VfGH vom 12.12.2007, V79/07
Sammlungsnummer
18317
Leitsatz
Feststellung der Verfassungswidrigkeit einer Verordnungsermächtigung im Marktordnungsgesetz 1985 betreffend Ausfuhrgenehmigungen für Marktordnungswaren zur Durchführung von Gemeinschaftsrecht wegen Verstoßes gegen das Determinierungsgebot durch Verweisung auf das gesamte gemeinschaftsrechtliche Marktordnungsrecht; Wegfall der gesetzlichen Grundlage einer Bestimmung in der Verordnung über Lizenzen für Marktordnungswaren
Spruch
I. Die Wortfolgen "- und Ausfuhr" in § 110 Abs 4 Z 1 des Marktordnungsgesetzes 1985, BGBl. Nr. 10/1985 in der Fassung BGBl. I Nr. 108/2001, waren verfassungswidrig.
Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.
II. § 9 der Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft über Lizenzen für Marktordnungswaren, BGBl. II Nr. 59/2002, war gesetzwidrig.
Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Bundesgesetzblatt II verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zu B2149/06 eine Beschwerde anhängig, der im Wesentlichen folgender Sachverhalt zu Grunde liegt:
1.1 Die Beschwerdeführerin, eine Gesellschaft mit Sitz im Inland, hat auf Grund der (mehrfach geänderten) Verordnung (im Folgenden: VO) (EWG) Nr. 1766/92 über die gemeinsame Marktorganisation für Getreide, ABl. 1992 L 181, S 21-39, mehrere Ausfuhrlizenzen gezogen und für diese Sicherheiten geleistet. Die Lizenzen wurden am (letzter Tag der Gültigkeit [im Folgenden: lTdG] ), am (lTdG ), am (lTdG ), drei Lizenzen je am (lTdG ), am (lTdG ), am (lTdG ), am (lTdG ) und am (lTdG ) ausgestellt. Der Vorstand für den Geschäftsbereich I der Agrarmarkt Austria (im Folgenden: AMA) hat mit Bescheiden vom die für die gezogenen Lizenzen hinterlegten Sicherheiten zu Gunsten des Bundes mit der Begründung für verfallen erklärt, dass die Beschwerdeführerin die geforderten zusätzlichen Nachweise nicht binnen der dafür vorgesehenen Frist (12 Monate) bzw. Nachfrist (24 Monate) erbracht habe.
1.2 Die dagegen erhobenen Berufungen wies der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft mit Bescheid vom ab.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Aus Anlass der Behandlung dieser Beschwerde beschloss der Verfassungsgerichtshof am , gemäß Art 140 Abs 1 B-VG die Verfassungsmäßigkeit der Wortfolgen "- und Ausfuhr" in § 110 Abs 4 Z 1 des Marktordnungsgesetzes 1985 (im Folgenden: MOG 1985), BGBl. 210/1985 in der Fassung BGBl. I 108/2001 sowie gemäß Art 139 Abs 1 B-VG die Gesetzmäßigkeit des § 9 der Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft über Lizenzen für Marktordnungswaren, BGBl. II 59/2002, von Amts wegen zu prüfen.
3. Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft sowie die Bundesregierung nahmen von einer meritorischen Äußerung Abstand.
II. Rechtslage:
1. Für den vorliegenden Bescheid ist die VO (EG) Nr. 1291/2000 mit gemeinsamen Durchführungsvorschriften für Einfuhr- und Ausfuhrlizenzen sowie Vorausfestsetzungsbescheinigungen für landwirtschaftliche Erzeugnisse, ABl. 2000 L 152, S 6, maßgebend.
Die Art 32 und Art 33 der VO (EG) Nr. 1291/2000 (Art32 idF der VO [EG] Nr. 325/2003; Art 33 idF der VO [EG] Nr. 636/2004) bestimmen, was zur Erfüllung einer Hauptpflicht nachzuweisen ist und wie dieser Nachweis zu erbringen ist. Nach Art 33 Abs 2 ist bei Ausfuhren aus der Gemeinschaft ein zusätzlicher Nachweis zu erbringen.
Die Art, wie dieser zusätzliche Nachweis iSd Art 33 Abs 2 zu erbringen ist, liegt im Ermessen des Mitgliedstaates, wenn sowohl die Lizenzerteilung und die Annahme der Anmeldung für die Ausfuhr als auch die Ausfuhr aus dem Zollgebiet der Gemeinschaft im selben Mitgliedstaat stattfinden (Art33 Abs 2 lita). In den übrigen Fällen der Ausfuhr besteht kein solches Ermessen (litb).
Der Nachweis nach Art 33 Abs 2 ist innerhalb von zwölf Monaten nach Ablauf der Gültigkeitsdauer der Lizenz zu erbringen (Art35 Abs 4 lita).
Wird dieser Nachweis nicht innerhalb dieser Frist von 12 Monaten oder spätestens im 24. Monat nach Ablauf der Lizenz erbracht, beläuft sich der einzubehaltende Betrag für die Mengen, für die der Nachweis nicht fristgerecht erbracht wurde, auf 15 v.H. des Betrags, der endgültig einbehalten worden wäre, wenn die Erzeugnisse nicht ein- bzw. ausgeführt worden wären (Art35 Abs 4 litc).
Gemäß Art 35 Abs 4 litd können die zuständigen Behörden von der Verpflichtung zur Vorlage der Nachweise gemäß Buchstabe a) erster und zweiter Gedankenstrich absehen, wenn ihnen die erforderlichen Informationen bereits vorliegen.
Zur Frage der Einbehaltung bzw. des Verfalls von Sicherheiten bestimmen Art 20 bis 22 der VO (EWG) Nr. 2220/85, ABl. 1985 L 205, S 11 - Art 20 der VO (EWG) Nr. 2220/85 idF der VO (EWG) Nr. 1181/87, ABl. 1987 L 113, S 31 f., Art 21 der VO (EWG) Nr. 2220/85, ABl. 1985 L 205, S 11, und Art 22 der VO (EWG) Nr. 2220/85 idF der VO (EWG) Nr. 1181/87, ABl. 1987 L 113, S 31 f. - Folgendes:
"Artikel 20
(1) Eine Verpflichtung kann eine Hauptpflicht, Nebenpflicht oder eine untergeordnete Pflicht sein.
(2) Eine Hauptpflicht ist eine Verpflichtung, eine Handlung vorzunehmen oder zu unterlassen, die für die Ziele der Verordnung, welche sie auferlegt, von grundsätzlicher Bedeutung ist.
(3) Eine Nebenpflicht ist eine Verpflichtung zur Einhaltung einer Frist für die Erfüllung einer Hauptpflicht.
(4) Eine untergeordnete Pflicht ist jede andere in einer Verordnung vorgeschriebene Verpflichtung.
(5) Dieser Titel gilt nicht in den Fällen, in denen die Gemeinschaftsvorschriften nicht die Hauptpflichten bestimmen.
(6) Im Sinne diese Titels ist, der 'betreffende Teilbetrag der Sicherheit' der Teilbetrag der Sicherheit, der der Menge entspricht, für die eine Pflicht nicht erfüllt wurde.
Artikel 21
Eine Sicherheit wird freigegeben, sobald in der jeweils vorgeschriebenen Form nachgewiesen ist, daß die Hauptpflichten, Nebenpflichten und untergeordneten Pflichten erfüllt sind.
Artikel 22
(1) Eine Sicherheit verfällt in voller Höhe für die Menge, für die eine Hauptpflicht nicht erfüllt wurde, sofern nicht höhere Gewalt die Erfüllung verhinderte.
(2) Eine Hauptpflicht gilt als nicht erfüllt, wenn der entsprechende Nachweis innerhalb der hierfür vorgesehenen Frist nicht erbracht wird, sofern nicht höhere Gewalt die Erbringung des Nachweises innerhalb der gesetzten Frist verhinderte. Das Verfahren nach Artikel 29 zur Einziehung des verfallenen Betrages wird unverzüglich eingeleitet.
(3) Wird innerhalb von 18 Monaten nach Ablauf der Frist gemäß Absatz 2 erster Unterabsatz der Nachweis über die Erfüllung aller Hauptpflichten erbracht, so werden 85 % des Betrages der verfallenen Sicherheit zurückgezahlt.
Wird der Nachweis über die Erfüllung der Hauptpflicht erbracht, ohne daß eine diesbezügliche Nebenpflicht erfüllt wurde, so ist der zurückzuzahlende Betrag gleich dem Betrag, der im Falle der Anwendung von Artikel 23 Absatz 2 zurückgezahlt würde, vermindert um 15 % des betreffenden Teilbetrags der Sicherheit.
(4) Keinerlei Rückzahlung des verfallenen Betrages erfolgt, falls der Nachweis über die Erfüllung der Hauptpflicht nach Ablauf der Frist von 18 Monaten gemäß Absatz 3 erbracht wird, sofern nicht höhere Gewalt die Erbringung dieses Nachweises innerhalb der Frist verhinderte."
2. In innerstaatlicher Durchführung der genannten gemeinschaftsrechtlichen VO (EG) Nr. 1291/2000 bestimmt nun § 9 der VO des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft über Lizenzen für Marktordnungswaren, BGBl. II 59/2002, Folgendes:
"Zusätzliche Nachweise
§ 9. Als zusätzlicher Nachweis zur Erfüllung der Hauptpflicht für die Freigabe der Sicherheiten bei Anwendung des Art 33 Abs 2 lita der Verordnung (EG) Nr. 1291/2000 ist anzusehen:
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1. | Das Exemplar 3 der zollamtlichen Ausfuhranmeldung mit dem Vermerk der Ausgangszollstelle über die Bescheinigung des Ausganges aus dem Zollgebiet der Gemeinschaft oder |
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2. | im Fall der Bahnverfrachtung im Rahmen eines durchgehenden Beförderungsvertrages das Exemplar 3 der zollamtlichen Ausfuhranmeldung mit dem Vermerk der Österreichischen Bundesbahnen über die Bescheinigung des Ausganges aus dem Zollgebiet der Gemeinschaft." |
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3. Als gesetzliche Grundlage gibt die ebengenannte VO des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft über Lizenzen für Marktordnungswaren, BGBl. II 59/2002, |
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"§110 Abs 4 Z 1 des Marktordnungsgesetzes 1985 (MOG), BGBl. Nr. 210, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 108/2001" |
an. Diese Bestimmung lautet (die in Prüfung gezogenen Wortfolgen sind hervorgehoben):
"Lizenzen, Vorausfestsetzungen, Sicherheiten
§110. (1) Lizenzen sowie sonstige Einfuhr- und Ausfuhrdokumente sowie Einfuhr- und Ausfuhrgenehmigungen im Rahmen von Regelungen im Sinne des § 94 Abs 2 über den Handelsverkehr werden von der jeweils zuständigen Marktordnungsstelle erteilt.
(2) Die Vorausfestsetzung von Einfuhr- und Ausfuhrabgaben und Ausfuhrerstattungen erfolgt ebenfalls durch die jeweils zuständige Marktordnungsstelle.
(3) Sieht der Bescheid gemäß Abs 2 die Stellung einer Sicherheit vor, ist § 106 anzuwenden.
(4) Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft kann - hinsichtlich der Z 2 und 3 im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen - durch Verordnung, soweit dies zur Durchführung von Regelungen im Sinne des § 94 Abs 2 erforderlich ist, Vorschriften erlassen über das Verfahren sowie über Voraussetzungen und Umfang bei
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1. | der Erteilung von Lizenzen, Einfuhr- und Ausfuhrdokumenten und Einfuhr- und Ausfuhrgenehmigungen (Abs1) hinsichtlich Marktordnungswaren, |
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2. | der Einfuhr von Marktordnungswaren, wenn die Einfuhr auf bestimmte Qualitäten, Aufmachungen oder Verwendungsarten beschränkt ist und |
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3. | der Überwachung der Einhaltung gemeinsamer Mindestpreisregelungen bei der Einfuhr und Ausfuhr von Marktordnungswaren." |
§ 106 MOG 1985, auf den in Abs 3 verwiesen wird, lautet:
"Sicherheiten
§ 106. (1) Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft,
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Umwelt und Wasserwirtschaft kann durch Verordnung, soweit Regelungen im Sinne des § 94 Abs 2 hinsichtlich Marktordnungswaren dies erfordern, Vorschriften erlassen über Art, Höhe und Verfahren bei Sicherheiten, Kautionen und Garantien (Sicherheiten), insbesondere über Gestaltung, Verwaltung, Freigabe und Verfall. Sind für die Freigabe die Entnahme von Mustern, Proben und Warenuntersuchungen erforderlich, gilt § 109. |
(2) Wird die Sicherheit durch Bürgschaft geleistet, so muss der Bürge zur geschäftsmäßigen Übernahme von Bürgschaften nach den gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften berechtigt sein."
§ 94 MOG 1985, auf dessen Abs 2 im § 106 Abs 2 verwiesen wird, lautet:
"Gemeinsame Marktorganisationen
§94. (1) Gemeinsame Marktorganisationen im Sinne dieses Abschnittes sind Regelungen zur Schaffung und Durchführung der gemeinsamen Organisation der Agrarmärkte für die in Anhang II des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG-Vertrag) angeführten Erzeugnisse sowie sonstige Handelsregelungen (im folgenden: gemeinschaftliches Marktordnungsrecht).
(2) Regelungen im Sinne dieses Abschnittes, ausgenommen Regelungen im Rahmen der Zuständigkeit nach § 96 Abs 3, sind
1. die Bestimmungen des EG-Vertrages samt Protokollen,
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2. | die Bestimmungen in Verträgen, einschließlich der zu ihnen gehörigen Akte mit Protokollen, die auf Grund des EG-Vertrages zustande gekommen sind oder zu dessen Erweiterung, Ergänzung oder Durchführung oder zur Begründung einer Assoziation, Präferenz oder Freihandelszone abgeschlossen und rechtswirksam sind, |
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3. | Rechtsakte des Rates oder der Kommission der Europäischen Union auf Grund oder im Rahmen der unter den Z 1 und 2 genannten Verträge sowie rechtsverbindliche Entscheidungen des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften." |
III. 1. Im Gesetzesprüfungsverfahren ist nichts vorgebracht worden und auch nichts hervorgekommen, was gegen die Zulässigkeit dieses Verfahrens spräche. Es ist daher zulässig.
1.1 Im Prüfungsbeschluss äußerte der Verfassungsgerichtshof das Bedenken, dass die in Prüfung gezogene Gesetzesbestimmung aus den folgenden Überlegungen dem aus Art 18 Abs 1 B-VG abzuleitenden, den Gesetzgeber bindenden Determinierungsgebot widerspricht:
"a) Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des § 110 Abs 4 Z 1 MOG 1985, BGBl. 210/1985 idF BGBl. I 108/2001:
Die Regelung des § 110 Abs 4 Z 1 MOG 1985, insbesondere die darin enthaltene Verweisung auf das gesamte gemeinschaftsrechtliche Marktordnungsrecht durch die Bezugnahme auf § 94 Abs 2 MOG 1985 begegnet denselben Bedenken, die den Verfassungsgerichtshof im Verfahren VfSlg. 17.735/2005 bewogen hatten, in § 99 Abs 1 Z 5 MOG 1985 idF BGBl. I 108/2001 die Wortfolgen 'Erzeuger- und' sowie im Verfahren G50/06 das Wort 'Referenzmengen,' in § 101 MOG 1985 idF BGBl. I 108/2001 als verfassungswidrig aufzuheben.
Der Verfassungsgerichtshof sprach in den genannten Erkenntnissen VfSlg. 17.735/2005 und vom , G50/06, aus, dass zur Umsetzung gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften nach dem Konzept des Art 18 Abs 2 B-VG nicht der Verordnungsgeber, sondern der Gesetzgeber berufen ist und dass im Falle von Verweisungen des innerstaatlichen Gesetzgebers auf Normen des Gemeinschaftsrechts das Verweisungsobjekt in der verweisenden Norm ausreichend bestimmt sein muss. Im Einzelnen führte der Verfassungsgerichtshof aus:
'Der Verfassungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung (vgl.va. VfSlg. 15.189/1998, 15.354/1998) den Standpunkt, dass durch den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union der Verwaltung keine generelle Ermächtigung zur Umsetzung von Gemeinschaftsrecht durch Rechtsverordnungen erteilt und Art 18 Abs 2 B-VG nicht so weit verändert wurde, dass den Verwaltungsorganen die Befugnis übertragen worden wäre, Regelungen des Gemeinschaftsrechts unter Ausschaltung des Gesetzgebers zu konkretisieren; vielmehr ist zur Umsetzung gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften nach dem Konzept des Art 18 Abs 2 B-VG nicht der Verordnungsgeber, sondern der Gesetzgeber berufen.
Aus den selben Erwägungen, die dieser Rechtsprechung zu Grunde liegen (vgl. dazu va. 15.189/1998), ist der Verfassungsgerichtshof weiters der Auffassung, dass Art 18 Abs 1 und 2 B-VG durch den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union auch insoweit nicht modifiziert wurde, als aus dieser Bestimmung der österreichischen Bundesverfassung das an den Gesetzgeber gerichtete Gebot abgeleitet wird, das gesamte Verwaltungshandeln, und im Besonderen auch die Erlassung verwaltungsbehördlicher Verordnungen, inhaltlich hinreichend vorherzubestimmen.
Die in Prüfung gezogene gesetzliche Regelung ermächtigt den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft durch Verordnung Vorschriften über Verfahren sowie über Voraussetzungen und die Höhe von Vergünstigungen bei Erzeugerprämien zu erlassen, soweit dies zur Durchführung von gemeinschaftsrechtlichen Regelungen zur Schaffung und Durchführung der gemeinsamen Organisation der Agrarmärkte für die in Anhang II EG-Vertrag angeführten Erzeugnisse sowie sonstige Handelsregelungen erforderlich oder geboten ist.
Die in Prüfung gezogene Regelung enthält somit eine Verweisung auf das gesamte gemeinschaftsrechtliche Marktordnungsrecht. Damit genügt sie aber, auch wenn eine Verweisung des innerstaatlichen Gesetzgebers auf Normen des Gemeinschaftsrechts grundsätzlich zulässig ist (vgl. ), dem - im vorliegenden Zusammenhang aus Art 18 B-VG abzuleitenden - Erfordernis nicht mehr, dem zu Folge das Verweisungsobjekt in der verweisenden Norm ausreichend bestimmt festgelegt sein muss (vgl. VfSlg. 16.999/2003 mwH).
Die in Prüfung gezogene Gesetzesbestimmung ist daher wegen Verstoßes gegen Art 18 B-VG als verfassungswidrig aufzuheben.'
Diese Rechtsauffassung scheint auch auf die nunmehr in Prüfung gezogene Regelung in § 110 Abs 4 Z 1 MOG 1985 zuzutreffen, zumal sie ebenfalls eine Verweisung auf das gesamte gemeinschaftsrechtliche Marktordnungsrecht enthält und damit nicht mehr dem Erfordernis, dass das Verweisungsobjekt in der verweisenden Norm ausreichend bestimmt festgelegt sein muss, genügen dürfte.
b) Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit des § 9 der VO BGBl. II 59/2002:
Der Verfassungsgerichtshof geht vorläufig davon aus, dass jene Verordnungsbestimmung anzuwenden war, die bei Beendigung der Frist von 24 Monaten zur Erbringung der zusätzlichen Nachweise, deren Nichteinhaltung zur Einbehaltung der Sicherheiten führte, anzuwenden war. Es ist dies § 9 der VO BGBl. II 59/2002. Die gesetzliche Grundlage dieser Verordnung ist § 110 Abs 4 Z 1 MOG 1985, BGBl. 210/1985 idF BGBl. I 108/2001.
Nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 9535/1982) hat die Aufhebung jener Gesetzesbestimmung, die die Verordnung bzw. Teile der Verordnung trägt, zur Folge, dass die Verordnung hiemit der erforderlichen gesetzlichen Deckung entbehrt, weshalb deren präjudizielle Bestimmungen auch in Prüfung zu ziehen sind.
Der in Prüfung gezogenen Verordnungsbestimmung scheint demnach die erforderliche Grundlage zu fehlen."
1.2 Das Bedenken, dass die in Prüfung gezogene Gesetzesbestimmung gegen das aus Art 18 B-VG abzuleitende, den Gesetzgeber bindende Determinierungsgebot verstößt, trifft zu:
1.3 Die in Prüfung gezogene gesetzliche Regelung ermächtigt den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft, durch Verordnung Vorschriften über Verfahren sowie über Voraussetzungen und Umfang bei der Erteilung von Ausfuhrdokumenten und Ausfuhrgenehmigungen hinsichtlich Marktordnungswaren zu erlassen, soweit dies zur Durchführung von gemeinschaftsrechtlichen Regelungen zur Schaffung und Durchführung der gemeinsamen Organisation der Agrarmärkte für die in Anhang II des EG-Vertrages angeführten Erzeugnisse sowie sonstige Handelsregelungen erforderlich oder geboten ist.
1.4 Die in Prüfung gezogene gesetzliche Bestimmung enthält eine Verweisung auf das gesamte gemeinschaftsrechtliche Marktordnungsrecht. Damit genügt sie aber dem im vorliegenden Zusammenhang aus Art 18 B-VG abzuleitenden Erfordernis nicht mehr, dem zufolge das Verweisungsobjekt in der verweisenden Norm ausreichend bestimmt festgelegt sein muss (vgl. VfSlg. 16.999/2003 mwH sowie ua.).
Mit dem In-Kraft-Treten des Art 1 des Agrarrechtsänderungsgesetzes 2007, BGBl. I 55/2007, dem Bundesgesetz über die Durchführung der gemeinsamen Marktorganisationen (Marktordnungsgesetz 2007 - MOG 2007), traten gemäß dessen § 32 Abs 2 Z 2 das MOG 1985 und die dort genannten Novellen, darunter auch die Novelle BGBl. I 108/2001, außer Kraft. Das MOG 2007 wurde am kundgemacht. Gemäß dessen § 32 Abs 1 Z 1, einer Verfassungsbestimmung, traten § 1 sowie gemäß § 32 Abs 1 Z 2,§ 8 Abs 2 und 3 mit in Kraft. Die übrigen Bestimmungen traten mit in Kraft.
Die in Prüfung gezogenen Wortfolgen gehören daher nicht mehr dem Rechtsbestand an, sodass der Verfassungsgerichtshof auszusprechen hatte, dass sie verfassungswidrig waren.
Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches erfließt aus Art 140 Abs 5 B-VG.
2. Auch im Verordnungsprüfungsverfahren ist nichts vorgebracht worden und auch nichts hervorgekommen, was gegen die Zulässigkeit dieses Verfahrens spräche. Es ist daher zulässig.
2.1 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 9535/1982) hat die Verfassungswidrigkeit jener Gesetzesbestimmung, die eine Verordnung trägt, zur Folge, dass die Verordnung der erforderlichen gesetzlichen Deckung entbehrt.
Die Aufhebung der oben genannten Wortfolgen in § 110 Abs 4 Z 1 MOG 1985, auf die die in Prüfung gezogene Verordnungsbestimmung gestützt ist, führt daher zur Gesetzwidrigkeit der in Prüfung genommenen Verordnungsbestimmung.
2.2 Mit Art 2 des Agrarrechtsänderungsgesetzes 2007, BGBl. I 55/2007, wurde das Bundesgesetz, mit dem auf Grund des Abschnitts F des Marktordnungsgesetzes 1985 erlassene Verordnungen in Gesetzesrang gehoben werden (Marktordnungs-Überleitungsgesetz), im Folgenden:
MO-ÜLG, erlassen. Dessen § 5 trat mit , die übrigen Bestimmungen traten mit in Kraft (§7 MO-ÜLG). § 1 Abs 1 MO-ÜLG lautet:
"Soweit nicht im Nachstehenden angeführte, auf Grund des Abschnitts F des MOG (Marktordnungsgesetz 1985 - MOG, BGBl. Nr. 210) erlassene Verordnungen als Bundesgesetz in Geltung bleiben, werden alle auf Grund des Abschnitts F des MOG erlassenen Verordnungen aufgehoben."
§ 1 Abs 3 MO-ÜLG bestimmt, dass die in diesem Absatz genannten Verordnungen bis längstens als Bundesgesetz in Geltung bleiben. In diesem Absatz ist unter Z 8 die
"Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft über Lizenzen für Marktordnungswaren, BGBl. II Nr. 59/2002 zuletzt geändert durch BGBl. II Nr. 465/2005"
genannt.
Dies bedeutet, dass diese Verordnung zum Zeitpunkt der Erlassung des im Anlassverfahren B2149/06 angefochtenen Bescheides vom noch in Geltung stand, jedoch mit außer Kraft trat und durch ein Bundesgesetz gleichen Inhalts ersetzt wurde. Der Verfassungsgerichtshof hatte daher auszusprechen, dass die in Prüfung gezogene Verordnungsbestimmung gesetzwidrig war.
2.3 Die Verpflichtung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches erfließt aus Art 139 Abs 5 B-VG.
3. Dies konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung entschieden werden.