VfGH vom 28.09.1989, V82/87
Sammlungsnummer
12158
Leitsatz
Aufhebung des § 1 der Wr. LadenschlußV 1965 nach Wegfall ihrer gesetzlichen Grundlage infolge Aufhebung des § 2 Abs 1 und einiger Worte des § 2 Abs 4 LadenschlußG mit Erk. VfSlg. 12094/1989
Spruch
§ 1 der Verordnung des Landeshauptmannes von Wien vom , über den Ladenschluß an Werktagen (Wiener Ladenschlußverordnung), LGBl. Nr. 21/1965, wird als gesetzwidrig aufgehoben.
Die Aufhebung tritt mit Ablauf des in Kraft.
Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten ist zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung im Bundesgesetzblatt verpflichtet.
Der Bund (Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten) ist schuldig, den Antragstellerinnen zuhanden ihres Vertreters die mit 30.000 S bestimmten Verfahrenskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Mit einem beim Verfassungsgerichtshof am eingelangten Schriftsatz beantragen die Trachten-T & Co KG als Trägerin eines Handelsgewerbes in Wien (Erstantragstellerin), die Dr. G T Ges.m.b.H. als persönlich haftender Gesellschafter der Trachten-T & Co KG (Zweitantragstellerin) und Dr. G T unter anderem als handels- und gewerberechtlicher Geschäftsführer der genannten Gesellschaften (Drittantragstellerin) die Aufhebung des § 2 des Ladenschlußgesetzes (künftig: LSchG) sowie die Aufhebung der §§1 und 2 der Verordnung des Landeshauptmannes von Wien über den Ladenschluß an Werktagen (Wiener Ladenschlußverordnung, künftig: Wr. LSchV), LGBl. 21/1965.
2.a) Die Gesetzesprüfungsanträge wurden mit Beschluß des Verfassungsgerichtshofes G153/87 vom zurückgewiesen.
b) Im Verordnungsprüfungsverfahren wurde mit Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom , V82/87-11, der Antrag der Zweitantragstellerin zur Gänze, der Antrag der Drittantragstellerin, soweit er sich auf § 2 Wr. LSchV bezieht, zurückgewiesen.
Mit demselben Beschluß wurde aus Anlaß des Antrags der Erstantragstellerin gemäß Art 140 B-VG ein Verfahren zur Prüfung der Absätze 1 und 3 des § 3 des LSchG eingeleitet; diese Gesetzesbestimmung stellte die Grundlage für § 2 der angefochtenen Wr. LSchV dar. Mit Erkenntnis vom , G132/87 (und Folgezahlen), hat der Verfassungsgerichtshof diese Gesetzesbestimmungen wegen Widerspruchs zur Erwerbsausübungsfreiheit als verfassungswidrig aufgehoben und für das Außerkrafttreten eine Frist bis bestimmt. Mit Erkenntnis V82/87-20 vom wurde im Gefolge dieser Entscheidung der angefochtene § 2 Wr. LSchV aufgehoben; für das Außerkrafttreten wurde ebenfalls eine Frist bis bestimmt.
3.a) Die Entscheidung über die Anträge der Erst- und Drittantragstellerin betreffend § 1 der angefochtenen Wr. LSchV blieb im erwähnten Beschluß vom vorbehalten.
Diese Bestimmung lautet:
"Alle ständigen und nichtständigen für den Kleinverkauf von Waren bestimmten Betriebseinrichtungen (Verkaufsstellen) sind, soweit sich nach den folgenden Bestimmungen nichts anderes ergibt, an Werktagen von 18 Uhr bis 8 Uhr, beim Kleinverkauf von Lebensmitteln von 18.30 Uhr bis 7 Uhr geschlossen zu halten."
b) In ihren Anträgen behaupten die Antragstellerinnen in der Sache einen Widerspruch der angefochtenen Bestimmung des § 1 Wr. LSchV zu der durch Art 6 StGG gewährleisteten Freiheit der Erwerbsbetätigung. Durch die u.a. angefochtene Norm würden die Antragstellerinnen in ihrer Erwerbsausübung in zeitlicher Hinsicht eingeschränkt. Diese Einschränkung sei durch keines der Ziele, dem das LSchG diene - Sicherung der Einhaltung der arbeitszeitrechtlichen Vorschriften; Gewährleistung angemessener Einkaufszeiten und Verhinderung überlanger Öffnungszeiten - gerechtfertigt. Die Antragstellerinnen meinen, daß die angefochtenen Regelungen teilweise zur Zielerreichung völlig ungeeignet, teilweise unsachlich und nicht angemessen und überdies wirtschaftspolitisch verfehlt seien.
c) Der Landeshauptmann von Wien verteidigte die Gesetzmäßigkeit der angefochtenen Verordnungsstelle und stellte den Antrag, diese nicht als gesetzwidrig aufzuheben.
Auch der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten erstattete eine Äußerung, enthielt sich jedoch einer Antragstellung.
II. Mit Beschluß vom , V82/87-25, leitete der Verfassungsgerichtshof aus Anlaß der Prüfung des § 1 Wr. LSchV über Antrag der Erst- und der Drittantragstellerin gemäß Art 140 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des Abs 1 und der Worte "Wenn die Einkaufsbedürfnisse, insbesondere der berufstätigen Bevölkerung, dies zulassen, kann der Landeshauptmann mit Verordnung allgemein oder für Verkaufsstellen bestimmter Art oder für bestimmte Gebiete anordnen, daß, abweichend von den in den Absätzen 1 bis 3 festgesetzten Ladenschlußzeiten," und der Worte "die Verkaufsstellen um höchstens eine Stunde früher zu schließen und um höchstens eine Stunde länger geschlossen zu halten sind" in Abs 4 des § 2 des LSchG, BGBl. 156/1958, ein; er hob diese Gesetzesstellen mit Erkenntnis vom , G198/88, G234/88, als verfassungswidrig auf und bestimmte, daß die Aufhebung mit Ablauf des in Kraft tritt.
III. 1. Das Verordnungsprüfungsverfahren ist, soweit es sich auf § 1 Wr. LSchV bezieht, sowohl hinsichtlich der Erstantragstellerin, der Trachten-T & Co KG, als auch der Drittantragstellerin, der Dr. G T, - wie sich aus den Entscheidungsgründen des oben erwähnten Erkenntnisses im Gesetzesprüfungsverfahren ergibt - zulässig.
2. § 1 der Wr. LSchV findet seine Grundlage - wie ebenfalls im Erkenntnis im Gesetzesprüfungsverfahren dargelegt wurde - in den als verfassungswidrig erkannten Bestimmungen des Abs 1 und der oben wiedergegebenen Worte des Abs 4 des § 2 LSchG und kann sich materiell auf keine andere Bestimmung des LSchG stützen. Da nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. etwa VfSlg. 5373/1966) eine Verordnung als ohne gesetzliche Deckung erlassen anzusehen ist, wenn ihre gesetzliche Grundlage in einem Verfahren nach Art 140 B-VG aufgehoben worden ist, war spruchgemäß zu entscheiden.
3. Die Bestimmung einer Frist für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Verordnungsstelle erfolgte im Hinblick darauf, daß der Verfassungsgerichtshof für das Außerkrafttreten der zugrunde liegenden Gesetzesbestimmung eine Frist bis Ablauf des bestimmt hat (vgl. VfSlg. 102/1922, 5310/1966) und gründet sich auf Art 139 Abs 5 letzter Satz B-VG.
Die Entscheidung über die Kundmachungspflicht stützt sich auf Art 139 Abs 5 B-VG.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 88 VerfGG; im zugesprochenen Kostenbetrag ist Umsatzsteuer in Höhe von 5.000 S enthalten.
5. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG ohne vorangegangene Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Fundstelle(n):
YAAAE-29942