VfGH vom 09.03.2006, V96/05
Sammlungsnummer
17794
Leitsatz
Keine Gesetzwidrigkeit einer Bestimmung der Satzung 2004 der Kärntner Gebietskrankenkasse betreffend einen Kostenzuschuss für Krankenbehandlung bei Fehlen (gesamt-)vertraglicher Regelungen für Gruppenpraxen; analoge Anwendung der Bestimmung des ASVG über Kostenzuschüsse bei Fehlen vertraglicher Regelungen zur Vermeidung einer gleichheitswidrigen Rechtslage
Spruch
Der Antrag wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Mit Beschluss vom stellt das Landesgericht Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgericht den auf Art 139 B-VG gestützten Antrag, die Bestimmung des § 24 Abs 2 der Satzung 2004 der Kärntner Gebietskrankenkasse (Amtliche Verlautbarung der österreichischen Sozialversicherung im Internet Nr. 41/2004), in eventu bloß die Wortfolge "um 10 % verminderten", als gesetzwidrig aufzuheben.
2. § 24 der Satzung 2004 der Kärntner Gebietskrankenkasse lautet - in der im Anlassfall maßgebenden Stammfassung - samt Überschrift wie folgt (die angefochtene Bestimmung ist hervorgehoben):
"Erstattung von Kosten der ärztlichen Hilfe
(§131 Abs 1 und 2 ASVG)
§24. (1) Bei Inanspruchnahme eines Nichtvertragsarztes (Wahlarztes) werden die Kosten für eine kleine Ordination mit 2,24 €, für eine mittlere Ordination mit 6,72 € und für eine große Ordination mit 13,44 €, insgesamt pro Fall und Quartal jedoch höchstens mit 15,68 € erstattet. Diese Beträge entsprechen 80 % der in der Honorarordnung festgelegten Vergütungen.
Existiert keine vergleichbare Vertrags-Gruppenpraxis werden von der Kasse bei Inanspruchnahme einer Wahl-Gruppenpraxis Kostenzuschüsse für eine kleine Ordination in der Höhe von 2,02 €, für eine mittlere Ordination in der Höhe von 6,06 € und für eine große Ordination in der Höhe von 12,12 €, insgesamt pro Fall und Quartal jedoch höchstens in der Höhe von 14,14 € geleistet. Diese Beträge entsprechen 80 % der um 10 % verminderten in der Honorarordnung für einen vergleichbaren Vertragsarzt vorgesehenen Vergütungen.
In der Honorarordnung vorgesehene Zuschläge und Honorare für Einzelleistungen und Visiten werden unter Berücksichtigung vertraglich vereinbarter Einschränkungen in Höhe von 80 % der für einen vergleichbaren Vertragsarzt oder eine vergleichbare Vertrags-Gruppenpraxis geltenden Tarife erstattet.
Insoweit in der Honorarordnung für die Vertragsärzte Verrechnungsbeschränkungen (z. B. Limitierungen, degressive Honorare, Mengenrabattregelungen usw.) vorgesehen sind, gelten für die Erstattung von Wahlarztkosten die im Anhang 6 festgesetzten Beträge.
Die Kostenerstattung darf insgesamt jedenfalls das Honorar, das dem Wahlarzt oder der Wahl-Gruppenpraxis tatsächlich entrichtet wurde, nicht übersteigen.
(2) Existiert keine vergleichbare Vertrags-Gruppenpraxis, hat die Kasse einen Kostenzuschuss in der Höhe von 80 % der um 10 % verminderten in der Honorarordnung für einen vergleichbaren Vertragsarzt vorgesehenen Vergütung für Zuschläge und Honorare für Einzelleistungen und Visiten zu erbringen.
(3) Die Kasse erstattet die Kosten der ärztlichen Hilfe, wenn vom Versicherten eine Originalhonorarnote gemäß § 28 der Krankenordnung vorgelegt wird."
3.1. Dem beim antragstellenden Gericht anhängigen Rechtsstreit liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Kläger nahm am in einer Gruppenpraxis ärztliche Leistungen (Echokardiographie, Ergometrie inklusive EKG mit 12 Brustwandableitungen) in Anspruch; er bezahlte das ihm für diese Leistungen verrechnete Honorar (EUR 83,10) und reichte sodann die Honorarnote bei der Kärntner Gebietskrankenkasse zum Rückersatz ein. Diese erstattete dem Kläger einen Betrag von EUR 60,67.
In dem beim antragstellenden Landesgericht anhängigen Verfahren begehrt der Kläger, die Kärntner Gebietskrankenkasse zu verurteilen, "über den bereits refundierten Betrag von € 60,67 [hinaus] den weiteren Rückersatz im gesetzlichen Ausmaß zu leisten".
3.2. Das antragstellende Gericht legt sein Bedenken dar wie folgt:
"§24 Abs 2 der Satzung 2004 der Kärntner Gebietskrankenkasse stützt sich, wie sich schon aus der Überschrift: 'Erstattung von Kosten der ärztlichen Hilfe (§131 Abs 1 und 2 ASVG)' ergibt, auf § 131 Abs 1 und 2 ASVG.
Nach der maßgeblichen Bestimmung des § 131 Abs 1 ASVG gebührt dem Versicherten bei Inanspruchnahme eines Wahlarztes im Sinne des § 135 ASVG der Ersatz der Kosten der Heilbehandlung im Ausmaß von 80 v.H. des Betrages, der bei Inanspruchnahme der entsprechenden Vertragspartner des Versicherungsträgers von diesem aufzuwenden wäre.
§ 24 Abs 2 der Satzung 2004 der Kärntner Gebietskrankenkasse normiert nunmehr, dass die in der Honorarordnung für einen vergleichbaren Vertragsarzt vorgesehene Vergütung für Zuschläge und Honorare für Einzelleistungen und Visiten zunächst um 10 % vermindert wird und von diesem um 10 % verminderten Betrag lediglich 80 % ersetzt werden. Diese Regelung findet im § 131 ASVG keine gesetzliche Deckung.
Die Verordnung ist daher gesetzwidrig."
Der von der Gebietskrankenkasse herangezogene § 131b ASVG betreffe Wahlarztgruppenpraxen nicht. Dies begründet das antragstellende Gericht wie folgt:
"Die diesbezügliche Bestimmung wurde durch die 50. ASVG-Novelle (BGBl. Nr. 676/1991, ArtII Z 15) eingeführt. § 131b ASVG trifft Vorsorge für die Fälle, in denen für den Bereich einer Berufsgruppe, z.B. Psychotherapeuten, klinische Psychologen, noch keine Verträge bestehen und auch keine derartigen Verträge zustande kommen. Da für die Berufsgruppe der Ärzte sowohl Gesamt- als auch Einzelverträge bestehen, ist diese Gesetzesbestimmung auf den gegenständlichen Sachverhalt nicht anwendbar. § 131b bezieht sich nicht auf Ärzte, sondern auf Psychotherapeuten, klinische Psychologen u. a. Diese gesetzliche Bestimmung kann daher keine Grundlage für § 24 Abs 2 der Satzung der Kärntner Gebietskrankenkasse bilden.
Selbst wenn man der [Gebietskrankenkasse] zugesteht, dass kein Gesamtvertrag zwischen der [Gebietskrankenkasse] und der Ärztekammer für Kärnten für Gruppenpraxen abgeschlossen wurde, so käme in diesem Fall § 131a ASVG zur Anwendung. Nach dieser Bestimmung hat der Versicherungsträger, soferne Vertragsgruppenpraxen infolge des Fehlens von Verträgen nicht zur Verfügung stehen, dem Versicherten für die außerhalb einer eigenen Einrichtung in Anspruch genommene Behandlung die Kostenerstattung in der Höhe des Betrages zu leisten, der vor Eintritt des vertragslosen Zustandes bei Inanspruchnahme eines Wahlarztes oder einer Wahlarztgruppenpraxis zu leisten gewesen wäre. Der Versicherungsträger kann diese Kostenerstattung durch die Satzung unter Bedachtnahme auf seine finanzielle Leistungsfähigkeit und das wirtschaftliche Bedürfnis der Versicherten erhöhen. Eine Reduktion ist nicht vorgesehen.
Für die Feststellung der Höhe dieses Betrages ist sohin auch gemäß § 131a ASVG § 131 ASVG maßgebend. Für eine Reduktion besteht keine gesetzliche Grundlage.
...
... § 24 Abs 2 der Satzung der Kärntner Gebietskrankenkasse hat sich demnach an § 131 Abs 1 und Abs 2 ASVG zu orientieren. Sofern die Satzung jedoch weitere Kürzungen, die im Gesetz keine Deckung finden, vorsieht, ist sie gesetzwidrig."
3.3. Der Kläger des Anlassverfahrens gab in einem Schriftsatz bekannt, diese Bedenken "vollinhaltlich" zu teilen.
Die Kärntner Gebietskrankenkasse erstattete - durch ihren Obmann in Handhabung des § 453 Abs 2 ASVG iVm § 7 der Satzung 2004 der Kärntner Gebietskrankenkasse - eine schriftliche Äußerung; darin tritt sie dem dargelegten Bedenken entgegen und begehrt, den vorliegenden Verordnungsprüfungsantrag abzuweisen.
Auch die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen erstattete eine schriftliche Äußerung; darin wird ua. Folgendes ausgeführt:
"Die angefochtene Bestimmung entspricht der auch für die Kärntner Gebietskrankenkasse verbindlichen Regelung des § 24 Abs 2 der vom Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger erlassenen Mustersatzung 2004, Verlautbarung Nr. 1, Jahr 2004.
Diese verbindliche Regelung des § 24 Abs 2 (ehemals § 25 Abs 2) ist mit der 5. Änderung der Mustersatzung 1999 Bestandteil der Mustersatzung geworden. Bei Durchsicht der GZ. 21.420/19-5/01, betreffend die Vorbegutachtung der 5. Änderung der Mustersatzung 1999, lässt sich der Grund für die Aufnahme der diesbezüglichen Bestimmung in die Mustersatzung nachvollziehen. Das Bundesministerium für Gesundheit und Frauen legt daher die Akten, mit denen die
5. Änderung der Mustersatzung 1999 vorbegutachtet und genehmigt worden ist, in diesem Verordnungsprüfungsverfahren vor.
Im oben genannten Vorbegutachtungsakt wurde zur Aufnahme des § 25 Abs 2 (heute § 24 Abs 2), des § 32 Abs 8 (heute § 31 Abs 8) und des § 38a (heute § 38) in die Mustersatzung 1999 vom zuständigen Sachbearbeiter Folgendes angemerkt:
'In Anwendung der höchstgerichtlich bestätigten Vorgangsweise, wonach in den Fällen des so genannten 'kassenfreien Raumes' (korrekt bezeichnet handelt es sich dabei um im Rahmen eines bestehenden Vertragwerkes tariflich nicht geregelte Leistungspositionen), in Analogie zur Bestimmung des § 131b ASVG entsprechende Zuschüsse in der Satzung festgelegt werden können (vgl. V70,71/96), wird nunmehr ein solcher Zuschuss für den Fall vorgesehen, dass eine Leistung im Rahmen einer Gruppenpraxis in Anspruch genommen wird und entweder noch überhaupt keine entsprechenden vertraglichen Regelungen mit Gruppenpraxen existieren oder aber keine solchen Regelungen für die spezifisch in Anspruch genommenen Leistungen.
Die Berechnung der Höhe des Zuschusses erfolgt in der Art, dass zunächst von den Tarifsätzen für eine vergleichbare Leistung bei einer/einem Vertragsärztin/Vertragsarzt ausgegangen wird. Dieser Tarifsatz wird in der Annahme der Möglichkeit einer ökonomischeren Leistungserbringung im Rahmen einer Gruppenpraxis um 10 % vermindert. 80 % des so ermittelten Betrages bilden - vergleichbar der Wahlarztkostenerstattung nach § 131 ASVG - den zu leistenden Zuschuss.
Die Verpflichtung zum Rückgriff auf vergleichbare bestehende Leistungspositionen als Ausgangsbasis der Festlegung eines Zuschusses lässt sich ebenfalls aus der oben bereits angesprochenen höchstgerichtlichen Judikatur ( V70,71/96; aber auch schon V81/97 vom ) ableiten, wonach für die Festlegung eines Zuschusses nach § 131b ASVG auf vergleichbare Leistungen aus dem sozialversicherungsrechtlichen Tarifgefüge zurückzugreifen wäre ('sozialversicherungsrechtlicher Marktpreis').
Die gewählte Vorgangsweise erscheint daher rechtlich geboten und inhaltlich nachvollziehbar.'
In Kärnten hat zu keinem Zeitpunkt ein Gesamtvertrag für Gruppenpraxen oder ein Einzelvertrag mit Gruppenpraxen bestanden. In dem im § 24 Absatz 2 der Satzung der Kärntner Gebietskrankenkasse i. d.F. der Verlautbarung Nr. 41, Jahr 2004, geregelten Fall handelt es sich demnach nicht um eine Kostenerstattung gemäß § 131 ASVG, sondern um einen Kostenzuschuss bei Fehlen vertraglicher Regelungen in Analogie zu § 131b ASVG. Aufgrund einer bestehenden Gesetzeslücke ist § 131b ASVG in den Fällen, in denen niemals vertragliche Regelungen bestanden haben, auf Ärzte/Ärztinnen und Gruppenpraxen sinngemäß anzuwenden.
Nach § 131b ASVG hat in jenen Fällen, in denen noch keine Verträge für den Bereich einer Berufsgruppe bestehen, der Versicherungsträger den Versicherten die in der Satzung festgesetzten Kostenzuschüsse zu leisten. Der Versicherungsträger hat das Ausmaß dieser Zuschüsse unter Bedachtnahme auf seine finanzielle Leistungsfähigkeit und das wirtschaftliche Bedürfnis der Versicherten festzusetzen.
Diese Regelung eröffnet der Satzung die Möglichkeit, Kostenzuschüsse für die Versicherten unter Bedachtnahme auf deren wirtschaftliche Bedürfnisse bzw. auf die finanzielle Leistungsfähigkeit des Versicherungsträgers festzusetzen. Hinsichtlich der Höhe hat der Gesetzgeber damit keine Festlegung getroffen, sondern es der Verantwortung der Versicherungsträger überlassen, die entsprechende Höhe des Kostenzuschusses satzungsmäßig zu regeln.
Die in Rede stehende Bestimmung kann schon deswegen nicht auf § 131a ASVG beruhen, da die Anwendung des § 131a ASVG den Fall voraussetzt, dass zwar derzeit ein vertragsloser Zustand herrscht, aber bisher Verträge für Ärzte/Ärztinnen und Gruppenpraxen bestanden haben.
Die Überschrift zum verbindlichen § 24 der Satzung der Mustersatzung und somit auch der Satzung der Kärntner Gebietskrankenkasse, welche auf § 131 Abs 1 und 2 ASVG verweist, stellt lediglich einen Anhaltspunkt dar; der Inhalt der angefochtenen Bestimmung erhält durch diese Überschrift jedenfalls nicht eine gegenteilige Bedeutung. Es wäre allerdings sinnvoll, anzuregen, die Überschrift zur verbindlichen und somit von allen oder bestimmten Gruppen von Versicherungsträgern zu übernehmenden Bestimmung des § 24 der Mustersatzung im Zuge der nächsten Änderung auf '(§131 Abs 1 und 2 ASVG,§ 131b ASVG)' zu ergänzen.
§ 24 Absatz 2 der Satzung der Kärntner Gebietskrankenkasse i. d.F. der Verlautbarung Nr. 41, Jahr 2004, findet in § 131 ASVG tatsächlich keine gesetzliche Deckung. Da aber Rechtsgrundlage dieser Bestimmung nicht § 131 ASVG, sondern vielmehr § 131b ASVG ist, liegt keine Gesetzwidrigkeit der Satzung, welche ihrer Rechtsnatur nach eine Verordnung darstellt, vor."
II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
A. Zur Zulässigkeit des Antrages:
1. Gemäß Art 139 Abs 1 erster Satz B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über Gesetzwidrigkeit von Verordnungen einer Bundes- oder Landesbehörde ua. auf Antrag eines Gerichtes. Wie sich aus Art 89 Abs 2 erster Satz B-VG ergibt, ist ein Gericht verpflichtet, einen solchen Antrag zu stellen, wenn es gegen die Anwendung einer Verordnung aus dem Grund der Gesetzwidrigkeit Bedenken hegt.
2.1. Die bekämpfte Satzungsbestimmung ist als Verordnung einer Bundesbehörde iS des Art 139 Abs 1 B-VG zu qualifizieren (vgl. zB VfSlg. 14.593/1996).
2.2. Es hat sich nichts ergeben, was an der Präjudizialität der angefochtenen Bestimmung zweifeln ließe.
2.3. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich der Antrag somit als zulässig.
B. In der Sache:
1. Die §§131, 131a und 131b ASVG haben - soweit hier relevant - folgenden Wortlaut:
"Erstattung von Kosten der Krankenbehandlung
§131. (1) Nimmt der Anspruchsberechtigte nicht die Vertragspartner (§338) oder die eigenen Einrichtungen (Vertragseinrichtungen) des Versicherungsträgers zur Erbringung der Sachleistungen der Krankenbehandlung (ärztliche Hilfe, Heilmittel, Heilbehelfe) in Anspruch, so gebührt ihm der Ersatz der Kosten dieser Krankenbehandlung im Ausmaß von 80 vH des Betrages, der bei Inanspruchnahme der entsprechenden Vertragspartner des Versicherungsträgers von diesem aufzuwenden gewesen wäre. Wird die Vergütung für die Tätigkeit des entsprechenden Vertragspartners nicht nach den erbrachten Einzelleistungen bestimmt, hat die Satzung des Versicherungsträgers Pauschbeträge für die Kostenerstattung festzusetzen.
(2)-(6) ...
Kostenerstattung bei Fehlen vertraglicher Regelungen mit den Ärzten
(Dentisten) oder mit den Gruppenpraxen
§ 131a. Stehen Vertragsärzte (Vertragsdentisten) oder Vertrags-Gruppenpraxen infolge des Fehlens einer Regelung durch Verträge (§338) nicht zur Verfügung, so hat der Versicherungsträger dem Versicherten für die außerhalb einer eigenen Einrichtung in Anspruch genommene Behandlung (den Zahnersatz) die Kostenerstattung in der Höhe des Betrages zu leisten, der vor Eintritt des vertragslosen Zustandes bei Inanspruchnahme eines Wahlarztes (Wahldentisten) oder einer Wahl-Gruppenpraxis zu leisten gewesen wäre. Der Versicherungsträger kann diese Kostenerstattung durch die Satzung unter Bedachtnahme auf seine finanzielle Leistungsfähigkeit und das wirtschaftliche Bedürfnis der Versicherten erhöhen.
Kostenzuschüsse bei Fehlen vertraglicher Regelungen
§ 131b. Stehen andere Vertragspartner infolge Fehlens von Verträgen nicht zur Verfügung, so gilt § 131a mit der Maßgabe, daß in jenen Fällen, in denen noch keine Verträge für den Bereich einer Berufsgruppe bestehen, der Versicherungsträger den Versicherten die in der Satzung festgesetzten Kostenzuschüsse zu leisten hat. Der Versicherungsträger hat das Ausmaß dieser Zuschüsse unter Bedachtnahme auf seine finanzielle Leistungsfähigkeit und das wirtschaftliche Bedürfnis der Versicherten festzusetzen."
2. Der Verfassungsgerichtshof ist in einem auf Antrag eingeleiteten Normenprüfungsverfahren auf die Erörterung der im Antrag geltend gemachten Bedenken beschränkt (vgl. zB VfSlg. 9287/1981 mwN).
3. Das antragstellende Gericht hält die angefochtene Satzungsbestimmung deshalb für gesetzwidrig, weil sie gegen die - von diesem Gericht als maßgebend erachtete - Bestimmung des § 131 ASVG verstoße und auch sonst im Gesetz keine Deckung finde.
Dieses Bedenken ist aber nicht begründet:
3.1. Die Krankenbehandlung nach dem ASVG umfasst nach dessen § 133 Abs 1 die ärztliche Hilfe, Heilmittel und Heilbehelfe. Nach § 135 Abs 1 ASVG wird ärztliche Hilfe durch Vertragsärzte und Vertrags-Gruppenpraxen, durch Wahlärzte und Wahl-Gruppenpraxen sowie durch Ärzte in eigenen Einrichtungen oder Vertragseinrichtungen des Versicherungsträgers gewährt.
3.2. Nimmt der Versicherte nicht die Vertragspartner oder die eigenen Einrichtungen (Vertragseinrichtungen) des Versicherungsträgers zur Leistungserbringung in Anspruch, so gebührt ihm der Ersatz der Kosten der Krankenbehandlung im Ausmaß von 80 vH jenes Betrages, den der Versicherungsträger bei Inanspruchnahme eines entsprechenden Vertragspartners aufzuwenden gehabt hätte (§131 Abs 1 ASVG).
Seit der 58. Novelle zum ASVG, BGBl. I Nr. 99/2001, lässt das ASVG die Gewährung von Krankenbehandlung durch ärztliche Hilfe nicht nur durch freiberuflich tätige Ärzte in Einzelordinationen, sondern auch durch (Ärzte in) Gruppenpraxen (§§52a und 52b ÄrzteG 1998 idF der 2. Ärztegesetz-Novelle, BGBl. I Nr. 110/2001) zu. Dieser Neuerung trägt das Vertragspartnerrecht insofern Rechnung, als etwa in § 341 Abs 1 ASVG angeordnet ist, dass die Beziehungen zwischen den Versicherungsträgern und den freiberuflich tätigen Ärzten ("Einzelpraxen") und den Gruppenpraxen jeweils durch Gesamtvertrag zu regeln sind.
Eine Kostenerstattung gemäß § 131 Abs 1 ASVG für eine privat in Anspruch genommene Krankenbehandlung durch Ärzte in einer Gruppenpraxis setzt daher voraus, dass im betreffenden Bundesland ein Gesamtvertrag für Gruppenpraxen besteht (und die betreffende Leistung von diesem Gesamtvertrag erfasst ist; siehe dazu VfSlg. 16.030/2000).
Die angefochtene Satzungsbestimmung regelt demgegenüber aber einen anderen Fall, nämlich den des Fehlens einer vertraglichen Regelung für Vertrags-Gruppenpraxen; sie vermag sich daher - ungeachtet der Überschrift des § 24 der Satzung 2004 - insoweit weder auf § 131 ASVG zu stützen, noch steht sie - was die Höhe der Kostenerstattung betrifft - zu dieser gesetzlichen Bestimmung in Widerspruch.
3.3. Es trifft aber auch die Auffassung des antragstellenden Gerichts nicht zu, dass die angefochtene Regelung schlechthin der gesetzlichen Grundlage entbehrt.
3.3.1. Fälle des Fehlens vertraglicher Regelungen sind nämlich in den §§131a und 131b ASVG wie folgt geregelt:
a) § 131a ASVG betrifft den Fall, dass ehedem eine vertragliche Regelung bestanden hat, diese aber (aus welchen Gründen immer) weggefallen ist, sodass zur Zeit der Leistungserbringung ein "vertragsloser Zustand" herrscht. Nimmt der Versicherte außerhalb einer eigenen Einrichtung des Versicherungsträgers eine Leistung in Anspruch, so hat der Versicherungsträger die Kostenerstattung in der Höhe jenes Betrages zu leisten, der vor Eintritt des vertragslosen Zustandes bei Inanspruchnahme eines Wahlarztes (einer Wahl-Gruppenpraxis) zu leisten gewesen wäre. § 131a ASVG ist daher nicht auch dann anwendbar, wenn - wie hier - eine vertragliche Regelung zu keiner Zeit bestanden hat (so - mit Blick auf die Parallelbestimmung des § 60 B-KUVG - VfSlg. 16.030/2000, S 881).
b) In Fällen, in denen "andere Vertragspartner" in Folge des Fehlens von Verträgen nicht zur Verfügung stehen, ist nach § 131b ASVG die Regelung des § 131a ASVG anzuwenden, und zwar mit der Maßgabe, dass in jenen Fällen, in denen für eine Berufsgruppe noch keine Verträge bestehen, der Versicherungsträger dem Versicherten die in der Satzung - unter Bedachtnahme auf seine finanzielle Leistungsfähigkeit und das wirtschaftliche Bedürfnis der Versicherten - festgesetzten Kostenzuschüsse zu leisten hat. Nach dem Wortlaut und der systematischen Stellung dieser Vorschrift sind mit "andere Vertragspartner" in erster Linie andere als die in der vorhergehenden Bestimmung des § 131a ASVG genannten gemeint, nämlich die in § 135 Abs 1 zweiter Satz ASVG genannten Berufsgruppen (Physiotherapeuten, Logopäden, Ergotherapeuten, Psychologen, Psychotherapeuten, Heilmasseure).
§ 131b ASVG kennt somit zwei Anwendungsfälle bei Fehlen einer vertraglichen Regelung mit "anderen" Vertragspartnern: Haben Verträge bestanden, sind diese jedoch weggefallen, so gebührt dem Versicherten Kostenerstattung entsprechend dem seinerzeitigen Vertragstarif. Haben solche Verträge hingegen überhaupt nicht bestanden, so ist der Versicherungsträger verpflichtet, in seiner Satzung Kostenzuschüsse vorzusehen; diese sind - wie sich aus § 131b zweiter Satz ASVG ergibt - unter Bedachtnahme auf die finanzielle Leistungsfähigkeit des Versicherungsträgers und das wirtschaftliche Bedürfnis der Versicherten festzusetzen (zur ausreichenden Determinierung der Satzung durch diese Bestimmung vgl. VfSlg. 15.787/2000).
3.3.2. Die im Anlassfall gegebene - durch die bekämpfte Satzungsbestimmung erfasste - Konstellation des Fehlens einer vertraglichen Regelung für Gruppenpraxen ist somit weder in § 131a noch in § 131b ASVG ausdrücklich geregelt, wohl aber sind für andere Fälle der Lückenhaftigkeit von Verträgen in den §§131a und 131b ASVG Regelungen getroffen.
3.3.3. Es ist insoweit aber, gemessen am dargestellten Konzept des Gesetzgebers und zur Vermeidung einer dem Gleichheitssatz widersprechenden Rechtslage, das Vorliegen einer planwidrigen Lücke anzunehmen, die durch analoge Anwendung des § 131b ASVG zu schließen ist:
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes sind zur Ermittlung des Inhalts einer gesetzlichen Regelung alle der Auslegung zur Verfügung stehenden Möglichkeiten auszuschöpfen (vgl. VfSlg. 16.030/2000, S 883 mwN). Eine solche Nutzung aller Auslegungsmöglichkeiten ist auch bei Beurteilung der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung geboten (vgl. VfSlg. 14.631/1996) und liegt hier umso näher, als die allein am Wortlaut orientierte Auslegung des § 131b ASVG diese Bestimmung als unsachlich und damit verfassungswidrig erscheinen ließe.
Es wäre nämlich kein sachlicher Grund dafür ersichtlich, bei sonst gleichem Sachverhalt (dh. ursprüngliches Fehlen einer vertraglichen Regelung) die Ansprüche des Versicherten davon abhängig zu machen, ob er ärztliche Hilfe in einer Gruppenpraxis (§135 Abs 1 erster Satz ASVG) oder aber - der ärztlichen Hilfe gleichgestellte (§135 Abs 1 zweiter Satz ASVG), von § 131b ASVG ausdrücklich erfasste - Leistungen eines anderen Gesundheitsberufes in Anspruch genommen hat (vgl. zum gleichartigen Regelungszusammenhang der §§60 und 60a B-KUVG VfSlg. 16.030/2000, S 883): Der gesetzliche Anspruch der nach dem ASVG versicherten Personen auf Krankenbehandlung hängt nämlich bei Vorliegen aller sonstigen Voraussetzungen dem Grunde nach nicht vom Bestehen (gesamt-)vertraglicher Regelungen ab.
b) Die Bestimmung des § 131b ASVG ist daher analog auch auf den Fall anzuwenden, dass für Gruppenpraxen (noch) kein Gesamtvertrag besteht. Der Versicherungsträger hat somit (auch) für die in diesen Einrichtungen erbrachten ärztlichen Leistungen in seiner Satzung unter Bedachtnahme auf seine finanzielle Leistungsfähigkeit und das wirtschaftliche Bedürfnis der Versicherten Kostenzuschüsse vorzusehen.
Diesem gesetzlichen Gebot trägt die angefochtene Bestimmung des § 24 Abs 2 der Satzung 2004 der Kärntner Gebietskrankenkasse Rechnung.
4. Das Bedenken des antragstellenden Gerichtes, die in Rede stehende Satzungsbestimmung widerspreche einerseits § 131 ASVG und entbehre andererseits der gesetzlichen Grundlage, trifft somit nicht zu.
Der Antrag war daher als unbegründet abzuweisen.
C. Dies konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.