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VfGH vom 15.12.1992, V93/91

VfGH vom 15.12.1992, V93/91

Sammlungsnummer

13310

Leitsatz

Aufhebung von Bestimmungen der KanalabgabenO der Stadtgemeinde Gleisdorf betreffend einheitliche Festlegung der Kanalbenützungsgebühr für die an die Kanalanlage des Abwasserverbandes Gleisdorfer Becken angeschlossenen Liegenschaften wegen Verstoß gegen den Gleichheitssatz mangels Bedachtnahme auf eine zwischen dem Abwasserverband und einem Benützer der Kanalisationsanlage geschlossene privatrechtliche Vereinbarung über die Kostentragung

Spruch

I. § 6 lita der Kanalabgabenordnung der Stadtgemeinde Gleisdorf vom , kundgemacht durch Auflegung zur öffentlichen Einsicht im Stadtamt und Kundmachung der Auflegung vom 2. Dezember bis , in der Fassung der Verordnung vom , kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom bis sowie § 6 lita der Kanalabgabenordnung der Stadtgemeinde Gleisdorf vom , kundgemacht durch Auflegung zur öffentlichen Einsicht im Stadtamt und Kundmachung der Auflegung vom bis , werden als gesetzwidrig aufgehoben.

Die Steiermärkische Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung im Landesgesetzblatt verpflichtet.

II. Im übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit seinem auf Art 139 Abs 1 B-VG gestützten Antrag begehrt der Verwaltungsgerichtshof, "1.) die Kanalabgabenordnung der Stadtgemeinde Gleisdorf vom , kundgemacht durch Auflegung zur öffentlichen Einsicht im Stadtamt und Kundmachung der Auflegung vom 2. Dezember bis , in der Fassung der Verordnung vom , kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom bis (in eventu nur § 6 lita der genannten Verordnung), 2.) die Kanalabgabenordnung der Stadtgemeinde Gleisdorf vom , kundgemacht durch Auflegung zur öffentlichen Einsicht im Stadtsenat (richtig: Stadtamt) und Kundmachung der Auflegung vom bis (in eventu nur § 6 lita der genannten Verordnung) als gesetzwidrig aufzuheben."

2. Diesem Antrag liegen folgende Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof zugrunde:

a) Die Zweitbeschwerdeführerin des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens (S Gesellschaft m.b.H., nunmehr S AG) betreibt ein obstverarbeitendes Unternehmen, bei dem produktionsbedingt erhebliche Mengen an verschmutzten Abwässern anfallen.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der erstbeschwerdeführenden Stadtgemeinde Gleisdorf vom wurde auf Grund des Steiermärkischen Kanalgesetzes 1955, LGBl. Nr. 70, in der Fassung der Novelle 1968, LGBl. Nr. 165, festgestellt, daß die Liegenschaft der S AG, sich im Verpflichtungsbereich (§5 leg. cit.) befindet und an die öffentliche Kanalanlage angeschlossen werden muß. Unbestrittenermaßen ist dieser Anschluß erfolgt.

Die Stadtgemeinde Gleisdorf bedient sich zur Ableitung der Abwässer (auch) des "Abwasserverbandes Gleisdorfer Becken", dessen Satzungen von der Wasserrechtsbehörde mit Bescheid vom , Änderungen derselben mit Bescheiden vom und , genehmigt wurden. Mitglieder dieses Abwasserverbandes sind die Stadtgemeinde Gleisdorf und weitere Gemeinden aus den Bezirken Graz-Umgebung und Weiz.

Nach dem wesentlichen Inhalt des § 3 der Satzung ist Zweck und Aufgabe des Verbandes die Reinhaltung der Grundwasservorkommen des Gleisdorfer Beckens und der Raab mit Zuflüssen.

Nach § 7 lit. 2b) der Satzung sind die (nach § 5 Z 2 von den Mitgliedern zu tragenden) Kosten für den Betrieb und die Erhaltung der Verbandsanlagen nach folgendem Schlüssel aufzuteilen:

"Kläranlagen

anteilig nach den angeschlossenen Einwohnergleichwerten der biologischen Belastung.

Verbandssammler mit Pumpwerken

Abschnittsweise anteilig nach den Einwohnergleichwerten der hydraulischen Belastung ..."

Nach Z. 3 dieses Paragraphen setzt die Mitgliederversammlung zur finanziellen Bedeckung der Verwaltungskosten und sonstigen Unkosten des Abwasserverbandes einen jährlichen Mitgliedsbeitrag je Einwohnergleichwert (EGW) fest. Für häusliche Abwässer wird dieser in voller Höhe, für das Abwasser gewerblicher und industrieller Provenienz, insoweit sie von einzelnen Mitgliedern stammen, auch nach den Einwohnergleichwerten der hydraulischen Belastung eingehoben. Soferne sich aus der Beschaffenheit der Abwässer gewerblicher und industrieller Herkunft Schwierigkeiten ergeben bzw. zusätzliche Maßnahmen erforderlich werden oder die Verwertung des angefallenen Schlammes erschwert wird, ist nach Z. 4 dieses Paragraphen die Anordnung innerbetrieblicher Maßnahmen bzw. die Abgeltung der verursachten Mehrkosten Bedingung für den Anschluß. Wird keine besondere Regelung für die Kostenaufteilung getroffen oder können Kosten, die vom (offenbar gemeint: dem) Verband aus der Erfüllung seiner Aufgaben erwachsen, nicht anderweitig gedeckt werden, so sind sie nach Z. 5 des genannten Paragraphen von den Mitgliedern nach den auf sie entfallenden Beitragsanteilen zu tragen.

Der Verwaltungsgerichtshof gibt in weiterer Folge ein Sitzungsprotokoll des Gemeinderates von Gleisdorf vom wieder, woraus im wesentlichen hervorgeht, daß die S AG ihre Abwässer (nach Vorbehandlung) zur Gänze über das öffentliche Kanalnetz in die Verbandskläranlage einleiten (und diese in entsprechender Größe errichten) werde und die Bau- und Betriebskosten der Kläranlage zwischen den Gemeinden des Abwasserverbandes und der S AG in einer Vereinbarung bestimmten Inhalts (dem vom Gemeinderat in der erwähnten Sitzung zugestimmt wurde) aufgeteilt werden.

Schließlich wurde am zwischen dem Abwasserverband und der S AG folgende Vereinbarung geschlossen, deren wesentliche Bestimmungen lauten:

"Präambel:

Der Abwasserverband Gleisdorfer Becken, in der Folge kurz AWV genannt, hat bereits begonnen, eine Verbandskläranlage im Gemeindegebiet Gleisdorf zu errichten. Zweck dieser Kläranlage ist es, die Abwässer der verschiedenen Mitgliedsgemeinden des Abwasserverbandes Gleisdorfer Becken zu sammeln und biologisch zu reinigen. Da bei der Firma S Ges. m.b.H., in der Folge kurz S genannt, ebenfalls beträchtliche Abwässer anfallen, sodaß eine diesbezügliche Entsorgung notwendig ist, kommen der AWV und die S hiemit überein, diese beiderseitigen Vorhaben zu koordinieren.

Zu diesem Zwecke wird eine Vorkläranlage errichtet, in welcher die Vorreinigung der Betriebsabwässer der S nach dem Verfahren der anaeroben Abwasserreinigung mit nachgeschalteter hochbelasteter aerober Reinigungsstufe erfolgen soll. Diese Vorkläranlage, in unmittelbarer Nähe der S situiert, ist auf einem von der S dem AWV zu übereignenden Grundstück zu errichten.

Für diese Vorkläranlage besteht bereits ein über Auftrag der S erstelltes Projekt des Zivilingenieur Prof. B, welches im allgemeinen Grundlage der Errichtung und der baulichen Durchführung sein wird. Zweck dieser zu errichtenden Vorkläranlage soll sein, daß von Seiten der Firma S nur mehr eine Restschmutzfracht von 7.000 EGW (Einwohnergleichwerten) in die Verbandskläranlage des AWV eingebracht wird. Die Entsorgung der vorgereinigten Abwässer erfolgt über die öffentliche Kanalisation. ...

Zweck dieses Übereinkommens ist die genaue Festlegung der Bedingungen, zu denen die Errichtung der Vorkläranlage, sowie die Übernahme und Reinigung der vorgereinigten Abwässer der Firma S erfolgen kann.

...

3. Art und Menge der abgegebenen Abwässer:

Es ist ein Meßschacht nach der vorerwähnten Kläranlage zu errichten, in welchem alle vorgereinigten Abwässer der S gesammelt und einer Messung unterzogen und erst danach über den öffentlichen Kanal in die Verbandskläranlage eingebracht werden. Die Ergebnisse der Messungen, welche in dem zu errichtenden Meßschacht vorgenommen werden, bilden die Basis für die Verrechnung sowohl der Baukosten der Verbandskläranlage des AWV, als auch der in dieser Kläranlage anlaufenden Betriebskosten.

Der S wird das Recht eingeräumt, in jedem Falle eine Schmutzfracht von 7.000 EGW in die Verbandskläranlage einzubringen. Weiters wird vorerst davon ausgegangen, daß von den übrigen Mitgliedergemeinden rund 9.000 EGW in die Verbandskläranlage eingebracht werden.

Sollte jedoch im Durchschnitt während der Kampagne eine prozentmäßig höhere Einbringung von Schmutzfracht erfolgen, so erhöht sich die von der S zu erbringende Beteiligung an den Baukosten (Annuitäten). Sollte die Einbringung von Schmutzfracht seitens der S im Jahresdurchschnitt unter 7.000 EGW liegen, so reduziert sich der von der S zu leistende Anteil an den Annuitäten verhältnismäßig. Die Kampagnezeit und die Betriebstage sind aus den Meßergebnissen zu ersehen.

Von der Firma S können folgende Abwässer in den öffentlichen Kanal, der zur Verbandskläranlage führt, eingeleitet werden:

a) Vorgereinigte Betriebswässer

...

b) Häusliche Abwässer in Form von Fäkal-, Wasch- und Badewässern, Küchen- und Spülwässern.

...

5. Übernahme der Abwässer:

Die Einleitung der häuslichen Abwässer und der vorgereinigten Betriebsabwässer erfolgt in den öffentlichen, zur Verbandskläranlage führenden Sammelkanal ... für je(ne) Abwässer, die nicht über den Meßschacht, sondern direkt in die öffentliche Kanalanlage entsorgt werden, sind Gebühren nach der Kanalgebührenabgabenordnung der Stadtgemeinde Gleisdorf zu entrichten.

...

7. Ermittlung der Anteile der Fa. S an den Bau- und Betriebskosten der Kläranlage des AWV Gleisdorfer Becken:

Die Kosten für die Errichtung der Vorkläranlage bei der Firma S sind zur Gänze von der Fa. S dem AWV zu ersetzen. ...

...

a) Baukosten:

Für die Aufteilung der Baukosten der Verbandskläranlage des AWV wird die Endabrechnungssumme der Kläranlage herangezogen, die als Grundlage für die Abrechnung beim Wasserwirtschaftsfonds dient.

...

b) Betriebskosten:

Die Aufteilung der Betriebskosten erfolgt nach den tatsächlichen jährlichen Abwassermengen, BSB5-Frachten bzw. Feststofffrachten.

...

Die detaillierte Aufteilung erfolgt nach dem beiliegenden 'Aufteilungsschlüssel für Betriebskosten', ...

c) Kanalgebühren für die unter Punkt 3 b) dieses Vertrages angeführten häuslichen Abwässer. Hiefür sind die Bestimmungen der Kanalabgabenordnung der Stadtgemeinde Gleisdorf in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden.

Hinsichtlich der Zahlungsfristen gelten die Bestimmungen der Stmk. Landesabgabenordnung.

..."

b)aa) Mit Bescheiden vom , und wurden der S AG vom Bürgermeister der Gemeinde Gleisdorf unter anderem Kanalbenützungsgebühren für die Zeit vom 1. Jänner bis sowie für das zweite und dritte Vierteljahr 1988 in jeweils näher genannter Höhe vorgeschrieben.

Dagegen erhob die S AG jeweils Berufung.

Mit Bescheid vom änderte der Gemeinderat der Stadtgemeinde Gleisdorf gemäß § 213 der Steiermärkischen Landesabgabenordnung in Verbindung mit "§6 der geltenden Kanalabgabenordnung der Stadtgemeinde Gleisdorf" aus Anlaß dieser Berufungen die erstinstanzlichen Vorschreibungen zu Ungunsten der Zweitbeschwerdeführerin ziffernmäßig ab. Im übrigen wurden die angefochtenen Bescheide bestätigt. Dies im wesentlichen mit der Begründung, der öffentliche Kanal der Stadtgemeinde Gleisdorf führe unmittelbar an der Liegenschaft der Zweitbeschwerdeführerin vorbei und es sei diese unbestrittenermaßen an das öffentliche Kanalnetz der Stadtgemeinde Gleisdorf angeschlossen; und zwar laut Mitteilung des Abwasserverbandes Gleisdorfer Becken in ihrer Gesamtheit seit . Die zwischen dem Abwasserverband und der Zweitbeschwerdeführerin abgeschlossene Vereinbarung vom und die Satzung des Abwasserverbandes könnten nicht so ausgelegt werden, daß der Abwasserverband in die Gebührenhoheit einer Mitgliedsgemeinde eingegriffen hätte oder einzugreifen berechtigt gewesen wäre. Dadurch, daß die Vorstandsmitglieder des Abwasserverbandes in ihren Gemeinden auch Bürgermeister seien, seien "Rechtswirkungen aus der Vereinbarung vom auf diese Gemeinden nicht eingetreten". Die Ausführungen in der Berufung, wonach mit der genannten Vereinbarung auch die Stadtgemeinde Gleisdorf berechtigt oder verpflichtet worden wäre, gingen somit ins Leere.

Gegen diesen Bescheid erhob die S AG Vorstellung an die Steiermärkische Landesregierung.

Mit Bescheid vom gab die Steiermärkische Landesregierung dieser Vorstellung Folge, hob den angefochtenen Bescheid auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Stadtgemeinde Gleisdorf. Zur Begründung führte sie im wesentlichen aus, die S AG habe einen mit datierten "Antrag auf Feststellung der mangelnden Anschlußpflicht, in eventu auf Ausnahme von der Anschlußpflicht" eingebracht und die Feststellung begehrt, daß auf Grund des geänderten Sachverhaltes keine Anschlußpflicht hinsichtlich der gegenständlichen Grundstücke, eventuell auf Grund des vorliegenden Sachverhaltes eine Ausnahme hinsichtlich des Anschlußzwanges gemäß § 5 Abs 3 des Kanalgesetzes 1955 bestehe.

Die S AG sei mit dem Abwasserverband Gleisdorfer Becken unter den in der Vereinbarung vom ersichtlichen Voraussetzungen übereingekommen, eine Vorkläranlage zu errichten. Diese Vereinbarung enthalte unter anderem Regelungen über die Aufteilung der Betriebskosten. Schon vor dem Abschluß dieser Vereinbarung habe der Gemeinderat von Gleisdorf unter anderem der Aufteilung der Bau- und Betriebskosten der Kläranlage zwischen den Verbandsgemeinden und der S AG zugestimmt. Es sei davon auszugehen, daß die zwischen der S AG einerseits und dem Abwasserverband Gleisdorfer Becken andererseits abgeschlossene Vereinbarung vom für sich betrachtet und unbeschadet des Umstandes, daß der Bürgermeister der Stadtgemeinde Gleisdorf auch Obmann dieses Abwasserverbandes sei, in die hoheitlichen Abgabenerhebungsrechte der Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich nicht einzugreifen vermöge. Inwieweit jedoch ein Rechtsband zwischen der S AG und dem Abwasserverband Gleisdorfer Becken einerseits und der Stadtgemeinde Gleisdorf andererseits dadurch erzeugt worden sei, daß die Vereinbarung vom eingehende Regelungen über die Aufteilung der Betriebskosten enthalte und der Gemeinderat dieser Aufteilung bereits in seiner Sitzung vom einstimmig zugestimmt habe, sei auf Gemeindeebene ungeklärt geblieben. Nach den Bestimmungen des Kanalabgabengesetzes 1955 enthielten Kanalbenützungsgebühren auch die Kosten für den Betrieb der Kanalanlage. Davon ausgehend hätten es die gemeindlichen Abgabenbehörden unterlassen, sich mit der Frage zu befassen, inwieweit der Gemeinderatsbeschluß vom - und zutreffendenfalls in welchem Umfang - in das gemeindliche Abgabenerhebungsrecht eingegriffen haben könnte.

Dazu komme, daß Kanalbenützungsgebühren im Zusammenhalt der §§10 und 6 Abs 1 des Kanalabgabengesetzes 1955 nur für gemeindliche Kanalanlagen erhoben werden dürften. Ob und zutreffendenfalls in welchem Umfang die von der S AG im Rahmen der von dieser mit dem Abwasserverband Gleisdorfer Becken abgeschlossenen Vereinbarung vom errichtete Vorkläranlage zur gemeindlichen Kanalanlage zähle und ob die von der S AG in diese eingeleiteten "Betriebsabwässer" eine Einleitung von Abwässern in das öffentliche gemeindliche Kanalnetz darstellten und in der Folge eine Pflicht zur Entrichtung von Kanalbenützungsgebühren auszulösen im Stande seien, hätte auf Gemeindeebene (durch Erledigung des Antrages der Zweitbeschwerdeführerin vom ) einer präjudiziellen Klärung noch vor Erlassung des abgabenrechtlichen Berufungsbescheides zugeführt werden müssen.

Gegen diesen Bescheid richten sich die Beschwerden der Stadtgemeinde Gleisdorf an den Verwaltungsgerichtshof zu Zl. 89/17/0025 und der S AG zu Zl. 89/17/0026.

bb) In gleicher Weise erging der Bescheid des Bürgermeisters vom betreffend den Vorschreibungszeitraum

4. Vierteljahr 1988. Die dagegen von der S AG erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Gemeinderates von Gleisdorf vom unter Hinweis auf die Begründung seines Berufungsbescheides vom als unbegründet abgewiesen. Der dagegen von der S AG erhobenen Vorstellung wurde mit Bescheid der Landesregierung vom , Zl. 7-48 Ste 27/7-1990, mit gleichlautender Begründung wie im Bescheid vom Folge gegeben. Dagegen wenden sich die Beschwerden der Stadtgemeinde Gleisdorf an den Verwaltungsgerichtshof zu Zl. 90/17/0108 und der

S AG zu Zl. 90/17/0105.

cc) In gleicher Weise erging weiters der erstinstanzliche Bescheid vom betreffend Endabrechnung 1988, ebenso zwei weitere Bescheide vom betreffend das


Tabelle in neuem Fenster öffnen
1.
Vierteljahr 1989 bzw. vom betreffend das
2.
Vierteljahr 1989.


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Gegen diese Bescheide erhob die S AG jeweils Berufung.

Mit Bescheid vom änderte der Gemeinderat "gemäß § 213 der Steiermärkischen Landesabgabenordnung, LGBl. Nr. 158/1963, i.d.g.F., in Verbindung mit § 6 der Kanalabgabenordnung vom in der zuletzt geltenden Fassung der Stadtgemeinde Gleisdorf" auf Grund der Berufung gegen den Bescheid vom diesen zu Ungunsten der S AG ziffernmäßig ab. Im übrigen wurde der angefochtene Bescheid vom bestätigt. Die Berufungen gegen die Bescheide vom 15. März und vom wurden gemäß § 213 LAO "in Verbindung mit § 1ff der Kanalabgabenordnung der Stadtgemeinde Gleisdorf vom " als unbegründet abgewiesen; dies unter Hinweis auf die Begründung des Berufungsbescheides vom .

Der dagegen von der S AG erhobenen Vorstellung wurde mit Bescheid der Landesregierung vom , Zl. 7-48 Ste 29/5-1990, mit gleichlautender Begründung wie im Bescheid vom Folge gegeben.

Dagegen wenden sich die Beschwerden der Stadtgemeinde Gleisdorf an den Verwaltungsgerichtshof zu Zl. 90/17/0109 und der S AG zu Zl. 90/17/0106.

c) Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerden wegen ihres sachlichen und persönlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung verbunden.

3. Im Verfahren über den Verordnungsprüfungsantrag des Verwaltungsgerichtshofes gab der Gemeinderat der Stadtgemeinde Gleisdorf eine Äußerung ab, in der beantragt wird, dem Antrag des Verwaltungsgerichtshofes keine Folge zu geben und legte die Verwaltungsakten sowie Unterlagen über die Höhe der Betriebskosten der Verbandskläranlage und des von der erstbeschwerdeführenden Stadtgemeinde Gleisdorf und der Zweitbeschwerdeführerin des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens zu tragenden Anteiles vor. Die

S AG schloß sich in einer Äußerung den Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes an.

Der Verfassungsgerichtshof hat weitere Unterlagen betreffend die in die Verbandskläranlage einleitbaren Abwassermengen, die Gebührenberechnung der Kanalbenützungsgebühren der Stadtgemeinde Gleisdorf und die Einnahmen aus den Kanalbenützungsgebühren in den fraglichen Jahren von der Stadtgemeinde Gleisdorf eingeholt.

Die Verfahrensparteien brachten in der Folge weitere Schriftsätze ein.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Kanalabgabenordnung der Stadtgemeinde Gleisdorf vom , kundgemacht durch Auflegung zur öffentlichen Einsicht im Stadtamt und Kundmachung der Auflegung vom 2. Dezember bis , sieht in § 1 vor, daß für die Benützung der öffentlichen Kanalanlage der Stadtgemeinde Gleisdorf unter anderem Kanalbenützungsgebühren erhoben werden. § 6 der Kanalabgabenordnung in der Fassung der Verordnung vom , kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom bis hat folgenden Wortlaut:

"§6

a) Die Höhe der jährlichen Kanalbenützungsgebühr beträgt für jene Liegenschaften, welche an die vom Abwasserverband Gleisdorfer Becken errichtete Kanalanlage angeschlossen sind S 16,50 pro m3 verbrauchten Wassers zuzüglich S 2,70 pro m2 der für die Ermittlung des Kanalisationsbeitrages heranzuziehenden Berechnungsfläche jeweils des laufenden Jahres. Hinzu kommt noch die gesetzliche Umsatzsteuer;

b) für alle anderen Liegenschaften, welche einen öffentlichen Kanal benützen, S 9,-- pro m3 verbrauchten Wassers zuzüglich gesetzlicher Umsatzsteuer.

Die Kanalbenützungsgebühr wird jährlich in vier gleichen Teilbeträgen zum 15.2., 15.5., 15.8. und 15.11. vorläufig auf Basis der letzten Endabrechnung vorgeschrieben, die Endabrechnung ist bis spätestens 15.2. des Folgejahres zu erstellen."

§ 7 der Kanalabgabenordnung enthält nähere Bestimmungen über die Ermittlung der Kanalbenützungsgebühr von Liegenschaften mit eigener Wasserversorgungsanlage, § 8 legt fest, wer zur Entrichtung der Kanalbenützungsgebühr verpflichtet ist, § 9 regelt die Fälligkeit.

Die übrigen Bestimmungen der Kanalabgabenordnung betreffen nicht die Kanalbenützungsgebühr.

Die die Kanalbenützungsgebühr betreffenden §§6 bis 9 der - ab geltenden - Kanalabgabenordnung der Stadtgemeinde Gleisdorf vom , kundgemacht durch Auflegung zur öffentlichen Einsicht im Stadtamt und Kundmachung der Auflegung vom bis , sind im wesentlichen gleichlautend. Die beiden bekämpften Fassungen der lita des § 6 sind wortgleich.

2. Der Antrag des Verwaltungsgerichtshofes ist nur insoweit zulässig, als die Aufhebung des § 6 lita der genannten Kanalabgabenordnungen beantragt wird:

Die vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheide betreffen ausschließlich die Kanalbenützungsgebühr für an die Verbandsanlage angeschlossene Liegenschaften. Es ist daher von vornherein auszuschließen, daß die übrigen Bestimmungen der Kanalabgabenordnungen im Verfahren des Verwaltungsgerichtshofes präjudiziell sind. Die Bedenken des Verwaltungsgerichtshofes richten sich im einzelnen auch nur gegen die Höhe von nach § 6 lita bemessenen Gebühren.

Soweit der Verwaltungsgerichtshof die Aufhebung der Kanalabgabenordnungen zur Gänze mit der Begründung beantragt, mangels Qualifikation der Kanalisationsanlage der Gemeinde Gleisdorf als öffentliche (s. im folgenden) fehle der gesamten Kanalabgabenordnung die gesetzliche Grundlage, bezieht er sich anscheinend auf Art 139 Abs 3 lita B-VG. Nach dieser Bestimmung ist aber nur der Verfassungsgerichtshof befugt, die ganze Verordnung (und nicht nur die präjudizielle Bestimmung) als gesetzwidrig aufzuheben, wenn die (ganze) Verordnung der gesetzlichen Grundlage entbehrt. Präjudiziell sind hingegen lediglich jene Bestimmungen, welche das antragstellende Gericht bei seiner Entscheidung in der bei ihm anhängigen Rechtssache denkmöglicherweise anzuwenden haben wird.

Der Antrag des Verwaltungsgerichtshofes ist also nur zulässig, soweit er den (jeweiligen) § 6 lita der angefochtenen Kanalabgabenordnungen betrifft. Im übrigen ist der Antrag zurückzuweisen.

3.a) Der Verwaltungsgerichtshof geht zur Begründung seiner Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der Kanalabgabenordnungen zunächst davon aus, daß die unter I.2.a) wiedergegebene Vereinbarung vom die Entsorgung der betrieblichen Abwässer der S AG sowohl in technischer als auch insbesondere in finanzieller Hinsicht abschließend geregelt hätte. Nach dem Willen der vertragschließenden Parteien könne es keinem Zweifel unterliegen, daß die S AG lediglich für die Abfuhr der häuslichen Abwässer (Fäkal-, Wasch- und Badewässer, Küchen- und Spülwässer) Gebühren nach der Kanalgebührenordnung der Stadtgemeinde Gleisdorf entrichten sollte, was der Verwaltungsgerichtshof unter anderem aus Pkt. 5 der Vereinbarung schließt, wo es heiße, daß für jene Abwässer, die nicht über den Meßschacht, sondern direkt in die öffentlichen Kanalanlage entsorgt werden, Gebühren nach der Kanalgebührenabgabenordnung der Stadtgemeinde Gleisdorf zu entrichten seien. Der Verwaltungsgerichtshof meint, im Ergebnis sollte nach der Vereinbarung hinsichtlich der Betriebsabwässer auf die Einhebung von (Kanalisations- und) Kanalbenützungsgebühren verzichtet werden.

Der Verwaltungsgerichtshof betont in der Folge, daß eine Gemeinde durch eine solche Vereinbarung zwischen einem Abwasserverband und einem Abgabenpflichtigen keinesfalls gebunden werden könnte, auch wenn im konkreten Fall eine Personalunion zwischen dem Bürgermeister der Gemeinde und dem Obmann des Abwasserverbandes bestehe.

b) Ausgehend von der Prämisse, daß "die Vereinbarung vom in die hoheitlichen Abgabenerhebungsrechte der Erstbeschwerdeführerin insofern nicht einzugreifen vermochte, als diese aus der aufrechten Geltung der Kanalabgabenordnungen der Erstbeschwerdeführerin vom bzw. vom erfließen," legt der Verwaltungsgerichtshof seine Bedenken, die hier maßgeblichen Benützungsgebühren verstießen gegen den Gleichheitsgrundsatz, folgendermaßen dar:

"Zum einen bringt die Zweitbeschwerdeführerin vor, es wäre mit dem Äquivalenzprinzip unvereinbar, zusätzlich zu den privatrechtlich vereinbarten und entrichteten Beiträgen eine hoheitliche Gebührenbelastung vorzunehmen. Dies liefe nach Auffassung der Zweitbeschwerdeführerin auf eine doppelte Anlastung derselben Kosten und 'damit auf eine willkürliche und damit gesetzwidrige' Verteilung der Kosten der Gemeindeeinrichtung hinaus.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes liegt es im Wesen der Gebühr für die Benützung gemeindlicher Einrichtungen und Anlagen im Sinne des Finanzausgleichsrechtes, daß die gesamten Erträge die Gebühr zuzüglich sonstiger Einnahmen nicht höher sein dürfen als die gesamten Kosten, die der Gemeinde durch die Schaffung, die Erhaltung und den Betrieb der Einrichtung erwachsen (vgl. VfSlg. 7583/1975, 8847/1980, 8998/1980 und 11559/1987).

Mit ihrem oben wiedergegebenen Vorbringen hat die Zweitbeschwerdeführerin freilich in erster Linie nicht diesen Begriffsinhalt des Äquivalenzprinzips im Auge; vielmehr behauptet sie einen Verstoß gegen den auch den Verordnungsgeber bindenden Gleichheitsgrundsatz. Der Verwaltungsgerichtshof schließt sich diesen von der Zweitbeschwerdeführerin geltend gemachten Bedenken insofern an, als es sich um die Kosten der Instandhaltung und des Betriebes der Verbandskläranlage (vgl. § 6 Abs 2 Kanalabgabengesetz 1955 idF der Kanalabgabengesetznovelle 1986, LGBl. Nr. 67) handelt. Diese Kostenkomponenten werden, soweit sie auf die Zweitbeschwerdeführerin entfallen, durch die Vereinbarung vom abgedeckt, zumal nach dem dort niedergelegten Aufteilungsschlüssel zu den 'Betriebskosten' auch die Kosten für Reparatur und Wartung gehören. Die Kanalabgabenordnung der Erstbeschwerdeführerin hätte daher zwischen der Zweitbeschwerdeführerin, die einen Beitrag zu den Kosten der Instandhaltung und des Betriebes der Verbandskläranlage im Wege der privatrechtlichen Vereinbarung leistet - was wiederum indirekt durch Minderung der die Gemeinde auf Grund des § 7 Z. 2b der Satzung des Abwasserverbandes treffenden Kostenersatzpflicht der Erstbeschwerdeführerin zugute kommt -, und jenen Kanalbenützern, auf die dies nicht zutrifft, unterscheiden müssen. Dies insbesondere deshalb, weil sich die Gemeinde der Einrichtungen des Abwasserverbandes bedient, um ihre Verpflichtung zur Entsorgung unter anderem auch gegenüber der Zweitbeschwerdeführerin zu erfüllen und aus diesem Umstand ihre Berechtigung zur Erhebung von Kanalabgaben ableitet.

Dies ist jedoch nicht geschehen. § 6 der Kanalabgabenordnung der Erstbeschwerdeführerin vom idF der Verordnung vom lautet:

'Die Höhe der jährlichen Kanalbenützungsgebühr beträgt

a) für jene Liegenschaften, welche an die vom Abwasserverband Gleisdorfer Becken errichtete Kanalanlage angeschlossen sind

S 16,50 pro m3 verbrauchten Wassers zuzüglich S 2,70 pro m2 der für die Ermittlung des Kanalisationsbeitrages heranzuziehenden Berechnungsfläche jeweils des laufenden Jahres. Hinzu kommt noch die gesetzliche Umsatzsteuer;

b) für alle anderen Liegenschaften, welche einen öffentlichen Kanal benützen, S 9,-- pro m3 verbrauchten Wassers zuzüglich gesetzlicher Umsatzsteuer.

Die Kanalbenützungsgebühr wird jährlich in vier gleichen Teilbeträgen zum 15.2., 15.5., 15.8. und 15.11. vorläufig auf Basis der letzten Endabrechnung vorgeschrieben, die Endabrechnung ist bis spätestens 15.2. des Folgejahres zu erstellen.'

§ 6 der Kanalabgabenordnung vom stimmt damit wörtlich überein.

Der Verwaltungsgerichtshof hegt daher das Bedenken, daß diese Bestimmung im aufgezeigten Sinne dem auch den Verordnungsgeber bindenden Gleichheitsgrundsatz widerspricht.

Der Vollständigkeit halber ist hier zu bemerken, daß dies nach Auffassung des VwGHes nicht zutrifft, soweit in der Kanalbenützungsgebühr nach § 6 lita der Kanalabgabenordnung allenfalls auch zu leistende Annuitäten für die Rückzahlung von Darlehen, die für Errichtung, die Erweiterung, den Umbau oder die Erneuerung der technischen Einrichtungen der öffentlichen Kanalanlage aufgenommen worden sind, sowie die Bildung einer angemessenen Erneuerungsrücklage (§6 Abs 2 Kanalabgabengesetz 1955 idF Kanalabgabengesetznovelle 1986) enthalten sind. Weiters treffen die genannten Bedenken nicht zu, soweit die Kanalbenützungsgebühr sich auf die übrigen Teile der Kanalisationsanlage der Erstbeschwerdeführerin (also abgesehen von der Verbandskläranlage) bezieht. Sie wird ja seitens der Zweitbeschwerdeführerin durch Einleitung der vorgeklärten Betriebsabwässer in den Sammelkanal benützt; die in der Vereinbarung vom enthaltenen Bestimmungen über die teilweise Tragung der Betriebskosten seitens der Zweitbeschwerdeführerin beziehen sich nicht auf diesen Teil der Kanalisationsanlage. Der in der Vereinbarung zu erblickende Verzicht auf Kostenersatz in diesem Umfang war - wie dargestellt - unwirksam.

Über das oben Gesagte hinaus hegt aber der Verwaltungsgerichtshof weiters das Bedenken, die Erstbeschwerdeführerin habe dadurch, daß sie von der Zweitbeschwerdeführerin in doppelter Weise - nämlich einerseits im Wege der Vereinbarung von , andererseits im Wege der Erhebung der Kanalbenützungsgebühr - Kostenersatz für die Instandhaltung und den Betrieb der Verbandskläranlage fordert, insofern dem Äquivalenzprinzip im oben dargestellten Sinn zuwidergehandelt, als die Summe dieser Einnahmen (möglicherweise) die der Gemeinde erwachsenden Gesamtkosten übersteigt (vgl. hiezu abermals VfSlg. 7583/1975, 8847/1980, 11559/1987).

Die Zweitbeschwerdeführerin bringt im Rahmen ihrer Rechtsrüge abschließend vor, stehe man auf dem Boden der Auffassung, daß das Handeln des Abwasserverbandes der Gemeinde nicht zuzurechnen sei, dann sei die Vorschreibung von Kanalbenützungsgebühren überhaupt rechtswidrig: Der gegenständliche Kanal sei nämlich nicht von der Erstbeschwerdeführerin, sondern von dem Abwasserverband Gleisdorfer Becken errichtet worden und werde von ihm auch betrieben. Die wasserrechtliche Genehmigung laute auf den Verband und nicht auf die Erstbeschwerdeführerin. Die Erstbeschwerdeführerin erbringe unter dieser Prämisse für die Zweitbeschwerdeführerin keine Leistungen. Damit wäre auch keine Rechtsgrundlage vorhanden, ihr Kanalbenützungsgebühren vorzuschreiben.

Dieses Vorbringen ist, wie sich bereits aus obigen Ausführungen ergibt, zwar insofern unrichtig, als die Erstbeschwerdeführerin durch die Einleitung der vorgeklärten Betriebsabwässer in den von der Erstbeschwerdeführerin betriebenen Sammelkanal jedenfalls eine unmittelbare Leistung an die Zweitbeschwerdeführerin erbringt. Im übrigen ist zum zuletzt genannten Vorbringen jedoch folgendes zu sagen:

In seinem Erkenntnis VfSlg. 9539/1982 hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, er könne der Rechtsansicht der damals belangten Behörde nicht entgegentreten, wonach die Ermächtigung zur Erhebung von Kanalisationsbeiträgen nach § 1 des Stmk Kanalabgabengesetzes auch einer Gemeinde erteilt ist, die die Aufgabe der Ableitung von Abwässern nicht selbst, sondern mit Hilfe eines Wasserverbandes besorgt, dem sie gemeinsam mit anderen Gemeinden angehört. Auch im Fall des Erkenntnisses VfSlg. 11172/1986 - damals ging es um die Erhebung eines vorläufigen Nachtragsbeitrages nach dem Burgenländischen Kanalabgabengesetz durch eine Gemeinde, die gleichfalls Mitglied eines Abwasserverbandes war - sprach der Verfassungsgerichtshof aus, keine Verfassungsbestimmung verlange, daß die betreffende öffentliche Anlage oder Einrichtung im Eigentum der Gemeinden stehen müsse. In beiden Fällen berief sich der Verfassungsgerichtshof (unter anderem) auf sein Erkenntnis VfSlg. 7583/1975, in dem es sich um Marktgebühren handelte. Damals hatte der Verfassungsgerichtshof dargetan, Marktanlagen und deren Einrichtungen stellten jedenfalls dann eine 'für Zwecke der öffentlichen Verwaltung betriebene Gemeindeeinrichtung und -anlage' (§7 Abs 5 F-VG 1948) dar, wenn die Gemeinde über sie das Verfügungsrecht habe und der Benützer des Marktes in dieser Eigenschaft ausschließlich in direkte Rechtsbeziehungen zur Gemeinde träte. In VfSlg. 8197/1977 hat der Verfassungsgerichtshof diese Rechtsprechung bekräftigt.

Zwar hat der Verfassungsgerichtshof (arg.: 'jedenfalls') es nicht ausgeschlossen, daß eine Gemeindeeinrichtung im Sinne des § 7 Abs 5 F-VG 1948 auch dann gegeben sein könne, wenn die Benützer nicht ausschließlich in direkte Rechtsbeziehung zur Gemeinde treten. Dennoch hegt der Verwaltungsgerichtshof das Bedenken, daß dann, wenn - wie im Beschwerdefall - wenigstens ein Benützer in Rechtsbeziehungen sowohl zur Gemeinde als auch zum Abwasserverband tritt, zumindest partiell - etwa im Hinblick auf die Verbandskläranlage - nicht mehr von einer 'Gemeindeeinrichtung' gesprochen werden könne. Dann widerspräche es § 7 Abs 5 F-VG 1948, wenn die Erstbeschwerdeführerin dessenungeachtet Benützungsgebühren für die gesamte Einrichtung einschließlich der Verbandskläranlage einhöbe. Diesfalls wären die angefochtenen Verordnungen zur Gänze als gesetzwidrig aufzuheben."

4. Die Bedenken des Verwaltungsgerichtshofes sind berechtigt:

a) Die angefochtenen Verordnungsbestimmungen beruhen auf der Ermächtigung des § 7 Abs 5 F-VG 1948. Zum Vorbringen des Verwaltungsgerichtshofes in diesem Zusammenhang (s. die beiden letzten, oben unter Pkt. 3. wiedergegebenen Absätze des Antragsvorbringens) ist festzuhalten, daß Kanalisationsanlagen von Gemeinden jedenfalls seit jeher als öffentliche Gemeindeeinrichtung im Sinn des § 15 Abs 3 Z 5 FAG 1985 bzw. dessen sich in allen Finanzausgleichsgesetzen findenden Vorgängerbestimmungen verstanden wurden. An dieser Qualifikation ändert sich nichts, wenn die Gemeinde mit einzelnen Benützern wegen deren unverhältnismäßig hoher Inanspruchnahme der Gemeindeeinrichtung neben der Erhebung öffentlich-rechtlicher Gebühren auch privatrechtlich eine zusätzliche Entgeltzahlung vereinbart.

b) Der Verfassungsgerichtshof hat im Hinblick auf den Gleichheitssatz in seiner Judikatur zur Höhe der Benützungsgebühr im Bezug auf den einzelnen Benützer stets gefordert, daß die Gebühr in der Weise sachlich ausgestaltet sein müsse, daß ihre Festsetzung in einer sachgerechten Beziehung zum Ausmaß der Benützung steht. Dieses Ausmaß kann unmittelbar - wie etwa durch die Menge verbrauchten Wassers - oder mittelbar - wie etwa nach der Anzahl der auf einer Liegenschaft wohnenden Personen oder der Größe des Hauses oder der Nutzfläche - berechnet werden; der Berechnungsfaktor hat aber in jedem Fall in einem sachlichen Zusammenhang zur Benützung zu stehen (vgl. VfSlg. 10947/1986). Wie sich aus der in dem genannten Erkenntnis ausführlich wiedergegebenen Judikatur ergibt, kann der Verordnungsgeber hiebei von einer Durchschnittsbetrachtung ausgehen und auch eine pauschalierte Gebühr festsetzen. Die Benützungsgebühr muß nicht vom Ausmaß der konkreten Benützung im einzelnen berechnet werden, weil Kosten nicht nur für die tatsächliche Leistung der Gemeinde entstehen, sondern auch für die Bereithaltung der Anlage als solche (VfSlg. 10791/1986, S. 155f).

Aus dieser Judikatur ergibt sich, daß der Verordnungsgeber durch den Gleichheitsgrundsatz verpflichtet ist, im Rahmen des vorhin geschilderten Spielraumes bei der Festsetzung der Gebührenhöhe darauf Bedacht zu nehmen, welcher Nutzen aus der Kanalisationsanlage vom Benützer durchschnittlich gezogen wird und welche Kosten dadurch entstehen, dem Benützer diesen Nutzen zu verschaffen. Hiebei kann der Verordnungsgeber die Tarife auch typisierend festlegen, wenn die tatsächliche Inanspruchnahme durch die Benützer - im Sinne einer Durchschnittsbetrachtung: im großen und ganzen - miteinander vergleichbar sind.

Die Berücksichtigung besonderer, vom Durchschnittsfall - wie hier - eklatant abweichender Gegebenheiten kann jedoch eine besondere Gebührenregelung erforderlich machen.

c) Der Verfassungsgerichtshof geht grundsätzlich davon aus, daß es im Sinne der aus Art 116 Abs 2 B-VG erfließenden weitgehenden Rechts- und Handlungsfähigkeit der Gemeinde verfassungsrechtlich zulässig ist, besondere Belastungen einer Gemeindeeinrichtung durch einzelne Benützer auch in Form einer privatrechtlichen Vereinbarung (sei es durch die Gemeinde selbst, sei es - wie hier - über einen Wasserverband) abzugelten (zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit des Zusammenwirkens von privatrechtlichen und hoheitlichen Gestaltungsakten bei der Besorgung von Aufgaben der Gemeinden und deren Grenzen siehe Korinek, "Das Zusammenspiel hoheitlicher und privatrechtlicher Gestaltungsakte in der kommunalen Wirtschaftsverwaltung" in Krejci-Ruppe (Hrsg.), Rechtsfragen der kommunalen Wirtschaftsverwaltung, 1991, S. 32, vgl. auch Adamovich-Funk, Österreichisches Verfassungsrecht3, S. 295).

Wenn eine solche Vereinbarung zu einer Verringerung der Kosten für die Gemeinde führt, erfordert es das auch hier zu beachtende, dem Gleichheitsgrundsatz innewohnende Sachlichkeitsgebot, daß diesem Umstand unmittelbar in der Gebührenordnung selbst bei der Bemessung der von diesem einzelnen (speziellen) Benützer zu entrichtenden Gebühren in einer angemessenen, dem Ausmaß der - privatrechtlich eingetretenen - Entlastung des Haushalts der Gemeinde im großen und ganzen entsprechenden Weise Rechnung getragen wird.

d) Für den hier zu beurteilenden Fall führen diese Überlegungen zu folgendem Ergebnis:

In beiden hier zu beurteilenden lita des (jeweiligen) § 6 Kanalabgabenordnung wird die Höhe der Benützungsgebühr für die an die Kanalanlage des Abwasserverbandes Gleisdorfer Becken angeschlossenen Liegenschaften (also auch jene der S AG) ohne weitere Differenzierung einheitlich festgelegt. Die zwischen der S AG und dem Abwasserverband Gleisdorfer Becken am geschlossene privatrechtliche Vereinbarung enthält aber (unter anderem) eine Abmachung über die Ermittlung der Anteile der S AG an den Betriebskosten der Kläranlage des Abwasserverbandes sowie deren Aufteilung und Abgeltung nach einem bestimmten Schlüssel (s. auch oben unter I.2.a).

Die Vereinbarung vom ist (zwar nur) zwischen der S AG und dem Abwasserverband Gleisdorfer Becken (einer nach den Bestimmungen des Wasserrechtsgesetzes 1959 gebildeten Körperschaft öffentlichen Rechts) abgeschlossen worden. Ungeachtet dessen hat diese Vereinbarung auch Rechtswirkungen für die Stadtgemeinde Gleisdorf entfaltet. Dies ergibt sich zunächst daraus, daß der Gemeinderat der Stadtgemeinde Gleisdorf am dem Abschluß einer Vereinbarung mit jenem Inhalt, welcher in der Folge am vertraglich festgelegt wurde, in einer Art Ermächtigung ausdrücklich seine Zustimmung erteilt hat. Weiters ist in diesem Zusammenhang die im Antrag des Verwaltungsgerichtshofes zitierte Rechtsprechung (Erkenntnisse des Zl. 84/07/0249, vom , Zl. 85/07/0326 sowie vom , VwSlg. 12550/A) von Bedeutung. Nach dieser Rechtsprechung ergibt sich aus der statutenmäßigen Aufgabe der Interessenwahrung und Vertretung der Mitglieder einer Wassergenossenschaft oder eines Wasserverbandes (wie sie auch in § 3 Z 2 und 3 der Satzungen des Abwasserverbandes Gleisdorfer Becken enthalten ist), daß eine Bevollmächtigung des Wasserverbandes durch die einzelnen Mitglieder (hier durch die Stadtgemeinde Gleisdorf) zu einer treuhändigen Vertretung besonderer Art erfolgt ist.

Aus den genannten besonderen Umständen ist zu folgern, daß die Vereinbarung vom auch deshalb - abgesehen von dem bereits oben angeführten, aus dem Gleichheitsgebot resultierenden Erfordernis der angemessenen Berücksichtigung ihres Inhaltes bei der Gebührenbemessung für die S AG - Rechtswirkungen für die Stadtgemeinde Gleisdorf entfaltet.

Es steht unbestritten fest, daß den in den beiden angefochtenen Verordnungsbestimmungen festgelegten Benützungsgebühren auch Betriebskosten für die Verbandsanlage zugrunde liegen (der Verfassungsgerichtshof hat seine Feststellung auf die in der Vereinbarung fixierte Aufteilung der Betriebskosten zu beschränken und nicht etwa auf andere in der Vereinbarung ebenfalls geregelte Kostentragungen, wie Baukosten auszudehnen, da vom Verwaltungsgerichtshof verfassungsrechtliche Bedenken nur hinsichtlich der Betriebskostenanteile geltend gemacht wurden), für welche eine Abgeltung durch Vereinbarung (und zwar durch jene vom ) vorgesehen ist.

Daraus ergibt sich zwar nicht, daß es der Stadtgemeinde Gleisdorf verwehrt wäre, von der S AG an sich Gebühren für eine allfällige Benützung der Kanalanlage der Stadtgemeinde Gleisdorf oder für andere Kostenelemente (auch betreffend die Verbandskläranlage) in dem Ausmaß einzuheben, in welchem sie von der Vereinbarung vom nicht erfaßt sind. Da die bekämpften Verordnungsbestimmungen darauf aber überhaupt nicht Bedacht nehmen (der Gemeinderat der Stadtgemeinde Gleisdorf hat im verfassungsgerichtlichen Verfahren ausdrücklich betont, er sehe "keine Möglichkeit, in einer Verordnung das privatrechtlich entrichtete Entgelt als Gebühr einzurechnen"), verstoßen diese Vorschriften - wie der Verwaltungsgerichtshof zu Recht ausführt - gegen das Gleichheitsgebot und sind daher aufzuheben.

e) Wenngleich diese Bestimmungen ihren zeitlichen Geltungsbereich bereits verloren haben, ist im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu Abgabenvorschriften mit beschränktem zeitlichen Anwendungsbereich (s. zB VfSlg. 8709/1979, S. 417 und die dort angeführte Vorjudikatur sowie ) mit einer Aufhebung nach Abs 3 des Art 139 B-VG und nicht mit einem Ausspruch nach Abs 4 der genannten Verfassungsbestimmung vorzugehen.

5. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich eine weitere Auseinandersetzung mit dem Vorbringen der S AG und des Gemeinderates der Stadtgemeinde Gleisdorf hinsichtlich von Einzelheiten der Kostentragung durch die S AG für die Verbandskläranlage und die Kanalanlage der Stadtgemeinde Gleisdorf.

6. Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Der Ausspruch über die Kundmachung der Aufhebung stützt sich auf Art 139 Abs 5 B-VG.