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VfGH vom 25.02.1997, V94/96

VfGH vom 25.02.1997, V94/96

Sammlungsnummer

14759

Leitsatz

Gesetzwidrigkeit der Sternchensignatur einer Baulandfläche in einem Flächenwidmungsplan wegen Widerspruchs zum System der raumordnungsrechtlichen Widmungskategorien sowie zum verfassungsrechtlichen Gebot der Klarheit von Normen infolge mangelnder Erkennbarkeit des Ausmaßes des Bauplatzes und der Gebäudegrenzen

Spruch

1. Der Flächenwidmungsplan Nr. 2 der Gemeinde Kematen a.d. Krems vom 19. März und , genehmigt mit Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom , Z BauR-P-144004/5-1991, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 3. bis wird insoweit als gesetzwidrig aufgehoben, als auf dem Plan neben der Nr. 1036/3 ein Sternchen eingetragen ist.

2. Die Oberösterreichische Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aufhebung im Landesgesetzblatt verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Beim Verfassungsgerichtshof ist eine zu B2292/95 protokollierte Beschwerde gegen den Vorstellungsbescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom , Z BauR-011353/1-1994 Stö/Lan, mit dem der Vorstellung der beschwerdeführenden Nachbarn gegen den Berufungsbescheid des Gemeinderates der Marktgemeinde Kematen a.d. Krems betreffend die Erteilung einer Baubewilligung für den "Zubau eines Wohnhauses", keine Folge gegeben wurde, anhängig.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde, in der sich die Beschwerdeführer wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung, nämlich des Flächenwidmungsplanes Nr. 2 der Gemeinde Kematen a.d. Krems vom 19. März und , genehmigt mit Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom , Z BauR-P-144004/5-1991, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 3. bis , (im folgenden kurz: Flächenwidmungsplan), in ihren Rechten als verletzt erachten. Die Legende des Flächenwidmungsplanes entspreche wegen mangelnder Bestimmtheit nicht den rechtsstaatlichen Anforderungen. Weiters schaffe die gegenständliche Verordnung Baulandenklaven im Grünland, die zu einer Vermischung der Widmungskategorien führen. Es wird somit die Aufhebung des angefochtenen Bescheides, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt.

3.1. Aus Anlaß dieses Verfahrens beschloß der Verfassungsgerichtshof am den Flächenwidmungsplan insoweit gemäß Art 139 Abs 1 B-VG auf seine Gesetzmäßigkeit zu prüfen, als neben der Nr. 1036/3 ein Sternchen eingetragen ist.

3.2. Der Verfassungsgerichtshof hegte die vorläufigen Bedenken, daß der in Prüfung gezogene Flächenwidmungsplan sowohl dem im Oberösterreichischen Raumordnungsgesetz festgelegten System der Widmungskategorien, als auch dem aus Art 18 B-VG erfließenden Gebot der Klarheit von Normen widerspreche.

4. Die Oberösterreichische Landesregierung erstattete eine Nußerung.

Ausführend wurde vorgebracht, daß der Feststellung des Verfassungsgerichtshofes, "die Grenzen der hier maßgeblichen Wohngebäude und das Ausmaß des bewilligten Bauplatzes sei(en) nicht mit Sicherheit erkennbar, in keiner Weise entgegengetreten werden" könne. Jedoch sei das betroffene Grundstück "auf Grund seiner Ausformung und auf Grund der lesbaren Nummern der Nachbargrundstücke eindeutig identifizierbar". "Insoferne dürfte der in Prüfung gezogene Flächenwidmungsplan den nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes hinsichtlich der Darstellung zu stellenden Anforderungen gerade noch entsprechen."

Der Verfassungsgerichtshof wolle daher feststellen, daß der in Prüfung gezogene Flächenwidmungsplan nicht gesetzwidrig sei.

5. Der Gemeinderat der Gemeinde Kematen a.d. Krems verzichtete auf die Erstattung einer Äußerung.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Der Flächenwidmungsplan ist insofern präjudiziell, als die neben der GP Nr. 1036/3 eingetragene Sternchensignatur eine Baulandfläche bezeichnet und somit maßgeblich für die Erteilung der Baubewilligung war.

Da auch die sonstigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist das Verordnungsprüfungsverfahren zulässig.

2. Die im Prüfungsbeschluß dargestellten Bedenken des Verfassungsgerichtshofes erweisen sich in der Sache selbst als berechtigt.

3.1. Der Verfassungsgerichtshof hat in seiner Judikatur zum Ausdruck gebracht, daß Raumordnungsvorschriften keine bestimmte Mindestgröße eines Gebietes vorsehen müssen und die natürlichen Gegebenheiten oder die tatsächlichen Benützungsverhältnisse auch die Bildung verhältnismäßig kleinräumiger Widmungseinheiten erforderlich machen können (VfSlg 8701/1979, S. 389). Jedoch muß nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfSlg. 3130/1956, 12420/1990, S. 766, zu Flächenwidmungsplänen s. insbesondere VfSlg. 11807/1988 und VfSlg. 13716/1994) der Rechtsunterworfene die Rechtslage aus der planlichen Darstellung eindeutig und unmittelbar - also ohne das Heranziehen etwaiger technischer Hilfsmittel wie zB des Grenzkatasters - feststellen können; ansonsten genügt die Regelung nicht den rechtsstaatlichen Anforderungen. Diesen Erfordernissen wird nicht Rechnung getragen, wenn die Widmung der von den in Prüfung gezogenen Textstellen erfaßten Flächen nicht aus der zeichnerischen Darstellung ersichtlich ist.

3.2. Aus dem dem Verfassungsgerichtshof vorliegenden Originalflächenwidmungsplan sind weder die Grenzen der hier maßgeblichen Wohngebäude geschweige denn das Ausmaß des bewilligten Bauplatzes mit Sicherheit erkennbar. Aus diesem Umstand geht hervor, daß der Plan keine eindeutige Abgrenzung der einzelnen Widmungen enthält (vgl. oben zitiertes Erkenntnis VfSlg. 11807/1988 und die dort angeführte Vorjudikatur).

Der Verfassungsgerichtshof tritt daher der Auffassung der Oberösterreichischen Landesregierung entgegen, wenn diese in ihrer Äußerung davon ausgeht, daß das betroffene Grundstück auf Grund seiner Ausformung und auf Grund der lesbaren Nummern der Nachbargrundstücke eindeutig identifizierbar sei.

3.3. Da das Ausmaß des bewilligten Bauplatzes nicht mit Sicherheit erkennbar ist und auch nicht die Grenzen der hier maßgeblichen Wohngebäude, ist auch das Bedenken des Verfassungsgerichtshofes wegen mangelnder Erfüllung rechtsstaatlicher Anforderungen, nämlich, daß der Inhalt von Gesetzen und Verordnungen der Öffentlichkeit in klarer und erschöpfender Weise zur Kenntnis zu bringen ist, damit sich der Normunterworfene dementsprechend verhalten kann, gerechtfertigt.

3.4. Der in Prüfung gezogene Flächenwidmungsplan ist daher wegen Widerspruchs zu dem im Oberösterreichischen Raumordnungsgesetz festgelegten System der Widmungskategorien als auch zu dem aus Art 18 Abs 1 und 2 B-VG erfließenden Gebot der Klarheit von Normen als gesetzwidrig aufzuheben.

4. Die Verpflichtung der Oberösterreichischen Landesregierung zur Kundmachung dieser Aufhebung stützt sich auf Art 139 Abs 5 erster Satz B-VG.

5. Dies konnte vom Verfassungsgerichtshof gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Fundstelle(n):
QAAAE-30032