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VfGH vom 28.06.2003, V96/00

VfGH vom 28.06.2003, V96/00

Sammlungsnummer

16930

Leitsatz

Keine Widerspruch von Bestimmungen einer Verordnung einer Gemeinde über Vorauszahlungen für eine Kanaleinmündungsabgabe gegen das Nö Kanalgesetz 1977

Spruch

Der - primär gestellte - Antrag, die Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Eggendorf vom für den Ortsteil Siedlung Maria Theresia über eine Kanalabgabenordnung, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 8. bis zum , als gesetzwidrig aufzuheben, wird zurückgewiesen.

Dem - in eventu gestellten - Antrag, § 1 der Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Eggendorf vom für den Ortsteil Siedlung Maria Theresia über eine Kanalabgabenordnung, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 8. bis zum , als gesetzwidrig aufzuheben, wird keine Folge gegeben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.1. Beim Verwaltungsgerichtshof ist ein Verfahren über eine Beschwerde anhängig, der folgender Sachverhalt zugrundeliegt:

Die vor dem Verwaltungsgerichtshof beschwerdeführenden Parteien sind Eigentümer einer Liegenschaft in der Gemeinde Eggendorf. Mit Bescheid des Bürgermeisters dieser Gemeinde wurde ihnen ein Vorauszahlungsbeitrag auf die zu entrichtende Kanaleinmündungsabgabe vorgeschrieben. Der vorgeschriebene Betrag von S 33.927,74 betrage 80 % der Kanaleinmündungsabgabe von S 42.409,68 (darin enthalten 10 % Umsatzsteuer). Der Gemeinderat wies eine Berufung gegen diesen Bescheid, die Niederösterreichische Landesregierung eine Vorstellung gegen den Berufungsbescheid ab.

Gegen den Vorstellungsbescheid richtet sich die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.

1.2. Aus Anlaß dieser Beschwerde stellt der Verwaltungsgerichtshof gemäß Art 139 Abs 1 B-VG den Antrag, die Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Eggendorf vom für den Ortsteil Siedlung Maria Theresia über eine Kanalabgabenordnung (in der Folge: Verordnung) zur Gänze, in eventu § 1 dieser Verordnung, als gesetzwidrig aufzuheben.

1.3. Die Niederösterreichische Landesregierung und die mitbeteiligte Gemeinde Eggendorf haben Äußerungen erstattet, in denen sie für die Abweisung des Antrags eintreten.

2. Die maßgeblichen Rechtsvorschriften lauten wie folgt:

2.1. Das Niederösterreichische Kanalgesetz 1977, LGBl. 8230 in der hier maßgeblichen Fassung 8230-5 (in der Folge: KanalG; die Fassung 8230-6 enthält keine Änderungen der hier relevanten Vorschriften), lautet auszugsweise:

"§1

Kanalerrichtungsabgaben und Kanalbenützungsgebühren

(1) Die Gemeinden werden gemäß § 8 Abs 5 Finanzverfassungsgesetz 1948, BGBl. Nr. 45, ermächtigt, Kanalerrichtungsabgaben (Kanaleinmündungs-, Kanalergänzungs-, Kanalsonderabgabe) und Kanalbenützungsgebühren nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen zu erheben.

(2) ...

(3) Die Kanalerrichtungsabgaben und Kanalbenützungsgebühren sind in einer Kanalabgabenordnung (§6) näher auszuführen.

(4) Für verschiedene Kanalanlagen mit jeweils getrennten Entsorgungsbereichen in einer Gemeinde sind die Kanalerrichtungsabgaben und Kanalbenützungsgebühren verschieden hoch festzusetzen, wenn sich dies aufgrund eines unterschiedlichen Kostendeckungserfordernisses ergibt.

(5) ...

§2

Kanaleinmündungsabgabe, Ergänzungsabgabe

(1) Für den möglichen Anschluß an die öffentliche Kanalanlage ist eine Kanaleinmündungsabgabe zu entrichten.

(2) - 6) ...

§3

(1) Die Höhe der Kanaleinmündungsabgabe ergibt sich aus dem Produkt der Berechnungsfläche (Abs2) mit dem Einheitssatz (Abs3).

(2) ...

(3) Der Einheitssatz (Abs1) ist vom Gemeinderat in der Kanalabgabenordnung (§6) festzusetzen; er darf 5 v.H. jenes Betrages nicht übersteigen, der unter Zugrundelegung der im Zeitpunkt des Gemeinderatsbeschlusses für die gesamte Kanalanlage einschließlich der Nebenanlagen erforderlichen Baukosten auf den laufenden Meter der Kanalanlage durchschnittlich entfällt. Die vom Gemeinderat der Ermittlung des Einheitssatzes zugrunde gelegten Baukosten sowie die Gesamtlänge des Kanalnetzes sind in die Kanalabgabenordnung aufzunehmen.

(4) - (6) ...

§3a

Vorauszahlungen

(1) Liegt für eine öffentliche Kanalanlage ein nach den gesetzlichen Vorschriften bewilligtes und vom Gemeinderat beschlossenes Projekt vor, so ist die Gemeinde berechtigt, unter sinngemäßer Anwendung des § 152 Abs 1 NÖ Abgabenordnung, LGBl. 3400, aufgrund einer Verordnung des Gemeinderates, Vorauszahlungen auf die nach den §§2 und 3 zu entrichtende Kanaleinmündungsabgabe zu erheben.

(2) Die im Abs 1 genannte Abgabe ist vom Zeitpunkt des Baubeginnes der Anlage an für jene Liegenschaften zu erheben, für die im Falle der Fertigstellung des bewilligten Kanalprojektes Anschlußpflicht bestehen würde. Wird die öffentliche Kanalanlage in mehreren Bauabschnitten errichtet, so können Vorauszahlungen nur jeweils für begonnene Bauabschnitte erhoben werden.

(3) Liegt eine Kanalabgabenordnung (§6) zum Zeitpunkt der Vorschreibung der Vorauszahlungen noch nicht vor, ist in der Verordnung über die Erhebung der Vorauszahlungen der Einheitssatz für die Berechnung der Kanaleinmündungsabgabe gemäß § 3 aufgrund des Kostenvoranschlages und der projektierten Rohrnetzlänge festzulegen.

(4) Die Vorauszahlung ist einheitlich mit einem Hundertsatz jedoch nicht mit mehr als 80 v.H. jenes Betrages zu erheben, der unter Zugrundelegung des Projektes der Kanalanlage sowie des Umfanges der bestehenden oder in Bau befindlichen Gebäude (Anlage) gemäß den Bestimmungen des § 3 zu entrichten wäre.

(5) Die Vorauszahlungen sind mit 4 v.H. per anno verzinst innerhalb einer Frist von 3 Monaten zurückzuzahlen, wenn die Anschlußpflicht nicht innerhalb von 7 Jahren ab Baubeginn der Anlage entstanden ist oder schon vor diesem Zeitpunkt feststeht, daß es zu keiner Anschlußverpflichtung kommen wird.

(6) Die Rückzahlung hat an jene Person zu erfolgen, die bei einer Anschlußverpflichtung im Zeitpunkt der Rückzahlung Abgabepflichtiger gemäß § 9 wäre.

(7) Für die Erhebung der Vorauszahlungen gelten die Bestimmungen dieses Gesetzes über die Erhebung von Kanaleinmündungsabgaben sinngemäß.

§6

Kanalabgabenordnung

(1) In jeder Gemeinde, in der eine öffentliche Kanalanlage vorhanden ist, ist gleichzeitig mit dem Beschluß über die Einhebung von Kanalerrichtungsabgaben und Kanalbenützungsgebühren eine Kanalabgabenordnung zu beschließen.

(2) Die Kanalabgabenordnung hat nach Maßgabe des Einhebungsbeschlusses (§1) zu enthalten:

a) die Höhe des Einheitssatzes für die Berechnung der Kanaleinmündungsabgabe und der Ergänzungsabgabe und die der Berechnung des Einheitssatzes zugrunde gelegten Baukosten sowie die Gesamtlänge des Kanalnetzes, erforderlichenfalls getrennt für Schmutz-(Misch-)wasserkanäle und Regenwasserkanäle (§3 Abs 3);


Tabelle in neuem Fenster öffnen
b) - d) ..."

Der in § 3a Abs 1 KanalG erwähnte § 152 Abs 1 der Niederösterreichischen Abgabenordnung, LGBl. 3400, ermöglicht die vorläufige Festsetzung einer Abgabe.

2.2. Die Verordnung lautet auszugsweise:

"§1

Einmündungsabgaben für den Anschluss an einen

öffentlichen Schmutzwasserkanal

(1) Der Einheitssatz für die Berechnung der Kanaleinmündungsabgaben für die Einmündung in den öffentlichen Schmutzwasserkanal wird gemäß § 3 des NÖ Kanalgesetzes 1977 mit 4,5 % v.H. der auf einen Längenmeter entfallenden Baukosten (S 3.888,82) das ist mit S 175,-- festgesetzt.

(2) Gemäß § 6 Abs 2) des NÖ Kanalgesetzes 1977 wird für die Ermittlung des Einheitssatzes (Abs1) eine Baukostensumme von S 95 Millionen und eine Gesamtlänge des Schmutzwasserkanalnetzes von lfm 24.429 zugrundegelegt.

§4 Vorauszahlungen

Gemäß § 3a des NÖ Kanalgesetzes 1997 sind Vorauszahlungen auf die gemäß § 2 zu entrichtende Kanaleinmündungsabgabe in der Höhe von 80 % v.H., der gemäß § 3 NÖ Kanalgesetz 1977 ermittelten Kanaleinmündungsabgabe zu erheben."

Das Zitat "§3a des NÖ Kanalgesetzes 1997" (statt "1977") in § 4 der Verordnung dürfte auf einen Schreibfehler zurückgehen.

Die §§2 und 3 der Verordnung betreffen Ergänzungs- und Sonderabgaben, die §§5 und 6 Kanalbenützungsgebühren, § 7 die Ermittlung der Berechnungsgrundlagen, § 8 die Verrechnung der Umsatzsteuer und § 9 enthält eine Schlußbestimmung. Die §§5 und 6 sind unvollständig, weil die dort vorgesehenen Schillingbeträge und die Bezeichnung der Bankverbindung der Gemeinde durch Punkte ersetzt sind.

Die Verordnung wurde durch Anschlag an der Amtstafel vom 8. bis zum kundgemacht.

3.1. Der Verwaltungsgerichtshof führt aus, er habe die Verordnung anzuwenden. Diese Verordnung, insbesondere ihr § 1, welcher der Abgabenbemessung zugrundegelegt worden sei, sei damit für die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes präjudiziell.

In der Sache führt der Verwaltungsgerichtshof aus, er hege Bedenken gegen die Zulässigkeit der Erlassung der Verordnung vor Beginn des Bauvorhabens und vor Kenntnis der tatsächlichen Baukosten. Die Verordnung sei aufgrund des KanalG ergangen, dessen Ermächtigung ihre Deckung in § 8 Abs 5 F-VG finde. Die Wortfolge "vorhanden ist" in § 6 Abs 1 KanalG spreche dafür, daß die Kanalabgabenordnung erst erlassen werden dürfe, wenn die Anlage bereits vorhanden, dh. fertiggestellt sei. Erst dann seien die gesamten Baukosten bekannt und könne der Einheitssatz iSd § 3 Abs 3 KanalG gesetzmäßig ermittelt werden. § 3a Abs 3 KanalG könnte zwar dafür sprechen, daß "im Zeitpunkt einer Vorauszahlung, in dem die Anlage noch nicht vorhanden ist, eine Kanalabgabenordnung bereits vorliegen" dürfe. Diese Bestimmung könnte allerdings auch dahin verstanden werden, daß sie nur Fälle erfasse, in denen eine bereits vorhandene Anlage erweitert werde.

Sei § 6 Abs 1 KanalG aber so auszulegen, daß die Kanalabgabenordnung (nur) spätestens zu dem dort genannten Zeitpunkt (Vorhandensein der Anlage und Beschluß auf Einhebung der Abgaben) erlassen werden müsse, dann sei § 1 der Verordnung bedenklich, weil die Grundlagen für den geschätzten Betrag von S 95 Mio. nicht gesetzmäßig festgestellt worden sein dürften. Die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Unterlagen entzögen sich der Nachprüfung insbesondere hinsichtlich der über die Investitionskosten von S 81 Mio. hinausgehenden Positionen, die mit einem nicht näher erläuterten Schätzwert angesetzt worden seien. Der Einheitssatz dürfte daher vor ausreichender Feststellung der erforderlichen Baukosten festgesetzt worden sein. Daher sei § 1, der die Baukostensumme und die Höhe des Einheitssatzes normiere, gesetzwidrig.

3.2.1. Die Niederösterreichische Landesregierung geht in ihrer Äußerung zunächst auf die Entstehungsgeschichte des § 3a KanalG ein und erwähnt, die Erläuterungen zu dem Antrag, der zu der Regelung geführt habe, differenzierten nicht zwischen der Erweiterung (bzw. dem Umbau) einer bestehenden Kanalanlage und einem Neubau.

Alleiniger Gegenstand der Verordnung sei die Erhebung von Vorauszahlungen auf die Kanaleinmündungsabgabe. Daran ändere es nichts, daß sich § 1 Abs 2 der Verordnung auf § 6 Abs 2 KanalG beziehe und daß § 11 der Verordnung [gemeint vielleicht §§8 und 9; die Verordnung besteht aus nur neun Paragraphen] den Ausdruck "Kanalabgabenordnung" verwende. Die Verordnung könne sich nicht auf § 6 Abs 1 KanalG stützen, da zum Zeitpunkt ihrer Erlassung für den Ortsteil Siedlung Maria Theresia keine Kanalanlage vorhanden gewesen sei. § 3a Abs 1 KanalG enthalte jedoch eine selbständige Verordnungsermächtigung für Vorauszahlungen. Die Verordnung finde daher in § 3a KanalG ihre Deckung; die Angabe einer falschen Rechtsgrundlage habe keinen Einfluß auf die Gesetzmäßigkeit der Verordnung (Hinweis auf VfSlg. 14938/1997).

Zum Eventualantrag des Verwaltungsgerichtshofes führt die Landesregierung zunächst aus, der Ausdruck "Kostenvoranschlag" werde in der Rechtsordnung nicht einheitlich verwendet; auch die Zusammenfassung nicht detailliert aufgeschlüsselter Kostenberechnungen könnte darunter fallen. Die Baukostensumme von S 95 Mio., die in § 1 der Verordnung angeführt werde, setze sich zusammen aus

a) S 81 Mio., das seien die Kosten für das wasserrechtlich bewilligte Projekt einer Schmutzwasserkanalisation, wie sie von dem mit der Ausschreibung und Bauüberwachung beauftragten Zivilingenieurbüro berechnet worden seien, und

b) weiteren S 14 Mio., das sei jener Anteil, den die Gemeinde Eggendorf anteilsmäßig als Verbandsmitglied des Piestingtaler Abwasserverbandes für die Errichtung der Verbandsanlagen zu leisten habe. Der Anteil betrage 10 % der Gesamtkosten; er ergebe sich aus einer Gegenüberstellung der Einwohnergleichwerte für den Ortsteil Siedlung Maria Theresia (6.000) und der Dimensionierung der Kläranlage des Abwasserverbandes (60.000). Die Kostenschätzung für die Verbandsanlagen basiere auf "Kostenkurven", die beim Amt der Niederösterreichischen Landesregierung geführt würden und in welche die Herstellungskosten bereits errichteter Anlagen einflössen; weiters seien zwei damals aktuelle Studien berücksichtigt worden. Über Ersuchen des Verfassungsgerichtshofes legte die Landesregierung ihre Unterlagen vor, und zwar eine "Studie Abwasserentsorgung Lainsitztal", die vom Institut für Wassergüte und Abfallwirtschaft der Technischen Universität Wien 1996 erstellt worden war, und einen Auszug aus der Aktualisierung einer weiteren Abwasserstudie (Großraum Bruck/Leitha - Neusiedl/See).

3.2.2. Die Gemeinde Eggendorf tritt in ihrer Äußerung der Ansicht des Verwaltungsgerichtshofs entgegen, eine Kanalabgabenordnung dürfe erst erlassen werden, sobald die Anlage fertiggestellt sei. § 3a Abs 3 KanalG gehe offenbar davon aus, daß zum Zeitpunkt der Vorschreibung von Vorauszahlungen bereits eine Kanalabgabenordnung vorliege. Gemäß § 3 KanalG seien der Berechnung des Einheitssatzes jene Baukosten zugrundezulegen, die sich im Zeitpunkt des Gemeinderatsbeschlusses für die gesamte Anlage ergäben. Dieser Bestimmung hätte es nicht bedurft, wenn nur die tatsächlichen Baukosten zugrundezulegen seien. Selbst wenn eine Kanalabgabenordnung gemäß § 6 KanalG aber erst nach Fertigstellung der Anlage erlassen werden dürfte, seien die Vorauszahlungen aufgrund einer besonderen Verordnung zu beschließen; der Einheitssatz sei dabei aufgrund der projektierten Kosten festzulegen. Die angefochtene Verordnung sei jedenfalls eine Verordnung iSd § 3a Abs 3 KanalG.

Zum Eventualantrag bringt die Gemeinde vor, zum Zeitpunkt der Vorschreibung von Vorauszahlungen lägen nur Schätzungen der Baukosten vor; daher habe das Gesetz die Höhe der Vorauszahlungen mit 80 % der zu diesem Zeitpunkt zu errechnenden Kanaleinmündungsabgabe beschränkt. Müßte man die genaue Kenntnis der Baukosten abwarten, so wäre § 3a KanalG "hinfällig". Das Gesetz lege aber fest, wie Vorauszahlungen mit den endgültig ermittelten Kanaleinmündungsabgaben zu verrechnen seien; der Gesetzgeber sei also offenbar nicht von identen Beträgen ausgegangen. Die Differenz von S 14 Mio. liege unter der 20-%-Grenze, die das Gesetz als Toleranz zwischen der Vorauszahlung und der vorläufig ermittelten Kanaleinmündungsabgabe festgelegt habe. Die Gemeinde habe sich im Rahmen ihrer Kostenschätzung an einem Vergleichsprojekt orientiert. Der zugrundegelegte Laufmeterpreis beruhe auf Erfahrungswerten des Landes Niederösterreich (gemeint: des Amtes der Landesregierung).

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Zur Zulässigkeit:

1.1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iS des Art 140 B-VG bzw. des Art 139 B-VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, daß die - angefochtene - generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlaßfall bildet (zB VfSlg. 9811/1983, 10296/1984, 11565/1987, 12189/1989 uva.).

Im vorliegenden Fall geht es nach den Antragsausführungen um die Vorschreibung von Vorauszahlungen auf die Kanaleinmündungsabgabe gemäß § 3a KanalG. Der Verwaltungsgerichtshof begründet die Präjudizialität der mit dem Primärantrag angefochtenen gesamten Verordnung nicht weiter. Nach dem Inhalt der Verordnung ist es auszuschließen, daß der antragstellende Gerichtshof etwa die §§2, 3, 5 oder 6 anzuwenden hätte, die sich mit Ergänzungs- und Sonderabgaben und mit Kanalbenützungsgebühren beschäftigen. Es ist nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshofes zu untersuchen, ob und inwiefern welche angegriffene Norm für das antragstellende Gericht präjudiziell sein könnte (VfSlg. 12869/1991, 13445/1993, 14314/1995, 14795/1997). Mit der Behauptung, die ganze Verordnung hätte (aufgrund des § 6 KanalG) nicht erlassen werden dürfen, kann ihre Präjudizialität jedenfalls nicht begründet werden (vgl. VfSlg. 13000/1992, 14314/1995).

Der Primärantrag entspricht insoweit nicht § 57 VfGG und ist daher zurückzuweisen.

1.2. Mit dem Eventualantrag ficht der Verwaltungsgerichtshof nur § 1 der Verordnung an. Auch wenn er dessen Präjudizialität nicht näher begründet, ist es nach dem übrigen Antragsvorbringen doch offenkundig, daß er § 1 der Verordnung anzuwenden hat. Der Eventualantrag ist daher zulässig.

2. In der Sache:

2.1. Der Verwaltungsgerichtshof hegt zunächst das Bedenken, die Verordnung - und damit auch deren § 1 - hätte vor Beginn des Bauvorhabens und vor Kenntnis der tatsächlichen Baukosten nicht erlassen werden dürfen.

2.1.1.1. Gemäß § 2 KanalG ist die Kanaleinmündungsabgabe für den möglichen Anschluß an die öffentliche Kanalanlage zu entrichten. Die Pflicht zur Entrichtung dieser Abgabe entsteht somit unter Umständen bereits vor Beginn des förmlichen Benützungsverhältnisses. Die Kanaleinmündungsabgabe ist daher im Sinne der ständigen Rechtsprechung (VfSlg. 10947/1986, 11376/1987, 15608/1999, 16116/2001, 16377/2001; ) keine Benützungsgebühr iSd § 14 Abs 1 Z 16, § 15 Abs 3 Z 5 FAG 1997 (bzw. der Vorgängerbestimmungen; nunmehr § 15 Abs 1 Z 14, § 16 Abs 3 Z 4 FAG 2001), sondern ein Interessentenbeitrag iSd § 14 Abs 1 Z 15 FAG 1997 (bzw. der Vorgängerbestimmungen; nunmehr § 15 Abs 1 Z 13 FAG 2001). Solche Beiträge sind gemäß § 14 Abs 2 FAG 1997 ausschließliche Gemeindeabgaben; gemäß § 8 Abs 5 F-VG 1948 müssen die wesentlichen Merkmale dieser Abgaben, insbesondere auch ihr zulässiges Höchstausmaß, durch Landesgesetz bestimmt sein.

Diese Überlegungen gelten umso mehr für Vorauszahlungen iSd § 3a KanalG. Ihr zulässiges Höchstmaß ist in § 3a Abs 3 und 4 jeweils iVm § 3 Abs 3 KanalG bestimmt.

Gemäß § 3a Abs 4 KanalG ist die Vorauszahlung mit einem Hundertsatz jenes Betrages zu erheben, der gemäß § 3 als Kanaleinmündungsabgabe zu entrichten wäre. Liegt eine Kanalabgabenordnung zum Zeitpunkt der Vorschreibung noch nicht vor, so ist gemäß § 3a Abs 3 KanalG in der Verordnung über die Erhebung der Vorauszahlungen der Einheitssatz gemäß § 3 aufgrund des Kostenvoranschlages und der projektierten Rohrnetzlänge festzulegen. Der Kostenvoranschlag tritt somit in diesem Fall an die Stelle der nach § 3 Abs 3 KanalG maßgeblichen Baukosten.

§ 3a KanalG differenziert mithin danach, ob eine Kanalabgabenordnung bereits vorliegt oder nicht.

2.1.1.2. In der Gemeinde Eggendorf bestand bereits vor Erlassung der angefochtenen Verordnung eine Kanalabgabenordnung. Die Vorauszahlungen wurden dennoch nicht aufgrund der Beiträge vorgeschrieben, die sich aus dieser Kanalabgabenordnung ergeben hätten, sondern aufgrund der eigens erlassenen angefochtenen Verordnung. Daß die Gemeinde nicht auf die bestehende Kanalabgabenordnung zurückgriff, wird vom Verwaltungsgerichtshof nicht gerügt und steht mit dem Gesetz in Einklang, weil die neu zu errichtende Kanalanlage für den Ortsteil Siedlung Maria Theresia einen eigenen Entsorgungsbereich hat und gemäß § 1 Abs 4 KanalG die Kanalerrichtungsabgaben (und Kanalbenützungsgebühren) daher uU in anderer Höhe festzusetzen sind, wenn sich ein unterschiedliches Kostendeckungserfordernis ergibt. Der Verfassungsgerichtshof versteht § 6 Abs 1 KanalG dahin, daß Vorauszahlungen (iSd § 3a KanalG) für derartige, getrennte Kanalanlagen nicht auf der Grundlage einer Kanalabgabenordnung zu berechnen sind, die zwar besteht, aber eine andere Kanalanlage im Auge hat. Denn es ist offenkundig, daß § 3a Abs 4 KanalG von der Höhe der zukünftig zu entrichtenden Kanaleinmündungsabgabe ausgeht, die im beschriebenen Fall von der in der bestehenden Kanalabgabenordnung vorgesehenen abweicht.

2.1.2. Gemäß § 6 Abs 1 KanalG ist in jeder Gemeinde, in der eine öffentliche Kanalanlage "vorhanden ist", gleichzeitig mit dem Beschluß über die Einhebung von Kanalerrichtungsabgaben und Kanalbenützungsgebühren eine Kanalabgabenordnung zu beschließen. Der Verwaltungsgerichtshof schließt aus dieser Formulierung, daß eine Kanalabgabenordnung erst erlassen werden dürfe, sobald die Kanalanlage "vorhanden ist". Vorauszahlungen gemäß § 3a Abs 4 KanalG, der eine Kanalabgabenordnung bereits voraussetzt, wären dann nur möglich, wenn nicht eine Kanalanlage neu errichtet, sondern eine bereits vorhandene Anlage erweitert oder umgebaut wird.

2.1.3. Dagegen spricht der Wortsinn des § 3a Abs 4 KanalG: Der Ausdruck "des Projektes der Kanalanlage" deutet eher auf einen Neubau als (nur) auf eine Erweiterung oder einen Umbau hin; andernfalls hätte der Gesetzgeber eher von einem Projekt der Erweiterung gesprochen. Auch § 3a Abs 1 KanalG spricht von einem "bewilligte[n] und vom Gemeinderat beschlossene[n] Projekt" für eine Kanalanlage, unterscheidet somit nicht zwischen Neubauten und Erweiterungen oder Umbauten. Diese Frage kann jedoch letztlich auf sich beruhen. Denn nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes genügt es, wenn sich eine Verordnung auf irgendeine gesetzliche Ermächtigung stützen kann (VfSlg. 2276/1952, 2432/1952, 4375/1963, 9253/1981). Wie die Niederösterreichische Landesregierung und die mitbeteiligte Gemeinde zutreffend ausgeführt haben, ermächtigt aber § 3a Abs 1 und 3 KanalG jedenfalls zur Erlassung einer Verordnungsbestimmung, mit der Vorauszahlungen vorgesehen werden.

§ 1 der Verordnung findet daher in § 3a Abs 3 KanalG seine Deckung. Die Bezeichnung der Verordnung als "Kanalabgabenordnung" und die Angabe des § 6 KanalG als Rechtsgrundlage haben, selbst wenn § 6 KanalG nicht zur Erlassung der angefochtenen Verordnung ermächtigen sollte, keinen Einfluß auf ihre Gesetzmäßigkeit (VfSlg. 2432/1952, 9253/1981, 14938/1997).

2.1.4. Das primäre Bedenken des Verwaltungsgerichtshofes trifft somit nicht zu.

2.2. Der Verwaltungsgerichtshof hegt das weitere Bedenken, § 1 der Verordnung sei gesetzwidrig, weil der dort genannte Betrag von S 95 Mio. teilweise (nämlich im Ausmaß von S 14 Mio.) mit einem nicht näher erläuterten Schätzwert angesetzt worden sei. Nachvollziehbar erscheinen dem Verwaltungsgerichtshof nur S 81 Mio.

2.2.1. Die Verordnungsakten, die dem Verfassungsgerichtshof vorgelegt worden sind, enthalten einen Kostenvoranschlag für eine Schmutzwasserkanalisation (Ortsnetz) über S 81 Mio. Sie enthalten weiters eine Unterlage für die Kostenberechnung, welche zusätzlich zu den S 81 Mio. einen "Anteil Kläranlage 10 % (geschätzt)" von S 12 Mio. und einen "Anteil Transportleitungen 10 % (geschätzt)" von S 2 Mio. ausweist und somit insgesamt zu S 95 Mio. kommt. Bei diesen insgesamt S 14 Mio handelt es sich, wie die Landesregierung ausführt, um den Anteil, den die Gemeinde Eggendorf als Verbandsmitglied des Piestingtaler Abwasserverbandes für die Errichtung der Verbandsanlagen zu leisten hat. Der Verfassungsgerichtshof hat keinen Zweifel, daß ein solcher Anteil grundsätzlich Teil der gesamten Baukosten iSd § 3 Abs 3 KanalG und daher dem Einheitssatz zugrundezulegen ist. Auch der Verwaltungsgerichtshof hat keine Bedenken in dieser Richtung geäußert. Strittig ist nur, ob auch für diese Kosten (also die Baukosten der Verbandsanlagen) ein Kostenvoranschlag im engeren Sinn vorzulegen ist oder ob die Schätzungen genügen, welche das Amt der Niederösterreichischen Landesregierung angestellt hat.

2.2.2. Sinn und Zweck des § 3a Abs 3 KanalG ist es offenbar, für den Fall, daß keine Kanalabgabenordnung vorliegt, eine den § 3a Abs 4 iVm § 3 Abs 3 KanalG ergänzende Regelung zu schaffen. Nach § 3a Abs 4 KanalG beträgt die Vorauszahlung einen Hundertsatz jenes Betrages, "der unter Zugrundelegung des Projektes der Kanalanlage sowie des Umfanges der bestehenden oder in Bau befindlichen Gebäude (Anlage) gemäß den Bestimmungen des § 3 zu entrichten wäre". Nach § 3 Abs 3 KanalG sind die "im Zeitpunkt des Gemeinderatsbeschlusses für die gesamte Kanalanlage einschließlich der Nebenanlagen erforderlichen Baukosten" zugrundezulegen.

§ 3a Abs 3 KanalG macht einen Kostenvoranschlag zur Voraussetzung einer Verordnung und verfolgt damit den offenkundigen Zweck, von einer Grundlage auszugehen, die in einem realistischen Verhältnis zu den letztlich tatsächlich anfallenden Baukosten steht. Bedenkt man diesen Zweck, so hat der Verfassungsgerichtshof keinen Zweifel, daß die konkret vorliegende Kostenberechnung eines Zivilingenieurs für Kulturtechnik und Wasserwirtschaft, die - in untergeordnetem Ausmaß - auch Schätzungen, die von der Abteilung Siedlungswasserwirtschaft beim Amt der Niederösterreichischen Landesregierung auf Grund von Erfahrungswerten erstellt worden sind, enthält, ausreicht, um die gesetzliche Voraussetzung zu erfüllen. Es kann davon ausgegangen werden, daß der Sachverstand, der erforderlich ist, um einen Kostenvoranschlag zu erstellen, und über den typischerweise ein Unternehmer verfügt, der solche Arbeiten durchführt und mit ihnen betraut werden soll, in einem Fall wie dem vorliegenden zum Tragen kommt und daß auch die vorgelegte Kostenberechnung eine objektive Grundlage für die zu erwartenden Kosten abgibt. Diese Einschätzung wird im übrigen durch die vorgelegten Unterlagen bestätigt.

2.2.3. Die Bedenken des Verwaltungsgerichtshofs treffen daher nicht zu: § 1 der Verordnung wurde aufgrund eines Kostenvoranschlags iSd § 3a Abs 3 KanalG erlassen.

2.3. Dem Eventualantrag war somit keine Folge zu geben.

2.4. Kosten waren - soweit sie für abgegebene Äußerungen verzeichnet wurden - nicht zuzusprechen, weil es im Falle eines Normprüfungsverfahrens, das - wie hier - aufgrund eines Gerichtsantrages eingeleitet wurde, Aufgabe des antragstellenden Gerichtes ist, über allfällige Kostenersatzansprüche nach den für sein Verfahren geltenden Vorschriften zu erkennen (VfSlg. 14631/1996, 15785/2000 uva.).

2.5. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.