VfGH vom 25.02.2010, V90/09 ua

VfGH vom 25.02.2010, V90/09 ua

19007

Leitsatz

Gesetzwidrigkeit einer Umwidmung von gemischtem Baugebiet in Betriebsbaugebiet wegen Fehlens einer dem Oö Raumordnungsgesetz 1994 entsprechenden Grundlagenforschung und Interessenabwägung sowie wegen Widerspruchs zum örtlichen Entwicklungskonzept; Aufhebung auch des darauf aufbauenden Bebauungsplanes

Spruch

I. 1. Die Flächenwidmungsplanänderung Nr. 3.8 der Stadtgemeinde

Schwanenstadt, Beschluss des Gemeinderates der Stadtgemeinde Schwanenstadt vom , aufsichtsbehördlich genehmigt mit Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom und kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel in der Zeit vom 30. April bis , soweit sie für die Grundstücke Nr. 165, 166/1, 166/2, 167/1 und 168, alle KG Schwanenstadt, die Widmung "Betriebsbaugebiet" ausweist, sowie

2. der Bebauungsplan Nr. 29 "Graben Nord/Ost" der Stadtgemeinde Schwanenstadt, Beschluss des Gemeinderates der Stadtgemeinde Schwanenstadt vom , aufsichtsbehördlich genehmigt mit Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom und kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel in der Zeit vom 5. bis , soweit er Festlegungen für die Grundstücke Nr. 165, 166/1, 166/2, 167/1 und 168, alle KG Schwanenstadt, trifft,

werden als gesetzwidrig aufgehoben.

II. Die Oberösterreichische Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Landesgesetzblatt für Oberösterreich verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Beim Verfassungsgerichtshof sind zwei zu B1992/07 und zu

B2016/07 protokollierte Beschwerden anhängig, denen folgender Sachverhalt zugrunde liegt:

1. Am suchte die bauwerbende Gesellschaft um die Erteilung einer Baubewilligung für den im Bauplan dargestellten und näher beschriebenen Neu- und Zubau auf den Grundstücken Nr. 165, 166/1, 166/2, 167/1 und 168, alle KG Schwanenstadt, die zu diesem Zeitpunkt als "gemischtes Baugebiet" (das Grundstück Nr. 167/1 teilweise auch als "Grünzug") gewidmet waren, an. Mit Bescheid vom erteilte der Bürgermeister der Stadtgemeinde Schwanenstadt der bauwerbenden Gesellschaft gemäß § 31 und § 35 Abs 1 des Landesgesetzes vom , mit dem eine Bauordnung für Oberösterreich erlassen wird (Oberösterreichische Bauordnung 1994), LGBl. 66, die Baubewilligung für die Errichtung eines dreigeschoßigen Zu- und Nebenbaues (vom Gemeinderat auf "Neubaues" abgeändert) für ein Produktions-, Logistik-, Personal- und Technikgebäude.

2. Gegen diesen Bescheid erhoben u.a. die Beschwerdeführer zu B1992/07 und zu B2016/07 als Nachbarn Berufung. Mit Bescheid vom änderte der Gemeinderat der Stadtgemeinde Schwanenstadt den Spruch des erstinstanzlichen Bescheides geringfügig ab, wies im Übrigen die Berufungen u.a. der Beschwerdeführer ab und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid (zu diesem Zeitpunkt waren die Baugrundstücke bereits als "Betriebsbaugebiet" [die Grundstücke Nr. 167/1 und 168 teilweise mit einer Schutzzone im Bauland] gewidmet). Den dagegen u.a. von den Beschwerdeführern erhobenen Vorstellungen gab die Oberösterreichische Landesregierung mit Bescheid vom mit der Feststellung keine Folge, dass u.a. die Beschwerdeführer durch den zweitinstanzlichen Bescheid in ihren Rechten nicht verletzt werden.

3. Gegen diesen Bescheid richten sich die auf Art 144 B-VG gestützten Beschwerden, in denen die Verletzung in Rechten wegen Anwendung gesetzwidriger Verordnungen und in der zu B1992/07 protokollierten Beschwerde auch die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art2 StGG), auf Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG) und auf ein faires Verfahren (Art6 EMRK) behauptet sowie die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

II. 1. Aus Anlass dieser Beschwerden hat der Verfassungsgerichtshof am beschlossen, gemäß Art 139 Abs 1 B-VG die Gesetzmäßigkeit der Flächenwidmungsplanänderung Nr. 3.8 der Stadtgemeinde Schwanenstadt, Beschluss des Gemeinderates der Stadtgemeinde Schwanenstadt vom , aufsichtsbehördlich genehmigt mit Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom und kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel in der Zeit vom 30. April bis , soweit sie für die Grundstücke Nr. 165, 166/1, 166/2, 167/1 und 168, alle KG Schwanenstadt, die Widmung "Betriebsbaugebiet" ausweist, sowie des Bebauungsplanes Nr. 29 "Graben Nord/Ost" der Stadtgemeinde Schwanenstadt, Beschluss des Gemeinderates der Stadtgemeinde Schwanenstadt vom , aufsichtsbehördlich genehmigt mit Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom und kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel in der Zeit vom 5. bis , soweit er Festlegungen für die Grundstücke Nr. 165, 166/1, 166/2, 167/1 und 168, alle KG Schwanenstadt, trifft, von Amts wegen zu prüfen.

1.1. Der Verfassungsgerichtshof ging vorläufig davon aus, dass die Beschwerden zulässig sind und er bei seiner Entscheidung darüber die in Prüfung gezogenen Verordnungen anzuwenden hätte.

1.2. Der Verfassungsgerichtshof hegte gegen die in Prüfung gezogenen Verordnungen folgende Bedenken:

"[...] Gemäß § 36 Abs 6 OÖ ROG 1994 ist die Änderung eines Flächenwi[d]mungsplanes oder eines Bebauungsplanes durch den Gemeinderat zu begründen; bei der Änderung von Flächenwidmungsplänen muss der Begründung oder den Planungsunterlagen überdies die erforderliche Grundlagenforschung und Interessenabwägung zu entnehmen sein.

Die vor der Beschlussfassung durch den Gemeinderat erforderliche Grundlagenforschung und Interessenabwägung iSd § 36 Abs 6 OÖ ROG 1994 zur Flächenwidmungsplanänderung 3.8 scheint lediglich aus dem [oben] zitierten Schreiben des Ortsplaners zu bestehen und dürfte daher den Anforderungen des § 36 Abs 6 OÖ ROG 1994 nicht genügen.

Für die Änderung der Flächenwidmung von 'gemischtes Baugebiet' in 'Betriebsbaugebiet' wird als Begründung sowohl vom Ortsplaner als auch von der Abteilung Raumordnung - Örtliche Raumordnung des Amtes der Oberösterreichischen Landesregierung die Widmungsanpassung an den tatsächlichen Baubestand genannt. Gemäß dem zweiten Absatz der Anlage 1 zur OÖ BetriebstypenV 1997 sind Betriebe, die den Widmungskategorien B/M (wie zB Fleisch verarbeitende Betriebe) zugeordnet sind, im gemischten Baugebiet (M) nur dann zulässig, wenn sie keinen industriellen Produktionscharakter aufweisen. Es dürfte daher mit dieser Umwidmung die industrielle Produktion für den Fleisch verarbeitenden Betrieb (bauwerbende Gesellschaft) ermöglicht worden sein. Der Umwidmung von 'gemischtem Baugebiet' in 'Betriebsbaugebiet' dürfte (auch hinsichtlich dieses Aspektes) weder eine gehörige Grundlagenforschung vorangegangen sein, noch ist dem Verfassungsgerichtshof vorläufig eine entsprechende Interessenabwägung erkennbar.

[...] Gemäß § 18 Abs 1 OÖ ROG 1994 besteht der Flächenwidmungsplan aus dem Flächenwidmungsteil und dem örtlichen Entwicklungskonzeptteil. Gemäß § 18 Abs 5 leg.cit. ist in Übereinstimmung mit den Zielen und Festlegungen des örtlichen Entwicklungskonzeptes im Flächenwidmungsteil für das gesamte Gemeindegebiet auszuweisen, welche Flächen als Bauland, als Verkehrsflächen oder als Grünland gewidmet werden. Gemäß § 34 Abs 2 Z 3 OÖ ROG 1994 ist dem Flächenwidmungsteil iSd § 18 Abs 1 zweiter Satz Z 1 leg.cit. die aufsichtsbehördliche Genehmigung durch die Landesregierung zu versagen, wenn dieser dem örtlichen Entwicklungskonzept iSd § 18 Abs 1 zweiter Satz Z 2 leg.cit. widerspricht.

Der Funktionsplan des örtlichen Entwicklungskonzeptes Nr. 1 dürfte bezüglich der von der Flächenwidmungsplanänderung Nr. 3.8 betroffenen Grundstücke die Festlegungen 'Freiraum - Erholungsflächen' und 'Siedlung - [g]emischte Funktion' enthalten. Die Flächenwidmungsplanänderung 3.8 dürfte daher auch deshalb gesetzwidrig sein, weil sie zum Zeitpunkt der Erlassung des Berufungsbescheides des Gemeinderates der Stadtgemeinde Schwanenstadt vom dem örtlichen Entwicklungskonzept Nr. 1 widersprach.

[...] Erweist sich die Flächenwidmungsplanänderung 3.8 als gesetzwidrig, so dürfte dies auch dazu führen, dass der darauf aufbauende Bebauungsplan Nr. 29 'Graben Nord/Ost' ebenfalls gesetzwidrig ist.

[...] Gegen den Bebauungsplan Nr. 29 'Graben Nord/Ost' besteht das weitere Bedenken, dass - wie die Darstellung [oben] zeigt - dieser vor der Beschlussfassung durch den Gemeinderat der Stadtgemeinde Schwanenstadt nicht ausreichend begründet worden sein dürfte (vgl. das [oben] zitierte Schreiben des Ortsplaners)."

2. Die Oberösterreichische Landesregierung legte weitere Unterlagen betreffend das Zustandekommen der in Prüfung gezogenen Verordnungen vor und erstattete eine Äußerung, in der sie beantragt, festzustellen, dass die in Prüfung gezogenen Verordnungen nicht gesetzwidrig sind.

Auszugsweise lautet ihre Äußerung wie folgt (Hervorhebungen nicht übernommen):

"Grundlagenforschung und Interessenab[...]wägung

Soweit sich die vom Verfassungsgerichtshof gehegten Bedenken auf die der Planungsentscheidung zu Grunde liegende Grundlagenforschung und Interessensabwägung beziehen, welche lediglich aus dem unter Punkt II.3.5. [des Prüfungsbeschlusses] zitierten Schreiben des Ortsplaners bestünden und daher den Anforderungen des § 36 Abs 6 Oö. ROG 1994 nicht genügen dürften, wird bemerkt, dass dem planungsbehördlichen Verfahrensakt der Flächenwidmungsplanänder[...]ung Nr. 3.8 tatsächlich kaum Unterlagen angeschlossen sind, welche formal die Bezeichnung als Grundlagenforschung aufweisen, oder zumindest bestimmte formale Merkmale einer gezielten Grundlagenforschung erkennen lassen. Insbesondere findet sich dort auch keine explizite Darstellung der behaupteten enormen wirtschaftlichen Bedeutung des Betriebsstandortes der gewachsenen Firma H[.] für die Standortgemeinde Schwanenstadt, oder eine zusammengefasste Darstellung aller Auswirkungen der geplanten Betriebserweiterung. Zu bedenken ist allerdings, dass bereits parallel zum Flächenwidmungsplanänderungsverfahren Nr. 3.8 auch das Planungsverfahren betreffend den eigens für das Betriebsgelände der Firma H[.] zu erstellenden Bebauungsplan eingeleitet und betrieben wurde. Bereits in seiner Stellungnahme vom wurde dabei vom Ortsplaner folgendes ausgeführt:

Zur Sicherung einer geordneten Bebauung im Planungsgebiet soll ein Bebauungsplan (Betriebsgelände Firma H[.]) erstellt werden. Dieser Bebauungsplan dient in erster Linie zur Festlegung von Schallschutzmaßnahmen für die angrenzende Wohnbebauung im Westen des Bebauungsraumes und zur Festlegung der maximalen Höhen einer künftigen Bebauung. Zur Standeserhaltung und dadurch Sicherung von Arbeitsplätzen wird der Betriebsausbau der Firma H[.] unter den gesetzlichen Bestimmungen befürwortet. Wie sich aus der Verhandlungsschrift zur 22. Sitzung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Schwanenstadt vom ergibt, war sich der Gemeinderat sehr wohl über die planungsrechtlich relevanten Problematiken der Erhaltung des Standortes bzw. der Erweiterungsmöglichkeiten des Betriebes H[.] bewusst und enthält der Amtsbericht durchaus eine Reihe von Schutzmaßnahmen und auch Verbesserungsvorschlägen, welche auch auf den damaligen Ist-Zustand des Betriebes eingehen. Weiters enthält der Amtsbericht auch in einigen Punkten eine ausdrückliche Absprache über Einwendungen der Nachbarschaft bzw. Abwägungen betroffener Interessen Dritter. Wenngleich die Planungsakten kein Dokument enthalten mögen, welches explizit auf die enorme wirtschaftliche Bedeutung des historisch gewachsenen Betriebes H[.] für die Stadtgemeinde Schwanenstadt und die Folgen einer Verhinderung einer allfälligen betrieblichen Weiterentwicklung des Standortes hinweist, ist davon auszugehen, dass dem Gemeinderat diese Umstände weitestgehend bekannt sein mussten und daher die zugunsten der Erhaltung und Entwicklung des Betriebes getroffenen Interessensabwägungen im Interesse des Gemeinwohls letztendlich auch nachvollziehbar sind.

Widerspruch zum Örtlichen Entwicklungskonzept Nr. 1

Es mag zwar zutreffen, dass zum Zeitpunkt des Gemeinderatsbeschlusses vom , mit welchem die Flächenwidmungsplanänderung Nr. 3.8 beschlossen wurde noch das Örtliche Entwicklungskonzept Nr. 1 in Geltung gestanden hat und nicht das bereits in Planung befindliche Örtliche Entwicklungskonzept Nr. 2. Soweit der Verfassungsgerichtshof eine Gesetzwidrigkeit der Flächenwidmungsplanänderung Nr. 3.8 vermutet, weil diese zum Zeitpunkt der Erlassung des Berufungsbescheides des Gemeinderates der Stadtgemeinde Schwanenstadt vom dem Örtlichen Entwicklungskonzept Nr. 1 widersprochen habe, ist zu bemerken, dass der Funktionsplan dieses Entwicklungskonzeptes für den Bereich des Grundstücks Nr. 167/1 (ehemaliger Sportplatz) tatsächlich eine Sport- und Spielfläche, offenbar als Bestandsausweisung, enthält. Ansonsten ist das Areal der Firma H[.] unter Punkt 4.1.1 der Entwicklungsziele als gemischte Funktion dargestellt, (offenbar für nicht näher definierte betriebliche und sonstige Nutzungen), in einer Zone, welche sich östlich anschließend an das Kerngebiet des Stadtzentrums von der Bundesstraße 1 (B1 Wienerstraße) in nordwestliche Richtung über einen Bereich mit ausschließlich betrieblicher Nutzung (B) bis zur Trasse der Bundesbahn erstreckt. Die im ÖEK Nr. 1 gewählte Funktion 'gemischte Funktion' trägt offenbar der tatsächlichen Nutzung im Sinne einer gewachsenen Struktur durchwegs bebaut mit seit langem bestehende[n] Gewerbebetrieben (Bestandsausweisung) einschließlich diverser Betriebswohnhäuser, Rechnung. Zumindest in diesem Punkt begründet das Örtliche Entwicklungskonzept Nr. 1 nach Auffassung der zur Vertretung der Verordnung berufenen Behörde keine Gesetzwidrigkeit der in Prüfung gezogenen Verordnungen, soweit diese auch eine betriebliche Weiterentwicklung ermöglichen. Im Gegensatz zur Bestandsausweisung (welche eigentlich nur die Wiedergabe des derzeit gewidmeten Baulandes laut Flächenwidmungsplan Nr. 2/1983 darstellt), enthält das ÖEK Nr. 1 für andere Bereiche des Gemeindegebietes auch detailliertere kurzfristige und langfristige Entwicklungsziele.

Das ÖEK Nr. 1 schließt jedenfalls für den Bereich der 'gemischten Funktion' eine betriebliche Nutzung nicht grundsätzlich aus. Keine wesentlich andere Festlegung enthält der mit datierte Entwurf eines neuen Funktionsplanes, in welchem die Grundstücke, auf die sich die bekämpfte Baubewilligung bezieht im 'Baulandkonzept' für gewerbliche oder betriebliche Funktionen gekennzeichnet werden.

Änderung der Flächenwidmung von 'gemischtes Baugebiet' in 'Betriebsbaugebiet'

Während als Begründung für diese Widmungsänderung sowohl vom Ortsplaner, als auch von der Abteilung Raumordnung - Örtliche Raumordnung des Amtes der Oö. Landesregierung die Widmungsanpassung an den tatsächlichen Baubestand genannt werde, vermutet der Verfassungsgerichtshof, dass mit dieser Umwidmung die industrielle Produktion für den fleischverarbeitenden Betrieb (bauwerbende Gesellschaft) ermöglicht worden sein dürfte. Die zur Vertretung der Verordnungen berufene Behörde verkennt nicht, dass dem Planungsakt auch diesbezüglich keine ausdrücklichen Erörterungen zu entnehmen sind, doch ergibt sich aus der allgemein bekannten Entwicklung des seit Jahrzehnten bestehenden Betriebs, was insbesondere auch den Darstellungen in der Niederschrift des Gemeinderates vom entnommen werden kann, dass der Betrieb bereits vor der Änderung des Flächenwidmungsplanes eine Größenordnung und Qualität erreicht hatte, welche einen hinreichenden Grund für die Annahme eines 'industriellen Produktionscharakters' im Sinne des 2. Absatzes der Anlage 1 zur Oö. Betriebstypenverordnung 1997 als gerechtfertigt erscheinen lässt. Da auf Grund der Aktenlage kein Grund für die Annahme einer bisher rechtswidrigen Betriebsführung ohne bau- und gewerberechtlichen Konsens besteht, ist die Anpassung der Flächenwidmung an den bau- und gewerbebehördlichen Konsens mit der Festlegung Betriebsbaugebiet nachvollziehbar. Wenngleich die Flächenwidmungsplanänderung Nr. 3.8 insgesamt die Grundlage für eine beabsichtigte Betriebserweiterung darstellen mag, so wurde damit jedenfalls nicht erst damit eine grundsätzliche Änderung der Betriebstype im Sinne des 2. Absatzes der Anlage 1 zur Oö. Betriebstypenverordnung 1997, betreffend fleischverarbeitende Betriebe mit industriellem Produktionscharakter ermöglicht. Die grundsätzliche Zulässigkeit des bestehenden Betriebes wird jedenfalls nicht (mehr weiter) berührt.

Bebauungsplan Nr. 29 'Graben Nord / Ost'

Was die vom Verfassungsgerichtshof gehegten Bedenken gegen den Bebauungsplan Nr. 29 'Graben Nord / Ost' betrifft, weil dieser vor der Beschlussfassung durch den Gemeinderat der Stadtgemeinde Schwanenstadt nicht ausreichend begründet worden sein dürfte, darf bemerkt werden, dass aus diversen Sitzungsunterlagen, etwa aus der Verhandlungsschrift der Sitzung des Planungs- und Umweltausschusses der Stadtgemeinde Schwanenstadt vom hervorgeht, dass das Projekt zumindest ausführlich beraten wurde. So ist etwa in dieser Niederschrift erwähnt, dass zum Schutz der Nachbarschaft entsprechend einem bereits vorliegenden schalltechnischen Gutachten entlang der Jennystraße eine ca. 15 Meter hohe Schallschutzwand geplant werde. Eine Auseinandersetzung mit den Interessen Dritter hat daher nachweislich stattgefunden. Eine derartige Auseinandersetzung mit dem Bebauungsplan lässt sich auch aus der in der Niederschrift des Gemeinderates über den Beschluss des Planentwurfes vom dokumentierten Debatte erkennen, wo etwa aus der Wortmeldung des Bürgermeisters hervorgeht, dass sich betreffend Verkehrsaufkommen bei der Firma H[.] die Situation verbessern würde, weil alle LKW's in diesen Hof hineinfahren und dort andocken und umkehren könnten...

Aus dem Amtsbericht zum Gemeinderatsbeschluss vom geht hervor, dass die Erlassung des Bebauungsplanes auch im Interesse des Gemeinwohls erfolgen soll, zur Bereinigung einer (bereits bestehenden !) schwierigen Verkehrssituation.

Da die beiden in Prüfung gezogenen Normen in einem engen ursächlichen, zeitlichen und sachlichen Zusammenhang stehen, vertritt die zur Vertretung der Verordnungen berufene Behörde die Auffassung, dass trotz allfälliger einzelner formaler Verfahrensmängel die zu prüfenden Normen insgesamt gesehen hinsichtlich der gebotenen Grundlagenforschung und Interessensabwägung den gesetzlichen Anforderungen weitgehend entsprechen. Soweit die in den Bedenken des Verfassungsgerichtshofes angesprochenen Verfahrensmängel überhaupt vorliegen, dürfte[n] diese jedenfalls nicht von einer derartigen Erheblichkeit sein, welche zur Feststellung einer Gesetzwidrigkeit der in Prüfung gezogenen Verordnung führen müsste."

3. Der Gemeinderat der Stadtgemeinde Schwanenstadt erstattete keine Äußerung.

4. Die Beschwerdeführer im Anlassverfahren zu B2016/07 gaben eine Stellungnahme ab, in der sie sich den im Prüfungsbeschluss geäußerten Bedenken des Verfassungsgerichtshofes anschließen.

5. Die Beschwerdeführerin im Anlassverfahren zu B1992/07 gab eine Stellungnahme ab, in der sie in Reaktion auf die Äußerung der Oberösterreichischen Landesregierung erneut ihre Bedenken gegen die in Prüfung gezogenen Verordnungen darlegt und die Feststellung beantragt, dass die Flächenwidmungsplanänderung 3.8 und der Bebauungsplan Nr. 29 "Graben Nord/Ost" der Stadtgemeinde Schwanenstadt gesetzwidrig sind.

III. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die vorläufigen Annahmen des Verfassungsgerichtshofes, dass die zu B1992/07 und B2016/07 protokollierten Beschwerden zulässig sind und dass die in Prüfung gezogenen Verordnungen bei der Behandlung der Beschwerden präjudiziell sind, haben sich als zutreffend erwiesen.

Da auch die sonstigen Prozessvoraussetzungen vorliegen, ist das Verordnungsprüfungsverfahren zulässig.

2. Die im Prüfungsbeschluss gegen die in Prüfung gezogenen Verordnungen geäußerten Bedenken treffen zu:

2.1.1. Gegen die Flächenwidmungsplanänderung 3.8 hegte der Verfassungsgerichtshof die Bedenken, dass die vor der Beschlussfassung durch den Gemeinderat erforderliche Grundlagenforschung und Interessenabwägung (auch hinsichtlich der Ermöglichung der industriellen Produktion für den Fleisch verarbeitenden Betrieb [bauwerbende Gesellschaft]) nicht den Anforderungen des § 36 Abs 6 des Landesgesetzes vom über die Raumordnung im Land Oberösterreich (Oberösterreichisches Raumordnungsgesetz 1994 - in der Folge: OÖ ROG 1994), LGBl. 114/1993, entsprochen hat, und dass diese Flächenwidmungsplanänderung zum Zeitpunkt der Erlassung des Berufungsbescheides des Gemeinderates der Stadtgemeinde Schwanenstadt dem örtlichen Entwicklungskonzept Nr. 1 widersprochen hat.

2.1.2. Die Oberösterreichische Landesregierung hat in ihrer Äußerung zur Grundlagenforschung und Interessenabwägung ausgeführt, dass dem Gemeinderat - trotz des Umstandes, dass die Planungsakten kein Dokument enthalten würden, welches explizit auf die enorme wirtschaftliche Bedeutung des historisch gewachsenen Betriebes H. für die Stadtgemeinde Schwanenstadt und die Folgen einer Verhinderung einer allfälligen betrieblichen Weiterentwicklung des Standortes hinweise - diese Rahmenbedingungen weitestgehend bekannt sein hätten müssen und daher die zugunsten der Erhaltung und Entwicklung des Betriebes getroffenen Interessenabwägungen im Interesse des Gemeinwohls letztendlich auch nachvollziehbar seien.

Zum Widerspruch der Flächenwidmungsplanänderung 3.8 zum örtlichen Entwicklungskonzept Nr. 1 hat die Oberösterreichische Landesregierung vorgebracht, dass die in letzterem festgelegte "gemischte Funktion" offenbar der tatsächlichen Nutzung im Sinne einer gewachsenen Struktur (durchwegs bebaut mit seit langem bestehenden Gewerbebetrieben [Bestandsausweisung] einschließlich diverser Betriebswohnhäuser) Rechnung trage. Eine Gesetzwidrigkeit der in Prüfung gezogenen Verordnungen liege nicht vor, soweit diese auch eine betriebliche Weiterentwicklung ermöglichen würden. Das örtliche Entwicklungskonzept Nr. 1 schließe jedenfalls für den Bereich der "gemischten Funktion" eine betriebliche Nutzung nicht grundsätzlich aus. Der Entwurf eines Funktionsplanes des örtlichen Entwicklungskonzeptes Nr. 2 enthalte keine wesentlich andere Festlegung, wenn er für die Baugrundstücke "Baulandkonzept - [g]ewerbliche oder betriebliche Funktion" ausweise.

Hinsichtlich der Änderung der Flächenwidmung von "gemischtes Baugebiet" in "Betriebsbaugebiet" hat die Oberösterreichische Landesregierung ausgeführt, dass dem Planungsakt auch diesbezüglich keine ausdrücklichen Erörterungen zu entnehmen seien, doch ergebe sich aus der allgemein bekannten Entwicklung des seit Jahrzehnten bestehenden Betriebes, dass der Betrieb bereits vor der Flächenwidmungsplanänderung 3.8 eine Größenordnung und Qualität erreicht gehabt hätte, welche einen hinreichenden Grund für die Annahme eines "industriellen Produktionscharakters" im Sinne des 2. Absatzes der Anlage 1 zur Verordnung der o.ö. Landesregierung vom über die Einordnung von Betrieben nach ihrer Betriebstype (Oberösterreichische Betriebstypenverordnung 1997), LGBl. 111, als gerechtfertigt habe erscheinen lassen. Die Anpassung der Flächenwidmung an den bau- und gewerbebehördlichen Konsens mit der Festlegung "Betriebsbaugebiet" sei daher nachvollziehbar.

2.1.3. Mit dieser Äußerung gelingt es der Oberösterreichischen Landesregierung nicht, die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes hinsichtlich der Gesetzwidrigkeit der Flächenwidmungsplanänderung 3.8 zu zerstreuen: Die Oberösterreichische Landesregierung gesteht selbst zu, dass in den Planungsakten kein Dokument enthalten ist, aus welchem sich eine den Anforderungen des § 36 Abs 6 OÖ ROG 1994 entsprechende Grundlagenforschung und Interessenabwägung ergibt. Der Umstand, dass dem Gemeinderat die wirtschaftliche Bedeutung des Betriebes und die Folgen der Verhinderung einer betrieblichen Weiterentwicklung weitestgehend bekannt sein mussten, vermag eine ausreichend dokumentierte Grundlagenforschung nicht zu ersetzen. Es hätte vielmehr dem Beschluss des Gemeinderates eine den Anforderungen des § 36 Abs 6 OÖ ROG 1994 entsprechende Grundlagenforschung und Interessenabwägung vorangehen müssen. Das bloße Abstellen auf faktische Entwicklungen ist jedenfalls nicht ausreichend.

Hinsichtlich des Bedenkens eines Widerspruches der Flächenwidmungsplanänderung 3.8 zum örtlichen Entwicklungskonzept Nr. 1 ist der Oberösterreichischen Landesregierung zwar zuzugestehen, dass die Festlegung "Siedlung - [g]emischte Funktion" eine betriebliche Nutzung nicht grundsätzlich ausschließt, doch ist dabei der Maßstab für das gemischte Baugebiet iSd § 22 Abs 5 OÖ ROG 1994 anzulegen (wie dies für den Großteil dieses Gebietes auch nach der Flächenwidmungsplanänderung 3.2 der Fall war). Die mit der Flächenwidmungsplanänderung 3.8 vorgenommene Umwidmung auf "Betriebsbaugebiet" findet in der Festlegung "Siedlung - [g]emischte Funktion" keine Deckung mehr (insofern besteht sehr wohl ein wesentlicher Unterschied zum Entwurf eines Funktionsplanes des örtlichen Entwicklungskonzeptes Nr. 2, der für das betreffende Gebiet die Festlegung "Baulandkonzept - [g]ewerbliche oder betriebliche Funktion" vorsieht). Grundsätzlich ausgeschlossen ist eine betriebliche Nutzung jedenfalls auf Grundstücken, für die die Festlegung "Freiraum - Erholungsflächen" getroffen ist.

Die Flächenwidmungsplanänderung 3.8 der Stadtgemeinde Schwanenstadt war daher als gesetzwidrig aufzuheben.

2.2.1. Gegen den Bebauungsplan Nr. 29 "Graben Nord/Ost" hegte der Verfassungsgerichtshof die Bedenken, dass dieser gesetzwidrig wird, wenn die Flächenwidmungsplanänderung 3.8 als gesetzwidrig aufgehoben wird, und dass dieser vor der Beschlussfassung durch den Gemeinderat der Stadtgemeinde Schwanenstadt nicht ausreichend begründet worden ist.

2.2.2. Die Oberösterreichische Landesregierung hat in ihrer Äußerung ausgeführt, dass aus diversen Sitzungsunterlagen hervorgehe, dass das Projekt zumindest ausführlich beraten worden sei, eine Auseinandersetzung mit den Interessen Dritter nachweislich stattgefunden habe und die Erlassung des in Prüfung gezogenen Bebauungsplanes auch im Interesse des Gemeinwohls erfolgt sei.

2.2.3. Mit dieser Äußerung wurde zumindest dem Bedenken des Verfassungsgerichtshofes hinsichtlich der Gesetzwidrigkeit des Bebauungsplanes Nr. 29 "Graben Nord/Ost" nach Aufhebung der Flächenwidmungsplanänderung 3.8 nicht entgegengetreten. Es hat sich somit auch diese vorläufige Annahme des Verfassungsgerichtshofes bestätigt. Der Bebauungsplan Nr. 29 "Graben Nord/Ost" der Stadtgemeinde Schwanenstadt war daher als gesetzwidrig aufzuheben.

3. Die Verpflichtung der Oberösterreichischen Landesregierung zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebungen erfließt aus Art 139 Abs 5 erster Satz B-VG und § 60 Abs 2 VfGG iVm § 2 Abs 1 Z 4 OÖ KundmachungsG.

4. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.