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VfGH vom 02.10.1997, V78/97

VfGH vom 02.10.1997, V78/97

Sammlungsnummer

14941

Leitsatz

Aufhebung einer Verordnung über gefährliche Hunde wegen eines Verfahrensfehlers bei Verordnungserlassung; keine Einholung eines gesetzlich vorgeschriebenen Gutachtens der Veterinärmedizinischen Universität vor Festlegung gefährlicher Hunderassen und Kreuzungen

Spruch

Die Verordnung der Steiermärkischen Landesregierung vom über gefährliche Hunde, LGBl. Nr. 70/1993, wird als gesetzwidrig aufgehoben. Die Aufhebung tritt mit Ablauf des in Kraft.

Die Steiermärkische Landesregierung ist verpflichtet, diesen Ausspruch unverzüglich im Landesgesetzblatt kundzumachen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zu Zl. B1010/96 das Verfahren über eine auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde anhängig, der folgender Sachverhalt zugrundeliegt:

Der Beschwerdeführer ist seit (mindestens) Oktober 1994 in St. Radegund bei Graz Halter eines Hundes der Rasse Rottweiler, ohne im Besitz einer Ausnahmegenehmigung gemäß § 6b Abs 3 des Gesetzes über den Schutz und das Halten von Tieren (Steiermärkisches Tierschutz- und Tierhaltegesetz), LGBl. 74/1984, idF der Novelle LGBl. 45/1993, (im folgenden: Stmk. Tierschutz- und TierhalteG), zu sein.

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung wurde über ihn wegen Übertretung des § 6b Abs 1 iVm § 6b Abs 5 des Stmk. Tierschutz- und TierhalteG eine Geldstrafe in Höhe von S 3.000,--, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von einem Tag verhängt. Die dagegen erhobene Berufung wurde vom Unabhängigen Verwaltungssenat für die Steiermark mit Bescheid vom gemäß § 66 Abs 4 AVG iVm § 24 VStG abgewiesen; der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses wurde dahingehend präzisiert, daß die verletzte Rechtsvorschrift der § 6b Abs 1 iVm § 6b Abs 2 Stmk. Tierschutz- und TierhalteG iVm ArtI Z 1 der Verordnung der Steiermärkischen Landesregierung vom über gefährliche Hunde, LGBl. 70/1993, (im folgenden: Verordnung über gefährliche Hunde), sei.

Gegen diesen Berufungsbescheid wendet sich die eingangs erwähnte Beschwerde.

2. Der Verfassungsgerichtshof hat am aus Anlaß der erwähnten Beschwerde beschlossen, gemäß Art 139 Abs 1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit der Worte "und Rottweiler" im ArtI Z 1 der Verordnung über gefährliche Hunde einzuleiten. (Näheres s. u. III.1.)

3. Die Steiermärkische Landesregierung erstattete aufgrund ihres Beschlusses vom im Verordnungsprüfungsverfahren eine Äußerung, in der sie begehrt, weder die Worte "und Rottweiler" noch allenfalls die gesamte Verordnung über gefährliche Hunde als gesetzwidrig aufzuheben (Begründung s.u. III.2.).

II. Die hier maßgebende Rechtslage und die Entstehungsgeschichte der Verordnung über gefährliche Hunde stellt sich wie folgt dar:

1. Die im gegebenen Zusammenhang in Betracht zu ziehenden Bestimmungen des Stmk. Tierschutz- und Tierhaltegesetzes lauten:

"§6b

(1) Das Halten, Ausbilden oder Abrichten von gefährlichen Hunden ist verboten. Als gefährlich sind solche Hunde anzusehen, von denen nach den Erkenntnissen der Tierzucht und Verhaltensforschung auf Grund ihrer wesensmäßig typischen Verhaltensweise angenommen werden kann, daß sie die Sicherheit von Menschen oder Tieren gefährden können.

(2) Die Landesregierung hat durch Verordnung zu bestimmen, welche Hunderassen sowie Kreuzungen mit diesen Rassen wegen der von ihnen ausgehenden Gefahren für die Sicherheit von Menschen oder Tieren als gefährlich anzusehen sind. Hiebei ist jedenfalls ein Gutachten der Veterinärmedizinischen Universität einzuholen.

(3) Die Behörde kann Ausnahmen vom Verbot des Abs 1 bewilligen, wenn


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a)
das Tier der Bewachung oder dem Schutz von Personen oder Einrichtungen dient,
b)
die Sicherheit von Menschen nicht gefährdet wird und
c)
eine sachgemäße Verwahrung des Tieres unter Berücksichtigung des Tierschutzes gewährleistet ist.

(4) Die Ausnahmebewilligung gemäß Abs 3 darf nur Personen erteilt werden, die das 18. Lebensjahr vollendet haben und die erforderliche Zuverlässigkeit besitzen.

(5) - (7) ..."

2.a) Die aufgrund des § 6b Abs 2 Stmk. Tierschutz- und TierhalteG erlassene Verordnung der Steiermärkischen Landesregierung über gefährliche Hunde lautet:

"ArtI

Als gefährliche Hunde gelten:

1. Hunde der Rassen Bullterrier, Mastino Napoletano, Fila Brasileiro, American Staffordshire Terrier,

Mastiff, Dogo Argentino, Ridgeback, Bordeaux Dogge

und Rottweiler sowie der Kreuzungen Bandog und Pitpullterrier und

2. Hunde aus Kreuzungen von den in Z. 1 genannten Rassen und Kreuzungen.

ArtII

Diese Verordnung tritt mit dem der Kundmachung folgenden Tag (Anm.: d.h. mit ) in Kraft."

b)aa) Die Steiermärkische Landesregierung hatte mit Schreiben vom mehrere Stellen eingeladen, eine Stellungnahme zum Entwurf der soeben erwähnten Verordnung abzugeben. Dieses Schreiben hat folgenden Wortlaut:

"Das Gesetz vom , mit dem das Steiermärkische Tierschutzgesetz 1984, LGBl. Nr. 74, geändert wird, soll in Kürze kundgemacht werden. Gemäß § 6b Abs 2 leg.cit. hat die Landesregierung durch Verordnung zu bestimmen, welche Hunderassen sowie Kreuzungen mit diesen Rassen wegen der von ihnen ausgehenden Gefahren für die Sicherheit von Menschen oder Tieren als gefährlich anzusehen sind. Hiebei ist jedenfalls ein Gutachten der Veterinärmedizinischen Universität einzuholen.

Es ergeht die Einladung, zum beiliegenden Verordnungsentwurf bis eine Stellungnahme abzugeben.

Der Abteilungsvorstand:

...

Ergeht an:


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1.
das Institut für Physiologie der Veterinärmedizinischen Universität, Linke Bahngasse 11, 1030 Wien;
2.
die Landeskammer der Tierärzte Steiermark, Zimmerplatzgasse 15, 8010 Graz;
3.
den Aktiven Tierschutz Steiermark, Puchstraße 56, 8020 Graz;
4.
den Landestierschutzverein für Steiermark, Kapaunplatz 1, 8010 Graz;
5.
alle Bezirkshauptmannschaften, die Exposituren der Bezirkshauptmannschaft Liezen in Bad Aussee und Gröbming und den Magistrat Graz;
6.
Fachabteilung für das Veterinärwesen, Zimmerplatzgasse 15, 8010 Graz;
7.
die Präsidialabteilung - Verfassungsdienst, 8010 Graz-Burg."


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bb) Mit Schreiben vom gab hierauf (auf einem Briefpapier des Institutes für Physiologie der Veterinärmedizinischen Universität Wien) Univ.Doz. Dr. H. B-L dem Amt der Steiermärkischen Landesregierung gegenüber folgende "Stellungnahme zum Entwurf 'Verordnung über gefährliche Hunde'" ab:

"Herr Univ.Prof. Dr. G. H, Vorstand des Institutes für Physiologie, hat mir den gegenständlichen Entwurf mit der Bitte um Ausarbeitung einer Stellungnahme übergeben.

Stellungnahme:

Die Absicht des Entwurfes, die Verbreitung gefährlicher Hunderassen einzuschränken, ist durchaus begrüßenswert. Es muß aber darauf hingewiesen werden, daß meines Wissens keine wissenschaftlich fundierten Untersuchungen vorliegen, die die besondere Gefährlichkeit der unter lita) genannten Rassen unterstreichen. Aus persönlicher Anschauung halte ich die getroffene Auswahl für sinnvoll, da sich zumindest einige dieser Rassen durch, im Vergleich zum Schäferhund, wesentlich höhere Beißkraft auszeichnen.

Die Aggressivität eines Hundes ist jedoch nicht nur durch seine genetische Veranlagung begründet, sondern wird auch durch entsprechende, bei Kampfhunden übliche, Abrichteverfahren verursacht.

Bezüglich litb) möchte ich auf eine sprachlich mißverständliche Formulierung hinweisen:

'... und Kreuzungen' würde bedeuten, daß auch Kreuzungen z.B. zwischen Dackel und Pekinesen als gefährlich zu bewerten sind. Dies ist jedoch sicherlich nicht gemeint.

Bezüglich der Exekutierung habe ich folgende Bedenken:

1. Die Vollzugsorgane dürften kaum in der Lage sein, die genannten Rassen und insbesondere die Kreuzungen zweifelsfrei zu erkennen.

2. Es stellt sich das Problem, wie die bereits in Privatbesitz befindlichen lt. Gesetz 'gefährlichen Hunde' zu behandeln sind.

3. Die in § 6b (3) lita-c getroffene Ausnahmeregelung ist meiner Ansicht nach überflüssig bzw. sollte nur sehr restriktiv gehandhabt werden: Es besteht kein vernünftiger Grund, zum Beispiel zur Bewachung oder dem Schutz von Personen oder Einrichtungen einen Pitpullterrier zu verwenden - ein zum Schutzhund ausgebildeter Schäferhund wird diesem Zweck voll gerecht werden.

Ich ersuche Sie, meine Bemerkungen als konstruktive Kritik aufzufassen und stehe für weitere Anfragen gerne zur Verfügung."

cc) Univ.Doz. Dr. B-L erläuterte in der Folge mit Schreiben vom diese "Stellungnahme" dem Amt der Steiermärkischen Landesregierung gegenüber wie folgt:

"Mit dem oben bezeichneten Schreiben (vom ) erging eine Einladung an das Institut für Physiologie zum gegenständlichen Verordnungsentwurf bis eine Stellungnahme abzugeben. Dieses Schreiben wurde mir von Herrn O.Univ.Prof. Dr. G. H zur Bearbeitung übergeben. Mit Datum vom habe ich eine persönliche Stellungnahme zu diesem Entwurf abgegeben. Ein ergänzendes Schreiben zu dieser Stellungnahme erging am an Sie.

Da diese Stellungnahme angeblich als Universitätsgutachten zitiert wurde, möchte ich folgendes richtigstellen. Bei meiner oben zitierten Stellungnahme und dem ergänzenden Schreiben handelt es sich keinesfalls um ein Universitätsgutachten, sondern um eine persönliche Stellungnahme. Bei der Erstellung eines Gutachtens im Namen der Universität ist das Universitätskollegium (UOG 1975: § 75 Abs 2, § 64 Abs 2 litw sowie UOG 1993: § 58 Abs 1, § 1 Abs 3 Z 8) zuständig. Somit handelt es sich schon aus rein juristisch-formalen Gründen bei meiner Stellungnahme um eben eine Stellungnahme und nicht um ein Universitätsgutachten."

dd) Der Rektor der Veterinärmedizinischen Universität Wien beschwerte sich mit Schreiben vom bei der Steiermärkischen Landesregierung, daß die Verordnung erlassen worden sei, ohne ein Universitätsgutachten einzuholen:

"§6b des steiermärkischen Landesgesetzes über den Schutz und das Halten von Tieren (Steiermärkisches Tierschutz- und Tierhaltegesetz), LGBl. Nr. 74/1984, in der Fassung LGBl. Nr. 45/1993 verbietet das Halten, Ausbilden oder Abrichten von gefährlichen Hunden. Als gefährlich sind gemäß dieser Bestimmung solche Hunde anzusehen, von denen nach den Erkenntnissen der Tierzucht und Verhaltensforschung auf Grund ihrer wesensmäßigen typischen Verhaltensweise angenommen werden kann, daß sie die Sicherheit von Menschen oder Tieren gefährden können.

Abs 2 lautet: Die Landesregierung hat durch Verordnung zu bestimmen, welche Hunderassen sowie Kreuzungen mit diesen Rassen wegen der von ihnen ausgehenden Gefahren für die Sicherheit von Menschen oder Tieren als gefährlich anzusehen sind. Hiebei ist jedenfalls ein Gutachten der Veterinärmedizinischen Universität einzuholen.

Auf Grund des § 6b Abs 2 des Gesetzes über den Schutz und das Halten von Tieren wurde mit Verordnung der Steiermärkischen Landesregierung vom , LGBl. Nr. 70/1993, ein Katalog von Hunderassen erstellt, die als gefährliche Hunde gelten.

Das Landesgesetz sieht eine gutachterliche Tätigkeit der Veterinärmedizinischen Universität vor, die beurteilen soll, welche Hunderassen nach den Erkenntnissen der Tierzucht und Verhaltensforschung gefährlich sind.

Gemäß § 64 (3) litw, iVm § 75 (2) UOG 1975, BGBl. Nr. 258/1975 idgF., fällt die Erstattung von Gutachten über Gegenstände, die zu den der Veterinärmedizinischen Universität Wien anvertrauten Gebieten der Wissenschaft gehören (Fakultätsgutachten), in den Kompetenzbereich des Universitätskollegiums.

Die Landesregierung hat vor der Erlassung einer Verordnung gemäß § 6b Abs 2 des oben zitierten Gesetzes, sofern die Festlegung von einzelnen gefährlichen Rassen überhaupt möglich ist, für jede einzelne Rasse, deren Vertreter in der Verordnung als gefährliche Hunde aufscheinen sollen, zu ermitteln, ob die gesetzlichen Voraussetzungen des § 6b Abs 2 vorliegen.

In der vom Gesetzgeber vorgesehenen Form kann dies nur mittels eines Fakultätsgutachtens geschehen, in dem die Erkenntnisse der Tierzucht und Verhaltensforschung einfließen. Die Verordnung über gefährliche Hunde wurde jedoch ohne Beiziehung der Veterinärmedizinischen Universität Wien erlassen.

Diese gesetzlich vorgeschriebene Befassung kann keinesfalls dadurch ersetzt werden, daß die Rechtsabteilung des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung ein Institut der Veterinärmedizinischen Universität auswählt und um eine Stellungnahme ersucht. Eine solche Stellungnahme kann zwar eingeholt werden, ersetzt jedoch nicht das gesetzlich vorgeschriebene Verfahren zur Einholung eines Gutachtens.

Durch die Erlassung der Verordnung wurde der Anschein erweckt, die Veterinärmedizinische Universität Wien hätte ein Gutachten abgegeben. Dies ist ja nicht der Fall. Die Steiermärkische Landesregierung wird daher um Stellungnahme ersucht, wieso die Veterinärmedizinische Universität Wien nicht zur Erstattung eines Gutachtens aufgefordert wurde."

III. 1. Der Verfassungsgerichtshof

äußerte im Einleitungsbeschluß (s.o. I.2) - zusammengefaßt - das Bedenken, daß die Verordnung über gefährliche Hunde nicht in einem vom Gesetz zwingend vorgesehenen Verfahren zustandegekommen sei. Der Verordnungsgeber habe es nämlich anscheinend - entgegen der zwingenden Vorschrift des § 6b Abs 2 letzter Satz des Stmk. Tierschutz- und TierhalteG - verabsäumt, vor Verordnungserlassung ein "Gutachten der Veterinärmedizinischen Universität" einzuholen. Da es sich hiebei um keinen vernachlässigbaren Fehler handeln dürfte, bestehe das Bedenken, daß die Verordnung dem Art 18 Abs 1 und 2 B-VG widerspreche.

2. Die Steiermärkische Landesregierung verteidigt in ihrer Äußerung (s.o. I.3) die Gesetzmäßigkeit der Verordnung mit nachstehender Argumentation:

"...

1. Die für die Erlassung der gegenständlichen Verordnung maßgebliche Novelle zum Steiermärkischen Tierschutzgesetz wurde vom Steiermärkischen Landtag am beschlossen. Die Steiermärkische Landesregierung hat mit Schreiben vom den Entwurf einer Verordnung über gefährliche Hunde zur Begutachtung versendet. Eine Ausfertigung dieses Schreibens wurde dem

'Institut für Physiologie der Veterinärmedizinischen Universität,

Linke Bahngasse 11, 1030 Wien'

übermittelt.

Mit Schreiben vom hat das Institut für Physiologie der Veterinärmedizinischen Universität zum Verordnungsentwurf eine Stellungnahme abgegeben.

Unter Berücksichtigung dieser Stellungnahme und weiterer gutächtlicher Äußerungen hat die Steiermärkische Landesregierung die Verordnung über gefährliche Hunde am beschlossen.

Damit wurde nach ho.Auffassung den Vorgaben des § 6b Abs 2 des Steiermärkischen Tierschutz- und Tierhaltegesetzes jedenfalls in formeller Hinsicht entsprochen.

Dem Umstand, daß die betreffende Stellungnahme des Instituts für Physiologie kein Fakultätsgutachten im Sinne der Vorschriften des UOG darstellt, mißt der Verfassungsgerichtshof selbst keine wesentliche Bedeutung bei. Nach vorläufiger Ansicht des Gerichtshofes ist unter einem Gutachten im Sinne des § 6b Abs 2 des Steiermärkischen Tierschutz- und Tierhaltegesetzes ein Gutachten gemeint, das aus dem Universitätsbereich, also von einem Institut oder von einem hiefür in Frage kommenden Sachverständigen der Universität stammt.

Diesen Standpunkt hat im übrigen auch das Bundeskanzleramt im Rahmen des Verfahrens gemäß Art 98 Abs 3 B-VG betreffend die Novelle zum Steiermärkischen Tierschutzgesetz eingenommen. In der diesbezüglichen Äußerung des Bundeskanzleramtes vom , GZ 651.956/2-V/2/93, heißt es, daß das nach § 6b Abs 2 des Gesetzes einzuholende Gutachten nicht von der Gesamtuniversität als 'Fakultätsgutachten' einzuholen sei, sondern ein Gutachten eines Instituts oder eines hiefür in Frage kommenden Sachverständigen der Universität ausreichend wäre.

Überdies hat der Verfassungsgerichtshof in seinem Beschluß vom , B2261/94-7 und B2279/94-4, Beschwerden u.a. mit der Begründung abgelehnt, daß - wie im Steiermärkischen Tierschutz- und Tierhaltegesetz vorgesehen - vor Verordnungserlassung ein Gutachten eingeholt worden wäre und daher die Beschwerden keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hätten.

Bedenklich erscheint nunmehr dem Verfassungsgerichtshof der Umstand, daß die Steiermärkische Landesregierung bloß an das Institut für Physiologie mit dem Ersuchen um Stellungnahme herangetreten sei und nicht - wie das Gesetz dies vorschreibt - ausdrücklich ein 'Gutachten' direkt 'von der Veterinärmedizinischen Universität' eingeholt habe.

Die Steiermärkische Landesregierung vermag sich dieser Auffassung nicht anzuschließen. Die betreffende Vorschrift des § 6b Abs 2 des Steiermärkischen Tierschutz- und Tierhaltegesetzes verfolgt den Zweck, als Grundlage für die Erlassung der Verordnung eine wissenschaftliche Meinung einer bestimmten Universität darüber einzuholen, ob die im Verordnungsentwurf genannten Hunderassen als gefährlich anzusehen sind oder nicht.

Dieser Zweck wird nicht verfehlt, wenn die Steiermärkische Landesregierung nicht ausdrücklich ein 'Gutachten' anfordert, sondern einen Verordnungsentwurf mit einem im Sinne des Gesetzes ausreichend begründeten Ersuchen um Stellungnahme aussendet. Dem Zweck des Gesetzes kann auch nicht der Umstand abträglich sein, daß dieses Ersuchen an ein bestimmtes, nämlich an das fachlich zuständige Institut der Veterinärmedizinischen Universität gerichtet wurde. In der gegenständlichen Angelegenheit kann daher davon ausgegangen werden, daß der Rektor der Veterinärmedizinischen Universität ebenfalls das Institut für Physiologie mit der Erstellung des Gutachtens betraut hätte. Den Bedenken des Verfassungsgerichtshofes, daß diese Entscheidung dem Rektor hätte vorbehalten werden müssen, kann daher hier keine gravierende Bedeutung zukommen.

Letztlich kann nur entscheidend sein, daß für die Steiermärkische Landesregierung in eindeutig erkennbarer Weise eine Stellungnahme des 'Institutes für Physiologie der Veterinärmedizinischen Universität' abgegeben wurde.

2. Diese Stellungnahme erfüllt nach Auffassung der Steiermärkischen Landesregierung auch in inhaltlicher Hinsicht die an ein Gutachten zu knüpfenden Anforderungen. Zwar heißt es in dieser Stellungnahme, daß keine wissenschaftlich fundierten Untersuchungen vorliegen, die die besondere Gefährlichkeit der im Verordnungsentwurf genannten Rassen unterstreichen würden. Weiters heißt es dort, daß die Aggressivität eines Hundes nicht nur durch seine genetische Veranlagung begründet sei, sondern auch durch entsprechende, bei Kampfhunden übliche, Abrichteverfahren verursacht werde.

Der Verfasser der Stellungnahme hat aber auch seiner Auffassung Ausdruck verliehen, daß er die getroffene Auswahl für sinnvoll erachtet, weil sich zumindest einige der genannten Rassen durch eine, im Vergleich zum Schäferhund, wesentlich höhere Beißkraft auszeichnen.

Der Verfassungsgerichtshof bezweifelt, daß die persönlich gehaltene Stellungnahme des Verfassers überhaupt als wissenschaftliches Gutachten qualifiziert werden könne. Die Steiermärkische Landesregierung räumt diesbezüglich ein, daß die Stellungnahme des Instituts für Physiologie keinen Befund enthält, auf dem aufbauend ein Gutachten erstellt worden wäre, aus dem sich schlüssig ergäbe, welche Hunderassen als gefährlich einzustufen wären. Dies erklärt sich nach ha.Auffasung dadurch, daß wissenschaftliche Untersuchungen über die wesensmäßige Gefährlichkeit bestimmter Hunderassen fehlen. Der Verfasser war daher gezwungen, seiner persönlichen Auffassung als Wissenschafter Ausdruck zu verleihen.

Vor allem aber war der Inhalt der Stellungnahme - nämlich die Aussage, daß sich einige der im Verordnungsentwurf genannten Rassen durch eine erhöhte Beißkraft auszeichnen - im Hinblick auf die Vorgaben des Gesetzes relevant. § 6b Abs 2 des Steiermärkischen Tierschutz- und Tierhaltegesetzes überträgt nämlich dem Verordnungsgeber festzustellen, welche Hunderassen für Menschen und Tiere als (besonders) gefährlich einzustufen sind. Die laut Stellungnahme des Institutes für Physiologie erhöhte Beißkraft der im Verordnungsentwurf genannten Hunderassen war daher eine wesentliche und sachlich gerechtfertigte Entscheidungsgrundlage für den Verordnungsgeber.

Ein ergänzend eingeholtes Gutachten der für das Veterinärwesen zuständigen Abteilung des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung hat die Auffassung der Steiermärkischen Landesregierung bekräftigt. In dieser Stellungnahme wird u.a. folgendes ausgeführt:

'Als Ursache für ein, bestimmten Hunderassen zugeschriebenes, erhöhtes Gefährdungspotential ist einerseits die auf Grund anatomischer Voraussetzungen zustande gekommene besondere Beißkraft dieser Tiere, andererseits jedoch die von bestimmten Züchtern vorgenommene Selektion besonders aggressiver Zuchttiere anzusehen. Durch diese von manchen Hundehaltern aus Prestigegründen erwünschte, jedoch aus Tierschutzgründen abzulehnende Zuchtwahl, kann das Aggressionspotential einer Rasse innerhalb weniger Generationen gesteigert werden. Tatsächlich bevorzugen unverantwortliche Züchter bzw. Hundehalter für diesen Zweck hauptsächlich Hunde der im do.Verordnungsentwurf genannten Rassen.

Wenn es darum geht, trotz zahlreicher Bedenken (praktische Durchführbarkeit, bürokratischer Aufwand, Möglichkeit des Ausweichens auf 'Aggressionszucht' anderer Rassen) ein Verbot bestimmter Rassen durchzusetzen, sollte sich dieses auf Rassen beziehen, die auf Grund der enormen Beißkraft der Tiere eine erhöhte Gefährdung darstellen. Die im do.Verordnungsentwurf angeführten Rassen fallen zweifellos in diese Kategorie. Es erscheint jedoch aus praktischen Überlegungen wenig sinnvoll zu sein, das Verbot auf sämtliche Rassen und Kreuzungen, die auch ein gewisses Gefährdungspotential besitzen, auszudehnen. Bei Feststellung eines verstärkten Ausweichens auf seltene, nicht berücksichtigte Rassen, ist allerdings eine Anpassung der Verordnung erforderlich.'

Ergänzend sei darauf verwiesen, daß das rechtspolitische Anliegen der Novelle 1993 zum Steiermärkischen Tierschutzgesetz vom Wunsch getragen war, Gefährdungen für die Gesundheit von Menschen, insbesondere von Kindern durch gefährliche Hunde möglichst auszuschließen. Anlaß für die Novelle waren zahlreiche Unfälle, die eines erwiesen haben, nämlich, daß besondere Gefahren von ganz bestimmten Hunderassen ausgegangen sind. Auffallend war ferner, daß sogenannte Kampf- oder Killerhunde - offenbar einem Modetrend folgend - vermehrt gezüchtet wurden. Diese Erfahrungen waren für den Gesetzgeber bestimmend, Hunde ganz bestimmter Hunderassen generell als gefährlich einzustufen.

Unter Berücksichtigung des Zwecks der Gesetzesnovelle war das auf Grund des § 6b Abs 2 des Gesetzes eingeholte Gutachten der Veterinärmedizinischen Universität in Verbindung mit dem Gutachten der Abteilung für das Veterinärwesen geeignet, an der geplanten Auswahl von Hunderassen festzuhalten.

Der Steiermärkischen Landesregierung erscheint die Aussage des Verfassungsgerichtshofes wesentlich, daß das Gesetz keine näheren Determinanten dafür enthält, wie die von der Verordnung zu erfassenden Hunderassen (bzw. Kreuzungen mit diesen Rassen) zu bestimmen sind. Daher komme der präzisen Einhaltung des gesetzlich vorgesehenen Verfahrens - also dem Einholen eines bestimmten Gutachtens - ganz besondere Bedeutung zu. Die Mißachtung der entsprechenden gesetzlichen Vorschrift würde eine Verfahrensverletzung darstellen, die die Verordnung gesetzwidrig macht.

Die Steiermärkische Landesregierung ist aber aus den dargelegten Gründen der Auffassung, daß sie bei der Erlassung der Verordnung über gefährliche Hunde diesen Anforderungen Rechnung getragen hat."

IV. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Anlaß-Beschwerde ist zulässig. Der Verfassungsgerichtshof wird daher über sie in der Sache zu entscheiden haben. Hiebei hätte er u.a. die Verordnung über gefährliche Hunde anzuwenden.

Es reicht allerdings hin, bloß die in ArtI Z 1 enthaltenen Worte "und Rottweiler" in Prüfung zu ziehen und - für den Fall, daß die im Einleitungsbeschluß dargelegten Bedenken zutreffen - aufzuheben, um für den Anlaßfall eine verfassungsrechtlich einwandfreie Rechtsgrundlage herzustellen. Nur diese Wendung ist sohin präjudiziell in der Bedeutung des Art 139 Abs 1 B-VG.

Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist das Verordnungsprüfungsverfahren zulässig.

2. Die im Einleitungsbeschluß ob der Gesetzmäßigkeit der Verordnung über gefährliche Hunde geäußerten Bedenken haben sich als zutreffend herausgestellt. Die von der Steiermärkischen Landesregierung erstattete Äußerung ist nicht geeignet, sie zu zerstreuen:

a) § 6b des Stmk. Tierschutz- und TierhalteG überläßt es der Landesregierung, durch Verordnung zu bestimmen, welche Hunderassen (sowie Kreuzungen mit diesen Rassen) wegen der von ihnen ausgehenden Gefahren für die Sicherheit von Menschen oder Tieren als gefährlich anzusehen sind.

Der Verordnungsgeber hat sich hiebei am jeweiligen Stand der Wissenschaft zu orientieren und - um sich hievon Kenntnis zu verschaffen - vor Verordnungserlassung fachkundigen Rat einzuholen, und zwar zumindest in Form eines "Gutachtens der Veterinärmedizinischen Universität" (s. § 6b Abs 2 letzter Satz leg.cit.).

Darunter ist zwar nicht ein Fakultätsgutachten (hier in Ermangelung einer Fakultätsgliederung: ein Gutachten des Universitätskollegiums) i.S. des § 64 Abs 3 litw iVm § 75 Abs 2 UOG 1975 (vgl. aber auch die Diktion in § 1 Abs 3 Z 8 iVm § 58 Abs 1 UOG 1993) zu verstehen; vielmehr ist damit - weil das Stmk. Tierschutz- und Tierhaltegesetz (offenbar bewußt) nicht die Terminologie des UOG verwendet - ein Gutachten gemeint, das aus dem Universitätsbereich, also von einem Institut oder von einem hierfür in Frage kommenden Sachverständigen der Universität stammt. Die Landesregierung ist jedoch verhalten, ausdrücklich ein Gutachten anzufordern, und zwar nicht bei einem bestimmten (von ihr ausgewählten) Institut, sondern bei der Veterinärmedizinischen Universität, deren Rektor die Entscheidung obliegt, wem er die Erstattung des Gutachtens überläßt.

Im Hinblick darauf, daß das Gesetz keine näheren Determinanten dafür enthält, wie die von der Verordnung zu erfassenden Hunderassen (bzw. Kreuzungen mit diesen Rassen) zu bestimmen sind, kommt der präzisen Einhaltung des gesetzlich vorgesehenen Verfahrens - also dem Einholen eines bestimmten Gutachtens - ganz besondere Bedeutung zu; die Mißachtung der entsprechenden gesetzlichen Vorschrift stellt eine Verfahrensverletzung dar, die die Verordnung gesetzwidrig macht (vgl. z.B. VfSlg. 11990/1989; zum Grundgedanken s. z.B. auch VfSlg. 12308/1990). Wenngleich auf das der Verordnungserlassung vorangehende Verfahren nicht das AVG anzuwenden und das Gutachten nicht ein solches nach § 52 AVG ist, so ist doch auch hier von einer fachkundigen Person - wissenschaftlich belegt und begründet - ein fundierter Befund zu erheben und darauf aufbauend ein Gutachten zu erstellen, aus dem sich schlüssig ergibt, welche Hunderassen als (besonders) gefährlich i.S. des § 6b Abs 2 des Stmk. Tierschutz- und TierhalteG einzustufen sind.

Dem vorgelegten Verordnungsakt zufolge kommt als einzige Unterlage, die überhaupt als solches Gutachten angesehen werden könnte, die "Stellungnahme" vom (s.o. II.2.b.bb) in Betracht. Aber auch dieses Schreiben erfüllt die oben geschilderten Voraussetzungen nicht:

Die Steiermärkische Landesregierung hat im Schreiben vom zwar auf die gesetzlichen Grundlagen hingewiesen. Sie hat sich aber nicht an die Veterinärmedizinische Universität gewendet, sondern bloß an ein Institut; dieses hat sie nicht um Erstattung eines Gutachtens ersucht, sondern (neben zahlreichen anderen Stellen) um die Abgabe einer Stellungnahme zu dem bereits ausgearbeiteten Verordnungsentwurf. Der Verfasser der Stellungnahme meint selbst, daß diese kein Gutachten i.S. des wiederholt zitierten Gesetzes sei (s. insbesondere die Überschrift "Stellungnahme" und den letzten Satz im Schreiben vom : "Ich ersuche Sie, meine Bemerkungen als konstruktive Kritik aufzufassen ...").

Das eben erwähnte Schreiben stellt in Frage, ob es überhaupt

möglich und sinnhaft ist, eine Verordnung der vorgesehenen Art zu

erlassen ("... Es muß aber darauf hingewiesen werden, daß meines

Wissens keine wissenschaftlich fundierten Untersuchungen

vorliegen, die die besondere Gefährlichkeit der unter lita)

genannten Rassen unterstreichen. ... Die Aggressivität eines

Hundes ist jedoch nicht nur durch seine genetische Veranlagung begründet, sondern wird auch durch entsprechende, bei Kampfhunden übliche, Abrichteverfahren verursacht.").

Es ist daher sowohl aufgrund des eben geschilderten Inhalts der Stellungnahme als auch im Hinblick auf ihre zuvor dargestellte Entstehungsgeschichte ausgeschlossen, sie als Gutachten i.S. des § 6b Abs 2 Stmk. Tierschutz- und TierhalteG zu werten.

b) Der Verfassungsgerichtshof zweifelt nicht an der Verfassungsmäßigkeit des vom § 6b des Stmk. Tierschutz- und Tierhaltegesetzes angestrebten, im achten Absatz von Pkt. 2 der Äußerung der Stmk. Landesregierung (s.o. III.2) dargestellten Zieles. Der Umstand, daß das Anliegen des Gesetzes berechtigt ist, erlaubt aber nicht die Verletzung von Normen, die das Verfahren bei Erlassung der (zur Vollziehbarkeit des Gesetzes unumgänglichen) Verordnung regeln.

Wenn das Gesetz zwingend gebietet, daß vor Verordnungserlassung "jedenfalls ein Gutachten der Veterinärmedizinischen Universität" einzuholen ist, kann ein solches Gutachten nicht durch Stellungnahmen anderer (gleichfalls sachkundiger) Stellen ersetzt werden; derartige andere Äußerungen können nur zum gesetzlich vorgeschriebenen Gutachten hinzutreten.

Der von der Stmk. Landesregierung vorgebrachte Einwand, es sei ohnehin ein dem § 6b Abs 2 letzter Satz leg. cit. entsprechendes Gutachten eingeholt worden, ist bereits durch die Ausführungen in der vorstehenden lita widerlegt.

c) Die im Einleitungsbeschluß dargestellten Bedenken treffen also zu.

Die in Prüfung gezogene Wendung der Verordnung über gefährliche Hunde ist sohin gesetzwidrig.

3. Da nicht bloß die präjudizielle Wendung, sondern in gleicher Weise die übrigen Verordnungsbestimmungen dem Art 18 Abs 1 und 2 B-VG widersprechen, war gemäß Art 139 Abs 3 lita B-VG die ganze Verordnung als gesetzwidrig aufzuheben (vgl. z.B. ).

V. Die übrigen Aussprüche gründen sich auf Art 139 Abs 5 B-VG.

VI. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung getroffen werden.