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VfGH vom 05.03.2008, V95/07

VfGH vom 05.03.2008, V95/07

Sammlungsnummer

18403

Leitsatz

Keine Gesetzwidrigkeit einer Bestimmung einer Kanalgebührenordnung betreffend die Kanalbereitstellungsgebühr infolge gesetzeskonformer Interpretation; Vorschreibung der Benützungsgebühr für unbebaute Grundstücke nur im Fall eines tatsächlich existierenden und vom Eigentümer selbst begehrten Anschlusses des Grundstücks an die Kanalisationsanlage zulässig

Spruch

§ 3 a der Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Neuhofen a.d. Krems vom , mit der eine Kanalgebührenordnung für die Kanalisation der Marktgemeinde Neuhofen a. d. Krems erlassen wird, wird nicht als gesetzwidrig aufgehoben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Verfassungsgerichtshof hat aus Anlass der zu B1759/06

protokollierten Beschwerde gegen einen Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung von Amts wegen beschlossen, die Gesetzmäßigkeit des § 3 a der Kanalgebührenordnung der Marktgemeinde Neuhofen a.d. Krems zu prüfen.

2. Die Rechtslage stellt sich wie folgt dar:

Die hier maßgeblichen Teile der Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Neuhofen a.d. Krems vom , mit der eine Kanalgebührenordnung für die Kanalisation der Marktgemeinde Neuhofen a. d. Krems erlassen wird (in der Folge: Kanalgebührenordnung), lauten auszugsweise (die in Prüfung gezogene Bestimmung ist hervorgehoben):

"§1

Anschlussgebühr

Für den Anschluss ... wird ... eine Kanalanschlussgebühr

erhoben. Gebührenpflichtig ist der Eigentümer der angeschlossenen Grundstücke. ...

§2

Ausmaß der Anschlussgebühr

1. ...

2. Die Bemessungsgrundlage bildet bei eingescho[ß]iger Verbauung die Quadratmeterzahl der verbauten Grundfläche, bei mehrgescho[ß]iger Verbauung die Summe der verbauten Fläche der einzelnen Gescho[ß]e jener Bauwerke, die einen unmittelbaren oder mittelbaren Anschluss an das gemeindeeigene öffentliche Kanalnetz aufweisen.

Bei der Berechnung ist auf volle Quadratmeter der einzelnen Gescho[ß]e abzurunden.

...

3. - 6. ...

7. Für den Anschluss von unbebauten Grundstücken ist eine Anschlussgebühr im Ausmaß von 150 m² zu entrichten. Diese Vorleistung ist als dingliches Recht für die betreffende Parzelle zu werten.

§3

Kanalbenützungsgebühr

1. ...

2. Die Gebührenpflicht beginnt mit dem Jahr, in welchem der Hauskanal tatsächlich an das öffentliche Kanalnetz angeschlossen wurde bzw. dann, wenn dem Liegenschaftsbesitzer durch die Gemeinde die Möglichkeit geschaffen wurde, die Hausabwässer in das gemeindeeigene öffentliche Kanalnetz abzuleiten. Bei Neuanschluss wird von den Liegenschaftseigentümern im ersten Jahr nur die anteilsmäßige Kanalbenützungsgebühr (ein Zwölftel der Jahresgebühr pro Monat) eingehoben.

3. Die Gebührenpflicht ist für Gebäudeteile bzw. für jene Gescho[ß]e nicht gegeben, die aufgrund ihres Bauzustandes in keinem bewohnbaren Zustand sind. Als bewohnbar werden Räumlichkeiten dann angesehen, wenn Fenster eingemauert bzw. Wände und Decke verputzt sind, eine Heizungsmöglichkeit besteht und ein Fußboden, welcher Art immer, auf der Betondecke bzw. auf dem Estrich verlegt ist.

§3 a

Kanalbereitstellungsgebühr

1. Für die Bereitstellung des Kanalnetzes wird für angeschlossene aber unbebaute Grundstücke eine jährliche Kanalbereitstellungsgebühr erhoben. Gebührenpflichtig ist der Eigentümer des an die Kanalisation angeschlossenen, jedoch unbebauten Grundstückes.

2. Die Bereitstellungsgebühr beträgt für Grundstücke

bis 2000 m² € 0,15 jährlich je m² zzgl.

der gesetzlichen MWSt.

von 2001 bis 3000 m² € 0,10 jährlich je m² zzgl.

der gesetzlichen MWSt.

von 3001 bis 4000 m² € 0,08 jährlich je m² zzgl.

der gesetzlichen MWSt.

von 4001 bis 6000 m² € 0,07 jährlich je m² zzgl.

der gesetzlichen MWSt.

über 6000 m² € 0,06 jährlich je m² zzgl.

der gesetzlichen MWSt.

§4

Fälligkeit

1. Die Kanalanschlussgebühr wird mit dem Anschluss eines Grundstückes an das gemeindeeigene, öffentliche Kanalnetz bzw. dann fällig, wenn die Gemeinde eine Anschlussmöglichkeit geschaffen hat.

...".

§ 16 Abs 3 Z 4 des Finanzausgleichsgesetzes 2001, BGBl. I 3 (in der Folge: FAG 2001), lautete:

"D. Gemeindeabgaben auf Grund freien Beschlussrechtes

§16. (1) ...

(2) ...

(3) Die Gemeinden werden ferner ermächtigt, durch Beschluss der Gemeindevertretung folgende Abgaben vorbehaltlich weiter gehender Ermächtigung durch die Landesgesetzgebung auszuschreiben:

1. - 3. ...;

4. Gebühren für die Benützung von Gemeindeeinrichtungen und -anlagen, die für Zwecke der öffentlichen Verwaltung betrieben werden, mit Ausnahme von Weg- und Brückenmauten, bis zu einem Ausmaß, bei dem der mutmaßliche Jahresertrag der Gebühren das doppelte Jahreserfordernis für die Erhaltung und den Betrieb der Einrichtung oder Anlage sowie für die Verzinsung und Tilgung der Errichtungskosten unter Berücksichtigung einer der Art der Einrichtung oder Anlage entsprechenden Lebensdauer nicht übersteigt."

Die seit unverändert in Kraft stehende Bestimmung des § 15 Abs 3 Z 4 Finanzausgleichsgesetz 2005, BGBl. I 156/2004 (in der Folge: FAG 2005), ist mit der zitierten Regelung des FAG 2001 identisch.

§ 1 des Oö. Interessentenbeiträge-Gesetzes 1958, LGBl. 28, idF LGBl. 57/1973 lautet auszugsweise:

"§1.

(1) Die Gemeinden werden ermächtigt, auf Grund eines Beschlusses der Gemeindevertretung folgende Interessentenbeiträge von Grundstückseigentümern und Anrainern (derzeit § 13 Abs 1 Z. 15 des Finanzausgleichsgesetzes 1973, BGBl. Nr. 445/1972) zu erheben:

a) den Beitrag zu den Kosten der Errichtung einer gemeindeeigenen Kanalisationsanlage - Kanal-Anschlußgebühr;

b) den Beitrag zu den Kosten der Errichtung einer gemeindeeigenen Wasserversorgungsanlage - Wasserleitungs-Anschlußgebühr;

c) den Beitrag zu den Kosten der Errichtung einer gemeindeeigenen Einrichtung zur Abfuhr oder Beseitigung von Müll - Müllabfuhr(Müllbeseitigungs)-Anschlußgebühr.

Als gemeindeeigen im Sinne dieses Gesetzes gilt eine Anlage (Einrichtung), deren sich die Gemeinde zur Erfüllung der ihr obliegenden öffentlichen Aufgaben bedient, auch dann, wenn die Anlage (Einrichtung) nicht oder nicht zur Gänze im Eigentum der Gemeinde steht.

(2) ...

(3) ...

(4) Die Interessentenbeiträge werden mit dem Anschluß an die gemeindeeigene Anlage (Einrichtung) gemäß Abs 1 lita, b oder c fällig.

(5) Liegt für eine gemeindeeigene Anlage (Einrichtung gemäß Abs 1 lita, b oder c oder für die Erweiterung einer solchen Anlage (Einrichtung) ein mit einem Kostenvoranschlag belegtes Projekt vor, wurden die nach den jeweils in Betracht kommenden gesetzlichen Vorschriften allenfalls erforderlichen behördlichen Bewilligungen für die Errichtung bzw. Erweiterung der Anlage (Einrichtung) auf Grund dieses Projektes erteilt und hat die Gemeinde die Errichtung bzw. Erweiterung der Anlage (Einrichtung) nach diesem Projekt beschlossen und finanziell sichergestellt, so ist die Gemeinde berechtigt, auf Grund eines Beschlusses der Gemeindevertretung vom Zeitpunkt des Baubeginnes an Vorauszahlungen auf die nach Abs 1 lita, b oder c zu leistenden Interessentenbeiträge zu erheben. Zur Leistung von Vorauszahlungen sind jene Grundstückseigentümer und Anrainer verpflichtet, die nach den jeweils hiefür maßgeblichen Vorschriften sowie nach dem Projekt der Anlage (Einrichtung) zum Anschluß verpflichtet sind.

(6) ...

(7) ...

(8) ..."

Die §§25 und 28 des Oö. Raumordnungsgesetzes 1994, LGBl. 114/1993, idF LGBl. 115/2005 lauten:

"§25

Aufschließungsbeitrag im Bauland

(1) Die Gemeinde hat dem Eigentümer eines Grundstücks oder Grundstücksteils, das im rechtswirksamen Flächenwidmungsplan als Bauland gewidmet, jedoch nicht bebaut ist, je nach Aufschließung des Grundstücks durch eine gemeindeeigene Abwasserentsorgungsanlage, eine gemeindeeigene Wasserversorgungsanlage (§1 Abs 1 O.ö. Interessentenbeiträge-Gesetz 1958) oder eine öffentliche Verkehrsfläche der Gemeinde einen Aufschließungsbeitrag vorzuschreiben. Abgabepflichtig ist derjenige, der im Zeitpunkt der Vorschreibung Eigentümer des Grundstücks oder Grundstücksteils ist.

(2) Die Verpflichtung, einen Aufschließungsbeitrag zu entrichten, besteht bis zur Vorschreibung jeweils

1. des Beitrags zu den Kosten der Errichtung einer gemeindeeigenen Kanalisationsanlage (§1 Abs 1 lita Interessentenbeiträge-Gesetz 1958) oder

2. ...

3. ... und nur insoweit, als das jeweilige Grundstück durch

eine gemeindeeigene Abwasserentsorgungsanlage, eine gemeindeeigene Wasserversorgungsanlage oder eine öffentliche Verkehrsfläche tatsächlich aufgeschlossen ist.

(3) Als bebaut gilt ein Grundstück,

1. auf dem ein Gebäude errichtet ist, das nicht unter § 3 Abs 2

Z. 5 der Oö. Bauordnung 1994 fällt, oder

2. auf dem mit dem Bau eines solchen Gebäudes im Sinn der O.ö. Bauordnung 1994 tatsächlich begonnen wurde oder

3. das mit einem Grundstück gemäß Z. 1 und 2 eine untrennbare wirtschaftliche Einheit bildet und an dieses unmittelbar angrenzt.

(4) Als aufgeschlossen gilt ein Grundstück, wenn es selbständig bebaubar ist und

1. von dem für den Anschluß in Betracht kommenden Kanalstrang nicht mehr als 50 m entfernt liegt oder

2. von der für den Anschluß in Betracht kommenden Wasserversorgungsanlage nicht mehr als 50 m entfernt liegt oder

3. durch eine öffentliche Verkehrsfläche der Gemeinde im Sinn der O.ö. Bauordnung 1994 aufgeschlossen ist.

(5) Der Aufschließungsbeitrag ist durch Bescheid der Gemeinde vorzuschreiben und in fünf aufeinanderfolgenden Kalenderjahren in jährlichen Raten zu je 20% fällig.

(6) ...

(7) ...

...

§28

Erhaltungsbeitrag im Bauland

(1) Die Gemeinde hat dem Eigentümer eines Grundstücks oder Grundstücksteils, das im rechtswirksamen Flächenwidmungsplan als Bauland gewidmet, jedoch nicht bebaut ist, je nach Aufschließung des Grundstücks durch eine gemeindeeigene Abwasserentsorgungsanlage oder eine gemeindeeigene Wasserversorgungsanlage jährlich einen Erhaltungsbeitrag vorzuschreiben.

(2) Die Verpflichtung zur Entrichtung des Erhaltungsbeitrags besteht ab dem fünften Jahr nach der Vorschreibung des entsprechenden Aufschließungsbeitrags. Sie endet mit der Vorschreibung der im § 26 Abs 5 Z. 1 und 2 genannten Beiträge oder der Entrichtung der entsprechenden privatrechtlichen Anschlußgebühr.

(3) Der Erhaltungsbeitrag beträgt für die Aufschließung durch eine Abwasserentsorgungsanlage 15 Cent und für die Aufschließung durch eine Wasserversorgungsanlage 7 Cent pro Quadratmeter.

(4) § 25 Abs 3, 4, 6 und 7 sowie § 26 Abs 1 Z. 1, Abs 4 und 7 gelten sinngemäß.

(5) Die Erhaltungsbeiträge sind ausschließliche Gemeindeabgaben im Sinn des § 6 Abs 1 Z. 5 des Finanz-Verfassungsgesetzes 1948.

(6) Nähere Bestimmungen über die Vorschreibung des Erhaltungsbeitrags kann die Landesregierung durch Verordnung festlegen."

Das Oö. Abwasserentsorgungsgesetz 2001, LGBl. 27, bestimmt (auszugsweise):

"§2

Begriffsbestimmungen; Abgrenzung

(1) Im Sinn dieses Landesgesetzes bedeutet:

...

13. Objekt: ein Gebäude, in dem bei bestimmungsgemäßer Nutzung häusliches oder betriebliches Abwasser anfällt; mehrere Gebäude, die den Hofbereich eines land- und forstwirtschaftlichen Anwesens bilden, gelten als ein Objekt.

...

§12

Anschlusspflicht

(1) Für Objekte besteht Anschlusspflicht an die öffentliche Kanalisation, wenn

1. ...

2. ..."

3. Der Verfassungsgerichtshof hat seine Bedenken im Wesentlichen damit begründet, dass der Bestimmung des § 3 a der Kanalgebührenordnung der Marktgemeinde Neuhofen a.d. Krems keine gesetzliche Ermächtigung zugrundeliegen dürfte: Die Vorschreibung einer Kanalbereitstellungsgebühr für "angeschlossene aber unbebaute" Grundstücke könne anscheinend nicht als Benützungsgebühr im Sinne der finanzausgleichsgesetzlichen Ermächtigung angesehen werden, weil ein "förmliches Benützungsverhältnis" des Kanalnetzes durch den Eigentümer eines unbebauten Grundstückes im Regelfall nicht anzunehmen sei.

Im Einzelnen hat der Gerichtshof dazu ausgeführt:

"... Der in Prüfung gezogene § 3 a der Verordnung normiert die

Verpflichtung zur Leistung einer jährlichen 'Kanalbereitstellungsgebühr' für angeschlossene, aber unbebaute Grundstücke. Der Gerichtshof geht vorläufig - im Einklang mit der belangten Behörde - davon aus, dass die in Prüfung gezogene Bestimmung nicht auf das Oö. Interessentenbeiträge-Gesetz 1958 gestützt werden kann. Dieses Gesetz ermächtigt nämlich im Zusammenhang mit Kanalanlagen bloß zur Erhebung einer 'Anschlussgebühr': Nach § 1 Abs 1 lita leg.cit. ist die Gemeinde ermächtigt, als Beitrag zu den Kosten der Errichtung einer Kanalanlage eine Anschlussgebühr vorzuschreiben. Diese Ermächtigung ist somit als Grundlage für eine einmalig (und nicht für eine jährlich) anfallende Gebühr zu verstehen.

Von dieser Ermächtigung zur Ausschreibung einer Anschlussgebühr dürfte die verordnungserlassende Gemeinde mit der in den §§1 und 2 der Verordnung geregelten (einmaligen) 'Anschlussgebühr' Gebrauch gemacht haben, deren Höhe sich nach der Gebäudekubatur und bei unbebauten (aber angeschlossenen) Grundstücken nach der Grundfläche richtet.

Eine Rechtsgrundlage für die Erhebung der in § 3 a der Verordnung geregelten Bereitstellungsgebühr scheint das Oö. Interessentenbeiträge-Gesetz 1958 hingegen nicht zu enthalten. Da auch eine andere landesgesetzliche Grundlage fehlen dürfte, käme als gesetzliche Grundlage für die strittige Bereitstellungsgebühr anscheinend nur die finanzausgleichsgesetzliche Ermächtigung zur Ausschreibung von Benützungsgebühren in Frage (§16 Abs 3 Z 4 FAG 2001 bzw. § 15 Abs 3 Z 4 FAG 2005).

Der Verfassungsgerichtshof hegt nun vorläufig das Bedenken, dass laufend (jährlich) anfallende Bereitstellungsgebühren, die ausdrücklich für angeschlossene, aber unbebaute Grundstücke und ohne Rücksicht darauf normiert wurden, ob eine Bebauung überhaupt möglich, beabsichtigt und zulässig ist bzw. ob sie in absehbarer Zeit erfolgt, keinen Zusammenhang zu einem förmlichen Benützungsverhältnis (hinsichtlich der Kanalanlage) aufweisen und damit nicht unter den Begriff 'Benützungsgebühren' im Sinne des § 16 FAG 2001 (§15 FAG 2005) subsumierbar sind.

...

Zwar hat der Gerichtshof erkannt, dass in besonderen Fällen auch bei unbebauten Liegenschaften ein Zusammenhang mit der Benützung der Gemeindeeinrichtung gegeben sein kann, etwa schon während der Bauphase. In diesem Sinn war im Erkenntnis VfSlg. 16.748/2002 betreffend Wasseranschlussgebühren ausschlaggebend, 'dass das Erfordernis einer Abwasserbeseitigung typischerweise erst entsteht, sobald ein Gebäude benutzt wird, während Wasser typischerweise schon gebraucht wird, sobald mit dem Bau eines Gebäudes begonnen wird'. In diesem Fall, in dem die Gesetzmäßigkeit eines die Gebührenpflicht bereits ab 'Baubeginn' bzw. ab der 'Genehmigung des Ansuchens' normierenden Verordnungstatbestands zu beurteilen war, hat der Gerichtshof einen Zusammenhang zwischen der Verpflichtung zur Entrichtung von Wasseranschlussgebühren und dem 'Beginn eines förmlichen Benützungsverhältnisses' als gegeben erachtet und ist auf dieser Grundlage vom Vorliegen einer 'Benützungsgebühr' ausgegangen, die somit keiner speziellen landesgesetzlichen Ermächtigung bedurfte (ebenso das Erkenntnis VfSlg. 16.990/2003). Im Fall von Gebühren für Kanalanlagen hingegen, von deren Benützung schon vor Errichtung eines Gebäudes nicht auszugehen ist, wurden Beitragspflichten, deren Entstehung ohne hinreichende Verbindung zu einem förmlichen Benützungsverhältnis normiert war, in ständiger Rechtsprechung als Interessentenbeiträge eingestuft, die einer landesgesetzlichen Ermächtigung bedürfen (VfSlg. 16.873/2003, 17.335/2004, 17.744/2005).

Da ein 'förmliches Benützungsverhältnis' der Kanalanlage bei unbebauten, wenn auch "angeschlossenen" Grundstücken anscheinend nicht vorliegen kann, dürfte der für eine Qualifikation als Benützungsgebühr vorausgesetzte Zusammenhang mit der Benützung nicht bestehen, so dass eine Deckung der Verordnungsbestimmung unmittelbar durch § 16 Abs 3 Z 4 FAG 2001 bzw. § 15 Abs 3 Z 4 FAG 2005 nicht gegeben zu sein scheint. Da - wie ausgeführt - auch dem Oö. Interessentenbeiträge-Gesetz 1958 oder sonstigen Landesgesetzen eine Ermächtigung für einen solchen Beitrag anscheinend nicht entnommen werden kann, dürfte der in Prüfung gezogenen Verordnungsbestimmung die gesetzliche Deckung daher fehlen und sie insofern gesetzwidrig sein. Ob sich an diesem Ergebnis etwas ändert, wenn der Anschluss an die Kanalanlage ohne Anschlussverpflichtung vorgenommen wird, wird im Verordnungsprüfungsverfahren zu erörtern sein."

4. Die im Anlassverfahren belangte Behörde hat sich zu den Bedenken des Gerichtshofes wie folgt geäußert:

"Zunächst darf dargelegt werden, aus welchen Überlegungen heraus den Gemeinden empfohlen wurde, in den Kanal- und Wassergebührenordnungen eine Bereitstellungsgebühr vorzusehen.

Gemäß § 25 Abs 2 des Oö. Raumordnungsgesetzes besteht die Verpflichtung, einen Aufschließungsbeitrag zu entrichten, bis zur Vorschreibung einer Kanalanschlussgebühr bzw. Wasserleitungsanschlussgebühr. Ebenso endet die Verpflichtung zur Entrichtung eines Erhaltungsbeitrages mit der Vorschreibung der Kanal- und Wasserleitungsanschlussgebühr. Dies bedeutet, dass nach Herstellen des Kanal- bzw. Wasserleitungsanschlusses bei unbebauten Grundstücken von den Gemeinden bisher keine laufenden Gebühren oder Beiträge eingehoben werden konnten. Deshalb haben viele Eigentümer von unbebauten Grundstücken den Anschluss angestrebt, damit sie keine Zahlungsverpflichtung zu tragen haben. Unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes, Slg. 10791/1986, haben wir mit Rundschreiben vom den Gemeinden empfohlen, die bestehenden Kanal- und Wassergebührenordnungen dahingehend zu ergänzen, dass eine Bereitstellungsgebühr für angeschlossene aber unbebaute Grundstücke vorgesehen wird.

Wir haben die Ansicht vertreten, dass eine solche Bereitstellungsgebühr auf der Basis des § 16 Abs 3 Z. 4 Finanzausgleichsgesetz 2001 als Komponente der Benützungsgebühr zulässig ist, weil für die Gemeinden Kosten nicht nur für die tatsächliche Leistung entstehen, sondern auch für die Bereithaltung der Anlage. Diese Meinung haben wir aus dem zitierten Erkenntnis abgeleitet.

In diesem Zusammenhang möchten wir auch ausdrücklich darauf hinweisen, dass gemäß § 12 Abs 1 des Oö. Abwasserentsorgungsgesetzes 2001 eine Anschlussverpflichtung nur für bebaute Grundstücke, nicht jedoch für unbebaute Grundstücke besteht. Wenn nun freiwillig ein Anschlusswerber den Anschluss an die gemeindeeigene Abwasserentsorgungsanlage beantragt, so ist eine entsprechende Anschlussgebührenvorschreibung nur rechtmäßig, wenn es im Sinne des § 1 Abs 4 des Interessentenbeiträgegesetzes 1958 auch tatsächlich zu einer Verbindung zwischen Grundstück und gemeindeeigener Anlage gekommen ist. Liegen diese Voraussetzungen - wie im vorliegende Beschwerdeverfahren - vor, so wird dem Grundeigentümer uneingeschränkt die Benützungsmöglichkeit der gemeindeeigenen Anlage eingeräumt. Wenn nun aber die Benützung der gemeindeeigenen Anlage dem Grundeigentümer uneingeschränkt offen steht, so ist die Vorschreibung einer Benützungsgebühr im Sinne des § 16 FAG nach h. Ansicht auch grundsätzlich gerechtfertigt.

Zu den Überlegungen des Verfassungsgerichtshofes, dass die vorliegende Bereitstellungsgebühr keinen Zusammenhang zu einem förmlichen Benützungsverhältnis aufweise, da dieser Tatbestand nicht darauf abstelle, ob eine Bebauung möglich, beabsichtigt und zulässig sei bzw. ob sie in absehbarer Zeit erfolge, weisen wir darauf hin, dass § 16 Abs 3 Z. 4 FAG 2001 nicht auf eine Bebauung abstelle, sondern als Tatbestandsmerkmal die Benützung der Gemeindeeinrichtung vorsieht! Diesbezüglich verweisen wir als Beispiel darauf, dass es durchaus vorkommt, dass die Eigentümer angeschlossener, aber unbebauter Grundstücke ihre Schwimmbadabwässer über den Übergabeschacht in die gemeindeeigene Anlage einleiten. In diesem Zusammenhang ist auch festzustellen, dass es durch die Errichtung von Schwimmbädern nicht zur Bebauung des Grundstückes im Sinne des § 2 der Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Neuhofen an der Krems kommt, da diese Bestimmung nur dann von einem Bauwerk ausgeht, wenn eine 'eingeschossige oder mehrgeschossige Bebauung' vorliegt.

Nachdem also mit dem Anschluss von unbebauten Grundstücken an die gemeindeeigene Abwasserentsorgungsanlage dem Grundeigentümer jederzeit uneingeschränkt die Möglichkeit eingeräumt worden ist, die Anlage zu benützen und der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis vom , GZ B370/85 feststellt, dass es durchaus sachlich gerechtfertigt sei, dass Gemeinden nicht nur für den Betrieb, sondern auch für die jederzeitige Bereitstellung der Versorgungsanlage Gebühren vorschreib[en], hat die Marktgemeinde Neuhofen an der Krems nach unserer Ansicht zurecht auf der Grundlage des § 16 Finanzausgleichsgesetz 2001 eine Bereitstellungsgebühr in der Verordnung vorgesehen."

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. An der Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Verordnungsbestimmung sind keine Zweifel entstanden. Da auch sonst keine Prozesshindernisse vorliegen, ist das Verordnungsprüfungsverfahren zulässig.

2. Die im Prüfungsbeschluss vorläufig geäußerten Bedenken des Verfassungsgerichtshofes konnten zerstreut werden.

Die Ermächtigung zur Ausschreibung von "Benützungsgebühren" nach § 16 Abs 3 Z 4 FAG 2001 bzw. § 15 Abs 3 Z 4 FAG 2005 erlaubt die Ausschreibung von Gebühren "für die Benützung von Gemeindeeinrichtungen". Soweit der Gerichtshof das Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit der vom Verordnungsgeber gewählten Bestimmung hatte, deren Wortlaut nicht danach differenziert, ob eine Bebauung möglich ist (und auch nicht danach, ob der Anschluss freiwillig erfolgt ist), ist er im Verfahren zur Auffassung gelangt, dass die Verordnungsbestimmung nicht nur anhand ihres - prima facie überschießenden - Wortlautes beurteilt werden kann, sondern dass dieser Wortlaut vor dem Hintergrund der hier insgesamt einschlägigen Gesetzeslage zu deuten ist. Die Oberösterreichische Landesregierung weist zu Recht darauf hin, dass eine Kanalanschlussverpflichtung nach dem Oö. Abwasserentsorgungsgesetz 2001 nur für bebaute Grundstücke eintreten kann. Daraus ergibt sich umgekehrt, dass ein Anschluss eines "unbebauten Grundstücks" an die gemeindeeigene Kanalanlage rechtmäßigerweise nur unter der Voraussetzung zustande kommen kann oder konnte, dass der Grundstückseigentümer (oder sein Rechtsvorgänger) den Anschluss des Grundstücks selbst begehrt oder ihm jedenfalls zugestimmt hat. Ist der Anschluss der Liegenschaft unter solchen Umständen erfolgt, dann besteht für den Eigentümer des derart angeschlossenen - wenn auch unbebauten - Grundstücks die Möglichkeit, die Kanalisationsanlage jederzeit zu benützen. Unter solchen Umständen kann daher (bereits) von einem Benützungsverhältnis und daher auch von einer Benützung einer Gemeindeeinrichtung im Sinne der einschlägigen finanzausgleichsrechtlichen Ermächtigung gesprochen werden. Ob und wie die solcherart bereitgestellte Anlage vom Grundstückseigentümer noch darüber hinaus genutzt wird, insbesondere, ob eine Bebauung erfolgt (bzw. erfolgen kann), ist eine davon zu unterscheidende, sachlich der Sphäre des Benutzers der bereitgestellten Anlage zuzuschreibende Frage.

Die in Prüfung gezogene Bestimmung ist somit gesetzeskonform so zu interpretieren, dass sie die Vorschreibung von "Bereitstellungsgebühren" im Fall unbebauter Grundstücke (nur) dann ermöglicht, wenn ein Anschluss des Grundstücks an die Kanalisationsanlage tatsächlich existiert und der Anschluss vom Eigentümer (bzw. seinem Rechtsvorgänger) selbst begehrt wurde.

3. Vor diesem Hintergrund erweisen sich die vorläufigen Bedenken des Gerichtshofes als unbegründet.

4. Dies konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung beschlossen werden.