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VfGH vom 15.06.2011, v82/10

VfGH vom 15.06.2011, v82/10

Sammlungsnummer

19409

Leitsatz

Aufhebung einer Ortstafelverordnung in Salzburg wegen gesetzwidriger Kundmachung; Ortsnamen bzw aufzustellendes Hinweiszeichen nicht dem Verordnungstext entsprechend

Spruch

I. Die §§3 und 4 des 1. Teiles, ArtI. Ortsgebietserklärung, der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Zell am See vom , Z 30608/367-64/953-2007, kundgemacht durch Hinweiszeichen gemäß § 53 Abs 1 Z 17a und 17b StVO 1960, durch die eine näher bezeichnete Strecke auf der B 311 zum Ortsgebiet von "Gries" erklärt und die Anbringung der Hinweiszeichen gemäß § 53 Abs 1 Z 17a und 17b StVO 1960 geregelt wird, werden als gesetzwidrig aufgehoben.

II. Die Aufhebung tritt mit Ablauf des in Kraft.

III. Die Salzburger Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Landesgesetzblatt verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Anlassverfahren, Prüfungsbeschluss und Vorverfahren

1. Beim Verfassungsgerichtshof ist eine auf Art 144 Abs 1 B-VG gestützte Beschwerde gegen einen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Salzburg (im Folgenden: UVS) vom anhängig, mit dem der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Zell am See (im Folgenden: BH Zell am See) bestätigt wurde. Die BH Zell am See hatte mit Bescheid vom über den Beschwerdeführer gemäß § 20 Abs 2 iVm § 99 Abs 3 lita StVO 1960 eine Geldstrafe in Höhe von € 85,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 40 Stunden) verhängt, weil er als Lenker eines Fahrzeuges im Ortsgebiet von Bruck an der Glocknerstraße auf der

B 311 bei Straßenkilometer 35,450 die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 13 km/h überschritten hatte.

2. Aus Anlass dieser Beschwerde beschloss der Verfassungsgerichtshof am gemäß Art 139 Abs 1 B-VG dieses Verfahren zu unterbrechen und die Gesetzmäßigkeit der §§3 und 4 des 1. Teiles, ArtI. Ortsgebietserklärung, der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Zell am See vom , Z 30608/367-64/953-2007, kundgemacht durch Hinweiszeichen gemäß § 53 Abs 1 Z 17a und 17b StVO 1960, mit der eine näher bezeichnete Strecke auf der B 311 zum Ortsgebiet von "Gries" erklärt und die Anbringung der Hinweiszeichen gemäß § 53 Abs 1 Z 17a und 17b StVO 1960 geregelt wird, von Amts wegen zu prüfen.

3. Die in Prüfung gezogenen Verordnungsbestimmungen lauten:

"Verordnung (Teil 1)

B 311, Strkm 21,0 bis Strkm 38,0

I. Ortsgebietserklärung

§ 1: (...)

§ 2: (...)

§ 3: Die B 311 wird von Strkm. 35,185 bis Strkm. 35,576 zum

Ortsgebiet von 'Gries' erklärt.

§ 4: Die im § 3 erlassene Verkehrsbeschränkung wird kundgemacht

durch das Verkehrszeichen gem. § 53 Z. 17a StVO (Ortstafel) sowie

durch das Verkehrszeichen gem. § 53 Z. 17b StVO (Ortsende) mit der Aufschrift 'Gries', wobei jeweils die Verkehrszeichen gem. § 53 Z. 17a StVO bei Strkm. 35,185 in Fahrtrichtung Zell am See, sowie bei Strkm. 35,576 in Fahrtrichtung Salzburg, die Verkehrszeichen gem. § 53 Z. 17b StVO jeweils bei Strkm. 35,185 in Fahrtrichtung Salzburg sowie bei Strkm. 35,576 in Fahrtrichtung Zell am See anzubringen sind.

II. - VII. (...)"

4. Seine Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Verordnungsbestimmungen begründete der Verfassungsgerichtshof damit, dass in § 3 der Verordnung die B 311 auf dem Streckenabschnitt von Strkm. 35,185 bis Strkm. 35,576 zum Ortsgebiet von "Gries" erklärt werde und demgemäß § 4 vorsehe, dass die in § 3 erlassene Verkehrsbeschränkung durch die "Verkehrszeichen gem. § 53 Z. 17a (Ortstafel) sowie durch das Verkehrszeichen gem. § 53

Z. 17b StVO (Ortsende) mit der Aufschrift 'Gries'" an näher bestimmten Stellen auf der B 311 kundzumachen seien. Dem werde allerdings durch die an der betreffenden Stelle tatsächlich aufgestellten Hinweiszeichen gemäß § 53 Abs 1 Z 17a und 17b StVO 1960 mit der Aufschrift "Gries im Pinzgau" nicht entsprochen. Es bestehe daher das Bedenken, dass die Verordnung der BH Zell am See in dem in Rede stehenden Umfang nicht gesetzmäßig kundgemacht worden sei.

5. Die BH Zell am See hielt im Verordnungsprüfungsverfahren diesem Bedenken entgegen, dass es in Österreich nicht nur eine Ortschaft mit Namen "Gries" gebe, sodass es jedenfalls für die Orientierung zweckmäßig sei, auf den Ortstafeln den Zusatz "im Pinzgau" anzubringen. Nicht zuletzt bilde Gries einen Ortsteil der Gemeinde Bruck an der Glocknerstraße und sei es nach einem einschlägigen Kommentar zur Straßenverkehrsordnung zulässig, im Verkehrszeichen den Namen des Ortes und nicht den der Gemeinde anzugeben. Die Kundmachung des Ortsgebietes "Gries" sei daher gesetzmäßig erfolgt.

6. Die Salzburger Landesregierung verwies in ihrer Stellungnahme auf die Äußerung der BH Zell am See und merkte an, dass dem Zusatz auf der Ortstafel "im Pinzgau" kein normativer Gehalt zukomme, weil er in der Verordnung nicht erwähnt sei.

7. Die um eine Stellungnahme ersuchte Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie führte zum Bedenken des Verfassungsgerichtshofes aus, dass die Festlegung des Namens des Ortsgebietes in der Verordnung selbst zwar nicht zwingend notwendig sei, weil an den Namen an sich keine normativen Wirkungen geknüpft seien, erfolge die Festlegung des Ortsnamens jedoch in der Verordnung, bleibe für den Straßenerhalter kein Interpretationsspielraum. Die Kundmachung einer Verordnung eines Ortsgebietes mit einem bereits durch die Behörde festgelegten bestimmten Ortsnamen habe daher identisch zu sein mit dem Ortsnamen im Verordnungstext. Habe die Behörde hingegen noch keinen Ortsnamen festgelegt, sei zweifellos von einem gewissen Interpretationsspielraum des Straßenerhalters bei der Auswahl des Namens und der Aufschrift auf der Ortstafel auszugehen. Unabdingbar sei in jedem Fall, dass ein konkret kundgemachtes Ortsgebiet auf eine bestimmte Verordnung rückführbar sei und die Kundmachung an den aus der Verordnung zu entnehmenden Stellen in einer Weise erfolge, dass die Grenzen des Ortsgebietes der Verordnung entsprechend angezeigt würden.

II. Erwägungen

1. Da der Beschwerdeführer im Anlassverfahren B483/09 wegen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h im Ortsgebiet von Bruck an der Glocknerstraße auf der B 311 bei Strkm. 35,450 bestraft wurde, ist die in Prüfung gezogene Verordnungsstelle in diesem Beschwerdeverfahren präjudiziell. Weil weiters auch die sonstigen Prozessvoraussetzungen vorliegen, ist das Verordnungsprüfungsverfahren gemäß Art 139 Abs 1 B-VG zulässig.

2. Gemäß § 44 Abs 1 StVO 1960 sind die in § 43 bezeichneten Verordnungen, sofern sich aus den folgenden Absätzen nichts anderes ergibt, durch Straßenverkehrszeichen oder Bodenmarkierungen kundzumachen. Sie treten mit deren Anbringung in Kraft. § 4 der Verordnung der BH Zell am See vom sieht vor, dass die in § 3 erlassene Verkehrsbeschränkung durch das Aufstellen von Hinweiszeichen gemäß § 53 Abs 1 Z 17a und 17b StVO 1960, die die Aufschrift "Gries" haben sollten, kundzumachen ist. Der Ortsnamen bzw. die Textierung der aufzustellenden Hinweiszeichen wurde damit vom Verordnungsgeber bereits in der Verordnung festgelegt. Den Anforderungen des § 4 wurde durch das Aufstellen der Hinweiszeichen mit der Aufschrift "Gries im Pinzgau" jedoch nicht entsprochen. Die Verordnung der BH Zell am See vom wurde daher in dem in Rede stehenden Umfang nicht gesetzmäßig kundgemacht.

III. Ergebnis und damit zusammenhängende Ausführungen

Da das Verordnungsprüfungsverfahren einen Kundmachungsmangel ergeben hat, war die Verordnung im Umfang der §§3 und 4 als gesetzwidrig aufzuheben.

Die Bestimmung einer Frist für das Außer-Kraft-Treten der aufgehobenen Verordnungsstelle gründet sich auf Art 139 Abs 5 letzter Satz B-VG.

Die Verpflichtung der Salzburger Landesregierung zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung und des damit im Zusammenhang stehenden weiteren Ausspruchs erfließt aus Art 139 Abs 5 erster Satz B-VG und § 60 Abs 2 VfGG.

Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.