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VfGH vom 10.12.1993, V75/92

VfGH vom 10.12.1993, V75/92

Sammlungsnummer

13635

Leitsatz

Zulässigkeit der Individualanträge von Waschmittelherstellern auf Aufhebung von Bestimmungen des ChemikalienG betreffend den sachlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes und die dort normierte Werbebeschränkung für gefährliche Stoffe oder Zubereitungen sowie von Bestimmungen der ChemikalienV hinsichtlich der Verpflichtung zur Selbsteinstufung von Zubereitungen; Zulässigkeit auch der diesbezüglichen Individualanträge der verwaltungsstrafrechtlich verantwortlichen Vertreter dieser Gesellschaften; Unzulässigkeit des Individualantrags auf Aufhebung gesetzlicher Verordnungsermächtigungen sowie eines als Verwaltungsverordnung zu qualifizierenden Durchführungserlasses; keine Gleichheitswidrigkeit der Einbeziehung von Waschmitteln in den Geltungsbereich des ChemikalienG angesichts der mit diesem Gesetz - anders als mit dem Lebensmittel- oder dem WaschmittelG - verfolgten Schutzzwecke; keine Verletzung der Erwerbsausübungsfreiheit, des Eigentumsrechts und der Meinungsäußerungsfreiheit durch die dem Schutz der Gesundheit dienende Werbebeschränkung; kein Verstoß der Verordnungsermächtigung des ChemikalienG zur näheren Bestimmung der Vorgangsweise bei der im Wege der Selbstkontrolle vorzunehmenden Einstufung eines Stoffes oder einer Zubereitung in eine bestimmte Gefahrenkategorie gegen das Determinierungsgebot; Subsidiarität der Berücksichtigung der Ergebnisse von Tierversuchen oder Versuchen am Menschen; keine Gesetzwidrigkeit der Bestimmungen der ChemikalienV über die Einstufung von gefährlichen Zubereitungen; kein Verfahrensmangel bei Erlassung der ChemikalienG-Novelle 1992 infolge vorheriger Anhörung der Chemikalienkommission

Spruch

I. 1. Die Anträge des Erst- und des Viertantragstellers zu G167/92, die §§3 und 21 Abs 2 Chemikaliengesetz, BGBl. Nr. 326/1987 idF BGBl. Nr. 300/1989 und BGBl. Nr. 325/1990, als verfassungswidrig aufzuheben, werden abgewiesen.

2. Die zu V75/92 gestellten Anträge, die Abs 2 erster und zweiter Satz, Abs 2a und Abs 7 zweiter Satz des § 7 der Chemikalienverordnung, BGBl. Nr. 208/1989 idF der Verordnung BGBl. Nr. 274/1992, ferner die zu V76/92 und zu V77/92 sowie die zu V78/92 vom Erst- und Viertantragsteller gestellten Anträge, die §§4 Abs 1, 7 Abs 2a, 7 Abs 5 und 7 Abs 7 der Chemikalienverordnung, BGBl. Nr. 208/1989 idF der Verordnung BGBl. Nr. 274/1992, die zu V76/92 und zu V78/92 vom Erst- und Viertantragsteller gestellten Anträge, § 7 Abs 2 der Chemikalienverordnung, BGBl. Nr. 208/1989 idF der Verordnung BGBl. Nr. 274/1992, zur Gänze, der zu V77/92 gestellte Antrag, die Wortfolge "- ausgenommen die Ergebnisse gemäß Abs 2a nicht erforderlicher Tierversuche -" in § 7 Abs 2 der Chemikalienverordnung, BGBl. Nr. 208/1989 idF der Verordnung BGBl. Nr. 274/1992, die zu V76/92 und V77/92 gestellten Anträge, § 7 Abs 8 der Chemikalienverordnung, BGBl. Nr. 208/1989 idF der Verordnung BGBl. Nr. 274/1992, sowie die zu V78/92 vom Erst- und Viertantragsteller gestellten Anträge, § 6 Abs 1 der ChemG-Anmeldungs- und Prüfnachweiseverordnung, BGBl. Nr. 40/1989, als gesetzwidrig aufzuheben, werden abgewiesen.

II. Im übrigen werden die Anträge zurückgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.1. In dem zu V75/92 protokollierten Verfahren beantragen die antragstellende Gesellschaft und deren Geschäftsführer, § 7 Abs 2 erster und zweiter Satz, 7 Abs 2a und 7 Abs 7 zweiter Satz der Chemikalienverordnung, BGBl. 208/1989 idF BGBl. 274/1992, (im folgenden: ChemV), als gesetzwidrig aufzuheben.

1.2. In dem zu V76/92 protokollierten Verfahren beantragen die antragstellende Gesellschaft und deren Geschäftsführer, die ChemV zur Gänze, in eventu deren §§4 Abs 1, 7 Abs 2, 7 Abs 2a, 7 Abs 5, 7 Abs 7 und 7 Abs 8, in eventu deren § 7 Abs 2 zweiter Satz, 7 Abs 2a, 7 Abs 5 und 7 Abs 7 zweiter Satz, als gesetzwidrig aufzuheben.

1.3. In dem zu V77/92 protokollierten Verfahren beantragen die antragstellende Gesellschaft und der handelsrechtliche Geschäftsführer dieser Gesellschaft, "folgende Bestimmungen der Chemikalienverordnung BGBl 208/1989 als gesetzwidrig aufzuheben":

§§4 Abs 1, 7 Abs 1, 7 Abs 2a, 7 Abs 5, 7 Abs 7 (in eventu den zweiten Satz dieses Absatzes) und § 7 Abs 8 sowie die Wortfolge "- ausgenommen die Ergebnisse gemäß Abs 2 a nicht erforderlicher Tierversuche -" in § 7 Abs 2.

1.4. In dem zu G167/92 und V78/92 protokollierten Verfahren beantragen die antragstellende Gesellschaft, einer ihrer Geschäftsführer, ihr gewerberechtlicher Geschäftsführer sowie ein "Angestellter" der Gesellschaft, die §§2 Abs 5, 3 (in eventu nur dessen Abs 2), 6 Abs 5, 7 Abs 4, 10 Abs 8, 17 Abs 1, 17 Abs 2 sowie 21 Chemikaliengesetz, BGBl. 326/1987, idF BGBl. 300/1989 und BGBl. 325/1990, als verfassungswidrig aufzuheben sowie die ChemV zur Gänze, in eventu deren §§4 Abs 1, 7 Abs 2, 7 Abs 2a, 7 Abs 5 und 7 Abs 7 sowie deren Anhänge A und B, die Bestimmungen des ArtI Z 2, 3 und 5 der ChemV-Novelle 1992, BGBl. 274/1992, die ChemG-Anmeldungs- und Prüfnachweiseverordnung, BGBl. 40/1989, (im folgenden: AnmV), zur Gänze, in eventu deren § 6 Abs 1, und "den 5. Durchführungserlaß des Bundesministeriums für Umwelt, Jugend und Familie, Sektion II", vom , Z 03 3671/2-II/4/92, (im folgenden: 5. Durchführungserlaß), als gesetzwidrig aufzuheben sowie "auszusprechen, daß die Bestimmungen des § 7 Abs 2 und Abs 7 der Chemikalienverordnung, BGBl. 208/1989, in der Fassung, wie sie bis zum in Geltung standen, gesetzwidrig waren".

1.5. Die maßgeblichen Bestimmungen des Chemikaliengesetzes, BGBl. 326/1987 in der zum Zeitpunkt der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes maßgeblichen Fassung BGBl. 759/1992, (im folgenden: ChemG), lauten:

"§2

...

(5) Als 'gefährliche Stoffe' oder 'gefährliche Zubereitungen' im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten Stoffe oder Zubereitungen, die mindestens eine der in den Z 1 bis 15 bezeichneten gefährlichen Eigenschaften aufweisen. Sie gelten als

...

10. 'reizend',

wenn sie - ohne ätzend zu sein - durch unmittelbaren, längeren oder wiederholten Kontakt mit der Haut oder den Schleimhäuten Entzündungen hervorrufen können;

...

Der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie hat nach Anhörung der Chemikalienkommission durch Verordnung die in den Z 1 bis 15 bezeichneten Eigenschaften nach Maßgabe des Standes der wissenschaftlichen Erkenntnisse über diese Eigenschaften näher zu bestimmen, sofern dies zum Schutz des Lebens oder der Gesundheit von Menschen oder der Umwelt erforderlich ist. In dieser Verordnung kann auch festgelegt werden, daß Stoffe oder Zubereitungen mit schädlichen Wirkungen, die durch Prüfnachweise gemäß den §§7 oder 10 erfaßt werden, wie Überempfindlichkeitsreaktionen auslösende oder fruchtbarkeitsverändernde Eigenschaften, auch als gefährlich im Sinne der in den Z 6 bis 15 bezeichneten Eigenschaften gelten. Bei der Zuordnung der schädlichen Wirkungen zu einer oder mehreren dieser gefährlichen Eigenschaften ist insbesondere auf vergleichbare Regelungen anderer Staaten, internationaler Organisationen oder Staatengemeinschaften Bedacht zu nehmen.

§3

(1) Soweit dieses Bundesgesetz brandverhütende Maßnahmen und Maßnahmen zum Schutz der Umwelt, die Prüfung der Brandgefährlichkeit oder Umweltgefährlichkeit oder die Bedachtnahme auf den Umweltschutz vorsieht, ist es nur auf Stoffe, Zubereitungen und Fertigwaren anzuwenden, die gewerblich hergestellt oder in Verkehr gesetzt werden.

(2) Dieses Bundesgesetz gilt nicht für

1. Stoffe, Zubereitungen und Fertigwaren, die unter zollamtlicher Überwachung ohne Unterbrechung durch das Bundesgebiet geführt werden;

2. die Beförderung gefährlicher Güter im Eisenbahn-, Luft-, Schiffs- und Straßenverkehr, einschließlich der innerbetrieblichen Beförderung, soweit diese durch die für den jeweiligen Verkehrsträger spezifischen Vorschriften geregelt ist;

3. das Aufsuchen, Gewinnen und Aufbereiten mineralischer Rohstoffe sowie für die Verwendung und Beseitigung gefährlicher Stoffe, gefährlicher Zubereitungen oder gefährlicher Fertigwaren, soweit diese Tätigkeiten durch bergrechtliche Vorschriften geregelt sind;

4. Abfälle und Altöle im Sinne des Abfallwirtschaftsgesetzes, BGBl. Nr. 325/1990;

5. Arzneimittel im Sinne des Arzneimittelgesetzes, BGBl. Nr. 185/1983;

6. Düngemittel, Bodenhilfsstoffe, Kultursubstrate und Planzenhilfsmittel gemäß §§1 und 2 des Düngemittelgesetzes, BGBl. Nr. 488/1985;

7. Lebensmittel, Verzehrprodukte, kosmetische Mittel und Zusatzstoffe im Sinne des Lebensmittelgesetzes 1975, BGBl. Nr. 86;

8. Suchtgifte im Sinne des § 1 des Suchtgiftgesetzes 1951, BGBl. Nr. 234;

9. Tabakerzeugnisse;

10. Wein und Obstwein sowie Weinbehandlungsmittel im Sinne des Weingesetzes 1985, BGBl. Nr. 444.

...

(6) Der III. Abschnitt gilt nicht für Vergaserkraftstoffe, Dieselkraftstoffe, Heizöle und Flüssiggase, sofern letztere zum Betrieb von Kraftfahrzeugen eingesetzt werden.

...

§6

...

(5) Der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie kann unter Bedachtnahme auf die Grundsätze der Zweckmäßigkeit, Raschheit und Einfachheit des Anmeldeverfahrens durch Verordnung nähere Bestimmungen über Inhalt, Umfang und Form der Anmeldungsunterlagen erlassen.

§7

...

(4) Der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie hat durch Verordnung unter Bedachtnahme auf den Schutz des Lebens und der Gesundheit von Menschen und der Umwelt sowie nach dem jeweiligen Stand von Wissenschaft und Technik Art und Umfang der Grundprüfung näher zu bestimmen.

...

§10

...

(8) Der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie hat durch Verordnung Art und Umfang der gemäß Abs 1 und 2 durchzuführenden Prüfungen sowie Inhalt und Form der Prüfnachweise näher zu bestimmen.

...

§ 17

(1) Der Hersteller oder Importeur hat einen Stoff oder eine Zubereitung nach den Eigenschaften gemäß § 2 Abs 5 einzustufen, wenn der Stoff oder die Zubereitung gemäß den Ergebnissen der auf Grund dieses Bundesgesetzes und seiner Verordnungen vorgeschriebenen Prüfungen, nach den wissenschaftlichen Erkenntnissen oder praktischen Erfahrungen oder auf Grund sonstiger Tatsachen und Umstände im Sinne des § 16 Abs 2 und 3 gefährlich ist.

(2) Der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie hat, soweit dies zum Schutz des Lebens und der Gesundheit von Menschen und zum Schutz der Umwelt erforderlich ist, nach Anhörung der Chemikalienkommission durch Verordnung nähere Vorschriften über die Einstufung im Sinne des Abs 1 zu erlassen. In dieser Verordnung können zusätzlich bestimmte Stoffe und Zubereitungen, deren Inverkehrsetzen eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen oder die Umwelt bedeutet, nach den Eigenschaften gemäß § 2 Abs 5 eingestuft und erforderlichenfalls Richtlinien vorgeschrieben werden, wie bestimmte Zubereitungen unter Berücksichtigung der Einstufung der in ihnen enthaltenen gefährlichen Stoffe einzustufen sind.

...

§21

(1) Werbung für gefährliche Stoffe, gefährliche Zubereitungen oder gefährliche Fertigwaren darf nicht in einer Art betrieben werden, die zu falschen Vorstellungen über deren Gefährlichkeit führen oder zu deren unsachgemäßen Verwendung verleiten kann.

(2) Texte und bildliche Darstellungen für Zwecke der Werbung haben deutlich lesbare, hörbare oder sichtbare Hinweise zu enthalten, daß Gefahrenhinweise und Sicherheitsratschläge zu beachten sind, die die Kennzeichnung enthält. Diese Hinweise haben in allgemein verständlicher Form, in audiovisuellen Medien überdies deutlich lesbar zu erfolgen.

(3) Abs 2 gilt nicht für Werbung, die ausschließlich für Gewerbetreibende bestimmt ist.

...

§55

Wer

...

13. als Hersteller oder Importeur die Einstufung gefährlicher Stoffe oder gefährlicher Zubereitungen unterläßt oder entgegen § 17 Abs 1 oder einer gemäß § 17 Abs 2 erlassenen Verordnung vornimmt,

...

15. gefährliche Stoffe oder gefährliche Zubereitungen in Verkehr setzt, deren Kennzeichnung den Anforderungen gemäß § 18 Abs 1 bis 5 oder einer gemäß § 18 Abs 6 erlassenen Verordnung nicht entspricht,

...

18. Werbung betreibt, die nicht dem § 21 entspricht,

...

macht sich, wenn die Tat nicht mit gerichtlicher Strafe bedroht ist, einer Verwaltungsübertretung schuldig und ist mit Geldstrafe bis zu 200 000 S, im Wiederholungsfall bis zu 400 000 S zu bestrafen. Der Versuch ist strafbar."

Die maßgeblichen Bestimmungen der ChemV lauten:

"§4

(1) Die Einstufung gefährlicher Zubereitungen nach den gefährlichen Eigenschaften des § 2 Abs 5 ChemG hat unter Berücksichtigung der Grundsätze des § 7 Abs 2 zu erfolgen:

1. nach den in der Stoffliste (Anhang A) oder der Giftliste angegebenen Konzentrationsgrenzen für die Einstufung gefährlicher Zubereitungen, oder

2. für Zubereitungen, die nicht nach Z 1 eingestuft werden können, nach der Allgemeinen Einstufungsrichtlinie (Anhang B).

...

§7

...

(2) Soweit sich eine Einstufung nicht bereits aus den Angaben in der Stoffliste (Anhang A) oder der Giftliste ergibt, sind als Grundlagen heranzuziehen:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
1.
physikalisch-chemische Daten,
2.
Ergebnisse geeigneter toxikologischer oder
ökotoxikologischer Untersuchungen an biologischen Prüfsystemen,
3. das in der Allgemeinen Einstufungsrichtlinie (Anhang B), Punkt 3, angeführte Berechnungsverfahren unter Verwendung von Konzentrationsgrenzen.

Dabei sind Zubereitungen vorrangig nach den Ergebnissen der durchgeführten Prüfungen dieser Zubereitungen - ausgenommen die Ergebnisse gemäß Abs 2 a nicht erforderlicher Tierversuche - einzustufen; wenn Prüfungen nicht verfügbar sind, sind Zubereitungen nach dem unter Z 3 genannten Berechnungsverfahren einzustufen. Für Zubereitungen, die Stoffe mit krebserzeugenden, erbgutverändernden oder fruchtschädigenden Eigenschaften enthalten, ist jedoch grundsätzlich das unter Z 3 genannte Berechnungsverfahren anzuwenden; liegen Untersuchungsergebnisse gemäß Z 2 vor, die auf eine höhere Gefährlichkeit hinweisen, sind diese der Einstufung zugrundezulegen.

(2a) Zur Einstufung einer Zubereitung ist deren Prüfung im Tierversuch (§3 Tierversuchsgesetz 1988, BGBl. Nr. 501/1989) nicht erforderlich, sofern nicht der begründete Verdacht einer größeren Gefährlichkeit der Zubereitung besteht, als sich aus der Anwendung des Berechnungsverfahrens gemäß Anhang B, Punkt 3, ergibt. Soweit Tierversuche auf Grund anderer Rechtsvorschriften erforderlich sind, bleiben diese unberührt.

...

(5) Die Einstufung gemäß Abs 2 Z 1 und 2 ist auf Grund der Ergebnisse von Prüfungen durchzuführen, die den Anforderungen der Anmeldungs- und Prüfnachweiseverordnung, BGBl. Nr. 40/1989, in der jeweils geltenden Fassung entsprechen. Zur Einstufung gefährlicher Stoffe, die nicht der Anmeldepflicht des § 4 ChemG unterliegen, können unter anderem die Ergebnisse vorliegender Prüfungen, zB für die Genehmigung von Pflanzenschutzmitteln oder Informationen, die für die Beförderung gefährlicher Güter erforderlich sind, sowie Informationen aus der wissenschaftlichen Literatur oder auf Grund praktischer Erfahrungen herangezogen werden. Die Kriterien der Allgemeinen Einstufungsrichtlinie (Anhang B) sind unmittelbar anwendbar, wenn die Daten an Hand von Prüfungen gewonnen wurden, die den Anforderungen der Anmeldungs- und Prüfnachweiseverordnung entsprechen. Wurden die Daten nicht auf Grund der dort angeführten Prüfungen und Prüfmethoden ermittelt, sind sie durch einen Vergleich der angewandten Prüfmethoden mit jenen der Anmeldungs- und Prüfnachweiseverordnung und den Kriterien der Allgemeinen Einstufungsrichtlinie (Anhang B) zu bewerten, um eine geeignete Einstufung vornehmen zu können.

...

(7) Wird die Einstufung auf Grund der Ergebnisse aus toxikologischen Untersuchungen an biologischen Prüfsystemen vorgenommen, so sind in erster Linie die Ergebnisse solcher Versuche oder epidemiologischer Untersuchungen zu verwenden, die die Gefährung des Menschen in möglichst umfassender Weise widerspiegeln. Am Menschen dürfen Versuche nicht vorgenommen werden; allenfalls vorliegende Ergebnisse derartiger Versuche dürfen nicht herangezogen werden, um den Nachweis der Ungefährlichkeit oder einer geringeren Gefährlichkeit zu führen, als sich aus den nach dieser Verordnung vorgesehenen Einstufungsverfahren ergibt.

(8) Liegen für die Einstufung von gefährlichen Stoffen und gefährlichen Zubereitungen im Sinne des § 2 Abs 5 ChemG ausreichende Erfahrungen aus der Praxis vor, daß die schädlichen Wirkungen der Stoffe und Zubereitungen auf den Menschen größer sind als jene, die sich aus den Ergebnissen toxikologischer Untersuchungen an biologischen Prüfsystemen oder aus den Prüfungen der physikalisch-chemischen Eigenschaften ergeben, so sind diese Stoffe und Zubereitungen jedenfalls entsprechend ihrer Gefährlichkeit für den Menschen einzustufen.

..."

§ 6 Abs 1 und 2 AnmV lauten:

"Prüfmethoden

(1) Die für die Vorlage der Prüfnachweise nach §§4 und 5 notwendigen Prüfungen sind nach international anerkannten Prüfrichtlinien unter Einhaltung der in der Chemikalien-Prüfstellenverordnung, BGBl. Nr. 41/1989, wiedergegebenen OECD-Grundsätze der Guten Laborpraxis durchzuführen. Vorrangig sind die OECD-Guidelines for Testing of Chemicals heranzuziehen. Die Wahl einer von den OECD-Prüfrichtlinien abweichenden Methode ist zu begründen. Der Anmeldepflichtige hat vollständige Angaben über die verwendeten Methoden zu machen.

(2) Bei gleichwertigen Methoden ist jeweils diejenige anzuwenden, die einen Verzicht auf Tierversuche zuläßt, oder, falls dies nicht möglich ist, die die geringste Anzahl von Versuchstieren erfordert oder bei der die geringste Belastung für das Versuchstier auftritt."

2. Zur Antragslegitimation bringen die Antragsteller folgendes vor:

2.1. Die antragstellende Gesellschaft im Verfahren zu V75/92 bringt nach eigener Darstellung Waschmittel in Verkehr, welche auf Grund der nach der ChemV vorgeschriebenen "Rechenmethode" als "reizend" einzustufen und entsprechend zu kennzeichnen wären. Diese Kennzeichnungspflicht greife "unmittelbar und aktuell" in ihre Rechtssphäre ein, ohne daß es hiefür einer behördlichen Entscheidung bedürfe. Der Zweitantragsteller habe als Geschäftsführer "mit der Verhängung empfindlicher Verwaltungsstrafen" zu rechnen, sofern die Gesellschaft dieser Verpflichtung nicht nachkomme. Ein anderer zumutbarer Weg zur Bekämpfung der angefochtenen Bestimmungen stehe nicht zur Verfügung.

2.2. Im Verfahren V76/92 bringen die Antragsteller vor, daß die "Einstufung gefährlicher Zubereitungen ... in Eigenverantwortung vorzunehmen" sei. Mit der Einstufung seien Kennzeichnungspflichten und Werbebeschränkungen gemäß §§18 und 21 ChemG verbunden, die ihrerseits wiederum mit Strafsanktionen verknüpft seien. Ein anderer zumutbarer Weg zur Bekämpfung der angefochtenen Bestimmungen stehe nicht zur Verfügung.

2.3. Im Verfahren V77/92 bringen die Antragsteller vor, daß die antragstellende Gesellschaft sowohl Hersteller als auch Importeur von Waschmitteln, somit direkter Normadressat der Bestimmungen der ChemV sei. Der Zweitantragsteller und der Drittantragsteller seien als handelsrechtliche Geschäftsführer der Erstantragstellerin gemäß § 9 Abs 1 VStG als zur Vertretung nach außen Berufene für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch die erstantragstellende Gesellschaft grundsätzlich verantwortlich. Die Antragsteller seien somit durch die angefochtenen Bestimmungen in ihrer Rechtssphäre direkt betroffen, ein anderer zumutbarer Weg zur Bekämpfung der angefochtenen Bestimmungen stehe nicht zur Verfügung.

2.4. In den Verfahren zu G167/92 und zu V78/92 begründet die antragstellende Gesellschaft ihre Antragslegitimation mit der durch das ChemG und die ChemV auferlegten Rechtspflicht, die von ihr vertriebenen Waschmittel als reizend im Sinne des ChemG einzustufen und entsprechend zu kennzeichnen sowie mit der aus dieser Kennzeichnungspflicht resultierenden Konsequenz der Werbebeschränkungen gemäß § 21 ChemG. Der Zweitantragsteller als Geschäftsführer, der Drittantragsteller als gewerberechtlicher Geschäftsführer und der Viertantragsteller als Angestellter der antragstellenden Gesellschaft müßten im Falle eines Zuwiderhandelns gegen Bestimmungen des ChemG und der ChemV mit der Verhängung von Geld- und Ersatzfreiheitsstrafen rechnen. Ein anderer zumutbarer Weg zur Bekämpfung der angefochtenen Bestimmungen stehe nicht zur Verfügung.

3. Die Antragsteller begründen ihre Anträge im einzelnen wie folgt:

3.1. Die Antragsteller zu V75/92 erachten die angefochtenen Bestimmungen der ChemV als gesetzwidrig, da sie "nach ihrem Wortlaut für die Einstufung das Heranziehen sowohl vorliegender Ergebnisse aus Tierversuchen als auch von Ergebnissen der sogenannten 'human experiences' (ausschließen)" und daher mit § 17 Abs 1 und 2 ChemG nicht zu vereinbaren seien: Demnach sei die Einstufung von dem ChemG unterliegenden Produkten nach einer festgelegten Reihenfolge vorzunehmen. Gemäß § 17 Abs 2 ChemG dürfe der Verordnungsgeber nähere Vorschriften über die Einstufung im Sinne des § 17 Abs 1 ChemG nur erlassen, soweit dies zum Schutz des Lebens und der Gesundheit von Menschen und zum Schutz der Umwelt erforderlich sei und "erforderlichenfalls" Richtlinien darüber vorschreiben, "wie bestimmte Zubereitungen unter Berücksichtigung der Einstufung der in ihnen enthaltenen gefährlichen Stoffe einzustufen" seien.

Für die Einstufung gefährlicher Stoffe und Zubereitungen sollten demnach primär die Ergebnisse allenfalls vorgeschriebener Prüfungen, sekundär wissenschaftliche Erkenntnisse oder praktische Erfahrungen und erst subsidiär und "erforderlichenfalls" das "globale, theoretische und vom Gesetzgeber quasi als Notnetz gedachte, erst vom Verordnungsgeber eingeführte" Rechenverfahren nach der Allgemeinen Einstufungsrichtlinie in Anhang B zur ChemV maßgebend sein.

Die angefochtene Regelung stellt nach Ansicht der Antragsteller "die Gesetzessituation geradezu auf den Kopf, schließt wissenschaftliche Erkenntnisse und vor allem praktische Erfahrungen ... von vornherein völlig aus und macht damit die Ausnahme zur Regel, wobei die gesetzliche Regel überhaupt für unanwendbar erklärt wird. Die Worte 'erforderlichenfalls' und 'bestimmte Zubereitungen', wie sie der Gesetzgeber verwendet, werden vom Verordnungsgeber glatt negiert; der Verordnungsgeber läßt für sämtliche Zubereitungen nur noch das 'Rechenverfahren' zu." Diese Verordnungsregelung stehe daher in einem unauflösbaren Widerspruch zu § 17 Abs 1 und Abs 2 ChemG.

3.2. Die Antragsteller zu V76/92 erachten die ChemV aus folgenden Gründen als gesetzwidrig:

3.2.1. Gemäß § 17 Abs 1 ChemG sei die erforderliche Einstufung vorrangig nach den Ergebnissen der vorgeschriebenen Prüfungen sowie nach wissenschaftlichen Erkenntnissen und praktischen Erfahrungen und nur subsidiär durch rechnerische Einstufung etwa in der Form des Berechnungsverfahrens vorzunehmen. Die Bestimmungen der ChemV, mit denen dem Berechnungsverfahren gegenüber empirischen Erfahrungen der Vorzug gegeben werde, seien daher von der Verordnungsermächtigung des § 17 Abs 2 ChemG nicht gedeckt, die ChemV widerspreche somit Art 18 B-VG.

3.2.2. Für die Frage der Einstufung von Stoffen oder Zubereitungen sei neben der Rahmenbestimmung des § 17 ChemG auch die allgemeine Zielsetzung des ChemG zu beachten: Gemäß § 1 ChemG sei Ziel dieses Gesetzes der Schutz des Lebens und der Gesundheit des Menschen und der Umwelt vor unmittelbar oder mittelbar schädlichen Einwirkungen durch Herstellen und Inverkehrsetzen, Erwerb, Verwenden oder Beseitigung von Stoffen, Zubereitungen oder Fertigwaren. Nach diesen Zielsetzungen sei den zur Einstufung vorgeschriebenen Prüfungen, wissenschaftlichen Erkenntnissen oder praktischen Erfahrungen der Vorzug gegenüber Ergebnissen nach abstrakten Rechenmethoden zu geben. Die Einstufung von Stoffen und Zubereitungen als "reizend" gemäß § 2 Abs 5 Z 10 ChemG, "wenn sie - ohne ätzend zu sein - durch unmittelbaren, längeren oder wiederholten Kontakt mit der Haut oder den Schleimhäuten Entzündungen hervorrufen können", beziehe sich nicht auf die Stoffeigenschaft an sich, sondern auf die Folge des Einwirkens des Stoffes auf Mensch oder Umwelt. Auch daraus ergebe sich die Folgerung, daß zur Einstufung "einschlägigen empirischen Ergebnissen der Vorrang gegenüber rechnerischen Methoden einzuräumen" sei.

3.2.3. Die ChemV widerspreche im Hinblick auf ihre Unbestimmtheit, die fehlende Klarheit ihrer Textierung, den inkonsequenten Regelungszusammenhang und "die erkennbare Absicht, durch eine Maßnahmen- und Individualverordnung gesetzwidrige politische Ziele zu verfolgen", Inhalt und Zweck des ChemG.

3.2.4. Weder für die Einstufungsgrundlagen gemäß § 4 Abs 1 Z 1 ChemV (Stoffliste, Anhang A zur ChemV) noch für eine Einstufung nach der Allgemeinen Einstufungsrichtlinie gemäß § 4 Abs 1 Z 2 ChemV (Einstufung nach den gefährlichen Eigenschaften; Berechnungsverfahren; Anhang B zur ChemV) bestehe eine gesetzliche Deckung.

3.2.5. Die Einstufungsgrundlagen des § 7 Abs 2 ChemV ließen eine Wertung (Rangordnung) vermissen und seien nicht ausreichend konkretisiert; die Bestimmung des § 7 Abs 2 zweiter Satz ChemV, wonach Zubereitungen vorrangig nach den Ergebnissen der durchgeführten Prüfungen einzustufen seien, lasse die notwendige Klarheit vermissen.

3.2.6. Die in § 7 Abs 2 zweiter Satz ChemV genannten "Prüfungen" seien hinsichtlich ihrer Qualifikation nicht determiniert, auch fehle jeder konkrete Bezug auf die in § 7 Abs 1 ChemV dargestellten Einstufungsgrundlagen. In diesem Zusammenhang sei auch die Bestimmung des Begriffs "Prüfung" unklar und inkonsequent. Es werde keine Aussage darüber getroffen, ob und welche Bedeutung im Rahmen dieser "Prüfungen" sonstigen empirischen Beurteilungsergebnissen, wie praktischen Erfahrungen, wissenschaftlichen Erkenntnissen oder den im ChemG angesprochenen "vorliegenden Erfahrungen an Menschen", zukommt.

Als tauglicher Inhalt des Begriffs "Prüfungen" kämen allenfalls die Prüfmethoden des § 6 AnmV in Betracht. In dieser Bestimmung werde jedoch auf die "OECD Guidelines for Testing of Chemicals" verwiesen, die nicht dem österreichischen Rechtsbestand angehörten, da sie "weder als Gesetz noch als Verordnung kundgemacht wurden oder sonstwie näher dargestellt worden wären".

3.2.7. Die in § 7 Abs 2 ChemV normierte Beschränkung der Verwertung von Tierversuchsergebnissen widerspreche "diametral" dem ChemG und könne nur mit der Zielsetzung der Bundesministerin für Umwelt, Jugend und Familie erklärt werden, Tierversuche sowie Versuche am Menschen zur Gewinnung objektiv richtiger Einstufungskriterien zu beschränken bzw. überhaupt zu verbieten und damit das ChemG umfänglich zu beschränken und seine Zielsetzung zu verfälschen, Zubereitungen nach ihrer tatsächlich bestehenden Gefährlichkeit zu kennzeichnen.

3.2.8. Dies gelte ebenso für die Bestimmung des § 7 Abs 2a ChemV, wonach Tierversuche (nach § 3 Tierversuchsgesetz 1988, BGBl. 501/1988) zur Einstufung einer Zubereitung iSd ChemG "nicht erforderlich" seien, sofern nicht der begründete Verdacht einer größeren Gefährlichkeit der Zubereitung bestehe als sich aus der Anwendung des Berechnungsverfahrens ergebe. Für eine derartige Verordnung fehle jegliche Ermächtigung, aber auch inhaltliche Deckung im ChemG.

3.2.9. § 7 Abs 5 ChemV sei inhaltlich unbestimmt, da die Bedeutung der darin genannten Informationen im Rahmen des gesamten Regelungsinhaltes der ChemV nicht bewertet worden sei. Auch die Regelung des § 7 Abs 5 letzter Satz ChemV hinsichtlich eines Datenvergleiches sei inhaltlich zu unbestimmt.

. Das "Beweismittelverbot" gemäß § 7 Abs 7 ChemV widerspreche dem Ziel des ChemG, Leben und Gesundheit des Menschen vor schädlichen Einwirkungen durch objektiv richtige Kennzeichnung gefährlicher Zubereitungen hintanzuhalten.

. § 7 Abs 8 ChemV sei unklar und unbestimmt und lasse "den auch von der Behörde irrig gezogenen Schluß zu, daß ausreichende Erfahrungen aus der Praxis für die Einstufung nur dann maßgeblich sein" sollen, wenn diese zu einer Verschärfung des Einstufungskriteriums der Gefährlichkeit der Zubereitung führen. Diese Rechtsanwendung sei unhaltbar und führe zu Abweichungen vom EG-Recht.

3.3. Auch die Antragsteller zu V77/92 erachten die von ihnen angefochtenen Bestimmungen der ChemV wegen Widerspruchs zu Art 18 Abs 2 B-VG und zum Gleichheitssatz als gesetzwidrig:

3.3.1. Sowohl für die Bestimmung des § 7 Abs 2a ChemV als auch für die im § 7 Abs 7 ChemV eingefügte Regelung in bezug auf Versuche am Menschen fehle es an einer gesetzlichen Grundlage.

3.3.2. Die Einschränkung der Zulässigkeit von Tierversuchen widerspreche dem Tierversuchsgesetz.

3.3.3. Für § 4 Abs 1 ChemV bestehe keine gesetzliche Grundlage, diese Bestimmung sei überdies wegen ihres unklaren Inhalts verfassungsrechtlich bedenklich.

3.3.4. Die Regelung des § 7 Abs 2a ChemV sei unsachlich im Sinne des Gleichheitsgebotes: Der von § 7 Abs 2 ChemV angeordnete "Vorrang empirisch gewonnener Erkenntnisse vor der Berechnungsmethode" werde dadurch "in unsachlicher und einseitiger Weise zurückgenommen", daß gewisse Versuche bei der Einstufung einer Zubereitung ausgeschlossen sind.

3.3.5. Das Beweisverwertungsverbot des § 7 Abs 7 ChemV sei unsachlich und gleichheitswidrig, da auch vorliegende Ergebnisse aus Versuchen am Menschen, die die Ungefährlichkeit oder - verglichen mit der Einstufung nach dem Berechnungsverfahren - mindere Gefährlichkeit beweisen, nicht verwertet werden dürfen. "Der Verordnungsgeber nimmt also im Bemühen, sein - noch dazu ohne gesetzliche Grundlage verfügtes - rigoroses Verbot von Versuchen an Menschen durchzusetzen, auch die Möglichkeit einer unrichtigen Einstufung in Kauf."

3.3.6. Der auf § 7 Abs 2a ChemV verweisende Einschub in § 7 Abs 2 ChemV sowie das (einseitige) Beweisverwertungsverbot in § 7 Abs 7 ChemV erscheinen nach Ansicht der Antragsteller im übrigen auch deshalb unsachlich, "weil sie offensichtlich auch die Verwertung der Ergebnisse zulässigerweise - nämlich etwa unter dem Regime ausländischer Rechtsordnungen - gewonnener Ergebnisse solcher Versuche an Tier und Mensch verbieten". Bei verfassungs- und gesetzeskonformer Interpretation dieser Bestimmungen dahin, daß nur die Ergebnisse von in Österreich durchgeführten "nicht erforderlichen" Tierversuchen oder Versuchen am Menschen nicht verwertet werden dürften, bestünden Bedenken im Hinblick auf die Sachlichkeit der genannten Regelungen.

3.3.7. Ein weiterer Aspekt der Unsachlichkeit der Regelung des § 7 Abs 2a ChemV ergebe sich daraus, daß ein Tierversuch nur insoferne für "nicht erforderlich" erklärt werde, als nicht ein begründeter Verdacht bestehe, daß sich eine größere Gefährlichkeit als nach dem Berechnungsverfahren ergebe.

Bestehe ein solcher "begründeter Verdacht", sei der Tierversuch nicht "nicht erforderlich", sein Ergebnis dürfe bei der Einstufung trotz des Einschubs in § 7 Abs 2 ChemV (vgl. Novelle 1992) verwertet werden, wenn er - entgegen dem ursprünglich gehegten Verdacht - die Ungefährlichkeit oder geringere Gefährlichkeit der Zubereitung ergebe. Werde jedoch ein Tierversuch ohne begründeten Verdacht einer höheren Gefährlichkeit der Zubereitung durchgeführt und ergebe er dennoch eine höhere Gefährlichkeit als das Berechnungsverfahren, dürfe dieses Ergebnis gemäß § 7 Abs 2 ChemV bei der Einstufung nicht verwertet werden, da der Tierversuch "nicht erforderlich" im Sinne des § 7 Abs 2a ChemV gewesen sei.

3.4.1. Die Antragsteller zu G167/92 (und zu V78/92) erachten das ChemG als verfassungswidrig, da es das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, auf Freiheit der Erwerbsbetätigung und auf Unversehrtheit des Eigentums verletze und insgesamt "ein politisch motiviertes Maßnahmengesetz" darstelle.

3.4.1.1. Der Gleichheitsgrundsatz sei insbesondere dadurch verletzt, daß Waschmittel, die auch den Bestimmungen des Lebensmittelgesetzes 1975 (im folgenden: LMG 1975) und des Waschmittelgesetzes 1984 (im folgenden: WMG 1984) unterliegen, nicht ebenso wie die in § 3 Abs 2 ChemG genannten Produktarten von der Geltung des ChemG ausgenommen seien. Damit ergebe sich eine "Doppelgleisigkeit", die laut Regierungsvorlage durch die Ausnahmebestimmungen des § 3 Abs 2 ChemG vermieden werden sollte. Es sei unsachlich, Waschmittel mehrfachen gesetzlichen Regelungen zu unterwerfen, andere Produkte wie Lebensmittel oder Arzneimittel jedoch nicht.

Überdies würden verschiedene Begriffe des ChemG, LMG 1975 und WMG 1984 in unterschiedlicher Bedeutung verwendet, was dem Ziel einer Einheit der Rechtsordnung und einer Einheit der Rechtssprache widerspreche.

3.4.1.2. Ein Vergleich mit EG-Recht könne nicht als Rechtfertigung der österreichischen Regelungen dienen, da in der EG keine durchgehende Normierung des Waschmittelrechts bestehe und Waschmittel dort - anders als in Österreich - nicht unterschiedslos als "reizend" zu kennzeichnen wären.

3.4.1.3. Das ChemG stelle insoweit, als es auf Waschmittel anzuwenden sei, ein - verfassungswidriges - "politisch motiviertes Maßnahmengesetz" dar. Dies ergebe sich deutlich aus der Novelle BGBl. 300/1989, wodurch Vergaserkraftstoffe und ähnliche Produkte vom Anwendungsbereich gewisser Bestimmungen des ChemG ausgenommen wurden.

3.4.1.4. Das Grundrecht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung sei insbesondere dadurch verletzt, daß die Mehrzahl der Waschmittel als "reizend" gekennzeichnet werden müßten und damit den Werbebeschränkungen des § 21 ChemG unterliegen. Damit würden Waschmittel gegenüber anderen Produkten, die die gleichen chemischen Rohstoffe enthalten und - weil sie nicht vom Geltungsbereich des ChemG erfaßt sind - keiner Kennzeichnungspflicht oder Werbebeschränkung unterliegen, diskriminiert. Da § 21 ChemG im Zusammenhalt mit den Regelungen über den Anwendungsbereich des ChemG zu einer verfassungswidrigen Einschränkung der Freiheit der Erwerbsbetätigung führe, sei auch diese Bestimmung verfassungswidrig.

3.4.1.5. Das Grundrecht auf Unversehrtheit des Eigentums sei nach Ansicht der Antragsteller deswegen verletzt, weil die erforderlichen Warnhinweise in Werbesendungen Mehrkosten verursachten und damit ein verfassungswidriger Eingriff in das Eigentum der Antragsteller bewirkt werde.

3.4.1.6. Die Verordnungsermächtigungen der §§2 Abs 5, 6 Abs 5, 7 Abs 4, 10 Abs 8, 17 Abs 1 und 17 Abs 2 ChemG

stellen nach Ansicht der Antragsteller formalgesetzliche Delegationen dar, "die, auf der Grundlage von unbestimmten Gesetzesbegriffen, viel zu weit gehende Ermächtigungen des Ministers enthalten, bei denen weder Tatbestand noch Rechtsfolge auch nur einigermaßen präzise definiert sind". Bei keiner der zitierten Gesetzesstellen sei es möglich, die im Verordnungsweg getroffene Regelung auf ihre inhaltliche Gesetzmäßigkeit zu überprüfen.

3.4.2. Die ChemV ist nach Ansicht der Antragsteller zu V78/92 aus folgenden Gründen gesetzwidrig:

3.4.2.1. Das Kriterium der "Erforderlichkeit" gemäß § 2 Abs 5 ChemG sei nicht gegeben. Da zur näheren Definition der Eigenschaften gemäß § 2 Abs 5 Z 1 bis 15 bereits EG-Richtlinien vorlägen, hätte der Gesetzgeber diese vollständig und wortgetreu übernehmen können und müssen.

3.4.2.2. Für die Einstufungskriterien gemäß § 4 Abs 1 ChemV (Stoffliste, Allgemeine Einstufungsrichtlinie) fehlt nach Ansicht der Antragsteller die erforderliche gesetzliche Deckung.

3.4.2.3. Hinsichtlich der Eigenschaft "reizend" gemäß § 2 Abs 5 Z 10 ChemG verweise § 2 ChemV auf die Allgemeine Einstufungsrichtlinie (Anhang B zur ChemV). Die Definition des Begriffes "reizend" in Z 1.10 von Anhang B zur ChemV ist nach Ansicht der Antragsteller nicht mit dem ChemG vereinbar, für die Definitionen in den lita), b), und c) dieser Bestimmung fehle eine gesetzliche Deckung.

3.4.2.4. Weiters rügen die Antragsteller die Verletzung von Verfahrensvorschriften bei Erlassung der ChemV, insbesondere sei vor Erlassung der Verordnung zur Änderung der ChemV, BGBl. 274/1992, der Wissenschaftliche Ausschuß nicht angehört worden. Damit sei die Verordnung BGBl. 274/1992 zur Gänze gesetzwidrig.

3.4.2.5. Im übrigen entsprechen die vorgebrachten Argumente im wesentlichen jenen der Antragsteller zu V75/92, V76/92 und V77/92.

3.4.3. Die AnmV sei auf der Grundlage formalgesetzlicher Delegationen der Verordnungsermächtigungen der §§6 Abs 5, 7 Abs 4 und 10 Abs 8 ChemG erlassen worden. Überdies sei § 6 Abs 1 AnmV wegen seines Verweises auf die "OECD Guidelines for Testing of Chemicals" gesetzwidrig, da die genannten Richtlinien mangels Kundmachung nicht Bestandteil der österreichischen Rechtsordnung und im Gesetz nicht determiniert seien.

3.4.4. Der 5. Durchführungserlaß stelle aus folgenden Gründen eine generelle Norm dar: Er verwende "imperative Diktion" und sei nach Inhalt und Aufbau "eine die Rechtslage gestaltende Anordnung", somit eine Rechtsverordnung. Vor Verfassung des genannten Durchführungserlasses seien weder die Chemikalienkommission noch der Wissenschaftliche Ausschuß gehört worden.

3.5. In einem von den Antragstellern zu V77/92 und G167/92, V78/92 als Bestandteil ihrer Anträge vorgelegten Gutachten von Univ.-Prof. Dr. B R zur Frage der Einstufung bestimmter Zubereitungen nach Chemikalienrecht kommt der Gutacher - zur Rechtslage vor der ChemV-Novelle BGBl. 274/1992 - im wesentlichen zu folgenden Ergebnissen:

3.5.1. Bei einer Einstufung von Produkten oder Zubereitungen gemäß § 7 Abs 2 ChemV nach den Eigenschaften ätzend oder reizend sei von den Ergebnissen toxikologischer Prüfungen auszugehen. "Nur wenn solche nicht verfügbar sind, ist das in Anhang B, Punkt 3, angeführte Berechnungsverfahren anzuwenden."

3.5.2. Für "Prüfungen" im Sinne des § 7 Abs 2 vorletzter Satz ChemV haben hinsichtlich toxikologischer oder ökotoxikologischer Ermittlungen "Untersuchungen an 'biologischen Prüfsystemen', dh an Menschen und/oder Tieren ... zentrale Bedeutung". Insgesamt könne kein Zweifel bestehen, daß unter "Prüfungen" im Sinne des vorletzten Satzes des § 7 Abs 2 ChemV gerade jene "physikalisch-chemischen Daten" (§7 Abs 2 Z 1 ChemV) und "Untersuchungsergebnisse" (§7 Abs 2 Z 2 ChemV) zu verstehen sind, die dem unter § 7 Abs 2 Z 3 ChemV genannten "Berechnungsverfahren" gegenüberstehen. Daraus ergebe sich, daß dann, wenn solche Prüfungen vorliegen, diese heranzuziehen sind, und daß nur dann, wenn solche "Prüfungen" nicht vorliegen, Berechnungsverfahren zur Anwendung kommen sollen.

3.5.3. Auch aus dem Verweis des § 4 ChemV auf die Allgemeine Einstufungsrichtlinie in Anhang B zur ChemV ergebe sich der Vorrang empirischer Untersuchungsergebnisse gegenüber Berechnungsverfahren sowie die Bedeutung anderer Ermittlungs- und Beurteilungsergebnisse.

3.5.4. Die Definition gefährlicher Eigenschaften gemäß § 2 Abs 5 Z 6 bis 15 ChemG knüpfe am Einwirken des Stoffes auf Mensch oder Umwelt an, diese Kennzeichnung lege als solche einen Vorrang einschlägiger empirischer Ergebnisse gegenüber rechnerischen Methoden als gesetzlich geboten nahe.

3.5.5. Im Hinblick auf die Einstufung habe der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie gemäß § 17 Abs 2 ChemG, soweit dies zum Schutz des Lebens und der Gesundheit von Menschen und zum Schutz der Umwelt erforderlich sei, im Verordnungsweg nähere Vorschriften zu erlassen bzw. "erforderlichenfalls" Richtlinien vorzuschreiben, wie bestimmte Zubereitungen unter Berücksichtigung der Einstufung der in ihnen enthaltenen gefährlichen Stoffe einzustufen sind. Die Berechnungsregeln der ChemV stützten sich auf das Tatbestandselement "erforderlichenfalls". Daraus sei abzuleiten, daß der Berechnungsmethode nur subsidiärer Charakter für solche Fälle zukommen solle, die im Regelweg - also nach den Ergebnissen der vorgeschriebenen Prüfungen und nach den wissenschaftlichen Erkenntnissen oder praktischen Erfahrungen - nicht einer Einstufung zugeführt werden könnten. Soferne solche empirische Ergebnisse in ausreichender Weise vorliegen, seien rechnerische Einstufungen nicht "erforderlich". Gesetzeskonform gedeutet dürfe die ChemV daher nicht dahin verstanden werden, daß sie die Berechnungsmethode in Fällen, in denen ein ausreichender empirischer Nachweis vorliegt, als Regelfall vorsieht.

3.5.6. Auch in Anbetracht des Regelungszweckes des ChemG könne es nicht zweifelhaft sein, daß alle Erhebungs- und Beurteilungsmodalitäten auf den Zweck bezogen zu sehen seien, möglichst treffende Aussagen über das Gefahrenpotential von Stoffen oder Zubereitungen für Menschen zu gewinnen. Daraus ergebe sich, daß eine empirisch vorliegende Evidenz über Auswirkungen auf Menschen niemals unberücksichtigt bleiben dürfe.

4. Die Bundesregierung beantragt in ihrer Äußerung, den Gesetzesprüfungsantrag mangels Legitimation der Antragsteller zu G167/92 zurückzuweisen, in eventu abzuweisen.

4.1. Zur Zulässigkeit des Antrages führt die Bundesregierung folgendes aus:

4.1.1. Der Gesetzesprüfungsantrag sei schon deshalb zur Gänze unzulässig, da "eine Gesetzesbestimmung, die ausschließlich eine Verordnungsermächtigung enthält, nicht unmittelbar in die Rechtssphäre einer Person eingreifen kann". Unter dem Begriff einer Verordnungsermächtigung sei jede gesetzliche Vorschrift zu verstehen, deren näherer Inhalt erst durch die Erlassung einer Verordnung festgelegt wird. Jedenfalls sei der Antrag insoweit unzulässig, als er sich gegen die Verordnungsermächtigungen der §§2 Abs 5, 6 Abs 5, 7 Abs 4, 10 Abs 8 und 17 Abs 2 ChemG richtet.

4.1.2. Unzulässig sei der Antrag auch hinsichtlich der Anfechtung des § 2 Abs 5 Z 1 - 9 und 11 - 15 ChemG, da die Antragsteller von diesen Bestimmungen "nicht einmal nach ihrem eigenen Vorbringen betroffen" seien.

4.1.3. Die Antragsteller seien auch durch § 3 Abs 2 ChemG in ihrer Rechtssphäre nicht berührt, da diese Bestimmung bloß den Geltungsbereich des ChemG umschreibe und bestimmte Stoffe vom Anwendungsbereich des ChemG ausnehme. Im Antrag sei die unmittelbare Betroffenheit der antragstellenden Gesellschaft durch diese Bestimmung im Sinne des § 62 Abs 1 VerfGG 1953 nicht ausreichend präzise dargelegt. Die beantragte Aufhebung dieser Worte hätte im übrigen nicht die von den Antragstellern gewünschte Ausnahme von Waschmitteln vom Anwendungsbereich des ChemG, sondern die Ausdehnung des Anwendungsbereiches dieses Gesetzes auch auf kosmetische Mittel zur Folge.

4.1.4. In bezug auf § 21 Abs 1 und 3 ChemG sei der Antrag schon deswegen unzulässig, weil die Antragsteller nicht einmal behaupteten, Werbung für Produkte in einer dort umschriebenen Art zu betreiben.

4.1.5. Der Antrag sei im übrigen auch zur Gänze - und damit auch bezüglich des § 2 Abs 5 Z 10, des § 17 Abs 1 und des § 21 Abs 2 ChemG - unzulässig, "weil die Antragsteller nicht mit der von Art 140 Abs 1 B-VG und von § 62 Abs 1 VerfGG 1953

geforderten Bestimmtheit ausführen, in bezug auf welche von ihnen hergestellten oder in Verkehr gesetzten Stoffe, Zubereitungen oder Fertigwaren die von ihnen bekämpften Gesetzesstellen unmittelbar in ihre Rechtssphäre eingreifen".

4.1.6. Der Gesetzesprüfungsantrag sei auch deswegen zur Gänze unzulässig, weil die Antragsteller nicht einmal behaupteten, "daß die von ihnen hergestellten, vertriebenen oder beworbenen Produkte als gefährliche Zubereitungen im Sinne des § 2 Abs 5 Z 10 des Chemikaliengesetzes zu qualifizieren seien. Vielmehr bestreiten sie die Richtigkeit der durch die Erlassung bestimmter Verordnungen erfolgten Auslegung dieser Bestimmung durch das Bundesministerium für Umwelt, Jugend und Familie." Diese Auslegung erfolgte jedoch - auch nach dem Vorbringen im Antrag - nicht unmittelbar auf Grund des Gesetzes, sondern erst durch bestimmte, auf der Grundlage des ChemG erlassene Verordnungen, die von den Antragstellern ebenfalls bekämpft würden. "Daraus wird deutlich, daß es den Antragstellern im vorliegenden Verfahren nicht um die Frage der Verfassungsmäßigkeit der von ihnen bekämpften Gesetzesstellen, sondern bloß um die Richtigkeit der Auslegung dieser Gesetzesstellen durch von ihnen ebenfalls bekämpfte Verordnungen geht." Die Antragsteller seien damit durch die von ihnen als belastend empfundenen Gesetzesstellen in ihrer Rechtssphäre nicht nur nicht unmittelbar betroffen, es stehe als zumutbarer Weg zur Bekämpfung der angefochtenen Gesetzesbestimmungen auch das Verordnungsprüfungsverfahren zur Verfügung.

Jedenfalls der Drittantragsteller und der Viertantragsteller seien nicht zur Stellung des vorliegenden Gesetzesprüfungsantrags berechtigt. Diese könnten als gewerberechtlicher Geschäftsführer bzw. Angestellter, den nach dem Antragsvorbringen keine besondere gesetzliche Verantwortung treffe, durch die im Antrag bekämpften Gesetzesstellen weder unmittelbar betroffen noch in ihrer Rechtssphäre verletzt sein.

4.2. Der Gesetzesprüfungsantrag ist nach Ansicht der Bundesregierung auch nicht begründet.

4.2.1. Die behauptete Verfassungswidrigkeit des § 3 Abs 2 ChemG, weil in dieser Gesetzesstelle bestimmte Produktgruppen und Tätigkeiten vom Geltungsbereich des ChemG ausgenommen seien, nicht aber Wasch- und Reinigungsmittel, sei nicht gegeben. Das Fehlen einer Ausnahmebestimmung für Wasch- und Reinigungsmittel in § 3 Abs 2 ChemG könne nur dann das verfassungsrechtliche Gleichheitsgebot verletzen, wenn für die Anwendbarkeit des ChemG auf Wasch- und Reinigungsmittel keine sachliche Begründung gefunden werden könne. Da das ChemG und das LMG 1975 unterschiedliche Regelungszwecke verfolgten, bestehe die von den Antragstellern behauptete Doppelgleisigkeit nicht.

Auch die Unterstellung von Waschmitteln unter das WMG 1984 verstoße nicht gegen den Gleichheitssatz. Für die Beurteilung, ob ein Gesetz dem verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz entspreche, komme es nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darauf an, ob die im Gesetz enthaltenen Differenzierungen sachlich begründet seien; die auf einen Lebenssachverhalt anzuwendende Zahl von Gesetzen allein mache das zuletzt erlassene Gesetz aber noch nicht verfassungswidrig. Sowohl das ChemG, das LMG 1975 als auch das WMG 1984 enthalten nach Ansicht der Bundesregierung - mit durchaus unterschiedlichen Regelungszwecken - sachliche Regelungen.

"Es ist somit nicht bloß sachlich gerechtfertigt, Wasch- und Reinigungsmittel in den Geltungsbereich des ChemG miteinzubeziehen, es wäre im Gegenteil höchst unsachlich gewesen, dies nicht zu tun."

4.2.2. Die unterschiedliche Verwendung von Begriffen im ChemG und im LMG 1975 sei im Hinblick auf die unterschiedlichen Regelungsgehalte der genannten Rechtsvorschriften verfassungsrechtlich unbedenklich, der Gleichheitssatz dürfte nach Auffassung der Bundesregierung dem Gesetzgeber auch nicht den Gebrauch einer bestimmten Terminologie vorschreiben.

4.2.3. Die Behauptung der Antragsteller, daß Waschmittel in den Mitgliedstaaten der EG nicht chemikalienrechtlich gekennzeichnet werden müßten, trifft nach Ansicht der Bundesregierung nicht zu, da die Richtlinie 88/379/EWG entsprechende Einstufungs- und Kennzeichnungspflichten vorsehe.

Die genannte Richtlinie sei in den Mitgliedstaaten der EG zwar noch nicht umgesetzt worden, dies sei jedoch "demnächst" zu erwarten.

4.2.4. Die Behauptung der Antragsteller, die Anwendung des ChemG auf Wasch- und Reinigungsmittel sei auch deshalb gleichheitswidrig, weil diese "unterschiedslos als 'reizend' gekennzeichnet werden müßten", treffe nicht zu.

Einstufungsmaßstab seien die in § 2 Abs 5 ChemG aufgelisteten gefährlichen Eigenschaften. Ergebe sich somit weder aus Prüfergebnissen (einschließlich des sogenannten "Berechnungsverfahrens") noch aus anderen wissenschaftlichen Erkenntnissen noch aus der Produktbeobachtung eine gefährliche Eigenschaft eines Wasch- oder Reinigungsmittels, sei dieses auch nicht als "reizend" zu kennzeichnen. Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz liege somit auch unter diesem Aspekt nicht vor.

4.2.5. Das Vorbringen der Antragsteller, der Charakter des ChemG als Maßnahmengesetz sei durch die Novelle BGBl. 300/1989, womit Ausnahmebestimmungen ua. für Vergaserkraftstoffe geschaffen wurden, dokumentiert, ist nach Ansicht der Bundesregierung unbegründet, da die genannten Stoffe weiterhin Einstufungs- und Kennzeichnungspflichten sowie den Werbebeschränkungen nach dem ChemG unterlägen und durch die genannte Novelle nur vom giftrechtlichen Teil des ChemG ausgenommen worden seien.

4.2.6. Auch der behauptete Verstoß gegen das Grundrecht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung ist nach Auffassung der Bundesregierung nicht gegeben. Ziel der in § 21 ChemG normierten Werbebeschränkung sei es, die Konsumenten vor falschen Vorstellungen über die Gefährlichkeit von Stoffen, Zubereitungen oder Fertigwaren sowie vor unsachgemäßer Verwendung zu schützen. Mit dieser Bestimmung würden jedoch ausschließlich öffentliche Interessen, nämlich der Schutz der Gesundheit von Menschen und der Schutz der Umwelt vor unsachgemäßer Verwendung verharmlosend beworbener Chemikalien verfolgt. Die in § 21 ChemG vorgesehenen Werbebeschränkungen seien daher "notwendig und geeignet, um ergänzend zu den Kennzeichnungsvorschriften den mit dem Umgang mit Chemikalien verbundenen Gefahren wirksam zu begegnen".

Der Gesetzgeber habe überdies im Sinne der von der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes im Hinblick auf Art 6 StGG geforderten sachlichen Adäquanz und Verhältnismäßigkeit kein Werbeverbot angeordnet, sondern das Grundrecht der Erwerbsfreiheit in Form einer Werbebeschränkung nur soweit berührt, wie es der Schutz der mit dem ChemG verfolgten öffentlichen Interessen unbedingt notwendig macht.

§21 ChemG sei somit vom Gesetzesvorbehalt des Art 6 StGG gedeckt.

4.2.7. Zur behaupteten Verletzung des Grundrechts auf Unversehrtheit des Eigentums durch die Werbebeschränkungen des § 21 ChemG führt die Bundesregierung aus, daß mit dieser Bestimmung lediglich Sorgfaltsanforderungen an den Verkehr mit gefährlichen Chemikalien normiert würden, worin eine Beschränkung des Eigentums nicht erblickt werden könne, zumal weder die Abgabe der Produkte noch ihre Bewerbung verhindert würden. Eine mögliche Verteuerung könne allenfalls als wirtschaftlicher Reflex einer sachlichen gesetzlichen Regelung gewertet werden. Selbst unter der Voraussetzung, daß mit § 21 ChemG eine Eigentumsbeschränkung bewirkt wird, könne im Hinblick auf die sachliche Rechtfertigung dieser Regelung kein Zweifel daran bestehen, "daß diese Eigentumsbeschränkung im allgemeinen Wohl gelegen und verhältnismäßig" ist. Diese Regelung sei damit auch aus dem Gesichtspunkt des Grundrechts auf Unversehrtheit des Eigentums nicht verfassungswidrig.

4.2.8. Insgesamt gehe das ChemG - auch im Hinblick auf das BVG Umweltschutz, BGBl. 491/1984, - als "relativ junges Umweltgesetz von einem vergleichsweise hohen Schutzniveau unter Zugrundelegung des sogenannten 'Vorsorgeprinzips'" aus.

"Es würde auf eine Verkehrung der im Verfassungsrecht selbst zugrund gelegten Wertungen hinauslaufen, wollte man ein Gesetz deshalb als verfassungswidrig bezeichnen, weil es einen hohen - und vielleicht auch im Vergleich zu anderen (älteren) Gesetzen mit ähnlicher Zielsetzung einen höheren - Umweltschutzstandard festlegt."

4.2.9. Die als formalgesetzliche Delegationen angefochtenen Verordnungsermächtigungen des ChemG sind nach Ansicht der Bundesregierung verfassungsrechtlich unbedenklich. Dichte und Intensität der gesetzlichen Vorherbestimmung des Verwaltungshandels seien maßgeblich durch den Regelungsgegenstand geprägt. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes dürfe das Determinierungsgebot des Art 18 B-VG etwa im Zusammenhang mit der gesetzlichen Regelung wirtschaftlicher Tatbestände nicht überspannt werden. Auch im Chemikalienrecht sei der Gesetzgeber bei Regelungsgegenständen, die auf technische und naturwissenschaftliche Faktoren abstellten, gezwungen, der Vollziehung ein etwas größeres Maß an Flexibilität einzuräumen, wenn er eine "sinnvolle und wirksame Regelung" der Materie, die eine Anpassung an den Stand der Technik und der Wissenschaft ermöglicht, erreichen will. "Technische und naturwissenschaftliche Standards sind laufend Änderungen unterworfen, sodaß starre, einen bestimmten Stand naturwissenschaftlicher und technischer Entwicklung festschreibende Gesetzesbestimmungen zwangsläufig schnell überholt und damit sachwidrig zu werden drohen."

5. Die Bundesministerin für Umwelt, Jugend und Familie beantragt in ihren - im wesentlichen gleichlautenden - Äußerungen, die vorliegenden Verordnungsprüfungsanträge mangels Antragslegitimation zur Gänze, in eventu nur hinsichtlich der Anfechtung der AnmV zurückzuweisen, in eventu die Anträge abzuweisen.

5.1. Aus den gegenständlichen Anträgen gehe nicht hervor, in welchen Rechten die Antragsteller durch die von ihnen behauptete Gesetzwidrigkeit der ChemV bzw. der AnmV verletzt zu sein glauben. Die Antragsteller führten keinen einzigen konkreten Fall an, in dem sie durch Bestimmungen der ihrer Ansicht nach gesetzwidrigen Verordnungen unmittelbar in ihren Rechten verletzt wären. "Die vorgebrachten Bedenken beziehen sich lediglich auf allgemeine Überlegungen im Zusammenhang mit der Einstufung und Kennzeichnung von Zubereitungen", konkret von Waschmitteln.

Hinsichtlich der AnmV führten die Antragsteller zu V78/92 "selbst aus, daß nicht sie selbst von der angeblichen Gesetzwidrigkeit dieser Verordnung betroffen seien, sondern allenfalls andere, kleinere österreichische Gewerbebetriebe". Die Zulässigkeit eines Individualantrags zur Wahrung der Rechte Dritter sei aber in Art 139 Abs 1 B-VG nicht vorgesehen.

Die Anträge seien somit zur Gänze unzulässig.

5.2. Inhaltlich verteidigt die Bundesministerin für Umwelt, Jugend und Familie die angefochtenen Bestimmungen der ChemV wie folgt:

5.2.1. Zum Vorwurf, die ChemV beruhe auf formalgesetzlichen Delegationen im ChemG, wiederholt die Bundesministerin für Umwelt, Jugend und Familie im wesentlichen die Argumente der Bundesregierung (4.2.9.).

5.2.2. Gesetzliche Grundlage und Determinante der angefochtenen Bestimmungen der §§4, 7 Abs 2, 7 Abs 2a und 7 Abs 7 ChemV sowie der Anhänge zur ChemV sei § 17 Abs 2 letzter Satz ChemG. Abweichend vom Grundsatz der Herstellerverantwortlichkeit gemäß § 1 Abs 2 ChemG könne der Verordnungsgeber bestimmte Stoffe und Zubereitungen einer "Legaleinstufung" unterziehen. Davon habe der Verordnungsgeber hinsichtlich bestimmter gefährlicher Stoffe mit der "Stoffliste" in Anhang A zur ChemV, dem Berechnungsverfahren in Anhang B zur ChemV und weiteren Einstufungsrichtlinien für gewisse gefährliche Zubereitungen in den Anhängen C und D zur ChemV Gebrauch gemacht.

Die Einstufungsdeterminanten des § 17 Abs 1 ChemG seien im übrigen alternativ verknüpft, von einer Einstufung nach dem Berechnungsverfahren dürfe daher entsprechend dem Vorsorgeprinzip auch dann nicht abgesehen werden, wenn zwar weder praktische Erfahrungen noch die wissenschaftliche Literatur auf eine gefährliche Eigenschaft hindeuten, diese aber im Rahmen einer chemikalienrechtlich vorgeschriebenen Prüfung festgestellt wird.

Das Berechnungsverfahren in Anhang B zur ChemV trage im Sinne des Vorsorgeprinzips dem Umstand Rechnung, "daß im Bereich der Chemie gefährliche Auswirkungen von Stoffen und Zubereitungen oft erst lange nach ihrem Inverkehrsetzen bekannt werden ... und sich daher bereits die ersten wissenschaftlich fundierten Hinweise auf eine bestimmte Gefährlichkeit zumindest in Form einer entsprechenden Einstufung und Kennzeichnung niederschlagen" sollten.

5.2.3. Im übrigen finde das Berechnungsverfahren auch in § 2 Abs 5 ChemG gesetzliche Deckung. Sowohl das Tatbestandsmerkmal der "Erforderlichkeit" als auch jenes der "Bedachtnahme" auf Regelungen anderer Staaten sei erfüllt. Die Verpflichtung zur "Bedachtnahme" auf fremde Regelungen dürfe nicht als Verpflichtung zur Übernahme dieser Vorschriften verstanden werden.

Das Berechnungsverfahren gemäß Anhang B zur ChemV nehme jedoch auf internationale Regelungen nicht nur Bedacht, sondern orientiere sich in besonderem Maße daran, etwa an der EG-Stoffrichtlinie, 67/548/EWG.

5.2.4. Obwohl die ChemV idF vor der Novelle BGBl. 274/1992 durch die subsidiäre Anwendbarkeit des Berechnungsverfahrens keine Verpflichtung zur Durchführung von Tierversuchen normierte, seien dennoch Tierversuche zum Zweck der Einstufung von Zubereitungen durchgeführt worden. Aus diesem Grund sei es erforderlich gewesen, die ChemV durch die bekämpften Regelungen der Novelle BGBl. 274/1992 zu ergänzen: Der Anreiz, Tierversuche zur Einstufung von Zubereitungen ohne rechtliche Notwendigkeit durchzuführen, "lag in der Möglichkeit, einer nach dem Berechnungsverfahren ermittelten Einstufung der Zubereitung als gefährlich im Sinn des § 2 Abs 5 ChemG durch ein abweichendes Ergebnis im Tierversuch auszuweichen". Diese Praxis wäre mit dem in § 17 Abs 1 ChemG verankerten Grundsatz, Zubereitungen nach dem Vorsorgeprinzip stets dann als gefährlich einzustufen, wenn die Gefährlichkeit nach einem der gesetzlich verankerten Einstufungskriterien ermittelt wurde, nicht in Einklang gestanden.

Die gesetzliche Deckung der durch die ChemV-Novelle BGBl. 274/1992 eingefügten Bestimmungen stelle § 17 Abs 1 iVm Abs 2 ChemG dar, wonach der Verordnungsgeber ermächtigt sei, Prüfungen vorzuschreiben, auf Grund derer die Einstufung von Zubereitungen vorzunehmen sei. § 3 Abs 2 Z 2 Tierversuchsgesetz 1988 sehe vor, daß Tierversuche nur durchgeführt werden dürfen, wenn "die angestrebten Versuchsziele nicht durch andere Methoden und Verfahren ... erreicht werden können". Im Zusammenhang mit der Einstufung von gefährlichen Zubereitungen stehe aber mit dem Berechnungsverfahren sehr wohl ein "anderes Verfahren" zur Verfügung, mit dem das Versuchsziel erreicht werden kann.

5.2.5. Das Verbot der Durchführung von Versuchen am Menschen und das bezügliche Beweisverwertungsverbot in § 7 Abs 7 ChemV seien darin begründet, daß die Durchführung von Versuchen am Menschen hinsichtlich potentiell gefährlicher Chemikalien - über die zum Zeitpunkt der Einstufung noch keine Daten hinsichtlich ihrer möglichen Gefährlichkeit vorliegen - zwangsläufig die Gesundheit, im schlimmsten Fall (hinsichtlich ätzender, giftiger oder krebserregender Chemikalien) auch das Leben der Probanden gefährden könne. Selbst wenn im ChemG Menschenversuche nicht direkt angesprochen würden, dürfe daraus nicht der Schluß abgeleitet werden, der Gesetzgeber habe die Frage der Durchführung von Menschenversuchen offengelassen und in den Verantwortungsbereich der Hersteller potentiell gefährlicher Chemikalien übertragen. Es sei deklariertes Ziel des ChemG, Leben und Gesundheit von Menschen vor den Auswirkungen gefährlicher Chemikalien zu schützen und Gefährdungen soweit wie möglich auszuschließen.

Auch aus Art 2 und Art 3 EMRK sei abzuleiten, daß die Durchführung von Menschenversuchen zum Zweck der (erstmaligen) Erprobung von Chemikalien, deren Auswirkungen auf die Gesundheit von Menschen noch nicht eruiert sei, einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung und der Verankerung von gesetzlich genau abgestellten Rahmenbedingungen bedürfe, wie sie etwa das Arzneimittelgesetz, BGBl. 185/1983, vorsehe. Aus dem Fehlen einschlägiger Bestimmungen im ChemG über Versuche am Menschen könne daher deren Zulässigkeit nicht abgeleitet werden.

Aus diesem Grund sei auch in der ChemV vor der Novelle BGBl. 274/1992 nicht ausdrücklich auf Menschenversuche Bezug genommen worden. "Erst als Erfahrungen aus der Praxis zeigten, daß einzelne Hersteller von Zubereitungen durchaus geneigt waren, zur Einstufung auch die Ergebnisse von (im Ausland durchgeführten) Menschenversuchen vorzulegen, um eine andere als die nach dem Berechnungsverfahren vorgegebene Einstufung ihrer Produkte zu erwirken, wurde die Notwendigkeit einer ausdrücklichen Klarstellung des Verbots der Durchführung von Menschenversuchen für Zwecke des Chemikaliengesetzes deutlich." Mit der Bestimmung des § 7 Abs 7 ChemV idF der Novelle 1992 sei somit lediglich eine bereits dem ChemG zu entnehmende Wertung des Gesetzgebers, gezielte Versuche am Menschen nicht zur Einstufung von Chemikalien heranzuziehen, präzisiert worden.

Das Beweisverwertungsverbot des § 7 Abs 7 ChemV trage dem dem § 17 Abs 1 ChemG immanenten "Vorsorgeprinzip" Rechnung; gleichzeitig bestehe für die Hersteller von einzustufenden Chemikalien kein Anreiz mehr, zusätzlich zu chemikalienrechtlich vorgesehenen Einstufungsverfahren auch noch gezielte Tests am Menschen vorzunehmen.

5.2.6. Bei Erlassung der ChemV seien auch keine Verfahrensvorschriften hinsichtlich der Anhörung des Wissenschaftlichen Ausschusses verletzt worden. In den §§44 und 45 ChemG werden entgegen den Behauptungen der Antragsteller für die dort genannten Bundesminister keine Anhörungs- oder Befassungspflichten normiert, die in diesen Bestimmungen ausgesprochenen Bindungen für die Vollziehung erschöpften sich vielmehr in der Verpflichtung, die Kommissionsmitglieder, den Kommissionsvorsitzenden und dessen Stellvertreter zu bestellen. In den Bestimmungen des ChemG sei nur von einem Anhörungsrecht der Chemikalienkommission im Rahmen der Verordnungserlassung die Rede. Der Wissenschaftliche Ausschuß sei demnach nicht zwingend anzuhören, die Chemikalienkommission sei bei Erlassung der Novelle zur ChemV, BGBl. 274/1992, angehört worden.

5.2.7. Zur Behauptung, die Novelle zur ChemV, BGBl. 274/1992, sei als Maßnahmen- oder Individualgesetz zu werten und daher verfassungswidrig, führt die Bundesministerin für Umwelt, Jugend und Familie aus, daß es "durchaus nicht ungewöhnlich" und verfassungsrechtlich unbedenklich sei, wenn Erfahrungen aus der Vollziehung von Gesetzen und Verordnungen letztlich in legislativen Maßnahmen ihren Niederschlag fänden.

Verfassungsrechtlich problematisch wäre eine derartige Novelle nur dann, wenn sich ihr Regelungsinhalt faktisch auf einen einzigen Anwendungsfall beschränkte. Da sich die Novelle zur ChemV auf die Einstufung sämtlicher Zubereitungen beziehe, entbehrten die diesbezüglich geäußerten Bedenken der Antragsteller jeder rechtlichen oder tatsächlichen Grundlage.

5.3. Die Bedenken der Antragsteller zu V78/92 hinsichtlich der AnmV seien - soweit der bezügliche Antrag nicht unzulässig sei - unbegründet.

Die "OECD Guidelines for Testing of Chemicals", auf die in § 6 AnmV verwiesen werde, unterlägen nicht der Kundmachungspflicht, da durch § 6 Abs 1 AnmV lediglich auf einen in Fachkreisen allgemein bekannten Standard Bezug genommen bzw. verwiesen werde. Die in § 6 Abs 1 AnmV genannten internationalen Richtlinien seien nicht Bestandteil der österreichischen Rechtsordnung geworden und daher lediglich als Maßstab, nicht aber als bindende Norm heranzuziehen. Sie bestimmten gemäß der Verordnungsermächtigung in § 7 Abs 4 ChemG lediglich den Stand der Wissenschaft und Technik.

Diesem Verständnis entspreche auch die AnmV selbst, wenn etwa gemäß § 4 Abs 2 litd AnmV im Rahmen der Grundprüfung neuer Stoffe die Prüfbedingungen der Anmeldebehörde nur dann mitzuteilen seien, wenn die Prüfung nicht nach einer OECD-Richtlinie durchgeführt worden sei. § 4 Abs 2 litd AnmV verdeutliche iVm § 6 Abs 1 AnmV - der die Abweichung von diesen Richtlinien unter Angaben von Gründe ermöglicht -, daß der Verordnungsgeber eine Prüfung nach den OECD-Richtlinien nicht verbindlich vorschreibe, sondern vielmehr davon ausgehe, daß eine nach diesen Richtlinien durchgeführte Prüfung jedenfalls dem Stand der Wissenschaft und Technik entspricht und daß andere Methoden zwar erst auf ihre Übereinstimmung mit diesem Standard hin zu überprüfen, aber deshalb keineswegs unzulässig sind.

5.4. Der 5. Durchführungserlaß sei (nicht nur formell, sondern auch tatsächlich) ausschließlich an die "Landeshauptmänner als Träger der mittelbaren Bundesverwaltung" gerichtet, sein normativer Gehalt erschöpfe sich in der Weisung an die Landeshauptleute im Punkt 7 des Erlasses. Die Punkte 1 - 6 des gegenständlichen Erlasses dienten lediglich der Information der als Vollzugsbehörden im Rahmen der Vollziehung des ChemG tätigen Landeshauptmänner über den für die Weisung maßgeblichen Anlaßfall sowie über die infolge dieses Anlaßfalls vom Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie angestellten Untersuchungen, Sachverhaltsbeurteilungen und die mit den betroffenen Herstellern von Waschmitteln geführten Gespräche. In diesen Punkten sei der Erlaß als Mitteilung ohne normativen Inhalt zu werten.

Dies ergebe sich auch aus der Formulierung der Weisung im Punkt 7 des Erlasses, in der, ohne auf die zuvor mitgeteilte fachliche und rechtliche Beurteilung durch den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie zu verweisen, die zuständigen Landeshauptleute aufgefordert werden, in Betrieben von Herstellern und Importeuren von Waschmitteln gezielt Nachschau zu halten, ob diese ihrer Verpflichtung zu einer den gesetzlichen Bestimmungen entsprechenden Einstufung und Kennzeichnung der von ihnen in Verkehr gesetzten Produkte nachkämen. Damit werde nicht normativ Recht für Dritte gesetzt oder gestaltet, sondern bloß auf gesetzliche Bestimmungen verwiesen. Mit dem Amtshilfeangebot in Punkt 8 des Durchführungserlasses sollte den Vollzugsbehörden weiters die Möglichkeit eröffnet werden, sich anhand der beim Bundesministerium für Umwelt, Jugend und Familie aufliegenden Unterlagen ein eigenes Bild davon zu machen, ob Waschmittelhersteller gegen Bestimmungen des ChemG verstoßen.

6. Mit Schriftsätzen vom , und replizierten die Antragsteller zu V76/92, zu V77/92 sowie zu G167/92 und V78/92 auf die Äußerungen der Bundesministerin für Umwelt, Jugend und Familie bzw. der Bundesregierung.

6.1. Die Antragsteller zu V76/92 und zu V77/92 legten dar, daß die Antragslegitimation zur Bekämpfung der Chemikalienverordnung entgegen der Auffassung der Bundesministerin für Umwelt, Jugend und Familie gegeben sei. Die unmittelbare Betroffenheit durch die den Verfahrensgegenstand bildenden Bestimmungen der ChemV ergebe sich jedenfalls daraus, daß jeweils gegen die Zweitantragsteller Verwaltungsstrafverfahren auf Grund von Verstößen gegen die Einstufungs- und Kennzeichnungspflichten des ChemG und der ChemV eingeleitet worden seien.

Inhaltlich lasse die Äußerung der belangten Behörde eine Auseinandersetzung mit dem von den Antragstellern vorgelegten Gutachten, insbesondere mit der Frage des Vorrangs empirischer vor rechnerischen Methoden zur Einstufung von Stoffen oder Zubereitungen, vermissen.

6.2. Die Legitimation zur Anfechtung des ChemG erachten die Beschwerdeführer zu G167/92 aus folgenden Gründen für gegeben:

6.2.1. Die Antragsteller seien sehr wohl durch die bekämpften Bestimmungen des ChemG in ihrer rechtlichen Position verletzt. Diese Verletzung sei unmittelbar und gegenwärtig und resultiere aus dem Gesetz selbst, "ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides". Jeder andere Weg zur Bekämpfung der angefochtenen Bestimmungen sei unzumutbar.

Auch Verordnungsermächtigungen sind nach Ansicht der Antragsteller anfechtbar, zumal die angefochtenen Bestimmungen nicht ausschließlich Verordnungsermächtigungen enthielten.

Die Antragslegitimation des Drittantragstellers ergebe sich daraus, daß dieser "im Falle gewerberechtlicher Überprüfungen auch für die Nichteinhaltung von Bestimmungen des Chemikaliengesetzes verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich gemacht werden" könne, jene des Viertantragstellers daraus, daß er verantwortlicher Beauftragter gemäß § 9 Abs 2 VStG sei.

6.2.2. Inhaltlich beruhten die Ausführungen der Bundesregierung auf unrichtigen Prämissen.

6.2.2.1. ChemG und LMG 1975 hätten zwar keinen identischen, doch aber einen ähnlichen Schutzzweck, die Verwendung gleicher Begriffe mit unterschiedlichem Begriffsinhalt widerspreche in diesem Fall dem Gebot der Einheit der Rechtssprache, welches seit Jahrzehnten Bestandteil der Rechtsordnung sei.

6.2.2.2. Der von der Bundesregierung wie auch von der Bundesministerin für Umwelt, Jugend und Familie verwendete Begriff "Vorsorgeprinzip" sei kein Terminus und damit keine rechtliche Kategorie des ChemG. Grundsätzlich enthalte jedes Gesetz ein Vorsorgeprinzip, da jedes Gesetz spezifische Schutzgüter kenne.

6.2.2.3. Auch die Ausführungen der Bundesregierung zur behaupteten Verletzung der Grundrechte auf Freiheit der Erwerbsbetätigung und auf Unversehrtheit des Eigentums können nach Ansicht der Antragsteller nicht überzeugen. Es sei unsachlich, nur die Waren, die dem ChemG unterliegen, Werbebeschränkungen zu unterwerfen. Diese Beschränkung könne auch nicht dem Gesundheitsschutz dienen, da es nach den Bestimmungen des LMG 1975 verboten sei, gesundheitsschädliche Verbrauchsgegenstände in Verkehr zu bringen. Die Werbebeschränkungen des ChemG seien somit zumindest in bezug auf Waschmittel durch öffentliche Interessen nicht geboten und damit sachlich nicht gerechtfertigt, weil der durch die Werbebeschränkungen allenfalls verfolgte Zweck, die Verbraucher vor gesundheitsschädlichen Waschmitteln zu schützen, schon in anderen Gesetzen verankert sei.

6.2.2.4. Das Grundrecht auf Unversehrtheit des Eigentums sei nach Ansicht der Antragsteller deswegen verletzt, da die Verteuerung der Werbung wegen der Unsachlichkeit und Inadäquanz der den Werbebeschränkungen zugrundeliegenden gesetzlichen Regelungen keinen bloßen wirtschaftlichen Reflex darstelle.

6.2.2.5. Weiters seien die Werbebeschränkungen des § 21 ChemG, zumindest in bezug auf Waschmittel, unter dem Aspekt der Meinungsäußerungsfreiheit gemäß Art 10 EMRK "verfassungs- und grundrechtswidrig", da die dadurch bewirkte Einschränkung der freien Kommunikation nicht durch den Rechtfertigungsgrund des Art 10 Abs 2 EMRK, "Schutz der Gesundheit", gedeckt sei.

6.2.2.6. Zu den Ausführungen der Bundesregierung hinsichtlich der Verordnungsermächtigungen im ChemG führen die Antragsteller aus, daß die Begriffe "Bedachtnahme" in § 2 Abs 5 ChemG, "Art und Umfang nach dem jeweiligen Stand von Wissenschaft und Technik" in § 7 Abs 4 ChemG sowie "Inhalt und Form der Prüfnachweise" in § 10 Abs 8 ChemG derart unbestimmte Gesetzesbegriffe seien, daß sie keine taugliche Grundlage für Verordnungen darstellten.

6.3. Zur Äußerung der Bundesministerin für Umwelt, Jugend und Familie nehmen die Antragsteller zu V78/92 wie folgt Stellung:

6.3.1. Der Antrag sei - entgegen der Auffassung der Bundesministerin für Umwelt, Jugend und Familie - jedenfalls zulässig. Bester Beweis für die aktuelle Wirksamkeit der Bestimmungen der ChemV sei der 5. Durchführungserlaß in Verbindung mit der jederzeitigen Möglichkeit der Einleitung von Verwaltungsstrafverfahren.

6.3.2. Zum inhaltlichen Vorbringen der Bundesministerin für Umwelt, Jugend und Familie führen die Antragsteller folgendes aus:

6.3.2.1. Die Bestimmung des § 17 Abs 2 letzter Satz ChemG sei nicht übersehen worden, diese sei vielmehr keinesfalls geeignet, Grundlage für die "Stoffliste" in Anhang A zur ChemV zu sein, sondern sei vielmehr "völlig unverständlich".

6.3.2.2. Zudem komme es gemäß § 17 Abs 2 letzter Satz ChemG nicht bloß auf die gefährlichen Eigenschaften der genannten Stoffe und Zubereitungen gemäß § 2 Abs 5 ChemG an, sondern darauf, daß sich diese gefährlichen Eigenschaften nur im Zusammenhang mit dem "Inverkehrsetzen" verwirklichten. Nähere Anhaltspunkte dafür, ob das "Inverkehrsetzen" eines Stoffes oder einer Zubereitung eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen oder der Umwelt bedeute, seien auch in der Stoffliste in Anhang A zur ChemV nicht zu finden, sodaß die ChemV diesbezüglich gesetzwidrig sei.

6.3.2.3. § 4 Abs 1 ChemV sowie die ChemV insgesamt berücksichtigten die verschiedenen Kategorien der Einstufung nach § 17 Abs 2 ChemG nicht, sodaß die ChemV auch aus diesem Grunde gesetzwidrig sei.

6.3.2.4. Eine weitere Gesetzwidrigkeit liege darin, daß § 4 ChemV das Tatbestandselement der "praktischen Erfahrungen" gemäß § 17 Abs 1 ChemG nicht enthalte und daher in den Einstufungsmethoden enger als diese Bestimmung sei.

6.3.2.5. Aus der "Zubereitungsrichtlinie", 88/379/EWG, ergebe sich kein Vorrang des Berechnungsverfahrens, sondern vielmehr der Grundsatz der "richtigen Bestimmung" allfälliger gefährlicher Eigenschaften von Zubereitungen.

6.3.3. Die Novelle zur ChemV, BGBl. 274/1992, sei aus folgenden Gründen gesetzwidrig:

6.3.3.1. Die Novelle 1992 zur ChemV sei ein "Maßnahmen- oder Individualgesetz", da sich die genannte Novelle "faktisch auf einen einzigen Anwendungsfall beschränkt". Auch wenn dies "rechtlich" nicht der Fall sei, komme es bei dieser Beurteilung darauf an, wie sich ein Gesetz "faktisch" auswirkt.

6.3.3.2. In den Ausführungen zu Versuchen am Menschen verfalle die Bundesministerin für Umwelt, Jugend und Familie in eine "Primitivargumentation". Niemand komme auf die Idee, ätzende, giftige oder krebserregende Chemikalien am Menschen zu testen. Die Interpretation der Bundesministerin für Umwelt, Jugend und Familie, bei "epidemiologischen Untersuchungen" dürften Versuchspersonen nicht gezielt den zu testenden Chemikalien ausgesetzt werden, finde im Verordnungstext keine Deckung.

6.3.3.3. Die von der Bundesministerin für Umwelt, Jugend und Familie vorgelegten Verwaltungsakten zur ChemV seien hinsichtlich der "fachlichen Grundlagen", die der Wissenschaftliche Ausschuß der Chemikalienkommission gemäß § 45 Abs 2 ChemG zu erstellen habe, unvollständig. Falls solche Unterlagen nicht existierten, sei das Normenwerk der verschiedenen Verordnungen zum ChemG gesetzwidrig bzw. verfassungswidrig, weil dem Legalitätsprinzip nicht Rechnung getragen werde. Auch Protokolle von Sitzungen des Wissenschaftlichen Ausschusses seien nicht vorgelegt worden. Aus dem Akteninhalt entstehe insgesamt der Eindruck, daß die ChemV-Novelle 1992, BGBl. 274/1992, "stückweise an der Chemikalienkommission und am Wissenschaftlichen Ausschuß vorbei" gemacht wurde.

Hinsichtlich der Anhörungen der Chemikalienkommission zur ChemV-Novelle 1992 sei der Akteninhalt widersprüchlich, die Chemikalienkommission sei irregeführt und von verschiedenen Änderungen offenkundig nicht informiert worden.

Im übrigen sei die Chemikalienkommission auch nicht bei der Erstellung des 5. Durchführungserlasses konsultiert worden.

7. Über Aufforderung des Verfassungsgerichtshofes an die Antragsteller bzw. den Magistrat der Stadt Wien, bekanntzugeben, ob gegen die Antragsteller Strafverfahren wegen Verstoßes gegen Bestimmungen des ChemG oder der ChemV anhängig oder ob diesbezüglich Strafbescheide ergangen sind, langten beim Verfassungsgerichtshof folgende Stellungnahmen ein:

7.1. Im Verfahren zu V75/92 gaben die Antragsteller bekannt, daß gegen den Zweitantragsteller ein bezügliches Straferkenntnis mit Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien behoben und das Verfahren eingestellt worden sei. Ein neuerliches Strafverfahren sei nach dem Wissensstand der Antragsteller seither nicht eingeleitet worden.

7.2. Im Verfahren zu V76/92 sei gegen den Zweitantragsteller ein bezügliches Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet, das Straferkenntnis vom Unabhängigen Verwaltungssenat Wien jedoch aufgehoben worden.

7.3. Im Verfahren zu V77/92 sei gegen den Zweitantragsteller ein bezügliches Straferkenntnis erlassen worden, die Berufung dagegen sei beim Unabhängigen Verwaltungssenat Wien anhängig, weitere Strafverfahren seien den Antragstellern nicht bekannt.

7.4. In den Verfahren zu G167/92 und V78/92 gaben die Antragsteller bekannt, daß gegen sie keine Strafverfahren auf Grund der Bestimmungen des ChemG oder der ChemV anhängig und auch keine bezüglichen Strafbescheide ergangen seien.

7.5. Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien gab mit Schreiben vom bekannt, daß gegen die jeweiligen Zweitantragsteller zu V75/92, zu V76/92 und zu V77/92 sowie gegen die erstantragstellende Gesellschaft zu G167/92 und V78/92 Verfahren nach dem ChemG vermerkt seien. Lediglich im Verfahren gegen die erstantragstellende Gesellschaft zu G167/92 und V78/92 sei die Berufung als unzulässig zurückgewiesen worden, der Berufungsbescheid sei beim Verwaltungsgerichtshof unter der Zahl 93/11/0121 angefochten worden. Die übrigen Verfahren seien wegen Verfolgungsverjährung eingestellt worden.

7.6. Die Stellungnahmen des Magistrats Wien ergaben, daß gegen die Zweitantragsteller in den Verfahren zu V75-77/92 sowie gegen die Dritt- und Viertantragsteller im Verfahren zu G167/92 und V78/92 Verwaltungsstrafverfahren wegen Verstöße gegen Einstufungs- und Kennzeichnungspflichten des ChemG und der ChemV eingeleitet, diese Verfahren jedoch alle eingestellt worden seien.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat zur Zulässigkeit der Anträge erwogen:

1. Gemäß §§57 Abs 1 und 62 Abs 1 VerfGG 1953 sind in einem Antrag auf Aufhebung einer Verordnung als gesetzwidrig bzw. eines Gesetzes als verfassungswidrig die gegen die Gesetzmäßigkeit der Verordnung bzw. gegen die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes sprechenden Bedenken im einzelnen darzulegen. Wird ein solcher Antrag von einer Person gestellt, die unmittelbar durch die Gesetzwidrigkeit der Verordnung bzw. die Verfassungswidrigkeit des Gesetzes in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, so ist auch darzutun, inwieweit die Verordnung bzw. das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für sie wirksam geworden ist.

Es war daher vorerst zu prüfen, inwieweit die vorliegenden Individualanträge gemäß den Art 139 und 140 B-VG diesen Verfahrenserfordernissen genügen.

1.1. Im Verfahren zu G167/92 haben die Antragsteller keine hinlänglichen Bedenken gegen die Bestimmungen der §§2 Abs 5 erster und zweiter Satz, 17 Abs 1 sowie 21 Abs 1 und Abs 3 ChemG vorgetragen. Soweit im Antrag Ausführungen zu § 17 Abs 1 ChemG enthalten sind, behaupten die Antragsteller lediglich eine aus dieser Bestimmung resultierende mangelnde Determinierung der Verordnungsermächtigung des § 17 Abs 2 ChemG. Der Antrag auf Aufhebung der genannten Bestimmungen war daher zurückzuweisen.

1.2. Der zu V76/92 eingebrachte Antrag, die ChemV zur Gänze aufzuheben, war zurückzuweisen, weil dem Antrag nicht zu entnehmen ist, welche Bedenken gegen die Verordnung insgesamt sprechen.

1.3. Als unzulässig zurückzuweisen war ferner der zu V77/92 eingebrachte Antrag, soweit die Aufhebung des § 7 Abs 1 ChemV beantragt wurde. Auch diesbezüglich fehlt es an der notwendigen Konkretisierung der gegen diese Bestimmung sprechenden Bedenken.

1.4. In dem zu V78/92 eingebrachten Antrag auf Aufhebung der ChemV zur Gänze wird nicht dargetan, inwieweit die ChemV insgesamt für die Antragsteller unmittelbar wirksam wurde. Das gleiche gilt für die AnmV mit Ausnahme ihres § 6 Abs 1. Die diesbezüglichen Anträge waren daher zurückzuweisen.

Auch die unmittelbare Wirksamkeit des § 7 Abs 2 und Abs 7 ChemV in der Fassung vor der Novelle BGBl. 274/1992 ist im Antrag zu V78/92 in keiner Weise begründet. Der diesbezügliche Antrag war daher zurückzuweisen.

Der Antrag zu V78/92 enthält auch keine Darlegung der unmittelbaren Betroffenheit der Antragsteller durch die Anhänge A und B zur ChemV. Der Antrag war daher auch diesbezüglich zurückzuweisen.

2. In bezug auf den zu V78/92 angefochtenen 5.

Durchführungserlaß ist zunächst zu klären, ob dieser gemäß Art 139 Abs 1 B-VG beim Verfassungsgerichtshof mittels Individualantrags angefochten werden kann.

Gegenstand einer Normenprüfung nach Art 139 B-VG können zwar nicht nur Rechtsverordnungen, sondern auch Verwaltungsverordnungen sein (vgl. zB VfSlg. 1636/1948, 1692/1948, 2556/1953, 2660/1954, 6291/1970, 8255/1978, 8602/1979).

Eine Voraussetzung der Zulässigkeit eines Individualantrages gemäß Art 139 Abs 1 B-VG ist aber, daß die angefochtene Verordnung "ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides" für den Antragsteller wirksam geworden ist (Art139 B-VG iVm § 57 Abs 1 VerfGG 1953), also unmittelbar in dessen Rechtssphäre eingreift.

Der 5. Durchführungserlaß schildert deskriptiv die bisherige Vorgangsweise des Bundesministeriums, beschreibt entsprechend dem ChemG die Rechtsfolge einer mangelnden Kennzeichnung gefährlicher Zubereitungen für deren Hersteller und Importeure und weist schließlich die Landeshauptleute an, "in Betrieben der Hersteller und Importeure von Waschmitteln gezielt Nachschau zu halten, ob diese ihrer Verpflichtung zu einer den gesetzlichen Bestimmungen gemäßen Einstufung und Kennzeichnung der von ihnen in Verkehr gesetzten Produkte nachkommen". Im Falle der Feststellung von Verwaltungsübertretungen wird die Einleitung von Strafverfahren durch die Bezirksverwaltungsbehörden angeordnet.

Damit werden durch den 5. Durchführungserlaß Dienstpflichten der dem Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie unterstellten Behörden zu bestimmten Verwaltungsstrafamtshandlungen (Nachschau und Einleitung von Strafverfahren) begründet, ohne daß gleichzeitig Rechte oder Pflichten der in einem zukünftigen Verwaltungsstrafverfahren möglicherweise belangten Personen betroffen sind. Dieser Erlaß ist sohin als Verwaltungsverordnung einzustufen. Damit unterscheidet er sich von jenen Erlässen, die wegen ihrer sich auch für die Allgemeinheit ergebenden Rechtswirkungen vom Verfassungsgerichtshof als Rechtsverordnungen qualifiziert wurden (vgl. zB VfSlg. 8647/1979, 8648/1979, 8807/1980, 9416/1982, 10170/1984, 10607/1985, 10728/1985, 11467/1987). Mangels derartiger Rechtswirkungen des 5. Durchführungserlasses für die Allgemeinheit sowie im besonderen auch für die Antragsteller kann der 5. Durchführungserlaß nicht in die Rechtssphäre der Antragsteller eingreifen.

Der Antrag auf Aufhebung des zitierten Erlasses war daher schon mangels Eingriffs dieses Erlasses in die Rechtssphäre der Antragsteller zurückzuweisen, ohne daß diesbezüglich auf das Vorliegen der sonstigen Prozeßvoraussetzungen einzugehen war.

3. Voraussetzung der Antragslegitimation nach den Art 139 Abs 1 und Art 140 Abs 1 B-VG ist weiters, daß der Antragsteller nicht nur hinlänglich konkretisiert behauptet, unmittelbar durch die angefochtene Verordnung bzw. das angefochtene Gesetz - im Hinblick auf deren Gesetz- bzw. Verfassungswidrigkeit - in seinen Rechten verletzt worden zu sein, sondern auch, daß die Verordnung bzw. das Gesetz für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist.

Nicht jedem Normadressaten kommt daher die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist vielmehr erforderlich, daß die Verordnung bzw. das Gesetz selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die Verordnung bzw. das Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteter Weise - rechtswidrigen Eingriffes zu Verfügung steht (VfSlg. 10511/1985, 11726/1988).

Der Verfassungsgerichtshof hatte sohin zu überprüfen, inwieweit die von den Antragstellern angefochtenen Normen tatsächlich und aktuell in ihre Rechtssphäre eingreifen.

3.1. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls bei den §§2 Abs 5 dritter bis letzter Satz, 6 Abs 5, 7 Abs 4, 10 Abs 8 und 17 Abs 2 ChemG auszuschließen: Die genannten Bestimmungen enthalten lediglich Ermächtigungen zum Erlaß von Verordnungen.

Wie der Verfassungsgerichtshof bereits in seiner Vorjudikatur (vgl. etwa VfSlg. 8829/1980, 8978/1980; ua.) ausgesprochen hat, sind Individualanträge auf Aufhebung von Gesetzesbestimmungen, die ausschließlich Verordnungsermächtigungen enthalten, unzulässig: Es "ergibt sich allein schon aus dem Inhalt einer Gesetzesbestimmung, die (ausschließlich) eine Verordnungsermächtigung enthält, daß nach ihr unmittelbare Eingriffe in die Rechtssphäre einer Person ausgeschlossen sind und erst durch eine aufgrund der Gesetzesbestimmung erlassene Verordnung bewirkt werden können. In einem solchen ... Fall fehlt die Antragsberechtigung." (VfSlg. 8978/1980, S. 346)

Der Antrag zu G167/92 auf Aufhebung der genannten Bestimmungen des ChemG war daher zurückzuweisen.

Hingegen regelt § 3 ChemG den sachlichen Geltungsbereich des ChemG und begründet somit in Verbindung mit den sonstigen Bestimmungen dieses Gesetzes in seinem gesamten Umfang - einschließlich der in seinem Abs 2 geregelten Ausnahmebestimmungen - die unmittelbare Verpflichtung der Antragsteller als Waschmittelhersteller, also als Hersteller oder Importeure von "Zubereitungen", den Rechtspflichten nach dem ChemG (wie insbesondere der Einstufungs- und Kennzeichnungspflicht gemäß § 17 ChemG) nachzukommen.

Zu diesen gegenüber den Antragstellern unmittelbar aus dem Gesetz erwachsenden Rechtspflichten zählt insbesondere auch die Werbebeschränkung des § 21 Abs 2 ChemG, weil auf Kennzeichnungen nach dem ChemG auch bei der Werbung für gefährliche Zubereitungen hingewiesen werden muß.

3.2. Einen Eingriff in die Rechtssphäre der Antragsteller enthalten ferner die Bestimmungen der §§4 Abs 1, 7 Abs 2, 7 Abs 2a, 7 Abs 5, 7 Abs 7 und 7 Abs 8 ChemV. Die Verpflichtung zur Selbsteinstufung von Zubereitungen gemäß § 17 Abs 1 ChemG muß nach Maßgabe der genannten Vorschriften der ChemV von allen Herstellern oder Importeuren von "Zubereitungen", sohin auch von den Antragstellern als Waschmittelherstellern bzw. von deren für die Erfüllung der Verpflichtungen nach dem ChemG verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlichen erfüllt werden.

Dabei ist auch § 6 Abs 1 AnmV über die anzuwendenden chemischen Prüfmethoden heranzuziehen, sodaß auch diese Vorschrift in die Rechtssphäre der Antragsteller (zu V78/92) eingreift.

4.1. Die Anträge der jeweiligen Erstantragsteller, die als Gesellschaften des Handelsrechts, die mit der Herstellung oder dem Import von Waschmitteln befaßt sind, von den Rechtspflichten des ChemG direkt betroffen sind, sind gemäß Art 139 Abs 1 und Art 140 Abs 1 B-VG zulässig (vgl. VfSlg. 11454/1987).

4.2. Die Geschäftsführer der antragstellenden Gesellschaften sind als verwaltungsstrafrechtlich belangbare Vertreter der Gesellschaften antragslegitimiert, soweit nicht ein verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlicher gemäß § 9 Abs 2 VStG bestellt wurde oder gegen sie bereits Verwaltungsstrafverfahren anhängig sind, im Zuge derer für die Bestraften die Möglichkeit besteht, Bedenken gegen der Bestrafung zugrundeliegende generelle Normen an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen.

Unzulässig sind sohin die Anträge des Zweit- und des Drittantragstellers im Verfahren zu G167/92 und V78/92. Der zu den genannten Zahlen eingebrachten Replik ist zu entnehmen, daß lediglich der Viertantragsteller als verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlicher der erstantragstellenden Gesellschaft gemäß § 9 Abs 2 VStG beauftragt ist. Die Anträge des Zweit- und Drittantragstellers waren daher zurückzuweisen, da alleine den gemäß § 9 Abs 2 VStG Beauftragten die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit für die Übertretung der angefochtenen Bestimmungen des ChemG und der ChemV trifft.

4.3. Über Aufforderung durch den Verfassungsgerichtshof gaben der Magistrat der Stadt Wien sowie der Unabhängige Verwaltungssenat Wien bekannt, daß gegen die verwaltungsstrafrechtlich verantwortlichen Vertreter der erstantragstellenden Gesellschaften jeweils Verwaltungsstrafverfahren wegen Übertretung der Bestimmungen des ChemG bzw. der ChemV hinsichtlich der Einstufung und Kennzeichnung von Produkten eingeleitet, jedoch mittlerweile wegen Verfolgungsverjährung eingestellt wurden. Die Anträge der Zweitantragsteller zu den Zahlen V75/92, V76/92 und V77/92 sowie des Viertantragstellers zu G167/92 und V78/92 sind sohin zulässig.

5. Die Verpflichtungen der Antragsteller beruhen unmittelbar auf dem ChemG bzw. der ChemV; ihre Vernachlässigung führt zur Einleitung von Strafverfahren gemäß § 55 Z 13 und 18 ChemG. Es ist den Antragstellern nicht zumutbar, durch Übertretung ihrer Verpflichtungen nach dem ChemG in Verbindung mit der ChemV ein Strafverfahren und damit auch die Möglichkeit der Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu provozieren. Die Anträge auf Aufhebung der §§3 und 21 Abs 2 ChemG sowie der §§4 Abs 1, 7 Abs 2, 7 Abs 2a, 7 Abs 5, 7 Abs 7 und 7 Abs 8 ChemV sowie § 6 Abs 1 AnmV sind sohin zulässig, soweit sie nicht vom Zweit- und Drittantragsteller des Verfahrens zu G167/92 und V78/92 gestellt wurden.

III. In der Sache hat der Verfassungsgerichtshof über den Antrag zu G167/92, soweit er sich als zulässig erwiesen hat, erwogen:

1. Die von den Antragstellern behauptete Gleichheitswidrigkeit der gesetzlichen Einbeziehung von Waschmitteln in den Geltungsbereich des ChemG durch dessen § 3 trifft nicht zu. Kein Zweifel kann bestehen, daß es angesichts des Zieles des ChemG, das in § 1 Abs 1 des Gesetzes mit dem "Schutz des Lebens und der Gesundheit des Menschen und der Umwelt vor unmittelbar oder mittelbar schädlichen Einwirkungen, die durch das Herstellen und Inverkehrsetzen, den Erwerb, das Verwenden oder die Beseitigung von Stoffen, Zubereitung oder Fertigwaren entstehen können", festgelegt wird, an sich sachlich gerechtfertigt ist, auch Waschmittel in den Geltungsbereich des ChemG miteinzubeziehen, weil angesichts der darin enthaltenen chemischen Stoffe "gefährliche Eigenschaften" nach § 2 Abs 5 ChemG nicht auszuschließen sind.

Die Antragsteller erblicken aber eine Gleichheitswidrigkeit darin, daß Waschmittel anders als die unter Z 4 (Abfälle und Altöle), Z 5 (Arzneimittel), Z 6 (Düngemittel) und Z 7 (Lebensmittel, kosmetische Mittel) sowie die unter den weiteren Ziffern des § 3 Abs 2 ChemG genannten Produktarten von der Geltung des ChemG nicht ausgenommen wurden, wiewohl auch für Waschmittel zum Teil das LMG 1975 (weil Waschmittel Gebrauchsgegenstände im Sinne des § 6 LMG 1975 sind) Anwendung findet und mit einer dem ChemG vergleichbaren Zielsetzung das WMG 1984 erlassen worden sei.

Zwar ist es richtig, daß die gesetzliche Festlegung allgemeiner Pflichten unter gleichzeitiger Anordnung von Ausnahmen deshalb insgesamt gegen den Gleichheitssatz verstoßen kann, weil die Ausnahmebestimmungen in sich gleichheitswidrig sind (vgl. VfSlg. 8806/1980, 11190/1986). Anders als die Antragsteller meinen, ist jedoch die Einbeziehung von Waschmitteln in den Geltungsbereich des ChemG angesichts der mit diesem Gesetz verfolgten Schutzzwecke, die weder durch § 28 Abs 1 LMG 1975 über das Inverkehrbringen von Gebrauchsgegenständen noch durch das WMG 1984 hinlänglich berücksichtigt werden, von der Sache her gerechtfertigt. So trachtet das WMG 1984 vorrangig, den Zustand der Umwelt, insbesondere der Gewässer durch Verringerung von Schadstoffen, zu verbessern. Das LMG 1975 ordnet ein Verbot gesundheitsschädlicher Lebensmittel (einschließlich der Gebrauchsgegenstände gemäß § 28 Abs 1 LMG 1975) an. Anders als diese Rechtsvorschriften bezweckt das Chemikalienrecht entsprechend dem in der Literatur (Stadler-Hartig, Chemikaliengesetz, 1988, S. 1) als dessen Grundtendenz hervorgehobenen Vorsorgeprinzip eine Selbstkontrolle der Hersteller oder Importeure gefährlicher Stoffe, Zubereitungen oder Fertigwaren durch Feststellung und Kennzeichnung deren gefährlicher Eigenschaften nach einem abgestuften Merkmalskatalog (§2 Abs 5 Z 1 - 15 ChemG) zum Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt.

Es liegt im Rahmen der rechtspolitischen Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, wenn er Ausnahmen vom Geltungsbereich des ChemG in den Abs 2 - 7 des § 3 ChemG festlegte, weil der Möglichkeit schädlicher Einwirkungen bei den ausgenommenen Gütern und Stoffen auf Grund anderer Rechtsvorschriften hinreichend vorgebeugt wird. Dem Gesetzgeber kann unter dem Aspekt des Gleichheitssatzes nicht entgegengetreten werden, wenn er für Hersteller und Importeure von Waschmitteln die im öffentlichen Interesse gelegenen Verpflichtungen nach dem ChemG bejahte, zumal den nach Gefährlichkeitsmerkmalen abgestuften Schutzzwecken und -maßnahmen dieses Gesetzes weder das Lebensmittel- noch das Waschmittelgesetz hinreichend gerecht wird.

§ 3 ChemG verstößt sohin nicht gegen den Gleichheitssatz. Keinen verfassungsrechtlichen Vorwurf vermag die für die Klarheit und das Verständnis der Rechtsordnung sicherlich abträgliche Praxis des Gesetzgebers zu begründen, gleiche Worte in verschiedenen Gesetzen mit unterschiedlichem Sinngehalt (wie zB "gesundheitsschädlich") zu verwenden und eine Mehrzahl von (Umweltschutz-)Gesetzen mit einander teilweise überschneidenden Anwendungsbereichen und Schutzzwecken zu erlassen.

Der Antrag auf Aufhebung des § 3 ChemG war sohin abzuweisen.

2. Die Antragsteller rügen ferner, daß sie durch die Bestimmung des § 21 (wohl dessen Abs 2) ChemG und der darin enthaltenen Werbebeschränkung in ihrem Grundrecht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung verletzt seien. Während andere Produkte, die die gleichen chemischen Rohstoffe enthalten wie Waschmittel, der durch § 21 Abs 2 ChemG angeordneten Werbebeschränkung nicht unterliegen, bekomme der Konsument von Waschmitteln den - objektiv falschen - Eindruck, das Waschmittel sei gefährlich. Die vom Gesetzgeber herbeigeführte Irreführung der Konsumenten könne zu einem Rückgang des Verkaufs von Waschmitteln führen. Die Werbebeschränkung sei sohin "ein untaugliches und nicht adäquates Mittel ..., den durchaus legitimen Gedanken des Schutzes der Anwender vor wirklich gefährlichen Chemikalien umzusetzen".

§ 21 Abs 2 ChemG fordert, daß eine Werbung für die dem ChemG unterliegenden Zubereitungen "in allgemein verständlicher Form" "Hinweise zu enthalten (hat), daß Gefahrenhinweise und Sicherheitsratschläge zu beachten sind, die die Kennzeichnung enthält".

Nach Art 6 StGG und der dazu ergangenen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist eine gesetzliche Regelung, die die Erwerbsausübungsfreiheit beschränkt, zulässig, wenn sie durch ein öffentliches Interesse geboten, geeignet, zur Zielerreichung adäquat und auch sonst sachlich zu rechtfertigen ist, wobei dem Gesetzgeber ein größerer rechtspolitischer Gestaltungsspielraum offensteht als bei Regelungen, die den Erwerbsantritt beschränken (vgl. VfSlg. 10718/1985, 11558/1987, 12481/1990; ).

§ 21 Abs 2 ChemG will im Geiste des diesem Gesetz zugrundeliegenden Vorsorgeprinzips sicherstellen, daß der Konsument im Zusammenhang mit der Werbung für gefährliche Produkte auch einen Hinweis auf die Gefährlichkeit des Produktes und den erforderlichen Sicherheitsratschlag zumindest in der Kurzform der Kennzeichnung erhält. Daß der Schutz der Gesundheit von Menschen, dem diese Bestimmung letztlich dient, im öffentlichen Interesse gelegen ist, begegnet keinem Zweifel. Daß eine derartige Werbebeschränkung, wie die Antragsteller offenbar vermeinen, über das Ziel schießt, sohin dem genannten öffentlichen Interesse nicht adäquat ist, vermag der Verfassungsgerichtshof nicht zu sehen. Ohne Zweifel ist ein in der Werbung zwingend enthaltener Gefahrenhinweis geeignet, Konsumenten vor einer unsachgemäßen, - dann aber gefährlichen -, Verwendung der betreffenden Zubereitung zu schützen. Sie ist aber auch zufolge ihrer relativ geringfügigen Eingriffsintensität kein unverhältnismäßiges Mittel, die beim Umgang mit der Zubereitung erforderliche Sorgfalt beim Konsumenten sicherzustellen. Daß möglicherweise ähnliche Gefahren, die von anderen, nicht dem ChemG unterliegenden Stoffen ausgehen, bei diesen Stoffen keiner derartigen Werbebeschränkung unterliegen, vermag nicht die Unverhältnismäßigkeit der Werbebeschränkung nach § 21 Abs 2 ChemG darzutun.

§ 21 Abs 2 ChemG verstößt sohin nicht gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Freiheit der Erwerbsausübung gemäß Art 6 StGG.

3. Gleichviel, ob die Werbebeschränkung nach § 21 Abs 2 ChemG als Eigentumsbeschränkung in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Eigentumsrecht eingreift (wie die Antragsteller meinen) oder nicht (wie die Bundesregierung entgegenhält), ist jedenfalls eine Verletzung des Eigentumsrechtes durch die Werbebeschränkung des § 21 Abs 2 ChemG auszuschließen. Wie bereits ausgeführt, dient die durch § 21 Abs 2 leg.cit. angeordnete Verpflichtung dem allgemeinen Wohl. Daß der dadurch entstehende wirtschaftliche Aufwand für den Hersteller oder Importeur wirtschaftlich unzumutbar und daher unverhältnismäßig wäre, wurde von den Antragstellern zwar behauptet, aber nicht begründet. Etwaige, von den Antragstellern behauptete Wettbewerbsverzerrungen sind schon deshalb zu verneinen, weil alle Produzenten und Importeure gleicher oder ähnlicher gefährlicher Zubereitungen den gleichen Werbebeschränkungen unterliegen.

4. Soweit die Antragsteller § 21 ChemG auch "unter dem Aspekt des Grundrechtes der Meinungsäußerungsfreiheit ... zumindest in bezug auf Waschmittel (als) verfassungs- und grundrechtswidrig" bezeichnen, sind sie auf den Gesetzesvorbehalt des Art 10 Abs 2 EMRK und den dort angeführten Rechtfertigungsgrund "des Schutzes der Gesundheit" für Einschränkungen der Meinungsäußerungsfreiheit zu verweisen. Gesetzlich vorgesehene Werbebeschränkungen, die dem Schutz der Gesundheit dienen, widersprechen dem Grundrecht auf Freiheit der Meinungsäußerung gemäß Art 10 Abs 1 EMRK sohin von vornherein nicht, zumal kommerzielle Werbung schärferen Einschränkungen der Meinungsäußerungsfreiheit unterworfen werden kann als (etwa) der Ausdruck politischer Ideen (VfSlg. 10948/1986).

Der Antrag, § 21 Abs 2 ChemG wegen Verletzung der Grundrechte auf Schutz des Eigentums, der Freiheit der Erwerbsbetätigung und der freien Meinungsäußerung als verfassungswidrig aufzuheben, war sohin abzuweisen.

IV. Zur behaupteten Gesetzwidrigkeit der §§4 Abs 1, 7 Abs 2, 7 Abs 2a, 7 Abs 5, 7 Abs 7 und 7 Abs 8 ChemV sowie des § 6 Abs 1 AnmV hat der Verfassungsgerichtshof erwogen:

1. Die oben unter I.1.5. im Wortlaut wiedergegebenen Verordnungsbestimmungen dienen der Durchführung des ChemG. Dieses Gesetz zielt (§1) auf den Schutz des Lebens und der Gesundheit des Menschen und der Umwelt vor schädlichen Einwirkungen, die von (chemischen) Stoffen, daraus angefertigten "Zubereitungen" oder "Fertigwaren" ausgehen können. Das ChemG will Vorsorge gegenüber derartigen schädlichen Einwirkungen dadurch treffen, daß es Hersteller und Importeure zur Selbstkontrolle verpflichtet, ob ihre Stoffe und Zubereitungen bestimmte, in § 2 Abs 5 ChemG näher umschriebene gefährliche Eigenschaften aufweisen und sie bejahendenfalls auf Grund einer entsprechenden Einstufung unter anderem zur Kennzeichnung ihrer Produkte und zur Aufnahme von Hinweisen in die dafür betriebene Werbung verpflichtet. Für die im Wege der Selbstkontrolle vorzunehmende Einstufung ihrer Stoffe oder Zubereitungen in die Gefahrenkategorien nach den Z 1 - 15 des § 2 Abs 5 ChemG haben Hersteller und Importeure gemäß § 17 Abs 1 leg.cit. (auf Grund des ChemG und seiner Verordnungen vorgeschriebene) "Prüfungen", "wissenschaftliche Erkenntnisse", "praktische Erfahrungen" oder sonstige Informationen über schädliche Wirkungen ihrer Produkte alternativ oder kumulativ heranzuziehen, so zwar, daß eine mögliche Gefährdung iSd § 1 Abs 1 leg.cit. jedenfalls ersichtlich wird. Die nähere Vorgangsweise bei der Einstufung, insbesondere die Vorschreibung entsprechender Einstufungsmethoden, ist gemäß § 17 Abs 2 ChemG durch Verordnung zu regeln.

Anders als die Antragsteller (zum Teil auch unter Hinweis auf ein dem Verfassungsgerichtshof vorgelegtes Rechtsgutachten von Univ.-Prof. Dr. B R) meinen ist dem ChemG, insbesondere auch dessen § 17 Abs 1, entsprechend dem beschriebenen Vorsorgegrundsatz keine strikte Reihen- oder Rangfolge der Methoden oder Kriterien zu entnehmen, die für die Einstufung eines Stoffes oder einer Zubereitung als gefährlich maßgeblich sind. Insbesondere ist dem ChemG für die Einstufung von Zubereitungen die vorrangige Berücksichtigung der Ergebnisse von Tierversuchen oder von Tests am Menschen fremd. Ganz im Gegenteil ordnet § 3 Abs 2 Z 2 des Tierversuchsgesetzes 1988, das gemäß seinem § 21 Z 5 in Angelegenheiten des ChemG vom Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie zu vollziehen ist, an, daß Tierversuche nur subsidiär, nämlich lediglich dann durchgeführt werden dürfen, wenn die angestrebten, vom Gesetzgeber an sich begrenzten zulässigen Versuchsziele nicht durch andere Methoden und Verfahren erreicht werden können.

Umsomehr muß es aber - auch ohne besondere gesetzliche Anordnung - entsprechend den allgemeinen Wertungsgrundsätzen unserer Rechtsordnung zulässig sein, die Berücksichtigung der Ergebnisse von Versuchen am Menschen durch ein entsprechendes Beweisverwertungsverbot zumindest teilweise zu beschränken: Wenn "kein Mensch jemals als bloßes Mittel für welche Zwecke immer betrachtet und behandelt werden darf" (so mit ausführlicher Ableitung und Auseinandersetzung zum Rechtsgrundsatz der Personen- und Menschenwürde F. Bydlinski, Fundamentale Rechtsgrundsätze, 1988, S. 171 ff, Zitat S. 176), ist für die Einstufung gefährlicher Zubereitungen nach den gefährlichen Eigenschaften des § 2 Abs 5 ChemG die Berücksichtigung von Menschenversuchen nur dann zulässig, wenn derartige Versuche zur Erkenntnis von Gefahren für den Menschen unumgänglich sind. Nur dann wird ein Mensch nicht "für welche Zwecke immer betrachtet und behandelt", wenn der - mit seiner Zustimmung vorgenommene - Versuch ausschließlich dazu dient, eine sonst nicht wahrnehmbare Gefahrenlage für den Menschen festzustellen. Der mit einem Versuch am Menschen auch mit dessen Zustimmung zwangsläufig verbundene Eingriff in die Menschenwürde setzt voraus, daß der Test am Menschen ausschließlich dem Schutz des Menschen bzw. seiner Gesundheit dient (und nicht etwa wirtschaftlichen Zwecken, wie etwa der beweismäßigen Entlastung der nach dem ChemG einstufungspflichtigen Hersteller und Importeure gefährlicher Zubereitungen).

Insgesamt läßt sich dem im ChemG verankerten Vorsorgeprinzip (in Zusammenhang mit den sonstigen, eben aufgezeigten grundlegenden Wertungen der österreichischen Rechtsordnung) entnehmen, daß für die Einstufung eines (chemischen) Stoffes oder einer aus mehreren derartigen Stoffen bestehenden "Zubereitung" als "gefährlich" gemäß dem abgestuften Gefährlichkeitskatalog des § 2 Abs 5 Z 1 - 15 ChemG jene dem Stand der Wissenschaft jeweils entsprechenden Erfahrungswerte heranzuziehen sind, welche (im Sinn des § 1 Abs 1 ChemG) dem Schutz des Lebens und der Gesundheit von Menschen und der Umwelt bestmöglich Rechnung tragen, sohin am ehesten eine mögliche Gefahr indizieren. Tierversuche dürfen dabei nur subsidiär, nämlich lediglich unter der Voraussetzung für die Einstufung benutzt werden, daß andere Methoden und Verfahren nicht zum Ziele führen. Die Berücksichtigung von Versuchen am Menschen ist schlechthin ausgeschlossen, es sei denn, daß ausnahmsweise eine bestimmte gefährliche Eigenschaft eines Stoffes ohne einen derartigen Versuch überhaupt nicht erkannt werden kann und das Risiko des Versuches relativ geringer ist als der damit angestrebte Erfolg.

An diesem Auslegungsergebnis ändert auch die Regelung der Gefährlichkeitsmerkmale für gefährliche Stoffe oder gefährliche Zubereitungen in den Z 6 - 15 des § 2 Abs 5 ChemG nichts: Auch wenn sich hier die entsprechenden Stoffeigenschaften "erst bei Einwirken des Stoffes auf Mensch oder Umwelt ergeben" (Stadler-Hartig, Chemikaliengesetz, 1988, S. 41), läßt sich daraus kein Vorrang von Prüfungsergebnissen, die im Tier- oder gar Menschenversuch gewonnen wurden, vor allen anderen Prüfungsergebnissen ausmachen, mögen diese nun im Wege chemischer Analyse oder damit in Zusammenhang stehender Berechnungsmethoden erzielt werden, solange diese Methoden dem international anerkannten Stand der Wissenschaft entsprechen. Der Verordnungsgeber besitzt nach Maßgabe der gesetzlichen Ermächtigung des § 2 Abs 5 dritter Satz ChemG zur näheren Bestimmung der Gefahreneigenschaften nach den Z 1 - 15 des § 2 Abs 5 ChemG sowie der Ermächtigung des § 17 Abs 2 ChemG zur Festlegung der näheren Methoden und Verfahren, also zur Bestimmung der Vorgangsweise bei der Einstufung, gleichsam die Definitionsmacht, durch bestimmt vorzuschreibende, dem Stand der Wissenschaft entsprechende Prüf- oder Rechenmethoden auch den jeweiligen Gefahrencharakter eines (chemischen) Stoffes und der Zubereitungen allgemein verbindlich festzulegen.

2. Der Verfassungsgerichtshof hält fest, daß er im Gegensatz zu dem in den Anträgen zu G167/92 und V78/92 geäußerten Vorbringen keine Bedenken hegt, daß die Vorschriften der §§2 Abs 5 und 17 Abs 2 des ChemG keine dem Art 18 Abs 2 B-VG genügende taugliche gesetzliche Grundlage für die Erlassung der hier zu prüfenden Bestimmungen der ChemV bilden. Dies insbesondere angesichts der Zielbestimmung des Gesetzes (§1 ChemG) sowie der näheren Regelung der (Einstufungs-, Verpackungs-, Kennzeichnungs- und sonstigen) Pflichten, die den Herstellern und Importeuren der dem ChemG unterliegenden Stoffe, Zubereitungen und Fertigwaren von diesem Gesetz auferlegt wurden, vor deren Hintergrund die Verordnungsermächtigungen verstanden werden müssen.

Die genannten Verordnungsermächtigungen entsprechen insoweit durchaus dem verfassungsgesetzlich gemäß Art 18 Abs 2 B-VG zu fordernden Determinierungsstandard von Umweltgesetzen, weil darin - im Einklang mit Art 2 Abs 1 erster Satz EMRK und § 1 Abs 2 des Bundesverfassungsgesetzes vom über den umfassenden Umweltschutz, BGBl. 491, ("Umfassender Umweltschutz ist die Bewahrung der natürlichen Umwelt als Lebensgrundlage des Menschen vor schädlichen Einwirkungen.") - entsprechend dem Ziel des ChemG, (d.i. die Vorsorge vor schädlichen Einwirkungen auf Menschen und die Umwelt, die durch die Manipulation (im weitesten Sinn) mit chemischen Stoffen, daraus entstehenden Zubereitungen oder Fertigwaren möglich sind), gesetzlich fest umrissene Maßnahmen vorgesehen werden: § 2 Abs 5 zweiter Satz ChemG sieht vor, daß die vom Gesetzgeber im gleichen Absatz unter den Z 1 - 15 aufgezählten und von ihm dort bereits kurz definierten gefährlichen Eigenschaften von Stoffen oder Zubereitungen vom Verordnungsgeber im Interesse der Rechtsklarheit näher erläutert werden können. § 17 Abs 2 ChemG ermächtigt den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie, durch Verordnung nähere Vorschriften über die Vorgangsweise der Hersteller oder Importeure gefährlicher Stoffe oder Zubereitungen zu erlassen, wenn diese ihrer - unmittelbar aus § 17 Abs 1 ChemG resultierenden - Verpflichtung nachkommen, den Stoff oder die Zubereitung gemäß den durch § 2 Abs 5 ChemG unter den Z 1 - 15 legal definierten und in der (Chemikalien-)Verordnung gemäß dem zweiten Satz des § 2 Abs 5 ChemG näher ausgeführten Gefahrenkategorien einzustufen. Diese Einstufung ist vor allem im Hinblick auf die Kennzeichnungspflicht gemäß § 18 ChemG sowie die Werbebeschränkungen gemäß § 21 Abs 2 ChemG von unmittelbarer Bedeutung. Daß die Regelungen der ChemV für die Schutzziele des ChemG "erforderlich" sein müssen (- so §§2 Abs 5 und 17 Abs 2 leg.cit. -), bedeutet nicht mehr als daß sie diesen Schutzzielen dienlich (also zu deren Wahrnehmung geeignet) und in Anbetracht der dadurch begründeten Verpflichtungen auch angemessen sein müssen.

Es ist zwar nicht zu leugnen, daß die Verordnungsermächtigung des § 17 Abs 2 ChemG über die Regelung der Vorgangsweise bei der Einstufung gewisse Unschärfen aufweist, wie in verschiedenen Anträgen näherhin ausgeführt wird. Der Verfassungsgerichtshof ist aber der Meinung, daß die Verordnungsermächtigung auch vor dem Hintergrund der diesbezüglichen, in der Regierungsvorlage zum Gesetz bekundeten Absicht zu verstehen ist, daß die Regelungen der danach zu erlassenden Verordnung "auf die diesbezüglichen internationalen Richtlinien und Empfehlungen für die Einstufung von Stoffen und Zubereitungen, die gefährliche Stoffe enthalten, Bedacht nehmen müssen" (26 BlgNR 17. GP, S. 40). Daß dem Verordnungsgeber bei der Konkretisierung der Einstufungspflicht, also der konkreten Anordnung, auf Grund welcher Verfahren und Merkmale bei Stoffen und Zubereitungen die Einstufung entsprechend den gesetzlich vorgegebenen 15 Gefahrenkategorien vorzunehmen ist, ein gewisser Spielraum eingeräumt ist, widerspricht Art 18 Abs 2 B-VG deshalb nicht, weil die wesentlichen Merkmale der Vorgangsweise bei der Einstufung schon dem (Chemikalien-)Gesetz, nämlich vor allem dessen § 17 Abs 1, zu entnehmen sind.

Insgesamt bilden sohin die in der Formulierung des Schutzgutes (§1 ChemG) im Verein mit einer Auflistung und Definition möglicher Einstufungen (§2 Abs 5 ChemG) sowie die in der ausdrücklichen Ermächtigung zur Erlassung näherer Vorschriften über den Einstufungsvorgang durch Verordnung (in § 17 Abs 2 ChemG) enthaltenen gesetzlichen Regelungen eine dem Art 18 Abs 2 B-VG genügende Verordnungsermächtigung, zumal der Gesetzgeber diese Vorgangsweise bei der Einstufung in § 17 Abs 1 ChemG durch den Hinweis auf "vorgeschriebene Prüfungen", "wissenschaftliche Erkenntnisse", "praktische Erfahrungen" sowie sonstige Informationen, die auf eine schädliche Wirkung hinweisen, ergänzt hat.

3. In Anbetracht des vorstehend dargelegten normativen Gehaltes der chemikalienrechtlichen Ermächtigungen zur Regelung der Vorgangsweise, der Prüfungs- und Berechnungsmethoden sowie der Regelung der Zulässigkeit von Tier- und Menschenversuchen bei der Einstufung von Zubereitungen durch Verordnung teilt der Verfassungsgerichtshof die von den Antragstellern vorgetragenen Bedenken gegen die §§4 Abs 1, 7 Abs 2, 7 Abs 2a, 7 Abs 5, 7 Abs 7 und 7 Abs 8 ChemV sowie gegen § 6 Abs 1 AnmV nicht.

3.1. Gemäß § 4 Abs 1 ChemV hat die Einstufung gefährlicher Zubereitungen nach den gefährlichen Eigenschaften des § 2 Abs 5 ChemG primär nach den in der Stoffliste im Anhang A zur ChemV angegebenen Konzentrationsgrenzen für die Einstufung gefährlicher Zubereitungen, soweit dies aber nicht möglich ist, nach der Allgemeinen Einstufungsrichtlinie gemäß Anhang B zur ChemV zu erfolgen. Daß eine derartige Stoffliste ebenso wie eine Allgemeine Einstufungsrichtlinie, mit der die Berechnungsmethode für gefährliche Zubereitungen konkretisiert wird, vom Gesetz gedeckt ist, ergibt sich für die Stoffliste aus § 17 Abs 2 zweiter Satz ChemG, wonach bestimmte Stoffe und Zubereitungen bereits vom Verordnungsgeber nach den Eigenschaften gemäß § 2 Abs 5 ChemG eingestuft werden können (= Stoffliste), sowie für die Allgemeine Einstufungsrichtlinie aus dem ersten Satz des § 17 Abs 2 ChemG in Verbindung mit den Kriterien des § 17 Abs 1 ChemG (Prüfungen, wissenschaftliche Erkenntnisse, praktische Erfahrungen, sonstige Informationen).

Gemäß § 4 Abs 1 ChemV hat die Einstufung gefährlicher Zubereitungen nach der Allgemeinen Einstufungsrichtlinie ferner unter Berücksichtigung der Grundsätze des § 7 Abs 2 ChemV zu erfolgen. § 7 Abs 2 ChemV nennt als Grundlagen der Einstufung physikalisch-chemische Daten, Ergebnisse geeigneter toxikologischer oder ökotoxikologischer Untersuchungen an biologischen Prüfsystemen und das unter Punkt 3 in der Allgemeinen Einstufungsrichtlinie angeführte Berechnungsverfahren unter Verwendung von Konzentrationsgrenzen. Das Berechnungsverfahren ist nur heranzuziehen, wenn Prüfungen nicht vorliegen. Prüfungen im Tierversuch schließen die Berechnungsmethode nur aus, wenn aus dem Tierversuch der begründete Verdacht einer größeren Gefährlichkeit der Zubereitung resultiert (§7 Abs 2a ChemV). Daß diese Subsidiarität des Tierversuchs der gesetzlichen Regelung des § 3 Abs 2 Z 2 Tierversuchsgesetz 1988 entspricht, ist ebensowenig zu bezweifeln wie die Rechtmäßigkeit des Verbots in § 7 Abs 7 ChemV, Versuche "am Menschen" zu berücksichtigen, ungeachtet des Umstandes, daß bereits vorliegende Ergebnisse derartiger Versuche jeweils zum Nachweis einer größeren als der sonst nach der ChemV sich ergebenden Gefährlichkeit verwendet werden dürfen. Geradezu abwegig ist es, derartige Regelungen als gleichheitswidrig zu bezeichnen, weil der durch die Einstufungsvorschriften der ChemV bewirkte Schutz von Tieren und Menschen vor ungerechtfertigter Nutzung zu Versuchszwecken jedenfalls sachlich gerechtfertigt ist.

Auch Abs 8 des § 7 ChemV setzt lediglich den dem ChemG eigenen, oben unter Punkt IV.2. näher beschriebenen Vorsorgegrundsatz normativ dadurch um, daß praktische Erfahrungen, die eine größere Gefährlichkeit von Zubereitungen erweisen als die Ergebnisse von Prüfungen, für die Einstufung maßgeblich sind.

Daß für Prüfungen der physikalisch-chemischen Eigenschaften in § 7 Abs 5 ChemV auf die Anforderungen der AnmV verwiesen wird und diese wiederum ihrerseits in § 6 Abs 1 AnmV auf international anerkannte Prüfrichtlinien wie die "OECD Guidelines for Testing of Chemicals" verweisen, kann ebenfalls keine Bedenken begründen, weil es sich dabei um einen Verweis auf international anerkannte Methoden der chemischen Wissenschaften mit dem Charakter antizipierter Sachverständigengutachten handelt, deren Inhalt jedenfalls für den Fachmann mit hinlänglicher Eindeutigkeit feststeht. Die Rechtslage ist insofern durchaus dem Verweis auf das Österreichische Lebensmittelbuch in § 51 LMG 1975 zu vergleichen, das ebenfalls Sachbezeichnungen, Begriffsbestimmungen, Untersuchungsmethoden und Beurteilungsgrundsätze zum Inhalt hat, mit denen sachverständig gewonnene Erfahrungswerte zur allgemeinen Kenntnis gebracht werden, und denen gegenüber der Verfassungsgerichtshof (VfSlg. 10224/1984; ) keine rechtlichen Bedenken hegte.

3.2. Die von einzelnen Antragstellern vorgetragene Kritik am Zustandekommen der ChemV, insbesondere der Novelle BGBl. 274/1992, vermag jedenfalls keine Gesetz- oder Verfassungswidrigkeit dieser Norm zu begründen.

§ 2 Abs 5 zweiter Satz ChemG fordert ebenso wie § 17 Abs 2 erster Satz ChemG vor Erlassung der darin vorgesehenen Verordnungen durch den zuständigen Bundesminister die Anhörung der Chemikalienkommission gemäß § 44 ChemG, nicht aber des Wissenschaftlichen Ausschusses gemäß § 45 ChemG. Diese Anhörung hat entsprechend dem Hinweis auf dem 2. Einlageblatt zu Z 03 3672/5-II/4/92 im Verordnungsakt des Bundesministeriums für Umwelt, Jugend und Familie sowie den Protokollen der 13. und 14. Sitzung der Chemikalienkommission vom und vom zufolge stattgefunden, wobei dem Protokoll der 13. Sitzung eine inhaltliche Diskussion sowie dem Protokoll der 14. Sitzung die Ankündigung der alsbaldigen Verlautbarung der ChemV-Novelle zu entnehmen ist. Da es aber jedenfalls für die Verpflichtung des Bundesministers nach §§2 Abs 5 und 17 Abs 2 ChemG ausreicht, die Kommission angehört, ihr sohin Gelegenheit zur Stellungnahme geboten zu haben - gleichgültig ob die Kommission die ihr gebotene Gelegenheit nutzte oder nicht (VfSlg. 11643/1988) -, liegt der behauptete Verfahrensmangel bei Erlassung der ChemV-Novelle, BGBl. 274/1992, nicht vor.

Unhaltbar ist der mehrfach erhobene Vorwurf, daß es sich bei Erlassung der ChemV-Novelle, BGBl. 274/1992, um ein rechtswidriges "Maßnahmen- oder Individualgesetz" handle, zumal der Verfassungsgerichtshof nicht einzusehen vermag, gegen welche Gesetzes- oder Verfassungsvorschrift eine von den Antragstellern derart qualifizierte Norm verstoßen soll. Daß zwecks Klarstellung der Einstufung der bereits kraft ChemG in dessen Geltungsbereich einbezogenen Waschmittel die ChemV geändert wurde, begründet jedenfalls keine Rechtswidrigkeit.

Da die Bedenken der Antragsteller sohin insgesamt nicht zutreffen, waren die Anträge, soweit sie zulässigerweise auf Aufhebung der §§4 Abs 1, 7 Abs 2, 7 Abs 2a, 7 Abs 5, 7

Abs7 und 7 Abs 8 ChemV sowie des § 6 Abs 1 AnmV gerichtet waren, abzuweisen.

V. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Fundstelle(n):
XAAAE-29870