Bedarf nicht mit inländischen Arbeitskräften befriedigt werden kann. Staatsangehörige, die den Übergangsbestimmungen zur EU-Arbeitnehmerfreizügigkeit unterliegen, mussten hingegen gemäß dem EU-Beitrittsvertrag mit Kroatien auf Grund der Stillhalteklausel und dem Gebot der Gemeinschaftspräferenz von einer restriktiveren Bedingung für die Zulassung als Saisonarbeitskraft ausgenommen bzw. bei der Bewilligungserteilung bevorzugt werden.
Die vom BVwG vertretene einschränkende Auslegung der Verordnungsermächtigung auf eine bloße zahlenmäßige Festlegung eines Kontingents würde somit dem Ziel der Berücksichtigung arbeitsmarktpolitischer Gesichtspunkte zuwiderlaufen, da gerade bei Herabsetzung der Kontingenthöhe im Vergleich zum Vorjahr eine arbeitsmarktpolitische sinnvolle Steuerung der Zulassung der Saisonarbeitskräfte nicht möglich wäre. So wäre etwa das arbeitsmarktpolitische Interesse, Asylwerbern als ohnehin bereits im Inland aufhältigen und damit zur Verfügung stehende Arbeitskräften eine Saisonbeschäftigung zu ermöglichen, ohne die festgelegte Bevorzugung nicht zu verwirklichen, da ohne diese zusätzliche Regelung allein der Zeitpunkt der Antragstellung durch den Arbeitgeber ausschlaggebend wäre, welche Arbeitskraft zu einer Saisonbeschäftigung zugelassen werden kann.
Nach Ansicht des BMASK ist § 5 Abs 2 AuslBG folglich so auszulegen, dass er dem Bundesminister nicht nur erlaubt, sondern sogar gebietet, im Hinblick auf die allgemeine Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes, insbesondere im betreffenden Teilarbeitsmarkt, nicht nur bloße Zahlen für Kontingente festzulegen, sondern darüber hinaus auch die konkrete Zulassung der Saisonarbeitskräfte zu steuern und dabei Prioritäten für bestimmte, aus arbeitsmarktpolitischer Sicht bevorzugt zu behandelnde Personengruppen zu setzen.
3.2. Zum weiteren Argument des BVwG, die Verordnung könne auch nicht auf Art 18 Abs 2 B-VG gestützt werden, weil § 5 Abs 6 AuslBG der angefochtenen Regelung entgegenstehe, ist Folgendes festzustellen:
§5 Abs 6 AuslBG lautet:
'Für Ausländer, die erstmalig für eine Beschäftigung im Rahmen von Kontingenten für die zeitlich befristete Zulassung ausländischer Arbeitskräfte und für die kurzfristige Zulassung ausländischer Erntehelfer aus dem Ausland angeworben werden, dürfen Beschäftigungsbewilligungen nur mit einhelliger Befürwortung des Regionalbeirats erteilt werden.'
Das BVwG geht hier offensichtlich davon aus, dass § 2 Abs 1 der Verordnung diese Bestimmung gegenstandslos mache.
Diese Bestimmung, die ausdrücklich auf die erstmalige Anwerbung von Saisonarbeitskräften und Erntehelfern aus dem Ausland abstellt, gilt jedoch, wie sich aus dem Gesetzeswortlaut klar ergibt, nicht für bereits im Inland aufhältige Personen, also für Asylwerber und niedergelassene kroatische Staatangehörige, hingegen aber sehr wohl für jene kroatischen Staatsangehörigen, die vor der Antragstellung noch keinen ordnungsgemäßen Wohnsitz in Österreich begründet haben. Für diese war - auch gemäß der angefochtenen Verordnung – die einhellige Befürwortung des Regionalbeirats weiterhin Voraussetzung für die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung." (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen)
IV.Erwägungen
1.Zur Zulässigkeit des Antrages
1.1.Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art 139 Abs 1 Z 1 B-VG bzw. des Art 140 Abs 1 Z 1 lita B-VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl. etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).
1.2.Das Bundesverwaltungsgericht hatte bei Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Bescheides die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz für die befristete Beschäftigung von AusländerInnen im Sommertourismus, BGBl II 102/2016 (im Folgenden: die Verordnung), anzuwenden. Es ist nichts hervorgekommen, was an der Präjudizialität der angefochtenen Bestimmungen zweifeln ließe.
1.3.Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich der Hauptantrag daher als zulässig.
2.In der Sache
2.1.Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung gemäß Art 139 B-VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken zu beschränken (vgl. VfSlg 11.580/1987, 14.044/1995, 16.674/2002). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen gesetzwidrig ist (VfSlg 15.644/1999, 17.222/2004).
2.2.Gemäß Art 18 Abs 2 B-VG kann jede Verwaltungsbehörde "auf Grund der Gesetze innerhalb ihres Wirkungsbereiches Verordnungen erlassen". Dieser Vorschrift zufolge bedarf es zur Erlassung einer Verordnung keiner ausdrücklichen einfachgesetzlichen Ermächtigung; eine Verordnung darf vielmehr unmittelbar auf Grund der zitierten Verfassungsbestimmung erlassen werden (vgl. zB VfSlg 11.653/1988 und 12.781/1991), wenn nur das Gesetz eine inhaltlich ausreichend bestimmte Grundlage dafür abgibt (VfSlg 14.146/1995).
2.3.Auf das Wesentliche zusammengefasst, erblickt das antragstellende Gericht die Gesetzwidrigkeit der angefochtenen Wortfolgen darin, dass die Verordnung in § 2 Abs 1 eine über die zahlenmäßige Festlegung von Saisonkontingenten hinausgehende Regelung getroffen habe. Beschäftigungsbewilligungen hätten im Jahr 2016 nur innerhalb der Zahl der Saisonkontingente und nur in Bezug auf jene Arbeitskräfte erteilt werden dürfen, die bereits in den beiden vorangegangenen Jahren als Saisoniers beschäftigt gewesen waren. Die Einführung dieser zusätzlichen Bedingung sei von der Verordnungsermächtigung des § 5 Abs 2 Z 1 AusIBG jedoch nicht gedeckt gewesen. Auch auf Art 18 Abs 2 B-VG habe diese zusätzliche Bedingung nicht gestützt werden können, da § 5 Abs 6 AuslBG im Widerspruch zur Regelung in § 2 Abs 1 der Verordnung gestanden sei.
2.4.Nach der verordnungserlassenden Behörde ist diese Ansicht zu einschränkend. § 5 Abs 2 AuslBG habe dem zuständigen Bundesminister nicht nur erlaubt, sondern geboten, im Hinblick auf die allgemeine Lage und die Entwicklung des Arbeitsmarktes, insbesondere im betreffenden Teilarbeitsmarkt, über die bloße Festlegung zahlenmäßiger Kontingente hinaus auch die konkrete Zulassung der Saisonarbeitskräfte zu steuern und dabei Prioritäten für bestimmte, aus arbeitsmarktpolitischer Sicht bevorzugt zu behandelnde Personengruppen zu setzen. Die Regelung in § 5 Abs 6 AuslBG habe nur die erstmalige Beschäftigungsbewilligung von Ausländern vor Augen gehabt, die sich noch im Ausland befanden; § 2 Abs 1 der Verordnung habe keinen Widerspruch zu dieser Bestimmung dargestellt.
2.5.Der Antrag ist begründet.
2.6.Wie der Verfassungsgerichtshof mehrfach ausgesprochen hat, darf der Verordnungsgeber nur solche Regelungen treffen, die in der gesetzlichen Ermächtigung Deckung finden (zB zur verfassungswidrigen Rückwirkung von Verordnungen mangels gesetzlicher Grundlage s. VfSlg 16.897/2003 mwN; zur Verkehrung eines Grundsatz-Ausnahme-Systems im Gesetz durch Verordnung ins Gegenteil s. VfSlg 11.844/1988; zur Ermächtigung des Arbeitsmarktservices zur Erteilung von Sicherungsbescheinigungen und Beschäftigungsbewilligungen auch ab Erreichen der in der Bundeshöchstzahlverordnung 1995 festgelegten Zahl s. VfSlg 14.504/1996; zu fehlerhaften Berechnungen und zur falschen Rundung der Zahl der Beschäftigungsbewilligungen für Ausländer in den Bundeshöchstzahlverordnungen 1995 und 1996 s. VfSlg 14.764/1997 und 14.798/1997).
2.7.Der Inhalt einer Verordnungsermächtigung ist nicht isoliert, sondern im Lichte der entsprechenden gesetzlichen Grundlage insgesamt zu betrachten (vgl. dazu VfSlg 16.911/2003, 18.142/2007 und 19.352/2011).
2.7.1.§5 Abs 2 Z 1 AuslBG idF BGBl I 25/2011 ermächtigte den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz (im Folgenden: der Bundesminister) im Fall eines vorübergehenden zusätzlichen Arbeitskräftebedarfs, der nicht aus dem im Inland verfügbaren Arbeitskräftepotenzial, mit EWR-Bürgern, Schweizern oder gemäß § 5 Abs 1 AuslBG registrierten befristet beschäftigten Ausländern abgedeckt werden konnte, durch Verordnung zahlenmäßige Kontingente für eine zeitlich befristete Zulassung ausländischer Arbeitskräfte in einem bestimmten Wirtschaftszweig, in einer bestimmten Berufsgruppe oder Region festzulegen.
2.7.2.Gemäß § 5 Abs 6 AuslBG durften Beschäftigungsbewilligungen Ausländern, die erstmalig für eine Beschäftigung im Rahmen solcher Kontingente aus dem Ausland angeworben wurden, nur mit einhelliger Befürwortung des Regionalbeirats erteilt werden; diese Bestimmung setzte insofern voraus, dass die durch den Bundesminister gemäß § 5 Abs 2 Z 1 AuslBG gegebenenfalls festgelegten Kontingente auch Ausländer einbezogen, die noch nicht im Rahmen eines solchen Kontingents beschäftigt waren. In Zusammenschau mit § 5 Abs 6 AuslBG erfasste die Gruppe "ausländische Arbeitskräfte" iSd § 5 Abs 2 Z 1 AuslBG damit auch Personen, die erstmalig für eine Beschäftigung im Rahmen dieser Kontingente aus dem Ausland angeworben wurden.
2.7.3.Nach § 2 erster Satz der Verordnung waren Beschäftigungsbewilligungen im Rahmen der in § 1 der Verordnung festgelegten Kontingente nur für bestimmte ausländische Arbeitskräfte zu erteilen, nämlich für jene, die bereits in den vorangegangenen zwei Jahren jeweils im Rahmen eines solchen Kontingents beschäftigt wurden. Personen, die erstmalig aus dem Ausland angeworben wurden, waren folglich von vorneherein für eine Beschäftigung im Rahmen der Kontingente gänzlich ausgeschlossen. Da die Verordnung damit den gesetzlich festgelegten Personenkreis in § 5 Abs 2 Z 1 AuslBG beschränkte, widersprach sie den Vorgaben ihrer gesetzlichen Grundlage. Daran änderte auch der Umstand nichts, dass die durch § 5 Abs 4 AuslBG erfasste Personengruppe (Ausländer, die bereits zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt waren) vom Erfordernis einer Vorbeschäftigung in den letzten zwei Jahren ausgenommen wurde.
2.7.4.Die vom Bundesverwaltungsgericht behauptete Gesetzwidrigkeit kann durch die Feststellung beseitigt werden, dass die Wortfolgen ", die bereits in den vorangegangenen zwei Jahren jeweils im Rahmen eines Kontingents für den Sommertourismus beschäftigt waren," in § 2 Abs 1 erster Satz der Verordnung und "ungeachtet einer Vorbeschäftigung in den vorangegangenen zwei Jahren" in § 2 Abs 1 zweiter Satz der Verordnung gesetzwidrig waren.
Soweit das Bundesverwaltungsgericht die Feststellung der Gesetzwidrigkeit des über die genannte Wortfolge hinausgehenden Teiles von § 2 Abs 1 zweiter Satz der Verordnung begehrt, ist der Antrag daher abzuweisen.
V.Ergebnis
1.Die Wortfolge ", die bereits in den vorangegangenen zwei Jahren jeweils im Rahmen eines Kontingents für den Sommertourismus beschäftigt waren," und die Wortfolge "ungeachtet einer Vorbeschäftigung in den vorangegangenen zwei Jahren" in § 2 Abs 1 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz für die befristete Beschäftigung von AusländerInnen im Sommertourismus, BGBl II 102/2016, waren daher gesetzwidrig.
2.Im Übrigen – also im Hinblick auf die Wortfolgen "Staatsangehörige, die den Übergangsbestimmungen zur EU-Arbeitnehmerfreizügigkeit unterliegen (§32a AusIBG), AsylwerberInnen und Arbeitskräfte, die in Berg-, Alm- und Schutzhütten beschäftigt werden sollen, sind" und "bevorzugt zu bewilligen." in § 2 Abs 1 zweiter Satz der Verordnung – ist der Antrag abzuweisen.
3.Die Verpflichtung der Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz zur unverzüglichen Kundmachung der Feststellung der Gesetzwidrigkeit erfließt aus Art 139 Abs 5 erster Satz B-VG und § 59 Abs 2 VfGG iVm § 4 Abs 1 Z 4 BGBlG.
4.Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:VFGH:2018:V97.2017 |
Schlagworte: | Arbeitsrecht, Ausländerbeschäftigung, Verordnung, Auslegung eines Gesetzes |
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