VfGH vom 09.03.2005, V77/04
Sammlungsnummer
17499
Leitsatz
Keine finanzausgleichsrechtliche Ermächtigung der Gemeinde zur Besteuerung von Sportwetten in dem freien Beschlussrecht der Gemeinden unterliegenden Vergnügungssteuerverordnungen; Abgaben auf Wetten anlässlich sportlicher Veranstaltungen vom Finanzausgleichsgesetzgeber abschließend dem Typus der Zuschlagsabgabe zugeordnet; keine Ermächtigung der Gemeinden zur Besteuerung von Steuergegenständen außerhalb der Zuschlagsabgabe
Spruch
§ 2 Abs 1 litd der Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde St. Veit an der Glan vom , mit der Vergnügungssteuern ausgeschrieben werden, wird als gesetzwidrig aufgehoben.
Die als gesetzwidrig erkannte Bestimmung ist nicht mehr anzuwenden.
Die Kärntner Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Landesgesetzblatt verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zu Zl. B1613/03 ein Verfahren über eine Beschwerde gemäß Art 144 B-VG gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom , Zl. 3-SV 60-82/1-2003, anhängig, mit dem die Vorstellung der Beschwerdeführer gegen die Vorschreibung von Vergnügungssteuer für den Zeitraum Februar 2001 bis Dezember 2001 für die gewerbsmäßige Vermittlung sowie den gewerbsmäßigen Abschluss von Wetten aus Anlass sportlicher Veranstaltungen als unbegründet abgewiesen wurde.
2. Der Verfassungsgerichtshof hat anlässlich dieser Beschwerde beschlossen, gemäß Art 139 Abs 1 B-VG die Gesetzmäßigkeit des § 2 Abs 1 litd der Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde St. Veit an der Glan vom , mit der Vergnügungssteuern ausgeschrieben werden (künftig: VergnügungssteuerVO St. Veit/Glan), von Amts wegen zu prüfen.
3. Die Kärntner Landesregierung hat im Verordnungsprüfungsverfahren von einer meritorischen Äußerung förmlich Abstand genommen. Der Gemeinderat der Gemeinde St. Veit an der Glan hat auf die Erstattung einer Äußerung formlos verzichtet.
4. Zur Rechtslage:
4.1. Die im gegebenen Zusammenhang relevanten Vorschriften des Kärntner Vergnügungssteuergesetzes 1982, LGBl. 63, idF LGBl. 80/2001, haben folgenden Wortlaut:
"§1
Allgemeines
(1) Die Bestimmungen dieses Gesetzes gelten für Gemeinden, die mit Verordnung des Gemeinderates Vergnügungssteuern auf Grund bundesgesetzlicher Ermächtigung in Hundertsätzen des Eintrittsgeldes (§5 Abs 1 und 2) ausschreiben.
(2) Die Gemeinden, die eine Verordnung nach Abs 1 erlassen, werden ermächtigt, von den weitergehenden Ermächtigungen dieses Gesetzes Gebrauch zu machen.
(3) Die Ausschreibung und die Verwaltung der Vergnügungssteuern fallen in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde.
§2
Steuergegenstand
(1) Der Vergnügungssteuer unterliegen Veranstaltungen, für die das Kärntner Veranstaltungsgesetz 1997, LGBl. Nr. 95, in seiner jeweiligen Fassung gilt, und Filmvorführungen, die auf Grund des Kinogesetzes 1962, LGBl. Nr. 2/1963, in seiner jeweiligen Fassung einer Berechtigung bedürfen.
(2) Der öffentliche Empfang von Rundfunk- und Fernsehübertragungen und Veranstaltungen von Glücksspielen unterliegen der Vergnügungssteuer.
(3) ...
(4) Der Gemeinderat kann in der Verordnung, mit der die Vergnügungssteuern ausgeschrieben werden, bestimmte Veranstaltungen ausnehmen oder Veranstaltungen einbeziehen, die vom Veranstaltungsgesetz 1997 ausgenommen sind. Dies gilt sinngemäß auch für Filmvorführungen, die einer Berechtigung nach dem Kinogesetz 1962 bedürfen oder davon ausgenommen sind.
(5) Veranstaltungen von Theatern, die aus Mitteln des Bundes, eines Landes oder einer Gemeinde regelmäßige Zuschüsse erhalten, unterliegen der Vergnügungssteuer nicht.
...
§5
Ausmaß
(1) In der Verordnung über die Ausschreibung der Vergnügungssteuern auf Grund bundesgesetzlicher Ermächtigung ist ihr Ausmaß in Hundertsätzen des Eintrittsgeldes bis zum Höchstausmaß von 25 v. H. - bei Filmvorführungen bis zum Höchstausmaß von 10 v. H. - festzusetzen. ...
(2) Werden Eintrittskarten nicht ausgegeben, so gilt das für die Teilnahme an der Veranstaltung entrichtete Entgelt als Eintrittsgeld.
..."
4.2. § 1 des Kärntner Veranstaltungsgesetzes 1997, LGBl. 95, idF LGBl. 67/1998, lautet auszugsweise:
"Anwendungsbereich
(1) Dieses Gesetz gilt für alle öffentlichen Theatervorstellungen, Schaustellungen, Darbietungen und Belustigungen (Veranstaltungen), sofern sie nicht ausdrücklich ausgenommen sind (Abs3).
(2) ...
(3) Dieses Gesetz gilt nicht für
a) Veranstaltungen, die in die ausschließliche Zuständigkeit des Bundes zur Gesetzgebung fallen, wie etwa ... Veranstaltungen, die dem Glücksspielmonopol des Bundes unterliegen, ...
b) ...
c) ...
d) Filmvorführungen, die der Bewilligungspflicht nach dem Kinogesetz unterliegen, die Erteilung von Tanzunterricht nach dem Tanzunterrichtsgesetz 1992, die gewerbsmäßige Vermittlung und den gewerbsmäßigen Abschluß von Wetten aus Anlaß sportlicher Veranstaltungen (Totalisateur- und Buchmacherwettengesetz);
..."
4.3. Gemäß § 2 Abs 1 der VergnügungssteuerVO St. Veit/Glan unterliegen der Vergnügungssteuer (die in Prüfung gezogene Vorschrift ist hervorgehoben):
"a) alle Veranstaltungen, für die das Kärntner Veranstaltungsgesetz, i.d.g.F. LGBl. Nr. 69/1997 gilt,
b) Filmvorführungen, die auf Grund des Kinogesetzes 1962, LGBl. Nr. 2/1963, zuletzt geändert durch LGBl. Nr. 69/1993, einer Berechtigung bedürfen, sowie Filmvorführungen, die ohne Erwerbsabsicht von Unternehmungen überwiegend zu Reklamezwecken für ihre Erzeugnisse oder zur Fremdenverkehrswerbung veranstaltet werden,
c) die Veranstaltung von Glücksspielen und anderen gesetzlich erlaubten Spielen,
d) die gewerbsmäßige Vermittlung sowie der gewerbsmäßige Abschluß von Wetten aus Anlaß sportlicher Veranstaltungen (§1 Abs 1 des Gesetzes vom , StGBl. Nr. 388, i.d.g.F.),
e) Veranstaltungen, die ausschließlich auf Straßen oder Plätzen mit öffentlichem Verkehr abgehalten werden und die nach straßenpolizeilichen Bestimmungen anzeigepflichtig oder bewilligungspflichtig sind,"
4.4. Mit Wirkung vom wurde die VergnügungssteuerVO St. Veit/Glan von der Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde St. Veit an der Glan vom , mit der Vergnügungssteuern ausgeschrieben werden, abgelöst.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
1. Es haben sich keine Anhaltspunkte ergeben, die gegen die vorläufige Annahme des Verfassungsgerichtshofes über die Zulässigkeit der Beschwerde und die Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Verordnungsbestimmung sprechen würden. Das Verordnungsprüfungsverfahren ist daher zulässig.
2. Die in Prüfung gezogene Verordnungsbestimmung entspricht ihrem Inhalt nach § 2 Abs 1 litd der Verordnung des Gemeinderates der Stadt Villach vom , mit der Vergnügungssteuern ausgeschrieben werden, und deren Nachfolgeregelungen. Zu diesen Bestimmungen hat der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom (B1239/02, ON 6) und vom (B1200/03, ON 6) von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung ihrer Gesetzmäßigkeit eingeleitet und mit Erkenntnis vom in den gemäß § 35 Abs 1 VfGG iVm § 187 ZPO zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Verfahren Zl. V4,5/04 u.a. ausgesprochen, dass diese Verordnungsbestimmungen als gesetzwidrig aufgehoben werden. Er hat dabei im Hinblick auf die maßgeblichen Regelungen des FAG 1997 bzw. 2001, wonach es sich bei den Gebühren auf Sportwetten um Zuschlagsabgaben handelt (vgl. § 12 FAG 1997 bzw. § 14 FAG 2001), die Auffassung vertreten, dass den Gemeinden nicht unabhängig davon im Rahmen der allgemein gehaltenen Ermächtigung zur Erhebung von Lustbarkeitsabgaben noch einmal die implizite Ermächtigung zur Besteuerung von Sportwetten erteilt worden sei. Dasselbe trifft auf die nunmehr in Prüfung gezogene Verordnungsbestimmung zu; in der Sache genügt es daher, auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses zu verweisen.
Die in Prüfung gezogene Bestimmung erweist sich daher als gesetzwidrig.
Da sie mit einem auf die Vergangenheit beschränkten zeitlichen Anwendungsbereich (weiterhin) in Geltung steht, war im Sinn der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu Abgabengesetzen mit beschränktem zeitlichen Anwendungsbereich (siehe z. B. VfSlg. 8709/1979, S 417; 12.930/1991, S 683; 13.153/1992, S 48; 13.881/1994, S 215) mit einer Aufhebung nach Abs 3 des Art 139 B-VG und nicht mit einem Ausspruch nach Abs 4 der eben genannten Verfassungsbestimmung vorzugehen.
3. Der Ausspruch, dass die als gesetzwidrig erkannte Bestimmung nicht mehr anzuwenden ist, stützt sich auf Art 139 Abs 6
4. Die Kundmachungsverpflichtung gründet sich auf Art 139 Abs 5 B-VG.
5. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung getroffen werden.