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VfGH vom 16.06.1998, V8/98

VfGH vom 16.06.1998, V8/98

Sammlungsnummer

15189

Leitsatz

Feststellung der Gesetzwidrigkeit von Bestimmungen zweier Erlässe des Bundesministers für Arbeit und Soziales sowie des Leitfadens für die Anwendung des Assoziationsratsbeschlusses EWG-Türkei Nr 1/80 betreffend die Beschäftigung türkischer Arbeitnehmer bzw deren Familienangehörigen; Qualifizierung der in Prüfung gezogenen Dokumente als Rechtsverordnungen infolge Beinhaltung normativer, die Rechtsposition türkischer Arbeitnehmer gestaltender Anordnungen; mangelnde Kundmachung im Bundesgesetzblatt; Gesetzlosigkeit der Verordnungsbestimmungen mangels innerstaatlicher gesetzlicher Grundlage; keine inhaltliche Modifikation des Art 18 Abs 2 B-VG durch den Beitritt tÖsterreichs zur Europäischen Union; Zuständigkeit des Gesetzgebers zur Umsetzung gemeinschaftsrechtlicher, einer mitgliedstaatlichen Konkretisierung zugänglicher Vorschriften

Spruch

I. 1. Der "Leitfaden für die Anwendung" des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG-Türkei vom über die Entwicklung der Assoziation (Stand März 1997) war gesetzwidrig.

2. Weiters waren gesetzwidrig:


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a)
Der letzte Absatz des Punktes 1 und der erste Absatz des Punktes 3 des Erlasses des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom , Z 35.402/24-A/96, und
b)
die Z 5 und 6 des Erlasses des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom , Z 35.402/36-7/96.

II. Die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt II verpflichtet.

Begründung

ntscheidungsgründe:

I. 1. Beim Verfassungsgerichtshof ist ein Verfahren über einen im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Vorarlberg anhängig, mit dem einem Antrag "auf Ausstellung eines Feststellungsbescheides" nach dem Beschluß Nr. 1/80 des - durch das Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei (64/733/EWG), ABl. 1964 Nr. 217, 3687, (im folgenden: Assoziierungsabkommen EWG-Türkei) geschaffenen - Assoziationsrates vom über die Entwicklung der Assoziation (im folgenden Assoziationsratsbeschluß Nr. 1/80 bzw. kurz: ARB) eines türkischen Staatsangehörigen keine Folge gegeben.

Begründend wurde u.a. ausgeführt, nach Art 7 Abs 1 zweiter Fall des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80 hätten Familienangehörige eines dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates angehörenden türkischen Arbeitnehmers, die die Genehmigung erhalten haben, zu ihm zu ziehen, dann "freien Zugang zu jeder von ihnen gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis, wenn sie dort seit mindestens fünf Jahren ihren ordnungsgemäßen Wohnsitz haben". Diese Voraussetzung läge nur dann vor, wenn sich der Familienangehörige durchgehend erlaubterweise mit einer entsprechenden Aufenthaltsbewilligung oder mit einem für türkische Staatsangehörige nach dem ARB ausgestellten Sichtvermerk in Österreich aufhalte. Da diese Voraussetzung im konkreten Fall nicht gegeben sei, käme die Ausstellung eines Feststellungsbescheides auf Grundlage des Art 7 Abs 1 zweiter Fall des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80 nicht in Betracht.

Auch aus Art 6 ARB könne ein solcher Anspruch nicht abgeleitet werden. (Nach Abs 1 dritter Fall dieser Bestimmung hat ein türkischer Arbeitnehmer, "der dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates angehört, in diesem Mitgliedstaat nach vier Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung freien Zugang zu jeder von ihm gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis". Abs 2 des Art 6 bestimmt, daß der Jahresurlaub und die Abwesenheit wegen Mutterschaft, Arbeitsunfall oder kurzer Krankheit den Zeiten ordnungsgemäßer Beschäftigung gleichgestellt sind, die Zeiten unverschuldeter Arbeitslosigkeit sowie der Abwesenheit wegen langer Krankheit werden den Zeiten ordnungsgemäßer Beschäftigung nicht gleichgestellt, berühren jedoch nicht die aufgrund der vorherigen Beschäftigungszeit erworbenen Ansprüche.) Die Behörde wertete die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses als selbst verschuldete Arbeitslosigkeit, weshalb die vor diesem Zeitpunkt liegenden Arbeitszeiten, Krankheitszeiten und Zeiten unverschuldeter Arbeitslosigkeit für die Berechnung der vierjährigen Frist, die nach der angesprochenen Vorschrift Voraussetzung für den freien Zugang zum Arbeitsmarkt sei, nicht angerechnet werden könnten.

2. Bei Behandlung dieser - vorläufig als zulässig angesehenen - Beschwerde sind beim Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit einiger in der folgenden Wiedergabe (Pkt. II.1.b.aa und cc) hervorgehobenen Bestimmungen der im Spruch genannten Erlässe des Bundesministers (damals:) für Arbeit und Soziales sowie einiger ebenfalls bei der Wiedergabe hervorgehobenen (Pkt. II.1.b.bb) Bestimmungen eines auf Papier des "Arbeitsmarktservice Österreich" gedruckten Leitfadens für die Anwendung des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80 entstanden, weshalb beschlossen wurde, diese Bestimmungen auf ihre Gesetzmäßigkeit zu prüfen.

Der Verfassungsgerichtshof nahm im Rahmen seiner vorläufigen Beurteilung an, die in Prüfung genommenen Teile der genannten Dokumente enthielten normative Anordnungen, die die Rechtsposition jener türkischen Arbeitnehmer bzw. jener Familienangehörigen türkischer Arbeitnehmer gestalten, die eine Beschäftigung in Österreich auf Grundlage der Gewährleistungen des ARB anstrebten und qualifizierte diese Dokumente daher als Rechtsverordnungen. Er ging davon aus, daß er bei Behandlung der Beschwerde die in Prüfung genommenen Teile der Erlässe anzuwenden hätte und sah es als gesetzwidrig an, daß sie entgegen der zum Zeitpunkt ihrer Erlassung geltenden Regelung des § 2 Abs 1 litf des Bundesgesetzes über das Bundesgesetzblatt 1985, BGBl. 200, nicht im Bundesgesetzblatt kundgemacht wurden. Weiters hatte er das Bedenken, daß es mit Art 18 Abs 2 B-VG nicht vereinbar sei, eine Vorschrift des Gemeinschaftsrechtes wie den ARB ohne entsprechende gesetzliche Grundlage durch innerstaatliche Verordnung auszuführen. (Auf die im Prüfungsbeschluß weiters aufgeworfenen Eventualbedenken braucht im Hinblick auf das Zutreffen der Primärbedenken nicht mehr eingegangen zu werden).

3. Die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales legte die Verordnungsakten vor und übersandte eine Stellungnahme, stellte aber keine Anträge. In ihrer Stellungnahme vertritt sie die Auffassung, die hinsichtlich einzelner Bestimmungen in Prüfung stehenden Erlässe seien ihr zuzurechnen, jedoch als generelle Weisungen nicht publikationspflichtig gewesen. Der Auffassung, daß Gemeinschaftsrechtsvorschriften nicht ohne gesetzliche Grundlage durch Verordnung ausgeführt werden dürfen, trat sie nicht entgegen.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. a) Der durch das Assoziierungsabkommen EWG-Türkei samt Zusatzprotokoll vom , ABl. 1972 L 293, 3, geschaffene Assoziationsrat EWG-Türkei hat durch die Art 6 und 7 seines (amtlich nicht veröffentlichten) Beschlusses Nr. 1/80 vom Regelungen getroffen, die die Freizügigkeit türkischer Arbeitnehmer und deren Beschäftigung betreffen und türkischen Arbeitnehmern und deren Familienangehörigen hinsichtlich der Aufenthaltsberechtigung in den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft (vgl. etwa , Slg. 1994, I-5113, Eroglu) und der Möglichkeit, eine Beschäftigung als unselbständig Erwerbstätige anzustreben und zu übernehmen, eine günstigere Position einräumen, als das AuslBG anderen Fremden, die nicht Angehörige eines EWR-Mitgliedstaates sind, gibt.

Insbesondere haben türkische Arbeitnehmer, die dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates angehören, nach Art 6 Abs 1 dritter Fall ARB in diesem Mitgliedstaat nach vier Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung freien Zugang zu jeder von ihnen gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis. Nach Abs 2 dieser Bestimmung sind verschiedene Zeiten (Jahresurlaub, Abwesenheit wegen Mutterschaft, Arbeitsunfall oder kurzer Krankheit) den Zeiten ordnungsgemäßer Beschäftigung gleichgestellt; die Zeiten unverschuldeter Arbeitslosigkeit oder längerer Krankheit sind den Zeiten ordnungsgemäßer Beschäftigung nicht gleichgestellt, berühren jedoch nicht die aufgrund vorheriger Beschäftigungszeit erworbenen Ansprüche. Nach Abs 3 sind die Einzelheiten der Durchführung durch einzelstaatliche Vorschriften festzulegen.

Nach Art 7 Abs 1 zweiter Fall ARB haben Familienangehörige eines dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates angehörenden türkischen Arbeitnehmers, die die Genehmigung erhalten haben, zu ihm zu ziehen, freien Zugang zu jeder von ihnen gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis, wenn sie dort seit mindestens fünf Jahren ihren ordnungsgemäßen Wohnsitz haben.

Sowohl Art 6 als auch Art 7 ARB gelten gemäß Art 14 Abs 1 "vorbehaltlich der Beschränkungen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt sind".

Nach der Rechtsprechung des EuGH (vgl. insb. , Slg. 1990, I-3461, Sevince) sind beide Bestimmungen in dem Sinn unmittelbar anwendbar, daß sich türkische Arbeitnehmer bzw. ihre Familienangehörigen den Mitgliedstaaten gegenüber unmittelbar auf diese Rechte berufen können. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. insb. dessen Erkenntnis vom , Z 96/09/0088) gilt der Assoziationsratsbeschluß Nr. 1/80 ohne weiteres auch in Österreich und ist - entsprechend der Rechtsprechung des EuGH - auch hier unmittelbar anwendbar. Türkische Arbeitnehmer bzw. deren Familienangehörige genießen - wie der Verwaltungsgerichtshof im zitierten Erkenntnis ausgesprochen hat - dementsprechend bei Erfüllung der im ARB aufgestellten Voraussetzungen auch in Österreich "freien (demnach keiner konstitutiven Bewilligung bedürftigen) Zugang" zu jeder von ihnen gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis. Sie haben der verwaltungsgerichtlichen Judikatur zufolge Anspruch auf Erlassung eines Feststellungsbescheides, mit dem das Vorliegen der Voraussetzungen nach Art 6 bzw. 7 ARB deklarativ bestätigt wird.

b) Angesichts der durch den Verwaltungsgerichtshof konstatierten unmittelbaren Anwendbarkeit der Regelungen des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80 in Österreich und der Konstruktion eines Anspruchs berechtigter türkischer Arbeitnehmer bzw. ihrer Familienangehörigen auf Erlassung eines Feststellungsbescheides einerseits und des Fehlens eines diesen Beschluß umsetzenden und durchführenden (innerstaatlichen) Gesetzes andererseits sah sich der Bundesminister (damals:) für Arbeit und Soziales veranlaßt, Durchführungsbestimmungen im Erlaßweg zu schaffen. Die damit geschaffene Rechtslage zeigt zum hier maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung des bekämpften Bescheides folgendes Bild:

Mit einem an den Vorstand des Arbeitsmarktservice Österreich und die Landesgeschäftsstellen des Arbeitsmarktservice sowie an andere staatliche Stellen gerichteten Erlaß des Bundesministers (damals:) für Arbeit und Soziales (vom , Z 35.402/24-A/96) und einem "Leitfaden für die Anwendung" (des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80), der dem Wortlaut des Erlasses entsprechend als dessen integrierender Bestandteil gilt, dem äußeren Anschein nach aber als Publikation des Arbeitsmarktservice Österreich in Erscheinung tritt, und einem weiteren Erlaß des Bundesministers (damals:) für Arbeit und Soziales (vom , Z 35.402/36-7/96) wird die Rechtslage wie folgt gestaltet:

aa) Der erstgenannte Erlaß hat folgenden Wortlaut (die Wiedergabe beschränkt sich auf die im vorliegenden Verfahren relevanten Teile; die im Erlaß hervorgehobenen Überschriften, Worte und Wortgruppen sind in der folgenden Wiedergabe nicht hervorgehoben, hingegen sind die vom Verfassungsgerichtshof in Prüfung genommenen Bestimmungen hervorgehoben):

"1. Grundsätzliche Bemerkungen

Im oa. Erkenntnis (d.i. das Erkenntnis vom , Z 96/09/0088) hat der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) festgestellt, daß - entgegen der bisher vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Einvernehmen mit dem Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst vertretenen Rechtsauffassung - Österreich mit dem Beitrittsvertrag zur EU die Verpflichtung übernommen hat, das Assoziationsabkommen 1963 der EWG mit der Türkei und die dazu ergangenen Rechtsakte anzuwenden, auch wenn notwendige Anpassungen (Beitrittsprotokoll) noch nicht vorgenommen worden sind. Damit ist auch der Beschluß 1/1980 des Assoziationsrates über die Entwicklung der Assoziation (im folgenden kurz Beschluß 1/1980 genannt, auszugsweise im beiliegenden 'Leitfaden') in Österreich anwendbar.

Aus dem Erkenntnis ist nicht abzuleiten, daß türkische Staatsangehörige gänzlich vom Geltungsbereich des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) ausgenommen sind, sondern lediglich daß an Stelle ausdrücklich entgegenstehender Normen des AuslBG die Bestimmung des Beschlusses 1/1980 treten.

Grundsätzlich wird daher festgehalten, daß die Arbeitsaufnahme von türkischen Staatsangehörigen, für welche die Voraussetzungen des Beschlusses 1/1980 zutreffen, ohne Feststellungsbescheid bzw. ohne sonstige erforderliche Berechtigung nach dem AuslBG rechtswidrig ist.

Bei der Erlassung von Feststellungsbescheiden und der Erteilung sonstiger Berechtigungen für türkische Staatsangehörige sind die Regelungen des beiliegenden Leitfadens, der integrierender Bestandteil dieses Erlasses ist, anzuwenden."

(Der dem Erlaß beiliegende Leitfaden weicht in einzelnen Bestimmungen von dem hinsichtlich einzelner Anmerkungen in Prüfung genommenen, unter bb) wiedergegebenen, Leitfaden, Stand März 1997, ab.)

"2. Anrechnung auf die Höchstzahlen

Die Beschäftigung türkischer Staatsangehöriger aufgrund von Feststellungsbescheiden wird ebenso wie die Beschäftigung aufgrund sonstiger Berechtigungen nach dem AuslBG auf die Höchstzahlen angerechnet.

Die §§12a Abs 1 und 13a AuslBG werden durch das Erkenntnis des VwGH nicht berührt.

Die §§4 Abs 7 und 12a Abs 2 AuslBG sind hingegen als dem Beschluß 1/1980 entgegenstehend nicht anwendbar. Die Anwendung des Beschlusses hat nämlich zur Folge, daß für türkische Staatsangehörige alle sich aus der Festsetzung von Höchstzahlen ergebenden Beschränkungen nicht gelten (insbesondere Ablehnungen wegen Ausschöpfung der Bundeshöchstzahl; keine Anwendung der Bundeshöchstzahlenüberziehungsverordnung). Dabei ist es unerheblich, ob ein Feststellungsbescheid erlassen oder eine sonstige Berechtigung nach dem AuslBG erteilt wird.

3. Erlassung von Feststellungsbescheiden

Türkische Staatsangehörige, für welche die Voraussetzungen des

Artikels 6 Abs 1 dritter Gedankenstrich (vierjährige Beschäftigung) oder

Artikels 7 Abs 1 zweiter Gedankenstrich (fünfjähriger Aufenthalt)

zutreffen, haben einen Rechtsanspruch auf bescheidmäßige Feststellung des freien Zugangs zu jeder unselbständigen Beschäftigung.

Die Feststellungsbescheide unterliegen keiner Befristung. Sie verlieren aber aufgrund ihres deklaratorischen Charakters sofort - ohne daß es eines weiteren Verfahrens bedürfte - ihre Gültigkeit

in Fällen des Artikels 6 Abs 1 dritter Gedankenstrich:

bei Aufgabe des Wohnsitzes in Österreich;

bei Verlust der Aufenthaltsberechtigung;

in Fällen des Artikels 7 zweiter Gedankenstrich:

bei Aufgabe des Wohnsitzes des anspruchsberechtigten Familienangehörigen in Österreich;

bei Verlust der Aufenthaltsberechtigung des anspruchsberechtigten Familienangehörigen;

bei Verlust der Aufenthaltsberechtigung und Aufgabe des österreichischen Wohnsitzes der Bezugsperson;

bei Scheidung von dem Ehegatten, von welchem als Bezugsperson das Recht abgeleitet wird.

...

5. Erteilung von Beschäftigungsbewilligungen und anderen Berechtigungen nach dem AuslBG

Das Erkenntnis des VwGH schränkt die Zulässigkeit von Feststellungsbescheiden auf jene Fälle ein, bei denen andere Möglichkeiten der Klärung der maßgeblichen Rechtsfrage nicht bestehen oder nicht zumutbar sind. Somit ist es in allen jenen Fällen, wo nach den materiellen Bestimmungen des Beschlusses 1/1980 kein freier Zugang zur Beschäftigung besteht, sondern das Recht auf Beschäftigung von bestimmten beruflichen und arbeitsplatzbezogenen Voraussetzungen oder vom einzuräumenden Vorrang von Arbeitnehmern aus den Mitgliedstaaten abhängt (Artikel 6 Abs 1 erster und zweiter Gedankenstrich und Artikel 7 Abs 1 erster Gedankenstrich) bzw. das Recht auf bloße 'Stellenbewerbung' (Art7 Abs 2) oder 'Zulassung' (Art9) eingeschränkt ist, zulässig und geboten, für die Erteilung der entsprechenden Berechtigungen zur Arbeitsaufnahme die Rechtsinstitute des AuslBG heranzuziehen.

Dabei ist wie folgt vorzugehen:

..."

bb) Der "Leitfaden für die Anwendung" ist so abgefaßt, daß in ihm der Assoziationsratsbeschluß Nr. 1/80 abgedruckt wird, dem die Durchführungsregelungen in Anmerkungen angefügt werden. Soweit er sich auf die Art 6 und 7 ARB bezieht, hat der Leitfaden folgenden Wortlaut (die in Prüfung genommenen Anmerkungen sind hervorgehoben):

"Artikel 6

(1) Vorbehaltlich der Bestimmungen in Artikel 7 über den freien Zugang der Familienangehörigen zur Beschäftigung hat der türkische Arbeitnehmer, der dem regulären Arbeitsmarkt1 eines Mitgliedstaats angehört, in diesem Mitgliedstaat2


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-
nach einem Jahr ordnungsgemäßer Beschäftigung3 Anspruch auf Erneuerung seiner Arbeitserlaubnis bei dem gleichen Arbeitgeber4, wenn er über einen Arbeitsplatz verfügt5;


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-
nach drei Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung - vorbehaltlich des den Arbeitnehmern aus den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft einzuräumenden Vorrangs -
das Recht, sich für den gleichen Beruf bei einem Arbeitgeber seiner Wahl auf ein unter normalen
Bedingungen unterbreitetes und bei den Arbeitsämtern
dieses Mitgliedstaates eingetragenes anderes
Stellenangebot zu bewerben6 7;


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-
nach vier Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung8 freien Zugang zu jeder von ihm gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis.

(2) Der Jahresurlaub9 und die Abwesenheit wegen Mutterschaft10, Arbeitsunfall11 oder kurzer Krankheit12 werden den Zeiten ordnungsgemäßer Beschäftigung gleichgestellt. Die Zeiten unverschuldeter Arbeitslosigkeit13, die von den zuständigen Behörden ordnungsgemäß festgestellt worden sind, sowie die Abwesenheit wegen langer Krankheit14 werden zwar nicht den Zeiten ordnungsgemäßer Beschäftigung gleichgestellt, berühren jedoch nicht die aufgrund der vorherigen Beschäftigungszeit erworbenen Ansprüche15.

(3) Die Einzelheiten der Durchführung der Absätze 1 und 2 werden durch einzelstaatliche Vorschriften festgelegt.

1 Dem regulären Arbeitsmarkt gehören türkische Staatsangehörige an, die rechtmäßig nach Österreich eingereist, rechtmäßig aufhältig sind und einer unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgehen, die nach dem AuslBG bewilligt wurde oder die einen Anspruch auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung

(unabhängig von einem Verschulden an der Arbeitslosigkeit) haben.

Dem regulären Arbeitsmarkt gehören nicht an


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-
Personen, die eine nicht dem Geltungsbereich des AuslBG unterliegende Erwerbstätigkeit ausüben,
ausgenommen die Personengruppen des § 1 Abs 2
lita, l und m AuslBG;
-
Personen, die mit einer Beschäftigungsbewilligung auf Grund einer Verordnung gem. § 7 AufG arbeiten;
-
Volontäre;
-
Ferialpraktikanten;
-
Betriebsentsandte (§18 AuslBG).


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2 Die nachstehend angeführten Voraussetzungen müssen in Österreich erworben worden sein. Beschäftigungszeiten, die in einem anderen EU-Mitgliedstaat zurückgelegt
wurden, werden nicht berücksichtigt.


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3 Als eine auf die Jahresfrist anzurechnende 'ordnungsgemäße Beschäftigung' gilt nur eine Beschäftigung, die auch den Voraussetzungen der 'Zugehörigkeit zum regulären Arbeitsmarkt' nach Anmerkung 1 ... (es folgt eine Wiedergabe der Anmerkung 1) entspricht, jedoch mit der Maßgabe, daß für die Berechnung der Fristen die Bestimmungen über die Gleichstellung, Hemmung oder Unterbrechung nach Artikel 6 Abs 2 zu berücksichtigen sind.


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4 Eine Beschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber bringt das Recht nach dieser Bestimmung zum Erlöschen.


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5 Grundsätzlich ist bei Vorliegen der Voraussetzungen kein Feststellungsbescheid, sondern eine entsprechende Berechtigung nach dem AuslBG zu erteilen. Bei der Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung ist § 4 Abs 1 bzw. Abs 2 und Abs 6 nicht anzuwenden; § 4 Abs 3
ist mit Ausnahme der Z 2, 3, 5, 10, 11, 12, 13, 14 und 15 anzuwenden.

Türkischen Staatsangehörigen ist daher nach einem Jahr legaler Beschäftigung (unter Berücksichtigung des 2. Absatzes des Art 6)


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-
bei Vorliegen der Voraussetzungen eine Arbeitserlaubnis auszustellen bzw. zu verlängern


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oder


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-
die Beschäftigungsbewilligung zu verlängern bzw. ein Neuantrag (beim gleichen Arbeitgeber nach
Unterbrechung der Beschäftigung durch unverschuldete Arbeitslosigkeit) zu bewilligen.


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6 Grundsätzlich ist bei Vorliegen der Voraussetzungen kein Feststellungsbescheid, sondern eine entsprechende Berechtigung nach dem AuslBG (Beschäftigungsbewilligung oder Arbeitserlaubnis) zu erteilen.


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§4 Abs 1 bzw. Abs 2 AuslBG ist mit der Maßgabe anzuwenden, daß der den Arbeitnehmern aus den Mitgliedstaaten einzuräumende Vorrang ausschließlich nach der abstrakten Verfügbarkeit geeigneter Arbeitskräfte (auch in Österreich vorgemerkter EU-Bürger) aus dem Vorgemerktenstand zu beurteilen ist. Eine konkrete Ersatzkraftstellung ist nicht zwingend durchzuführen.

Bei der Erteilung von Beschäftigungsbewilligungen ist in allen Fällen § 4 Abs 3 AuslBG mit Ausnahme der

Z2, 3, 5, 10, 11, 12, 13, 14 und 15 anzuwenden.

§ 4 Abs 6 AuslBG ist nicht anzuwenden.

7 Bei der Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung ist

§4 Abs 1 bzw. Abs 2 AuslBG unter Berücksichtigung

von in Österreich lebenden Vorgemerkten aus den EU-Mitgliedstaaten zu prüfen.

8 Nach vier Jahren ununterbrochener Beschäftigung besteht ein Anspruch auf Ausstellung eines Feststellungsbescheides nach den Regeln des Erlasses. Im Ablehnungsfall kann Berufung an die zuständige Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice erhoben werden.

In sinngemäßer Anwendung des § 3 Abs 7 AuslBG darf ein Arbeitgeber einen türkischen Staatsangehörigen, den er auf Grund eines Feststellungsbescheides gemäß Art 6 Abs 1 dritter Gedankenstrich des Beschlusses

1/80 rechtmäßig beschäftigen durfte, auch nach

Wegfall der Voraussetzungen für die Ausstellung des Feststellungsbescheides bis zum Ende dieses Dienstverhältnisses weiterbeschäftigen.

9 Der Jahresurlaub ist der Erholungsurlaub und die Pflegefreistellung im Sinne des UrlG, BGBl. Nr. 390/76 idgF (Ausnahme siehe § 1 Abs 2 UrlG).

10 Die Abwesenheit wegen Mutterschaft umfaßt die gesetzliche Mutterschutzfrist (Achtwochenfrist gemäß § 3 und § 5 MSchG), nicht aber den Karenzurlaub nach dem Mutterschutzgesetz, der aber den Ablauf der Anspruchszeiten hemmt.

11 Für die Beurteilung, ob ein Arbeitsunfall vorliegt, sind die Bestimmungen des ASVG maßgeblich.

12 Kurze Krankheiten sind solche, für deren Dauer das EFZG 1974, BGBl. Nr. 399/74 idgF, die Entgeltfortzahlung vorsieht. Für Angestellte und Landarbeiter kommen das Angestelltengesetz 1921, BGBl. Nr. 292/21 idgF, bzw. das Landarbeitsgesetz 1948, BGBl. Nr. 140/48 idgF, zur Anwendung.

13 Als Zeiten unverschuldeter Arbeitslosigkeit werden Zeiten gewertet, für die Arbeitslosengeld (bzw. Notstandshilfe) zugesprochen wurde und die nicht an Sperrfristen gemäß § 11 AlVG oder an Ausschlußfristen nach § 10 AlVG anschließen.

In Analogie zur Rechtsauslegung der Arbeitslosenversicherung wird unverschuldete

Arbeitslosigkeit im allgemeinen anzunehmen sein, wenn das Arbeitsverhältnis durch Zeitablauf, Kündigung durch den Dienstgeber, Lösung im beiderseitigen Einverständnis oder durch Lösung in der Probezeit beendet wurde.

In allen übrigen Fällen (Kündigung durch den Dienstnehmer, fristlose Entlassung, vorzeitiger Austritt) ist für die Beurteilung der Verschuldensfrage maßgeblich, ob eine Sanktion gemäß § 11 AlVG tatsächlich

verhängt wurde. Sofern (zB mangels Antragstellung

oder wegen Antragseinbringung nach Ablauf einer

allenfalls gebührenden Sperrfrist) keine Sanktion

gemäß § 11 AlVG eingetreten ist, kann aus verwaltungsökonomischen Gründen von einer gesonderten Beurteilung des Verschuldens Abstand genommen werden.

War der Antragsgrund die Gewährung einer Pensionsvorschußleistung gemäß § 23 AlVG, ist verschuldete Arbeitslosigkeit grundsätzlich nicht anzunehmen.

Als Zeiten unverschuldeter Arbeitslosigkeit gelten jeweils bis zum Gesamtausmaß von 28 Tagen auch die Zeit zwischen schuldloser Beendigung des Dienstverhältnisses und erfolgter Geltendmachung eines ALG-Anspruches sowie freiwillige Unterbrechnung des ALG-Bezuges. Zeiten der Gewährung von Beihilfen zur Deckung des Lebensunterhaltes (DLU) werden als Zeiten unverschuldeter Arbeitslosigkeit gewertet.

Im Zweifel (zB noch nicht entschiedener ALG-Antrag) wäre mit der für die Bearbeitung des ALG-Antrages zuständigen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Kontakt aufzunehmen.

14 Lange Krankheiten sind solche, die die Dauer der Entgeltfortzahlungspflicht übersteigen (siehe Anmerkung 12: Kurze Krankheiten sind solche, für deren Dauer

das EFZG 1974, BGBl. Nr. 399/74 idgF, die Entgeltfortzahlung vorsieht. Für Angestellte und Landarbeiter kommen das Angestelltengesetz 1921, BGBl. Nr. 292/21 idgF, bzw. das Landarbeitsgesetz 1948, BGBl. Nr. 140/48 idgF, zur Anwendung.).

Zeiten des Bezuges von Leistungen aus dem Versicherungsfall der Invalidität oder Berufsunfähigkeit sind langer Krankheit gleichzuhalten.

15 Unverschuldete Arbeitslosigkeit, Elternkarenzurlaub und lange Krankheit werden nicht als Beschäftigungs-Beschäftigungszeiten gewertet, davor erworbene Zeiten gehen aber nicht verloren.

Artikel 7

Die Familienangehörigen1 eines dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates angehörenden türkischen Arbeitnehmers2, die die Genehmigung erhalten haben, zu ihm zu ziehen3,


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-
haben vorbehaltlich des den Arbeitnehmern aus den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft einzuräumenden Vorrangs das Recht, sich auf jedes Stellenangebot zu bewerben4, wenn sie dort seit mindestens drei Jahren ihren ordnungsgemäßen Wohnsitz5 haben;


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-
haben freien Zugang6 zu jeder von ihnen gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis, wenn sie dort seit mindestens fünf Jahren ihren ordnungsgemäßen Wohnsitz haben.

Die Kinder türkischer Arbeitnehmer, die im Aufnahmeland eine Berufsausbildung7 abgeschlossen haben, können sich unabhängig von der Dauer ihres Aufenthalts in dem betreffenden Mitgliedstaat dort auf jedes Stellenangebot bewerben8, sofern ein Elternteil in dem betreffenden Mitgliedstaat seit mindestens drei Jahren ordnungsgemäß beschäftigt9 war.

1 Als Familienangehörige gelten nur Ehepartner und Kinder (siehe § 1 Abs 2 litm AuslBG), die selbst

türkische Staatsangehörigkeit besitzen. Adoptivkinder werden leiblichen Kindern nur dann gleichgestellt,

wenn die Adoption vor dem 21. Lebensjahr und vor der Einreise des Kindes nach Österreich erfolgte. Auch die Stiefkindschaft muß vor dem 21. Lebensjahr entstanden sein, um die in Art 7 angesprochenen Folgen

auszulösen.

2 Die 'Bezugsperson' muß zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides dem regulären Arbeitsmarkt (siehe Anmerkung 1 zu Art 6: ... (es folgt eine Wiedergabe der Anmerkung 1 zu Art 6)) angehören.

Bei der Berechnung der Fristen für den Erwerb der Rechte nach Artikel 7 ist streng nach der Zielrichtung dieser Bestimmung vorzugehen: Es sollen nur die Familienangehörigen von einem türkischen

Staatsangehörigen Rechte ableiten können, welche ununterbrochen bis zum Zeitpunkt der Erlassung des Feststellungsbescheides auch tatsächlich in aufrechter Familiengemeinschaft mit gemeinsamen Wohnsitz leben. Getrennte Wohnsitze können lediglich dann toleriert werden, wenn ein zweiter Wohnsitz im Gefolge einer auswärtigen Arbeitstätigkeit oder eines auswärtigen Schulbesuchs begründet wird. Für Ehegatten ist zusätzlich der Bestand der Ehe während der gesamten Laufzeit bis zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides erforderlich.

3 Die Familiengemeinschaft muß durchgehend bestanden haben und der Familienangehörige muß sich durchgehend erlaubterweise und mit einer entsprechenden Aufenthaltsberechtigung oder mit einem für türkische Staatsangehörige nach dem Assoziationsabkommen

ausgestellten Sichtvermerk in Österreich aufhalten Aufenthaltszeiten vor dem sind im Sinne der Übergangsbestimmungen des AufG zu behandeln). Art 7 ist sowohl auf Ehepartner anzuwenden, die im Rahmen der Nachzugsbestimmungen eingereist sind, wie auch auf solche, die sich zum Zeitpunkt der Eheschließung bereits

rechtmäßig in Österreich aufgehalten haben.

4 Grundsätzlich ist bei Vorliegen der Voraussetzungen kein Feststellungsbescheid, sondern eine entsprechende Berechtigung nach dem AuslBG zu erteilen. Bei der Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung ist § 4 Abs 1

bzw. Abs 2 AuslBG anzuwenden; § 4 Abs 3 ist mit

Ausnahme der Z 2, 3, 5, 10, 11, 12, 13, 14 und 15

anzuwenden, § 4 Abs 6 ist nicht anzuwenden. Bei der Ersatzkraftsuche sind in Österreich lebende Vorgemerkte aus den EU-Mitgliedstaaten zu berücksichtigen.

5 In Anlehnung an die großzügigere Regelung des Bundesministeriums für Inneres sind Ausreisen bis zu einer Gesamtdauer von sechs Monaten je Ausreise für die Annahme des fortgesetzten ordnungsgemäßen Wohnsitzes tolerierbar. Dies gilt auch, wenn durch die Zusammenrechnung mehrerer Ausreisen im Jahresverlauf der Zeitraum von sechs Monaten überschritten wird.

Durch eine Aufenthaltsberechtigung auf Grund eines laufenden Asylverfahrens wird kein ordnungsgemäßer

Wohnsitz iS. dieses Abkommens begründet.

6 Nach fünf Jahren rechtmäßigen Aufenthalts als Familienangehöriger besteht ein Anspruch auf Ausstellung eines Feststellungsbescheides nach den Regeln

des Erlasses. Im Ablehnungsfall kann Berufung an die zuständige Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice erhoben werden.

In sinngemäßer Anwendung des § 3 Abs 7 AuslBG darf ein Arbeitgeber einen türkischen Staatsangehörigen, den er auf Grund eines Feststellungsbescheides gemäß Art 7 Abs 1 zweiter Gedankenstrich des Beschlusses

1/80 rechtmäßig beschäftigen durfte, auch nach Wegfall der Voraussetzungen für die Ausstellung des Feststellungsbescheides bis zum Ende dieses Dienstverhältnisses weiterbeschäftigen.

Feststellungsbescheide gemäß Art 7 Abs 1 zweiter Gedankenstrich verlieren ihre Gültigkeit auch nach

einer höchstens sechsmonatigen Ausreise nicht, sofern die 'Bezugsperson' während dieser Zeit dem regulären Arbeitsmarkt angehört hat.

7 Unter Abschluß einer Berufsausbildung ist der erfolgreiche Abschluß einer Lehre, einer berufsbildenden mittleren oder höheren Schule sowie eines Hochschul-Hochschulstudiums zu verstehen. Eine im Ausland (in der Türkei oder in einem anderen Mitgliedstaat) abgeschlossene Berufsausbildung führt auch nach Nostrifizierung im Inland nicht zu der in Art 7 angeführten Bevorrechtung.

8 Grundsätzlich ist bei Vorliegen der Voraussetzungen kein Feststellungsbescheid, sondern eine entsprechende Berechtigung nach dem AuslBG zu erteilen. Bei der Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung ist § 4 Abs 1 bzw. 2 und Abs 6 AuslBG nicht anzuwenden; § 4 Abs 3

ist mit Ausnahme der Z 2, 3, 5, 10, 11, 12, 13, 14 und 15 anzuwenden.

9 Die 'Bezugsperson' muß zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides dem regulären Arbeitsmarkt angehören.

Für die Berechnung der Dreijahresfrist ist sinngemäß nach Anmerkung 3 zu Artikel 6 vorzugehen."

cc) Mit Erlaß vom , Z 35.402/36-7/96, wurde der erstgenannte Erlaß ergänzt; auch dieser Erlaß erging an den Vorstand des Arbeitsmarktservice Österreich, an die Arbeitsmarktservice der Bundesländer und verschiedene andere staatliche Dienststellen. Er lautet auszugsweise (die in Prüfung genommenen Bestimmungen sind hervorgehoben):

"Unter Berücksichtigung der bei der Umsetzung des Beschlusses 1/1980 des Assoziationsrates bisher gewonnenen Erfahrungen wird der o.a. Erlaß (d.i. der Erlaß vom , der oben wiedergegeben wurde) wie folgt ergänzt:

...

3. Sinngemäße Anwendung des § 3 Abs 7 AuslBG

Ein Arbeitgeber, der einen türkischen Staatsangehörigen aufgrund eines Feststellungsbescheides gemäß Art 6 Abs 1 dritter Gedankenstrich (vierjährige Beschäftigung) oder Art 7 Abs 1 zweiter Gedankenstrich (fünfjähriger Aufenthalt) des Beschlusses 1/1980 beschäftigt, darf diesen in sinngemäßer Anwendung des § 3 Abs 7 AuslBG bis zum Ende des Beschäftigungsverhältnisses auch nach Wegfall der für die Ausstellung des Feststellungsbescheides maßgeblichen Voraussetzungen weiter beschäftigen.

...

5. Zeiten unverschuldeter Arbeitslosigkeit im Sinne des Art 6 Abs 2 des Beschlusses 1/1980

Als Zeiten unverschuldeter Arbeitslosigkeit gelten jeweils bis zum Gesamtausmaß von 28 Tagen auch die Zeit zwischen schuldloser Beendigung des Dienstverhältnisses und erfolgreicher Geltendmachung eines AlG-Anspruches sowie freiwillige Unterbrechungen des AlG-Bezuges. Zeiten der Gewährung von Beihilfen zur Deckung des Lebensunterhaltes (DLU) werden als Zeiten unverschuldeter Arbeitslosigkeit gewertet.

6. Ordnungsgemäßer Wohnsitz

Anstelle der bisherigen Regelung (Anmerkung 5) zu Artikel 7 im Leitfaden) können in Anlehnung an die großzügigere Regelung des Bundesministeriums für Inneres Ausreisen bis zu einer Gesamtdauer von jeweils sechs Monaten für die Annahme des fortgesetzten ordnungsgemäßen Wohnsitzes im Sinne des Artikel 7 des Beschlusses 1/1980 toleriert werden."

2. a) Der Verfassungsgerichtshof ging im Prüfungsbeschluß von der Annahme aus,

"daß die Erlässe des Bundesministers (damals:) für Arbeit und Soziales durch ihre Versendung an den Vorstand des Arbeitsmarktservice Österreich, an die Arbeitsmarktservice der Länder und an sonstige Dienststellen ein solches Maß an Publizität erlangt haben, daß sie damit in die Rechtsordnung Eingang gefunden haben (vgl. VfSlg. 8647/1979, 11467/1987, 13632/1993). Gleiches dürfte für den hinsichtlich einiger Anmerkungen in Prüfung gezogenen 'Leitfaden' gelten".

Im Verfahren wurde nichts vorgebracht und kam auch ansonsten nichts hervor, was an der Berechtigung dieser Annahme zweifeln ließe.

b) Der weiteren vorläufigen Annahme des Verfassungsgerichtshofes, daß auch der "Leitfaden", ungeachtet seines äußeren Erscheinungsbildes, dem Bundesminister zuzurechnen sei, hat die Bundesministerin in ihrer Stellungnahme ausdrücklich beigepflichtet und ausgeführt:

"Nach Auffassung des Bundesministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales ist der in Prüfung gezogene 'Leitfaden' - obgleich seinem äußeren Anschein nach als Publikation des Arbeitsmarktservice erscheinend - als integrierter Bestandteil des Erlasses des Bundesministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom zu werten und wurde als solcher auch in einem mit dem Erlaß genehmigt. Dies wurde auch mit Schreiben vom , Zl. 33.402/722-7/97, klargestellt. Mit Inkrafttreten des § 4c AuslBG idF BGBl. I Nr. 78/1997, mit dem nunmehr die Anwendung des ARB eine gesetzliche Grundlage erhalten hat, hat das Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales dem Vorstand des Arbeitsmarktservice unter Zl. 35.601/4-7/97 administrative Anweisungen zur Vollziehung des § 4c leg. cit. gegeben und gleichzeitig alle früheren Erlässe einschließlich des Leitfadens ausdrücklich aufgehoben."

Die Annahme des Verfassungsgerichtshofes trifft zu. Insbesondere aufgrund des (in Prüfung stehenden) oben wiedergegebenen (Pkt. II.1.b.aa) letzten Absatzes des Punktes 1 des Erlasses vom , auf den auch die Bundesministerin hinweist, ist auch der Leitfaden als ein dem Bundesminister zuzurechnender Rechtsakt zu qualifizieren.

c) Nicht entgegengetreten ist die Bundesministerin in ihrer Stellungnahme auch der Auffassung des Verfassungsgerichtshofes, die in Prüfung genommenen Bestimmungen hätten imperativen Gehalt. Nach der vorläufigen Ansicht des Gerichtshofes ordne

"der letzte Satz des Punktes 1 des Erlasses vom an, daß bei Erlassung von Feststellungsbescheiden die Regelungen des Erlasses und des Leitfadens anzuwenden sind, und spricht Abs 1 des Punktes 3 dieses Erlasses davon, daß türkische Staatsangehörige, für welche die Voraussetzungen des Art 6 Abs 1 dritter Fall oder des Art 7 Abs 1 zweiter Fall des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80 zutreffen, 'einen Rechtsanspruch auf bescheidmäßige Feststellung des freien Zugangs zu jeder unselbständigen Beschäftigung haben'.

Die in Prüfung genommenen Stellen des Leitfadens scheinen normative Festlegungen zu enthalten, die Tatbestandsvoraussetzungen konkretisieren, bei deren Zutreffen ein positiver Feststellungsbescheid zu erlassen ist. Sie betreffen die Frage der Zugehörigkeit zum regulären Arbeitsmarkt (Anm. 1 zu Art 6), die Interpretation des Begriffs der 'ordnungsgemäßen Beschäftigung' (Anm. 3 zu Art 6), die Frage, welche Zeiten als solche unverschuldeter Arbeitslosigkeit zu werten sind (Abs1 der Anm. 13 zu Art 6), die Frage, welche Personen als Familienangehörige zu gelten haben (Anm. 1 zu Art 7), die Frage, zu welchem Zeitpunkt die 'Bezugsperson' dem regulären Arbeitsmarkt angehört haben muß (Abs1 der Anm. 2 zu Art 7), Fragen der Berechnung der Fristen für den Erwerb der Rechte nach Art 7 (Abs2 der Anm. 2 zu Art 7), die Frage, durch welchen Zeitraum hindurch eine Familiengemeinschaft bestanden haben muß bzw. die Familienangehörigen sich in Österreich aufgehalten haben müssen (Anm. 3 zu Art 7). Anm. 8 Abs 1 zu Art 6 sowie Anm. 6 Abs 1 zu Art 7 schließlich bestimmen, ab wann ein Rechtsanspruch auf Ausstellung eines Feststellungsbescheides 'nach den Regeln des Erlasses' besteht und daß im Ablehnungsfall Berufung an die zuständige Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice erhoben werden kann.

Punkt 5 des Erlasses vom sieht vor, daß bestimmte Zeiten als Zeiten unverschuldeter Arbeitslosigkeit gelten und Punkt 6 dieses Erlasses legt fest, daß bestimmte Ausreisen nicht als Unterbrechung eines fortgesetzten ordnungsgemäßen Wohnsitzes qualifiziert werden müssen."

Diese Auffassung hat sich als zutreffend erwiesen. Am imperativen Gehalt der in Prüfung genommenen Bestimmungen in den in Rede stehenden Enunziationen des Bundesministers kann kein Zweifel bestehen, und auch die Bundesministerin geht in ihrer Stellungnahme davon aus, daß den Erlässen und dem Leitfaden verbindliche Kraft zukommt.

d) Hingegen wird in der Stellungnahme die Ansicht vertreten, daß sich die imperative Wirkung nur auf den verwaltungsinternen Bereich bezieht und bezweifelt, daß mit den in Prüfung genommenen Bestimmungen die Rechtspositionen türkischer Arbeitnehmer und deren Familienangehörigen gestaltet wird.

aa) Der Verfassungsgerichtshof hatte im Prüfungsbeschluß vorläufig angenommen, daß

"(d)ie Erlässe und der Leitfaden ...

nicht nur Dienstpflichten der in den entsprechenden Organen des Arbeitsmarktservice tätigen Dienstnehmer normieren, sondern auch die Rechtsposition jener türkischen Arbeitnehmer bzw. jener Familienangehörigen türkischer Arbeitnehmer gestalten, die eine Beschäftigung in Österreich auf Grundlage der Gewährleistungen des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80 anstreben.

Dies dürfte sowohl für Abs 1 des Punktes 3 des Erlasses vom zutreffen, durch den den dort genannten türkischen Arbeitnehmern bzw. deren Familienangehörigen ein Rechtsanspruch auf bescheidmäßige Feststellung des freien Zugangs zu jeder unselbständigen Beschäftigung gewährt wird, als auch für jene Bestimmungen, die die im ARB allgemein formulierten Voraussetzungen, bei deren Zutreffen ein Anspruch auf Erteilung eines derartigen Bescheides besteht, näher konkretisieren. Angesichts dessen nimmt der Verfassungsgerichtshof vorläufig an, daß es sich bei den Erlässen und dem Leitfaden um Rechtsverordnungen handelt."

bb) In der Stellungnahme der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales heißt es dazu:

"Das Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales verkennt nicht, daß nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes für die Qualität als Verordnung 'nicht der formelle Adressatenkreis und die äußere Bezeichnung und auch nicht die Art der Verlautbarung, sondern nur der Inhalt des Verwaltungsaktes maßgebend' (vgl. VfSlg. 2465/1953, 11472/1987, 12294/1990, 12744/1991, 13578/1993, 13632/1993) und auch nicht die Intention der Behörde entscheidend sei (vgl. VfSlg. 11624/1988, 12574/1990). Dennoch ist folgendes anzumerken:

Intention der weisungserlassenden Behörde war es, die Anwendung der durch die Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EUGH vom , C-192/89, Slg. 1990 I-3497, Sevince; EUGH vom , C-237/91, Slg. 1992 I-6781, Kus; EUGH vom , C-355/93, Slg. 1994 I-5131, Eroglu) sowie des Verwaltungsgerichtshofes ( Zl. 96/09/088/6) zur unmittelbaren Wirkung des ARB als gemeinschaftsrechtswidrig anzusehenden §§4 Abs 7 und 12a Abs 2 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG), BGBl. Nr. 218/1957, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 257/1995, durch die zur Vollziehung berufenen Organe bis zur Anpassung der gesetzlichen Regelungen an das Gemeinschaftsrecht auszuschließen. Daher richten sich die angeführten Rechtsakte ihrem Inhalt nach an die Organe des Arbeitsmarktservice, denen damit ein Behelf zur gemeinschaftsrechtskonformen Vollziehung zur Verfügung gestellt wurde.

Es gilt zu bedenken, daß im Zeitpunkt der Erlassung der betreffenden Erlässe sowie des Leitfadens, die nach ho. Rechtsansicht als generelle Weisung zu werten sind, keine gesetzliche Grundlage im Sinne des Art 18 Abs 2 B-VG zur Erlassung einer Durchführungsverordnung bestand, sodaß der Behörde nicht zuletzt auf Grund der völkerrechtlichen Verpflichtung hiezu bis zur Erlassung einer einschlägigen gesetzlichen Bestimmung bzw. bis zur Anpassung des innerstaatlichen Rechts keine andere Möglichkeit als die Erlassung genereller Weisungen zur Sicherung der gemeinschaftsrechtskonformen Vollziehung des ARB verblieb.

Hinsichtlich der Frage, ob durch die in Prüfung gezogenen Verwaltungsakte die Rechtspositionen türkischer Arbeitnehmer, die Rechte aus dem ARB ableiten, gestaltet werden, darf darauf hingewiesen werden, daß der Verwaltungsgerichtshof mit obzit. Erkenntnis vom , Zl. 96/09/0088, festgestellt hat, daß türkische Arbeitnehmer bei Erfüllung der Voraussetzungen des ARB, welche einen freien Zugang zu jeder von ihnen gewählten Beschäftigung im Lohn- und Gehaltsverhältnis in einem Mitgliedstaat gewähren, hiefür keiner konstitutiven Bewilligung bedürfen. Mangels ausdrücklicher gesetzlicher Grundlage bleibe demnach einziges Mittel zu der angestrebten Klärung, ob die Voraussetzungen des Assoziationsrechts im Einzelfall erfüllt sind, nur ein (deklarativer) Feststellungsbescheid. Die in den in Prüfung gezogenen Teilen der Erlässe und des Leitfadens getroffenen Regelungen vermögen demnach die Rechtsposition der Betroffenen nicht zu verändern, da diese lediglich - wie es in Art 12 des Assoziationsabkommens programmatisch vorgegeben ist - die Einzelheiten der Durchführung betreffen. Durch Art 12 des Assoziationsabkommens wird nämlich nur die den Mitgliedstaaten obliegende Verpflichtung zum Erlaß jener Verwaltungsmaßnahmen konkretisiert, die zur Durchführung jener Bestimmungen gegebenenfalls erforderlich sind, ohne daß die Mitgliedstaaten dadurch ermächtigt würden, die Ausübung des genau bestimmten und an keine Bedingungen geknüpften Rechts, das den türkischen Arbeitnehmern aufgrund des ARB zusteht, an Bedingungen zu binden oder einzuschränken (EuGH, Rs C-192/89 - Sevince).

Insofern sind Adressaten der in Prüfung gezogenen Bestimmungen die Dienstnehmer in den entsprechenden Organen des Arbeitsmarktservice, denen eine Hilfestellung geboten wird, unter welchen Voraussetzungen sie im Sinne des obzit. Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes türkischen Arbeitnehmern und ihren Familienangehörigen deren Rechte aus dem ARB mittels Feststellungsbescheid behördlich festzustellen haben.

Eine Verpflichtung, auch verwaltungsinterne generelle Weisungen, die Rechtspositionen der Rechtsunterworfenen nur mittelbar berühren, als Rechtsverordnungen im Bundesgesetzblatt kundzumachen, hätte jedenfalls weitreichende Konsequenzen. Allein für den Bereich des Bundesministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales würde das bedeuten, daß alleine im Vorjahr rund 200 derartige 'Erlässe' im BGBl. II kundzumachen gewesen wären. Eine solche Praxis würde, zieht man die gesamte Bundesverwaltung in Betracht, den Umfang des Bundesgesetzblattes beträchtlich erweitern, zumal - konsequenterweise - auch kleinere Adjustierungen von derartigen 'Erlässen', die erfahrungsgemäß laufend stattfinden, kundzumachen wären. Abgesehen vom administrativen Mehraufwand, würde ein solches Kundmachungserfordernis nach ho. Meinung wohl kaum dem Gedanken der Rechtssicherheit und der Übersichtlichkeit der Rechtsordnung Rechnung tragen und auch nicht der anzustrebenden besseren Transparenz des Verwaltungshandelns zum Durchbruch verhelfen.

Ganz im Gegenteil: Die Überforderung der Bürger mit ihnen unverständlichen Details der Vollziehung würde vermutlich die Akzeptanz des Verwaltungshandelns eher verringern."

cc) Diese Überlegungen können nicht überzeugen. Daß es nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zur Qualität eines Rechtsaktes als Verordnung nicht auf die Intention der Behörde ankommt, wird in der Stellungnahme selbst eingeräumt. In der Sache aber wird durch die in Prüfung stehenden Bestimmungen die Rechtssphäre türkischer Arbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen sehr wohl gestaltet. So wird durch die in Prüfung genommenen Bestimmungen des Erlasses vom dem betroffenen türkischen Staatsangehörigen ein Rechtsanspruch auf bescheidmäßige Feststellung des freien Zugangs zu jeder unselbständigen Beschäftigung eingeräumt und verfügt, daß bei Erlassung von Feststellungsbescheiden und auch bei der Erteilung sonstiger Berechtigungen die Regelungen des Leitfadens anzuwenden sind.

Der Assoziationsratsbeschluß Nr. 1/80 enthält in den hier maßgebenden Art 6 und 7 eine Reihe von unbestimmten Rechtsbegriffen. Durch die in Prüfung genommenen Anmerkungen im Leitfaden werden diese Rechtsbegriffe konkretisiert. So wird der Begriff des "regulären Arbeitsmarktes" durch die Anmerkung 1 zu Art 6 ARB näher bestimmt, indem festgelegt wird, unter welchen Voraussetzungen türkische Staatsangehörige als dem regulären Arbeitsmarkt angehörig anzusehen sind und welche Personen dem regulären Arbeitsmarkt nicht angehören. In Anmerkung 3 wird der in Art 6 ARB enthaltene Begriff der "ordnungsgemäßen Beschäftigung" konkretisiert, indem festgestellt wird, daß nur bestimmte Beschäftigungen als ordnungsgemäße Beschäftigungen zu gelten haben, und Anmerkung 8 zu Art 6 ARB wiederholt die im Erlaß vom enthaltene Vorschrift, daß ein Anspruch auf Ausstellung eines Feststellungsbescheides nach den Regeln des Erlasses besteht. In Anmerkung 13 zu Art 6 ARB wird der dort enthaltene Begriff der "unverschuldeten Arbeitslosigkeit" näher konkretisiert und normativ bestimmt, welche Zeiten als Zeiten unverschuldeter Arbeitslosigkeit gewertet werden; die in Prüfung genommene Z 5 des Erlasses des Bundesministers vom erweitert die Fälle, die in der Anmerkung 13 zu Art 6 ARB als Zeiten unverschuldeter Arbeitslosigkeit anzusehen sind. Die Anmerkungen 1 und 3 zu Art 7 ARB legen fest, welche Personen als Familienangehörige im Sinne des ARB zu gelten haben und normieren überdies Voraussetzungen dafür, unter welchen Umständen von einer Familiengemeinschaft gesprochen werden darf. Anmerkung 2 zu Art 7 ARB enthält eine normative Regelung der Fristen für den Erwerb der Rechte nach diesem Artikel und in Anmerkung 6 wird wiederum der Anspruch auf Ausstellung eines Feststellungsbescheides normiert.

Alle diese Bestimmungen gestalten die Rechte türkischer Arbeitnehmer, indem sie - wie auch die in den sonstigen Anmerkungen des Leitfadens enthaltenen Bestimmungen - die in den Art 6 und 7 ARB verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe in ganz bestimmter Weise konkretisieren, damit festlegen, daß Personen die die so konkretisierten Voraussetzungen erfüllen, Anspruch auf Erlassung eines Feststellungsbescheides haben und Personen, die sie nicht erfüllen, einen solchen Anspruch nicht haben. Genau diese Wirkung auf die Rechtsposition türkischer Arbeitnehmer ist es aber, die die Enunziationen inhaltlich zu Rechtsverordnungen machen.

Der Verfassungsgerichtshof hätte sie, da sich ihre Regelungsgegenstände in dem in concreto zu beurteilenden Fall als relevant erweisen, im Anlaßverfahren anzuwenden. Die Verordnungsprüfungsverfahren sind daher, da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, zulässig.

3. Die in Prüfung genommenen Bestimmungen wären als Rechtsverordnungen eines Bundesministers nach § 2 Abs 1 litf des Bundesgesetzes über das Bundesgesetzblatt 1985, BGBl. 200, im Bundesgesetzblatt kundzumachen gewesen. Da eine Publikation im Bundesgesetzblatt unterblieben ist, erweisen sie sich, wie im Prüfungsbeschluß angenommen, als im Grunde der genannten gesetzlichen Publikationsvorschrift gesetzwidrig.

4. a) Der Verfassungsgerichtshof hatte weiters das Bedenken, daß die in Prüfung genommenen Bestimmungen, die sich offenkundig unmittelbar auf die Art 6 und 7 des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80 stützen, über keine gesetzliche Grundlage im Sinne des Art 18 Abs 2 B-VG verfügen und daher als gesetzlos anzusehen wären. Er führte dazu im Einleitungsbeschluß aus:

"Die vom Verfassungsgerichtshof im Rahmen seiner vorläufigen Beurteilung als Verordnungen qualifizierten generellen Verwaltungsakte zur Durchführung des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80 dürften sich unmittelbar auf diesen stützen. Der Gerichtshof geht - angesichts des Art 6 Abs 3 und des Art 14 Abs 1 ARB - vorläufig davon aus, daß der Durchführung des ARB durch innerstaatliche Rechtsvorschriften gemeinschaftsrechtlich kein Hindernis entgegensteht.

Es dürfte angesichts des Art 18 Abs 2 B-VG von Verfassungs wegen aber nicht zulässig sein, eine Vorschrift des Gemeinschaftsrechts (und als solche dürfte der ARB in Österreich gelten) ohne entsprechende gesetzliche Grundlage durch innerstaatliche Verordnung auszuführen. Dies dürfte auch dann unzulässig sein, wenn es sich um unmittelbar anwendbare Vorschriften des Gemeinschaftsrechts handelt. Der Verfassungsgerichtshof schließt sich vorläufig der Auffassung von Griller (Grundzüge des Rechts der Europäischen Union2, 1997, 52 f.) an, der mit folgender Argumentation annimmt, der Beitritt Österreichs zur EU habe für sich nicht dazu geführt, daß den Verwaltungsbehörden eine generelle Ermächtigung zur Umsetzung von Gemeinschaftsrecht durch Rechtsverordnungen erteilt wurde: Die Situation sei anders als nach der Rechtslage während der EWR-Mitgliedschaft Österreichs. Damals habe Art 3 EWR-BVG (BGBl. 115/1993; dieses BVG wurde durch das EU-Begleit-BVG, BGBl. 1013/1994, aufgehoben) folgende Regelung enthalten:

'Sog. EWR-RL, also in den EWR übernommene EG-RL, waren durch Gesetz umzusetzen. Waren solche RL 'inhaltlich hinreichend bestimmt', konnte der NR anläßlich der Genehmigung beschließen, daß sie durch Verordnung des obersten Organs der Bundes- oder Landesverwaltung umgesetzt werden. Waren Angelegenheiten der Landesgesetzgebung betroffen, waren Beschlüsse der Landtage erforderlich.

Nach dem EU-Beitritt fehlt eine vergleichbare Regelung. In Ermangelung einer besonderen verfassungsgesetzlichen Ermächtigung wird daher davon auszugehen sein, daß RL im allgemeinen durch Gesetz umzusetzen sind. Das gilt selbst dann, wenn die RL inhaltlich den Bestimmtheitserfordernissen entspricht, die der VfGH für österreichische Gesetze verlangt. Nur soweit bereits eine gesetzliche Grundlage besteht, die inhaltlich so bestimmt ist, daß sie es erlaubt, die RL durch Rechtsverordnung umzusetzen, steht dieser Weg offen.'

Der Verfassungsgerichtshof hält dies für zutreffend und nimmt vorläufig an, daß der Beitritt zur EU den demokratischen Gehalt des Parlamentsvorbehaltes des Art 18 Abs 2 B-VG nicht soweit verändert hat, daß den Verwaltungsorganen die Befugnis übertragen ist, Gemeinschaftsrechtsvorschriften unter Ausschaltung des Gesetzgebers zu konkretisieren.

Für diese Auffassung dürfte auch sprechen, daß andernfalls (innerstaatliche) Verordnungsbestimmungen am Maßstab gemeinschaftsrechtlicher Rechtsvorschriften zu messen wären, wobei der Verfassungsgerichtshof zu beurteilen hätte, ob die bei der Verordnungsprüfung heranzuziehenden Gemeinschaftsrechtsvorschriften, die ihrerseits einer innerstaatlichen Rechtskontrolle entzogen sind, im Sinne des Art 18 Abs 2 B-VG ausreichend determiniert sind. Auch der Umstand, daß sich aus Gemeinschaftsrechtsvorschriften in aller Regel die formellen Determinanten für eine verordnungsmäßige Konkretisierung, insbesondere die Zuständigkeit der zur Veordnungserlassung berufenen Verwaltungsbehörde, nicht ableiten lassen, stützt dieses Bedenken. Denn angesichts dieses Umstandes wird eine ausreichende Determinierung innerstaatlicher Verordnungen zur Konkretisierung gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften in der Regel gesetzlicher Vorkehrungen bedürfen; angesichts dessen scheint es vorläufig nicht einsichtig anzunehmen, daß die materielle Determinierung, anders als im Regelfall die formelle, aus dem Gemeinschaftsrecht erfließen soll."

b) Die Bundesministerin ist dieser Auffassung nicht entgegengetreten und hat - wie dem Verfassungsgerichtshof mitgeteilt wurde: nach Befassung des Verfassungsdienstes im Bundeskanzleramt - zu der im Prüfungsbeschluß aufgeworfenen Frage folgende Ansicht vertreten:

"Ungeachtet der ho. Rechtsansicht, daß es sich bei den in Prüfung gezogenen Rechtsakten um verwaltungsinterne generelle Weisungen und nicht um Rechtsverordnungen im Sinne des Art 18 Abs 2 B-VG handelt, stellen die Beschlüsse des Assoziationsrates - selbst wenn sie inhaltlich den Bestimmtheitserfordernissen entsprechen, die der Verfassungsgerichtshof für österreichische Gesetze verlangt (vgl. VfSlg. 11937/1988, 12133/1989 ua.) - nach Ansicht des Bundesministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales keine gesetzliche Grundlage im Sinne der erwähnten Bestimmung dar."

c) Der Verfassungsgerichtshof bleibt im Ergebnis bei seiner im Prüfungsbeschluß geäußerten Auffassung: Wollte man annehmen, daß Art 18 Abs 2 B-VG durch den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union so modifiziert worden wäre, daß als Gesetz im Sinne dieser Verfassungsnorm auch eine unmittelbar anwendbare Vorschrift des Gemeinschaftsrechts zu verstehen wäre, die ihrerseits inhaltlich ausreichend vorherbestimmt ist, um eine Verordnung zu tragen (in diesem Sinn etwa Öhlinger, Legalitätsprinzip und europäische

Integration, in: FS 75 Jahre Bundesverfassung, 1995, 635, insb. 642 ff.), so führte das dazu, daß eine derartige, unmittelbar auf Gemeinschaftsrecht gegründete Verordnung der rechtlichen

Kontrolle weitgehend entzogen wäre: Dem Verfassungsgerichtshof steht nämlich eine Kompetenz, generelle österreichische Rechtsnormen am Maßstab des Gemeinschaftrechts zu prüfen - wie auch Öhlinger, Verfassungsrecht3, 1997, 99, einräumt - nicht zu und auch der EuGH ist nicht befugt, mitgliedstaatliche Rechtsvorschriften auf ihre Übereinstimmung mit dem Gemeinschaftsrecht zu überprüfen; ein Widerspruch einer generellen österreichischen Rechtsvorschrift zu gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben führt (bloß) zu ihrer - von allen Staatsorgangen incidenter wahrzunehmenden - Unanwendbarkeit (vgl. , Slg. 1964, 1251, Costa/ENEL; , Rs 106/77, Slg. 1978, 629, Simmenthal II), nicht aber zu deren Aufhebung.

Nun überläßt es aber das Gemeinschaftsrecht dem Recht der Mitgliedstaaten zu bestimmen, durch welche Organe und in welchen Rechtsformen die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben in das mitgliedstaatliche Recht übergeführt werden (vgl. , Slg. 1980, 1473, Kommission/Belgien) und zwingt nicht dazu, eine so weitgehende Veränderung des Regelungsgehaltes des österreichischen Bundesverfassungsrechts anzunehmen.

Die erwogene Interpretation führte aber zum Ergebnis, daß der umfassende Parlamentsvorbehalt des Art 18 Abs 2 B-VG im Wirkungsbereich gemeinschaftsrechtlicher Regelungen gravierend eingeschränkt würde, wäre doch damit den Organen der Verwaltung in Konkurrenz zu den Gesetzgebungsorganen die Möglichkeit zur Umsetzung unmittelbar anwendbaren Gemeinschaftsrechts eröffnet.

Es ist zuzugestehen, daß es möglich wäre anzunehmen, Art 18 Abs 2 B-VG habe durch den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union eine derartige inhaltliche Modifikation erfahren. Nichts zwingt aber zu einer Interpretation, die eine weitergehende Verfassungsmodifikation annimmt, als erforderlich ist, um den Anforderungen des Gemeinschaftsrechts zu entsprechen. Angesichts dessen hat sich die vorläufige Annahme des Verfassungsgerichtshofes, daß zur Umsetzung gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften, die wie die Bestimmungen des Art 6 und 7 ARB (vgl. die oben wiedergegebenen Bestimmungen des Art 6 Abs 3 und des Art 14 ARB) einer mitgliedsstaatlichen Konkretisierung zugänglich sind, nach dem Konzept des Art 18 Abs 2 B-VG nicht der Verordnungsgeber, sondern der Gesetzgeber berufen ist.

Da sich die in Prüfung genommenen Verordnungsbestimmungen unmittelbar auf Art 6 und 7 des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80 stützen und einer innerstaatlichen gesetzlichen Grundlage entbehren, hat sich die vorläufige Annahme des Verfassungsgerichtshofes, sie seien gesetzlos ergangen, als zutreffend erwiesen.

5. a) Die in Prüfung genommenen Bestimmungen erweisen sich somit als gesetzwidrig. Da sie nicht mehr in Kraft stehen - die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales hat mit dem zur AuslBGNov BGBl. I 78/1997 ergangenen Durchführungserlaß die in Rede stehenden Erlässe einschließlich des Leitfadens aufgehoben - hatte der Verfassungsgerichtshof gemäß Art 139 Abs 4 B-VG auszusprechen, daß die Bestimmungen verfassungswidrig waren.

b) Hinsichtlich des Leitfadens ist der Verfassungsgerichtshof zur Auffassung gelangt, daß die ganze Verordnung der gesetzlichen Grundlage entbehrt und in gesetzwidriger Weise kundgemacht wurde; er hat daher hinsichtlich dieser Verordnung gemäß Art 139 Abs 3 lita und c iVm Art 139 Abs 4 B-VG ausgesprochen, daß die ganze Verordnung gesetzwidrig war. Hinsichtlich der beiden Erlässe des Bundesministers (damals:) für Arbeit und Soziales war eine Feststellung, daß sie insgesamt gesetzlos waren und in gesetzwidriger Weise kundgemacht wurden, hingegen nicht zu treffen, da Teile dieser Erlässe ohne normativen Gehalt sind.

6. Die Verpflichtung zur Kundmachung stützt sich auf Art 139 Abs 5 B-VG und § 2 Abs 2 Z 4 BGBlG 1996.

7. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.