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VfGH vom 15.03.2000, V88/99

VfGH vom 15.03.2000, V88/99

Sammlungsnummer

15779

Leitsatz

Gesetzwidrigkeit einer BausperreV mangels einer gemäß Oö BauO 1994 gebotenen inhaltlichen Umschreibung der beabsichtigten Neuplanung

Spruch

Die Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Freistadt (Beschluss des Gemeinderates vom , kundgemacht an der Amtstafel in der Zeit von bis ), war, soweit damit eine Bausperre für das Grundstück Nr. 624, KG Freistadt, verhängt wurde, gesetzwidrig.

Die Oberösterreichische Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Feststellung im Landesgesetzblatt verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Beim Verfassungsgerichtshof ist eine zu B2000/97 protokollierte, auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde anhängig, der folgender Sachverhalt zugrundeliegt:

Die Beschwerdeführer sind je zur Hälfte Eigentümer des Grundstücks Nr. 624, KG Freistadt, und beantragten am die Erteilung der Baubewilligung zur Errichtung einer Garage und eines Nebengebäudes. Mit Bescheid vom erteilte der Bürgermeister der Gemeinde Freistadt die Baubewilligung. Dagegen erhoben die mitbeteiligten Nachbarn Berufung, der der Gemeinderat mit Bescheid vom stattgab und das Bauansuchen abwies. Die Vorstellung der Beschwerdeführer wurde am von der Oberösterreichischen Landesregierung abgewiesen.

Mit Erkenntnis vom , Z 95/05/0247, hob der Verwaltungsgerichtshof den Vorstellungsbescheid der Oberösterreichischen Landesregierung wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf.

Im fortgesetzten Verfahren wurde schließlich das Bauansuchen mit Bescheid des Gemeinderates der Stadtgemeinde Freistadt abgewiesen, da es im Widerspruch zu der mittlerweile erlassenen Bausperre (Beschluss des Gemeinderates vom , kundgemacht an der Amtstafel in der Zeit von bis ) stehe. Der Vorstellung der Beschwerdeführer wurde von der Oberösterreichischen Landesregierung mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge gegeben.

Dagegen richtet sich die zu B2000/97 protokollierte Beschwerde, in der die Beschwerdeführer die Gesetzwidrigkeit der Bausperre behaupten und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheids beantragen. Ihrer Auffassung nach lägen die gesetzlichen Voraussetzungen nach den einschlägigen Bestimmungen der Oberösterreichischen Bauordnung zur Erlassung einer Bausperre nicht vor.

Die belangte Behörde legte in diesem Verfahren die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragte. Sie brachte ua. vor, dass die Planungsbehörde einen "Schritt zur Sanierung eines Planungsfehlers" unternehmen musste. Die Stadtgemeinde Freistadt erstattete ebenfalls eine Äußerung, in der sie die Bausperre verteidigte und vorbrachte, dass die Verhängung der Bausperre in keinem Zusammenhang mit dem Bauverfahren stehe.

II. 1. Der Verfassungsgerichtshof hat aus Anlass der zu B2000/97 protokollierten Beschwerde am beschlossen, die Gesetzmäßigkeit der Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Freistadt (Beschluss des Gemeinderates vom , kundgemacht an der Amtstafel in der Zeit von bis ), soweit damit eine Bausperre für das Grundstück Nr. 624, KG Freistadt, verhängt wurde, von Amts wegen zu prüfen.

2. Aus den Akten betreffend das Zustandekommen der Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Freistadt vom betreffend die Verhängung einer Bausperre ergibt sich folgender Sachverhalt:

Zum Zeitpunkt der Gemeinderatssitzung vom war über die Vorstellung der Beschwerdeführer von der Oberösterreichischen Landesregierung noch nicht entschieden worden (die abweisliche Entscheidung erging am ; sie wurde am vom Verwaltungsgerichtshof aufgehoben).

Wie dem Sitzungsprotokoll zu entnehmen ist, äußerten einige Gemeinderatsmitglieder Bedenken gegen die zu erlassende Bausperre, da einerseits in ein laufendes Bauverfahren eingegriffen werde und andererseits der Entwurf keinen konkreten Änderungswunsch enthalte. Schließlich wurde die Bausperre doch beschlossen.

Sie hat folgenden Wortlaut:

"Verordnung

des Gemeinderates der Stadtgemeinde Freistadt vom

betreffend die Verhängung einer

Bausperre

Gemäß § 45 OÖ. BauO, LGBl. Nr. 66/1994, in Verbindung mit den §§40 Abs 2 Ziff. 9 und 43 Abs 1 der OÖ. GemO 1990, LGBl. Nr. 91/1990 i. d.g.F. wird verordnet:

§1

Dieser Verordnung liegt die Grenze des Planungsraumes des Bebauungsplanes Nr. 50 'Pflanzlstraße' im Maßstab 1:1000 zugrunde. Der Plan liegt während der Amtsstunden am Stadtamt Freistadt, Bauabteilung, auf und kann von jedermann eingesehen werden.

§2

Über die im Bebauungsplan mit roter Farbe begrenzte Fläche wird eine Bausperre verhängt, bis ein überarbeiteter Bebauungsplan beim Stadtamt Freistadt aufliegt. Die Verhängung der Bausperre liegt im Interesse der Sicherung einer zweckmäßigen und geordneten Bebauung. Im Bereich der Fläche auf der die Bausperre verhängt wird, werden die bebaubaren Flächen sowie die Abstände zu den Nachbargrundgrenzen in Form eines überarbeiteten Bebauungsplanes festgehalten.

§3

Diese Verordnung wird gemäß § 94 Abs 2 der OÖ. GemO 1990 durch zwei Wochen kundgemacht und wird mit dem Ablauf der Kundmachungsfrist folgenden Tag rechtswirksam."

3. Die Verordnung wurde durch Anschlag an der Amtstafel in der Zeit von bis kundgemacht. Mit Schreiben vom teilte die Oberösterreichische Landesregierung mit, dass die Prüfung der Verordnung keine Gesetzwidrigkeit ergeben hätte.

4. Das im Eigentum der Beschwerdeführer stehende Grundstück Nr. 624, KG Freistadt, liegt innerhalb der in § 2 der Bausperre bezeichneten - im Plan rot umrandeten - Fläche.

5. Die für die Erlassung der Verordnung maßgebliche Bestimmung des § 45 OÖ Bauordnung 1994, LGBl. Nr. 66/1994, lautet:

"§45

(1) Der Gemeinderat kann durch Verordnung für ein bestimmtes Gebiet eine Bausperre verhängen, wenn ein Flächenwidmungsplan oder ein Bebauungsplan für dieses Gebiet erlassen oder geändert werden soll und die Verhängung der Bausperre im Interesse der Sicherung einer zweckmäßigen und geordneten Bebauung erforderlich ist. Der Gemeinderat hat anläßlich der Verhängung der Bausperre die beabsichtigte Neuplanung, die Anlass für die Verhängung der Bausperre ist, in ihren Grundzügen zu umschreiben.

(2) Die Bausperre hat die Wirkung, daß Bauplatzbewilligungen, Bewilligungen für die Änderung von Bauplätzen und bebauten Grundstücken und Baubewilligungen - ausgenommen Baubewilligungen für Bauvorhaben gemäß § 24 Abs 1 Z. 5 - nur ausnahmsweise mit Zustimmung des Gemeinderates erteilt werden dürfen, wenn nach der jeweils gegebenen Sachlage anzunehmen ist, daß die beantragte Bewilligung die Durchführung des künftigen Flächenwidmungsplanes oder Bebauungsplanes nicht erschwert oder verhindert. An die Stelle der erforderlichen Zustimmung des Gemeinderates tritt bei Vollzugsakten, die bundeseigene Gebäude im Sinn des Art 15 Abs 5 B-VG betreffen, die Anhörung des Gemeinderates.

(3) ...

(4) Die Bausperre tritt entsprechend dem Anlass, aus dem sie verhängt wurde, mit dem Rechtswirksamwerden des neuen Fächenwidmungsplanes oder Bebauungsplanes oder der Änderung des Flächenwidmungsplanes oder Bebauungsplanes, spätestens jedoch nach zwei Jahren außer Kraft.

(5) ..."

6. In seinem Prüfungsbeschluss ging der Verfassungsgerichtshof vorläufig davon aus, dass die Beschwerde zulässig ist und die Oberösterreichische Landesregierung bei Erlassung des angefochtenen Bescheides die in Prüfung gezogene Verordnung angewendet hat.

Gegen die Gesetzmäßigkeit der Bausperre hegte der Verfassungsgerichtshof das Bedenken, dass der Gemeinderat die gemäß § 45 Abs 1 OÖ Bauordnung 1994 gebotene Umschreibung der beabsichtigten Neuplanung in ihren Grundzügen, jedenfalls als Bestandteil der kundgemachten Verordnung, (wie diese vom Verfassungsgerichtshof in seiner Judikatur gefordert wird, vgl. VfSlg. 7287/1974, 9910/1983, 10.953/1986 ua.) unterlassen hat. Der in § 2 der Verordnung enthaltene Hinweis, dass im Bereich der Bausperre die bebaubaren Flächen sowie die Abstände zu den Nachbargrundgrenzen in Form eines überarbeiteten Bebauungsplanes festgehalten werden, stelle keine inhaltliche Umschreibung der beabsichtigten Neuplanung dar.

Der Verfassungsgerichtshof war daher vorläufig der Meinung, dass die Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Freistadt den in § 45 OÖ Bauordnung 1994 festgelegten Kriterien widerspricht.

7. Die Oberösterreichische Landesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie ausführt, dass der Auffassung, der in § 2 der Verordnung enthaltene Hinweis stelle selbst keine inhaltliche Umschreibung der beabsichtigten Neuplanung dar, grundsätzlich nicht entgegengetreten werden könne. Allerdings lasse sich aus dem "Kontext der Verordnung" ein Regelungsziel, nämlich die Absicht, die bebaubaren Flächen sowie die Abstände zu den Nachbargrundgrenzen regeln zu wollen, ablesen. Der Bebauungsplan sollte einen Schritt zur Sanierung eines Planungsfehlers darstellen. Die in Prüfung gezogene Verordnung scheine daher die Planungsabsicht des Gemeinderates zumindest in den gesetzlich geforderten Grundzügen zu umschreiben. Die Oberösterreichische Landesregierung beantragt in ihrer Äußerung schließlich, der Verfassungsgerichtshof wolle feststellen, dass die in Prüfung gezogene Verordnung nicht gesetzwidrig ist.

Die Oberösterreichische Landesregierung legte Akten vor, aus denen hervorgeht, dass die Bausperre am und am jeweils um ein Jahr verlängert wurde. Sie galt gemäß ArtII Abs 6 der am in Kraft getretenen OÖ Bauordnungsnovelle 1998, LGBl. Nr. 70/1998, als Verordnung über die Erklärung zum Neuplanungsgebiet weiter.

8. Die Beschwerdeführer des Anlassverfahrens erstatteten ebenfalls eine Äußerung, in der sie beantragen, dass der Verfassungsgerichtshof die Gesetzwidrigkeit der Bausperre feststellen möge.

III. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die in Prüfung gezogene Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Freistadt vom über die Verhängung einer Bausperre ist im Beschwerdeverfahren B2000/97 vor dem Verfassungsgerichtshof präjudiziell, da mit dem angefochtenen Bescheid das Ansuchen auf Erteilung einer Baubewilligung unter Berufung auf diese Verordnung abgewiesen wurde. Die Beschwerde im Verfahren B2000/97 ist zulässig.

Da auch die sonstigen Prozessvoraussetzungen vorliegen, ist das Verordnungsprüfungsverfahren zulässig.

2. Das Verordnungsprüfungsverfahren hat ergeben, dass die im Prüfungsbeschluss dargelegten Bedenken des Verfassungsgerichtshofes zutreffen:

Die Oberösterreichische Landesregierung konnte die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes, die gemäß § 45 Abs 1 OÖ Bauordnung 1994 erforderliche Umschreibung der beabsichtigten Neuplanung sei nicht erfolgt, nicht zerstreuen. Das Argument der Landesregierung, aus dem Kontext der Entstehungsgeschichte der Verordnung sei zu erkennen, dass der überarbeitete Bebauungsplan neue (sachgerechtere) Regelungen im Hinblick auf die bebaubaren Flächen sowie die Abstände zu den Nachbargrundgrenzen enthalten sollte, vermag nicht zu überzeugen. Aussagen in der Gemeinderatssitzung stellen keinen Bestandteil der Verordnung dar.

Der Gemeinderat hat die gemäß § 45 Abs 1 OÖ Bauordnung 1994 gebotene Umschreibung der beabsichtigten Neuplanung in ihren Grundzügen, jedenfalls als Bestandteil der kundgemachten Verordnung, (wie dies vom Verfassungsgerichtshof in seiner Judikatur gefordert wird, vgl. VfSlg. 7287/1974, 9910/1983, 10.953/1986 ua.) unterlassen. Der in § 2 der Verordnung enthaltene Hinweis, dass im Bereich der Bausperre die bebaubaren Flächen sowie die Abstände zu den Nachbargrundgrenzen in Form eines überarbeiteten Bebauungsplanes festgehalten werden, stellt keine inhaltliche Umschreibung der beabsichtigten Neuplanung dar.

Die Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Freistadt widerspricht daher § 45 OÖ BauO 1994. Sie erlangte auch ab durch die OÖ Bauordnungsnovelle 1998 keine nachfolgende gesetzliche Deckung, weil der Gemeinderat auch gemäß § 45 Abs 1 letzter Satz OÖ BauO idF LGBl. 70/1998 die beabsichtigte Neuplanung, die Anlass für die Erklärung ist, in ihren Grundzügen zu umschreiben hat.

Da die Bausperrenverordnung gemäß § 45 Abs 4 leg. cit. spätestens nach zwei Jahren außer Kraft tritt und gemäß § 45 Abs 5 leg. cit. höchstens zwei Mal auf je ein weiteres Jahr verlängert werden darf, war auszusprechen, dass die Verordnung gesetzwidrig war.

Die Verpflichtung der Oberösterreichischen Landesregierung zur Kundmachung der Feststellung des Verfassungsgerichtshofes stützt sich auf Art 139 Abs 5 B-VG.

Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung getroffen werden.