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VfGH vom 23.06.1988, V92/87

VfGH vom 23.06.1988, V92/87

Sammlungsnummer

11755

Leitsatz

Individualantrag eines Grundeigentümers auf Aufhebung der Verordnung BGBl. 197/1987 betreffend die Bestimmung des Straßenverlaufes eines Abschnittes der A 9 Pyhrn Autobahn; Legitimation gegeben

Durchführung eines ausreichenden Anhörungsverfahrens gemäß § 4 Abs 3 und Abs 5; Gutachten genügt dem Erfordernis der in § 4 Abs 1 und § 7 angeordneten Umweltverträglichkeitsprüfung; keine Bedenken gegen das einen Teil des BStG bildenden "Verzeichnisses 1", in dessen Rahmen die Festlegung der Trasse zu erfolgen hat; Abweisung des Antrages

Spruch

Dem Antrag wird keine Folge gegeben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Antragsteller ist Eigentümer der aus mehreren Grundstücken bestehenden Liegenschaft EZ 24 KG Unterschlierbach.

Er beantragt die Aufhebung der V des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom , BGBl. 197/1987, welche lautet:

"Auf Grund des § 4 Abs 1 des Bundesstraßengesetzes 1971, BGBl. Nr. 286, in der Fassung des BG BGBl. Nr. 63/1983 wird verordnet:

Der Straßenverlauf eines Abschnittes der A 9 Pyhrn Autobahn wird im Bereich der Gemeinden Inzersdorf im Kremstal und Schlierbach wie folgt bestimmt:

Die neu herzustellende Straßentrasse zweigt bei AB-km 14,50 von der mit V vom , BGBl. Nr. 438, festgelegten Trasse ab, verläuft in der Folge östlich derselben über die Anschlußstelle Inzersdorf und bindet bei AB-km 20,00 wieder in die bereits verordnete Trasse ein.

Im einzelnen ist der Verlauf der neu herzustellenden Trasse einschließlich der Anschlußstelle Inzersdorf mit ihren Zuund Abfahrtsstraßen zur B 138 Pyhrnpaß Straße aus den beim Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten, beim Amt der Oberösterreichischen Landesregierung sowie bei den Gemeinden Inzersdorf im Kremstal und Schlierbach aufliegenden Planunterlagen (Plan Nr. 8 im Maßstab 1:5ooo) zu ersehen.

§ 15 Bundesstraßengesetz 1971 findet auf den vorangeführten Straßenabschnitt Anwendung. Die Grenzen des Bundesstraßenbaugebiets sind den aufliegenden Planunterlagen zu entnehmen.

Durch diese V wird die V vom , BGBl. Nr. 438, von AB-km 14,50 bis AB-km 20,00 abgeändert."

Der Antragsteller bringt vor, daß durch die mit der bekämpften V festgelegte Trasse unmittelbar und nachteilig in seine Rechtssphäre eingegriffen werde, da sie - anders als die frühere, mit BGBl. 438/1978 für dieses Autobahnteilstück festgelegte und durch die bekämpfte V veränderte Trasse - im Bereich der Autobahn-km 16,8 bis 17,7 mehrere seiner Grundstücke durchquere. Da ihm auch kein anderer zumutbarer Weg zur Verfügung stehe, um die Frage der Rechtmäßigkeit der bekämpften V an den VfGH heranzutragen, sei er zur Stellung eines Individualantrages zur Prüfung der wiedergegebenen V legitimiert.

Die Trassenführung erachtet der Antragsteller zum einen deshalb für gesetzwidrig, weil vor ihrer Festlegung das durch § 4 Abs 1 BundesstraßenG 1971 (BStG) idF BGBl. 63/1983 vorgesehene Prüfungsverfahren, insb. eine Umweltverträglichkeitsprüfung, nicht durchgeführt worden sei, das Prüfungsverfahren aber, das vor der früheren Trassenfestlegung im Jahr 1978 nach dem BStG idF vor der Nov. 1983 durchgeführt wurde, für die neu gelegte Trasse keine Aussagekraft mehr habe; zum anderen hält der Antragsteller die bekämpfte V im Hinblick auf § 4 Abs 1 BStG auch inhaltlich für gesetzwidrig: er bezweifelt, daß für die Errichtung der Pyhrn Autobahn zwischen Windischgarsten und Sattledt überhaupt ein Bedarf gegeben sei und meint, daß die Alternative einer Sanierung der Bundesstraße B 138 in Verbindung mit einem Ausbau der Eisenbahnstrecke Linz-Selzthal zu einer zweigleisigen Strecke unter Umwelt- und Kostengesichtspunkten der gewählten Lösung vorzuziehen sei.

2. Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten hat die die Erlassung der bekämpften V betreffenden Akten vorgelegt und in einer Äußerung die Abweisung des Antrags begehrt.

II. Der VfGH hat zum - zulässigen (vgl. VfSlg. 9823/1983) - Verordnungsprüfungsantrag erwogen:

1. Gemäß § 4 Abs 1 BStG in der zum Zeitpunkt der Erlassung der bekämpften V geltenden Fassung der Nov. BGBl. 63/1983 hat der Bundesminister für Bauten und Technik - nunmehr (vgl. BMG 1986 idF BGBl. 78/1987) der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten - vor dem Bau einer neuen Bundesstraße und vor der Umlegung von Teilen einer bestehenden Bundesstraße unter Bedachtnahme auf die Bestimmungen der §§7 und 7a BStG, die Wirtschaftlichkeit des Bauvorhabens, den Denkmalschutz und die Umweltverträglichkeit nach den Erfordernissen des Verkehrs und der funktionellen Bedeutung des Straßenzuges sowie unter Bedachtnahme auf die Ergebnisse der Anhörung gemäß § 4 Abs 3 und 5 den Straßenverlauf im Rahmen der Verzeichnisse durch V zu bestimmen.

Das die Bundesstraßen A (Bundesautobahnen) aufzählende Verzeichnis 1, das gemäß § 1 Abs 1 BStG einen Bestandteil des BStG bildet, nennt als eine der Bundesautobahnen die "A 9 Pyhrn Autobahn" und beschreibt deren Verlauf mit der Formulierung "Sattledt (A 1, A 8) - Liezen - St. Michael bei Leoben - Knoten Graz (A 2) - Staatsgrenze bei Spielfeld". (Durch die BStG-Nov. BGBl. 165/1986 wurde die Strecke der Pyhrn Autobahn im nördlichen Teil folgendermaßen beschrieben: "Sattledt (A 1, A 8) Windischgarsten - Selzthal - St. Michael/Leoben . . .".)

§ 7 BStG normiert ua Grundsätze für die Planung der Bundesstraßen und schreibt vor, daß bei deren Planung die straßenpolizeilichen und kraftfahrrechtlichen Vorschriften zu beachten und auf die gefahrlose Benützbarkeit, die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs, sowie auf die Umweltverträglichkeit Bedacht zu nehmen ist. § 7a leg.cit. enthält Bestimmungen zum Schutz der Nachbarn und normiert ua, daß bei der Planung von Bundesstraßen vorzusorgen ist, daß Beeinträchtigungen der Nachbarn durch den zu erwartenden Verkehr so weit herabgesetzt werden, als dies durch einen im Hinblick auf den erzielbaren Zweck wirtschaftlich vertretbaren Aufwand erreicht werden kann, sofern nicht die Beeinträchtigung wegen der Art der Nutzung des der Bundesstraße benachbarten Geländes zumutbar ist.

Vor Erlassung einer Trassenfestlegungsverordnung nach § 4 Abs 1 BStG hat ein Anhörungsverfahren zu erfolgen. Die entsprechenden Regelungen enthalten die Abs 3 und 5 des § 4 leg.cit., die folgendermaßen lauten:

"(3) Vor Erlassung einer V nach Abs 1 oder Abs 2 sind die berührten Länder und Gemeinden zu hören; die Gemeinden werden hiebei im eigenen Wirkungsbereich tätig.

. . .

(5) Vor Erlassung einer V nach Abs 1 sind

ausreichende Planunterlagen durch sechs Wochen in den berührten Gemeinden zur öffentlichen Einsicht aufzulegen. Zeit und Ort der Auflage sind durch einmalige Veröffentlichung im Amtsblatt zur Wiener Zeitung und durch Anschlag an den Amtstafeln des Amtshauses (Rathauses) der berührten Gemeinden kundzumachen. Innerhalb dieser Auflagefrist kann jedermann schriftlich eine Äußerung bei jener Gemeinde einbringen, auf deren Gebiet sich die Äußerung bezieht. Die berührten Gemeinden haben die Äußerungen gesammelt dem Bundesministerium für Bauten und Technik zu übermitteln."

2. Der Antragsteller geht zu Recht davon aus, daß vor Erlassung der bekämpften V, die eine gegenüber der durch BGBl. 438/1978 vorgesehenen Trasse geänderte Trassenführung vorsieht, ein entsprechendes Verfahren durchzuführen war und daß für dieses Verfahren die einschlägigen Bestimmungen des BStG in jener Fassung maßgeblich waren, die zum Zeitpunkt der Verordnungserlassung in Geltung standen. Der Bundesminister war also gehalten, bei der Festlegung der Trasse durch die bekämpfte

V in materieller wie auch verfahrensmäßiger Hinsicht das BStG in der Fassung anzuwenden, die es durch die Nov. BGBl. 63/1983 erhalten hat.

Entgegen der Auffassung des Antragstellers hat ein solches Verfahren auch stattgefunden, in dem das Projekt in der Zeit vom bis zur öffentlichen Einsicht aufgelegt war und auch das Land und die betroffenen Gemeinden angehört wurden. Zu den Ergebnissen des Anhörungsverfahrens erliegen Stellungnahmen, insb. auch des Projektanten sowie des zum Gutachter bestellten Ziviltechnikers für Bauwesen Dipl.Ing. G H im Akt.

Der verordnungserlassende Bundesminister hat auch eine Umweltverträglichkeitsprüfung vorgenommen. Das im Akt erliegende Gutachten des Dipl.Ing. H analysiert die zu erwartende Umweltbeeinträchtigung, indem es die seinerzeit (durch die V BGBl. 438/1978) festgelegte sog. "Amtstrasse", eine zwischenzeitig in Aussicht genommene "mittlere Variante" und die durch die bekämpfte V verfügte "östliche Trasse" insb. unter den Aspekten Lärm, Flächenbedarf, Schadstoffimmissionen und Beeinträchtigung schützenswerter Gebiete vergleicht. Es kommt zusammenfassend zu folgendem Ergebnis:

"Ausgehend von dem Umstand, daß die Pyhrnautobahn Teil eines Hochleistungsnetzes mit europäischer Dimension ist, daß sie wichtige Zentren in Österreich verbindet und für die betroffene Region Qualitätsverbesserung der Standorte mit vermehrten Produktions- und Konsumchancen bringt, ist eine Autobahn zwischen Sattledt und Windischgarsten zu errichten.

Keine der drei angebotenen Varianten erhielt die ungeteilte Zustimmung der Betroffenen.

In der vorliegenden Prüfung und Wertung wurde nun versucht, in Verbindung mit vertretbaren Kosten, eine möglichst umweltschonende und damit für alle Betroffenen annehmbare Lösung aufzuzeigen.

In Bezug auf Minimierung der negativen Umweltauswirkungen erscheint die östliche Variante als die am besten geeignete. Allerdings ist diese Variante teurer, vor allem durch die dabei notwendigen und vorgesehenen Umweltschutzbauten, wie Unterflurtrasse im Bereich mit der Kreuzung der B 138 und Brückenbauwerke im Kremsbereich mit größeren Öffnungen.

Aufgrund der weitgehenden Umweltschonung und in Anbetracht dessen, daß bei dieser Variante die Wohnbevölkerung am wenigsten betroffen wird, sollte die östliche Variante als Trassenführung für die Autobahn A 9 vorgesehen werden."

Der VfGH hat keine Bedenken ob der Eignung dieses Gutachtens, dem Erfordernis der in den §§4 Abs 1 und 7 BStG angeordneten Umweltverträglichkeitsprüfung zu genügen und erachtet auch das gemäß § 4 Abs 3 und 5 leg.cit. durchgeführte Anhörungsverfahren als ausreichend.

Der vom Antragsteller erhobene Vorwurf, daß die Trassenfestlegung ohne vorangehendes Prüfungsverfahren iS des § 4 BStG erlassen wurde, trifft somit nicht zu.

3. Soweit der Antragsteller darzutun versucht, daß überhaupt kein Bedarf nach der Errichtung einer Autobahn zwischen Sattledt und Windischgarsten besteht, ist ihm entgegenzuhalten, daß dem Bundesminister zur Prüfung dieser Frage bei der Verordnungserlassung keine Befugnis zustand, da nach dem einen Teil des BStG bildenden "Verzeichnis 1" - gegen dessen Verfassungsmäßigkeit der VfGH keine Bedenken hegt - die autobahnmäßig auszubauende Verbindung zwischen Sattledt und Liezen (Fassung 1983) bzw. zwischen Sattledt, Windischgarsten und Selzthal (Fassung 1986) vorgeschrieben ist und die Festlegung einer Trasse nach § 4 Abs 1 BStG "im Rahmen der Verzeichnisse" zu erfolgen hat.

4. Die im Antrag vorgebrachten Bedenken haben sich somit nicht als zutreffend erwiesen, wehalb dem Antrag keine Folge zu geben war.